Die polnische Regierung reagierte schnell und mit starken Restriktionen auf die Pandemie. Am 15. März schloss Polen seine Grenzen für alle Ausländerinnen und Ausländer. Bald stellten Restaurants, Fitnessstudios und Geschäfte den Betrieb ein. Zeitweise durften die Polinnen und Polen keine öffentlichen Parks und Wälder betreten. Die Bürgerinnen und Bürger hielten sich an die Restriktionen, denn sie fürchteten sich vor dem Zusammenbruch des Gesundheitssystems. Das polnische Gesundheitssystem ist unterfinanziert, die Schichten des medizinischen Personals sind unterbesetzt und dauern länger als etwa in Deutschland, die Löhne sind geringer. Leute in medizinischen Berufen wandern zur Arbeit oft in andere EU-Länder aus.
Doch der Schock blieb aus: Die Pandemie hat Polen vergleichsweise mild getroffen. Laut Gesundheitsamt sind momentan 13.591 Menschen infiziert (Stand: 23. Juni), täglich erkranken 300 Menschen neu und rund 500 genesen. Es wird zwar wenig getestet, aber auch die Todesfälle sind mit knapp 1.400 vergleichsweise wenige. Auch die Wirtschaft, die in Polen divers aufgestellt ist, kommt voraussichtlich gut durch die Krise. Das Bauwesen und die Pharma- und Chemiebranche etwas funktionierten auch während der Pandemie weiter. Die Kohlegruben im Süden des Landes hat das Virus allerdings hart getroffen. Dort wurden mehr als 10.000 Infektionen festgestellt. Die Gruben wurden für drei Wochen geschlossen, die Arbeiter mussten in Quarantäne.
Die öffentliche Debatte drehte sich in den vergangenen Monaten stark um die Präsidentschaftswahlen. Der eigentliche Wahltermin war der 10. Mai. Die nationalkonservative Regierungspartei PiS, deren Kandidat Andrzej Duda zugleich der amtierende Präsident ist, wollte am Termin festhalten und versuchte, kurzfristig ein Gesetz einzuführen, das eine Briefwahl erlaubt. Die Opposition protestierte. Małgorzata Kidawa-Błońska, Kandidatin der größten Oppositionspartei Bürgerplattform, kündigte sogar an, sie werde keinen Wahlkampf mehr machen. Denn während alle anderen Kandidaten kaum öffentlich auftreten konnten, war Duda aufgrund der Krise häufig in TV- und Radioshows zu sehen. Schließlich wurde der Termin doch auf den 28. Juni verschoben. Die Bürgerplattform stellte inzwischen einen neuen Kandidaten vor: den Warschauer Bürgermeister Rafał Trzaskowski, der nach neuesten Umfragen viel bessere Chancen auf eine Wahl hat als seine Vorgängerin. Erhält kein Kandidat mehr als 50 Prozent der Stimmen, findet am 12. Juli eine Stichwahl statt.