Die Beitragsbemessungsgrenze
Der bei weitem größte Teil der Einnahmen in der GKV wird durch bruttolohnbezogene Versicherungsbeiträge aufgebracht. Jedoch gilt diese einkommensproportionale Beitragsaufbringung nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze. Dies ist diejenige Bruttoeinkommenshöhe, bis zu der höchstens GKV-Beiträge berechnet werden. Die Beitragsbemessungsgrenze in der GKV beträgt 75 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V). Bis Ende 2002 war sie mit der Versicherungspflichtgrenze identisch (siehe Lerntour zur
Die Existenz einer Beitragsbemessungsgrenze verletzt des Solidarprinzip, weil mit ihr Besserverdienende mit einem Einkommen über dieser Grenze einen geringeren Anteil ihres Einkommens für die Krankenversicherung entrichten als weniger gut Verdienende. Für diese Versichertengruppe sinkt somit die relative Belastung durch Krankenversicherungsbeiträge mit wachsendem Einkommen: So reduziert sich der Arbeitnehmeranteil am durchschnittlichen allgemeinen Beitragssatz von 7,3 Prozent (2017) bei Personen mit einem Einkommen bis zur Beitragsbemessungsgrenze von 4.350,00 Euro (2017) für einen Versicherten mit einem Bruttomonatseinkommen von 6.000 Euro auf einen Beitragssatz von 5,3 Prozent und für Versicherte mit Bruttomonatseinkommen von 10.000 Euro auf einen Beitragssatz von lediglich 3,2 Prozent.
Beitragsbelastung für freiwillig versicherte Arbeitnehmer in der gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2017
ohne Berücksichtigung des Zusatzbeitrags
Bruttoeinkommen | Arbeitnehmerbeitrag (Euro) | Beitragssatz |
---|---|---|
4350,00 (und weniger) | 317,55 | 7,3 |
5000,00 | 317,55 | 6,4 |
6000,00 | 317,55 | 5,3 |
8000,00 | 317,55 | 4,0 |
10.000,00 | 317,55 | 3,2 |
Quelle: Eigene Darstellung (in Anlehnung an Rosenbrock/Gerlinger 2014).
Ein wichtiges Motiv für die Einführung einer Beitragsbemessungsgrenze war der Versuch, die Anziehungskraft der GKV für Besserverdienende mit einer Begrenzung der Beiträge für die Gruppe der Personen mit Wahlfreiheit zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung zu erhöhen. Auf diese Weise wird aber die mit der Trennung in GKV- und PKV verbundene Ungleichheit durch eine Ungleichbehandlung von Mitgliedern innerhalb der GKV reproduziert.
Der Zusatzbeitrag
Seit 2009 müssen die Krankenkassen einen Zusatzbeitrag erheben, um ein eventuelles Defizit zu decken. Dieser Zusatzbeitrag wird allein von den Versicherten getragen. Der Arbeitgeberbeitragssatz ist damit eingefroren. Seit 2015 wird dieser Zusatzbeitrag nur noch prozentual erhoben. Hintergrund dieser Abkehr von der paritätischen Finanzierung ist der Wille des Gesetzgebers, die Arbeitgeber von Lohnkosten zu entlasten, um die Konkurrenzfähigkeit des Standorts Deutschland und der hier angesiedelten Unternehmen zu verbessern. Der Zusatzbeitrag hat mittlerweile schon zu einer deutlichen Mehrbelastung der Versicherten geführt. Anfang 2016 erhoben nahezu alle Krankenkassen einen Zusatzbeitrag. Der durchschnittliche Zusatzbeitrag belief sich Anfang 2016 auf 1,1 Prozentpunkte, in der Spitze sogar auf 1,7 Prozentpunkte. Der durchschnittliche Gesamtbeitragssatz belief sich damit auf 15,7 %, der Höchstbeitragssatz auf 16,3 %. Versicherte mit einem jährlichen Einkommen in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze (2017: 52.200 Euro) müssen damit Zusatzbeiträge in Höhe von bis zu 887,40 Euro pro Jahr entrichten. Wenn die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften nicht verändert werden, wird sich der Zusatzbeitrag in den kommenden Jahren weiter erhöhen.
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Beschränkung der Beitragsbemessung auf Einkommen aus abhängiger Arbeit
Die Berechnung der GKV-Beiträge bezieht sich nur auf die Einkommen aus abhängiger Arbeit. Andere Einkunftsarten, wie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, Zins- und Kapitaleinkünfte oder Werkverträge bleiben unberücksichtigt. Diese Begrenzung ist unter dem Gesichtspunkt der Solidarität nicht nachvollziehbar.
Wahltarife
Seit 2007 können die Krankenkassen gesetzlich Versicherten als Satzungsleistung besondere Tarife anbieten, die einen Anreiz schaffen, Leistungen nicht oder nur in geringerem Umfang in Anspruch zu nehmen. Unter dem Gesichtspunkt der Solidarität sind unter ihnen vor Selbstbehalt- und Beitragsrückerstattungstarife von Bedeutung. Bei der Wahl eines solchen Tarifs können die Versicherten bei einem Leistungsverzicht in den Genuss eines reduzierten Beitrags kommen. Der Beitragsrückerstattungstarif ermöglicht eine teilweise Rückerstattung von Beiträgen im Falle der Nichtinanspruchnahme von Leistungen. Der Selbstbehalttarif verpflichtet sie, einen bestimmten Umfang der Behandlungskosten gegen eine Beitragsermäßigung selbst zu tragen. Die Versicherten sind bei Wahl eines solchen Tarifs für drei Jahre an die jeweilige Krankenkasse gebunden, auch wenn diese einen Zusatzbeitrag einführt. Arbeitslose, sog. "Hartz-IV"- und Sozialhilfeempfänger, deren Mitgliedsbeiträge vollständig von Dritten übernommen werden, dürfen diese Wahltarife nicht in Anspruch nehmen.
Auch Wahltarife stehen im Widerspruch zum Solidaritätsprinzip. Von ihnen profitieren vor allem Junge und Gesunde, denn nur sie können davon ausgehen, dass sie nicht oder nur in geringem Umfang auf medizinische Leistungen angewiesen sind. Dem solidarischen GKV-Finanzierungssystem werden auf diese Weise Beitragsmittel entzogen. Die Einführung von Selbstbehalt- und Beitragsrückerstattungstarifen ist für die GKV von erheblicher ordnungspolitischer Tragweite, denn mit ihnen wird die Beitragshöhe in gewissem Umfang mit dem Krankheitsrisiko verknüpft. Somit halten Prinzipien der privaten Krankenversicherung Einzug in die GKV. Wahltarife rütteln an einem tragenden Pfeiler des Solidarprinzips.