Auf andere Länder wirkte die tschechische Reaktion zunächst extrem: Kaum war im März der erste Fall bekannt, schloss sich Tschechien von der Außenwelt ab. Touristen mussten über Nacht das Land verlassen, Karlsbrücke und Prager Burg blieben verwaist zurück. Rasch wurde für die Bevölkerung die Maskenpflicht eingeführt. Eine harte Forderung, weil es fast keine Masken gab. Doch dann staubten viele die Nähmaschinen ab und nähten massenhaft Masken. Dies hielt die Zahl der positiv Getesteten klein. Premier Andrej Babiš wähnte sich als „bester Regierungschef Europas im Kampf gegen Corona“.
Im Sommer zog allerdings der große Leichtsinn ein: Hunderte Prager feierten an einem riesigen Tisch auf der Karlsbrücke mit Sekt und Häppchen den „Sieg über das Virus“. Fortan ging es nur noch darum, wo man seinen Sommerurlaub im Ausland verbringen könne. Mit Folgen: Als sich mitten im Sommer die Zahlen verschlechterten, verlangte der Gesundheitsminister, neuerlich die Maskenpflicht einzuführen, wurde aber von Premier Babiš zurückgewiesen. Der dachte schon an Regionalwahlen im Frühherbst. Babiš gewann zwar die Wahlen, aber Tschechien hatte nun den richtigen Zeitpunkt verpasst, die Zügel wieder anzuziehen. Der Gesundheitsminister nahm seinen Hut.
Anfang Oktober musste erneut der Ausnahmezustand ausgerufen werden, Mitte des Monats der zweite Lockdown. Nun aber weigerten sich viele Tschechen, der Regierung zu folgen. Schon ganz und gar, als der neue Gesundheitsminister seine eigenen Regeln nicht einhielt. Tschechien wurde mit zeitweise weit mehr als 1.000 Neuinfektionen pro einer Million Einwohner pro Tag zum europäischen Hotspot. Die aktuellen etwas niedrigeren Zahlen deuten an, dass das Land mit einem blauen Auge davonkommen könnte. Dennoch sind schon mehr als 5.000 Tote zu beklagen.