Wie werden ambulante ärztliche Leistungen in der privaten Krankenversicherung vergütet?
Privat Krankenversicherte gehen im Unterschied zu gesetzlich Krankenversicherten ein privatrechtliches – und kein sozialrechtliches – Verhältnis zu den Leistungserbringern, also auch zu Ärzten, ein. Sie schließen sowohl mit ihrem Versicherungsunternehmen als auch mit ihrem Arzt einen individuellen Vertrag ab.
Aus diesem Vertrag entsteht dem Arzt ein Anspruch auf Vergütung der Leistungen gegenüber dem Patienten. Diese Vergütung erfolgt nach dem Kostenerstattungsprinzip. Der Arzt stellt dem Patienten seine Leistungen in Rechnung. Der Patient begleicht diese Rechnung direkt beim Arzt und reicht sie dann bei seinem Krankenversicherungsunternehmen ein. Anschließend erhält er entsprechend dem geschlossenen Versicherungsvertrag die Rechnungssumme oder einen Teilbetrag von seiner Krankenversicherung zurück. Die je nach Tarif mögliche Differenz zwischen den Behandlungskosten und dem Erstattungsbetrag der Versicherung muss der Patient individuell tragen. Bei Beamten übernimmt der Dienstherr diese Differenz – in der Regel die Hälfte der Kosten – als Beihilfe. Werden Leistungen nicht oder nur in geringem Umfang in Anspruch genommen, kann eine Teil der Versicherungsbeiträge ("Prämien") rückerstattet werden.
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Die Berufsordnung für Ärzte, also die jeweilige Landesärzteordnung, verpflichtet die Ärzte, ihre Honorarforderungen auf Basis der "Gebührenordnung für Ärzte" (GOÄ) zu berechnen. Die GOÄ ist für alle Ärzte bindend, wenn nicht ein Bundesgesetz eine andere Honorierung vorschreibt. Die GOÄ wird per Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats erlassen.
Im Gebührenverzeichnis der GOÄ werden ärztliche Einzelleistungen (Gebührenpositionen) aufgeführt und mit einem Gebührensatz (in Euro) bewertet. Dieser Gebührensatz ("Einfachsatz") ergibt sich aus der Multiplikation der für die Leistung hinterlegten Punktzahl mit dem Punktwert, der 5,82873 Cent beträgt (§ 5 Abs. 1 GOÄ). Der Arzt kann den sich daraus ergebenden Betrag in der Regel bis zum 2,3fachen erhöhen. Bei besonderen Begründungen kann der Multiplikationsfaktor auf das 3,5fache angehoben werden. Die Kriterien, die der Arzt bei der Steigerung des Gebührensatzes zugrunde zu legen hat, gehen aus § 5 Abs. 2 GOÄ hervor.
Dort heißt es:
Quellentext§ 5 Abs. 2 GOÄ
Innerhalb des Gebührenrahmens sind die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen. Die Schwierigkeit der einzelnen Leistung kann auch durch die Schwierigkeit des Krankheitsfalles begründet sein (...). Bemessungskriterien, die bereits in der Leistungsbeschreibung berücksichtigt worden sind, haben hierbei außer Betracht zu bleiben. In der Regel darf eine Gebühr nur zwischen dem Einfachen und dem 2,3fachen des Gebührensatzes bemessen werden; ein Überschreiten des 2,3fachen des Gebührensatzes ist nur zulässig, wenn Besonderheiten der in Satz 1 genannten Bemessungskriterien dies rechtfertigen.
Die gegenwärtig gültige GOÄ stammt aus dem Jahr 1982 und gilt allgemein als veraltet. Seit längerer Zeit verhandeln die Bundesärztekammer und die Private Krankenversicherung über eine neue GOÄ. Jedoch konnten die Verhandlungen noch nicht zu einem Abschluss gebracht werden.
Erheblich höhere Honorare für die Versorgung von Privatpatienten
Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), Stand 1. Januar 2002
Interner Link: Infografik als PDF-Download
Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), Stand 1. Januar 2002
Interner Link: Infografik als PDF-Download
Aufgrund der skizzierten Regeln ist in der ambulanten Versorgung die Vergütung für privatärztliche Leistungen deutlich höher als die Vergütung für identische vertragsärztliche Leistungen. Zudem existieren in der privatärztlichen Versorgung auch keine Ausgabenbegrenzungen. Aus diesen Gründen erhalten Privatpatienten in der ambulanten Versorgung häufig schneller einen Behandlungstermin als GKV-Patienten
Vor allem private Krankenversicherer beklagen eine vermeintliche Quersubventionierung der GKV durch die PKV, weil die Ausgabenbegrenzungen der GKV für Ärzte einen Anreiz schaffen würden, sich in der PKV für die entgangenen Einnahmen in der vertragsärztlichen Versorgung schadlos zu halten.
In der Tat stößt das Geschäftsmodell der PKV in der ambulanten Versorgung auf erhebliche Schwierigkeiten. Die PKV erstattet dem Patienten in der Regel die Kosten der ärztlichen Behandlung. Private Krankenversicherer intervenieren üblicherweise nicht in das Arzt-Patient-Verhältnis und sind, anders als mittlerweile die gesetzlichen Krankenkassen, auf die Funktion eines "payers" beschränkt. Daher ist die Leistungsgewährung in der PKV großzügiger als in der GKV – eine Eigenschaft, mit der die PKV im Übrigen auch gerne wirbt. Allerdings muss eine großzügigere Leistungsgewährung nicht identisch sein mit einer besseren Versorgung. Das PKV-Modell bietet Ärzten die Möglichkeit, an Privatpatienten auch solche Leistungen zu erbringen, die nicht notwendig, unwirksam oder von zweifelhaftem Nutzen sind und aus diesem Grund von den gesetzlichen Krankenkassen auch nicht erstattet werden. Der Verzicht auf die Steuerung ärztlicher Leistungen ist für die privaten Krankenversicherer problematisch, weil er zusätzlich zu anderen Faktoren steigende Ausgaben in der ambulanten Versorgung begünstigt
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