Grundsätze
Nach dem Bedarfsprinzip haben gesetzlich Krankenversicherte einen Rechtsanspruch auf alle Leistungen, die für die Behandlung ihrer Krankheit medizinisch notwendig sind. Der Leistungskatalog der GKV ist entsprechend umfangreich. Dabei unterscheidet das Leistungsrecht zwischen Regelleistungen, zu deren Finanzierung alle Krankenkassen rechtlich verpflichtet sind, und Satzungsleistungen, die Krankenkassen zusätzlich zu den gesetzlich vorgeschriebenen Leistungen finanzieren können. Zu letzteren zählen z.B. künstliche Befruchtung, Hebammenleistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft oder nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel. Eine Krankenkasse kann nur solche Leistungen als Satzungsleistungen finanzieren, die der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) nicht ausgeschlossen hat. Der Gesetzgeber kann grundsätzlich bestimmte Leistungen von der Erstattungspflicht ausschließen.
Bei der Erbringung von Leistungen nach dem Bedarfsprinzip gilt das Wirtschaftlichkeitsgebot (§§ 2 und 12 Abs. 1 SGB V): Der Patient hat nur Anspruch auf Leistungen, die ausreichend und zweckmäßig sind und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit richten sich nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse. Welche Leistungen diese Kriterien erfüllen und daher grundsätzlich von den Krankenkassen zu erstatten sind, legt der Gemeinsame Bundesausschuss durch seine Entscheidungen und Richtlinien fest. Er prüft den Nutzen und die Wirtschaftlichkeit von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden.
Einen Leistungskatalog im wörtlichen Sinn, also eine Liste mit allen erstattungsfähigen Leistungen, gibt es also nicht. Das, was im Allgemeinen als Leistungskatalog bezeichnet wird, ist die Summe aller gesetzlich formulierten Bestimmungen und der einschlägigen Entscheidungen des G-BA zur Erstattungsfähigkeit von Leistungen. Darüber hinaus können Entscheidungen des G-BA auch gerichtlich beanstandet werden.
Welche Leistungen im einzelnen Behandlungsfall notwendig, zweckmäßig, ausreichend und damit wirtschaftlich sind, obliegt der Entscheidung des behandelnden Arztes. Die gesetzlichen Vorgaben sowie die untergesetzlichen Bestimmungen – vor allem die des G-BA – geben ihm dabei den Handlungsrahmen vor.
Leistungsarten
Zu den wichtigsten Leistungsarten der GKV zählen:
ärztliche Behandlung zur Heilung von Krankheiten, darunter auch psychiatrische und psychotherapeutische Leistungen
zahnärztliche Behandlung und Zahnersatz
Behandlung im Krankenhaus sowie in Kur- und Spezialeinrichtungen (z.B. psychiatrische Krankenhäuser)
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Hilfs- und Heilmitteln
psychotherapeutische Leistungen
Primärprävention und Gesundheitsförderung
Krankheitsfrüherkennung
häusliche Krankenpflege
Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft
Geldleistungen (v.a. Krankengeld)
ergänzende Leistungen (z.B. Familienheimfahrten, Haushaltshilfen etc.).
Der Leistungskatalog wurde in den Nachkriegsjahrzehnten erheblich ausgeweitet. Auch seit Ende der 1980er-Jahre nahm der Gesetzgeber wiederholt einzelne Leistungen bzw. Leistungsarten in den Leistungskatalog auf. Dazu zählten z.B.
Primärprävention und Gesundheitsförderung,
Soziotherapie,
ambulante Palliativversorgung.
Leistungsausgliederungen
Allerdings machten sich seit Mitte der 1970er-Jahre auch Gegentendenzen bemerkbar. Seitdem werden Leistungsausweitungen begleitet von einer Reihe gesetzlich vorgeschriebener Leistungsausgliederungen. Zu den vorgenommenen Leistungsausgrenzungen zählen:
die Ausgrenzung von Bagatellarzneimitteln für Versicherte über 18 Jahre, also Medikamenten gegen als geringfügig eingestufte Gesundheitsstörungen (z.B. Erkältungs- und Grippemittel, Mund- und Rachentherapeutika). Diese sind von der Verordnungsfähigkeit durch die GKV ausgeschlossen.
die Aufnahme einer Negativliste in das Fünfte Sozialgesetzbuch, die es dem Bundesgesundheitsminister erlaubt, unwirtschaftliche Arzneimittel z.B. für das Therapieziel nicht erforderliche Bestandteile enthalten oder deren Wirksamkeit nicht nachgewiesen ist) per Rechtsverordnung zu Lasten der Kassen von der Verordnung auszuschließen;
die Ausgliederung diverser Geldleistungen (z.B. Sterbegeld, Entbindungsgeld);
die Ausgrenzung von Behandlungen, die Folgen ästhetischer Operationen, von Piercings oder Tätowierungen sind;
die Abschaffung des Zuschusses für Brillen;
die Umstellung der Kosten von Zahnersatz auf Festzuschüsse.
InfoBeispiele für aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ausgegliederte Leistungen
Sterbegeld
Entbindungsgeld
Arzneimittel, die der Verbesserung der Lebensqualität dienen
nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel
Kassenzuschuss für Fahrtkosten (bis auf wenige Ausnahmen)
Kassenzuschuss für Fahrtkosten (bis auf wenige Ausnahmen)
Sterilisation ohne medizinische Notwendigkeit
Zuschuss für Brillen
Quelle: Eigene Darstellung
Die seit Ende der 1980er-Jahre vorgenommenen Leistungsausschlüsse betrafen allerdings nicht den Kern der medizinischen Versorgung, sondern überwiegend solche Leistungen,
die entweder als versicherungsfremd (z.B. Sterbegeld, Entbindungsgeld) gelten,
die unwirtschaftlich sind (z.B. Arzneimittel der Negativliste),
deren Kosten gering und daher als zumutbar angesehen werden (z.B. nicht rezeptpflichtige Arzneimittel)
oder die im Zusammenhang mit Problemen stehen, denen ein Krankheitswert abgesprochen wurde (z.B. künstliche Befruchtung, Sterilisation, Beseitigung der Folgen von Piercings und Tätowierungen).
Grundsätzliche Leistungsausschlüsse
Eine Reihe von Leistungen und Leistungsarten sind grundsätzlich nicht im Leistungskatalog enthalten, zumeist weil sie nicht im Zusammenhang mit einer Erkrankung stehen oder weil der Gemeinsame Bundesausschuss einen Nutzen verneint hat bzw. der Nutzen nicht in einem angemessenen Verhältnis zu möglichen Schäden steht. Dazu zählen:
medizinisch-kosmetische Behandlungen (z.B. Fettabsaugung),
reisemedizinische Leistungen (Beratung, Impfung),
sportmedizinische Beratungen und Untersuchungen,
bestimmte Früherkennungsuntersuchungen (Bestimmung des Prostata-spezifischen Antigens (PSA) oder Sonographie der Halsschlagader)
Bei einzelnen dieser Leistungen (z.B. beim Sterbegeld) erscheint ein Ausschluss nachvollziehbar. Bei anderen wiederum existieren oft recht breite Grauzonen. Dies ist z.B. der Fall bei der Messung der therapeutischen Wirksamkeit von Heilverfahren und Medikamenten oder bei der Unterscheidung von medizinischer Notwendigkeit und Verbesserung der Lebensqualität. Leistungsausschlüsse können hier Versicherten Nachteile bringen, die nur schwer zu rechtfertigen sind. Wiederum andere Leistungsausschlüsse (etwa der Zuschuss für Brillen) erscheinen unter dem Gesichtspunkt der Notwendigkeit generell als willkürlich und ungerechtfertigt.
Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL)
In den letzten Jahren haben individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) für gesetzlich Krankenversicherte erheblich an Bedeutung gewonnen haben. IGeL sind Leistungen, die der Arzt als privatärztliche Leistungen für Kassenpatienten erbringt und deren Kosten die Patienten daher vollständig privat tragen müssen. Die Gründe für ihren Ausschluss aus der gesetzlichen Erstattungspflicht sind unterschiedlich. Es kann sich um Leistungen handeln,
bei denen es sich nicht um die Behandlung einer Krankheit handelt
die vom G-BA wegen fehlenden Nutzens nicht in den Leistungskatalog aufgenommen wurden oder
über deren Aufnahme in den Leistungskatalog noch nicht entschieden wurde.
sportmedizinische Beratungen und Untersuchungen
Seit Ende der 1990er-Jahre haben Ärzte IGeL erheblich ausgeweitet. Der Gesamtumfang des IGeL-Marktes betrug 2010 schätzungsweise 1,5 Milliarden Euro