Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Regenbogenfamilien in Deutschland | Homosexualität | bpb.de

Homosexualität Stationen der Ehe für alle in Deutschland Homophobie Schwul, verfolgt, geflohen Eine Regenbogen- geschichte Essay: Zwischen Verfolgung und Emanzipation Geschichte des CSD Diskriminierung Homosexualität und Fußball Schwule/Lesben und Muslime Homosexualität und Arbeitswelt Homophobie in der Popmusik Menschenrechte Regenbogenfamilien AIDS-Prävention Homosexualität und Religion/en Redaktion

Regenbogenfamilien in Deutschland

Pia Bergold Dr. Andrea Buschner

/ 17 Minuten zu lesen

Gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern werden in Deutschland auch "Regenbogenfamilien" genannt. Pia Bergold und Andrea Buschner fassen zusammen, wie viele Menschen in Deutschland in dieser Familienform leben, wie sich die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Familiengründung insbesondere mit der Öffnung der Ehe verändert haben und zu welchem Ergebnis Studien kommen, die sich mit dem familiären Zusammenleben beschäftigen.

Seit dem 1. Oktober 2017 können gleichgeschlechtliche Ehepaare gemeinsam fremde Kinder adoptieren. (© picture-alliance/dpa)

Einleitung

Gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern werden in Deutschland auch Regenbogenfamilien genannt. Diese stellen eine relativ seltene, wenn auch sehr vielfältige Familienform dar, wobei eine genaue Schätzung ihrer Anzahl aufgrund der Datenlage schwierig ist. Unter den Regenbogenfamilien sind Adoptiv- und Pflegefamilien ebenso zu finden wie Familien, deren Kind aus einer heterosexuellen Partnerschaft stammt oder mittels Insemination, also der künstlichen Übertragung von Samen, in der aktuellen lesbischen Beziehung geboren wurde (Buschner/Bergold 2017a; Rupp/Dürnberger 2010). Der Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes bietet als bevölkerungsrepräsentative Haushaltsbefragung lediglich die Möglichkeit, die Anzahl der gleichgeschlechtlichen Paaren mit einem gemeinsamen Haushalt zu schätzen.

2016 bildeten etwa 95.000 gleichgeschlechtliche Paare einen gemeinsamen Haushalt. Etwa jede Zehnte dieser Partnerschaften (n ≈ 10.000; 10,5 Prozent) kann als Regenbogenfamilie im engeren Sinn bezeichnet werden, da hier zum Befragungszeitpunkt mindestens ein lediges Kind im Haushalt der Männer- oder Frauenpaare lebte. Rund 14.000 Kinder waren 2016 in Deutschland Teil einer solchen Regenbogenfamilie (0,07 Prozent aller ledigen Kinder in Deutschland; Statistisches Bundesamt 2017: S. 140).

Im Vergleich dazu bildeten im gleichen Jahr 7.894.000 verschiedengeschlechtliche Ehepaare und 970.000 nichteheliche Lebensgemeinschaften mit ledigen Kindern sowie 2.701.000 Alleinerziehende einen Familienhaushalt (Statistische Bundesamt 2017: S. 76f.).

„Ehe für alle“ – geschichtliche Entwicklung und öffentlicher Diskurs

Elternpaare in Regenbogenfamilien, aber auch kinderlose lesbische und schwule Paare sowie weitere Engagierte haben in den letzten drei Jahrzehnten beharrlich für die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften mit verschiedengeschlechtlichen Partnerschaften gekämpft. Seit dem 1. Oktober 2017 können zwei Frauen oder zwei Männer in Deutschland heiraten. Bestehende Eingetragene Lebenspartnerschaften können in eine Ehe umgewandelt werden. Diese Entwicklung stellt einen Meilenstein der Gleichstellung dar. Bereits 25 Jahre zuvor forderten schwule und lesbische Paare im Rahmen der "Aktion Standesamt" den Zugang zur Ehe, indem sie Standesämter in ganz Deutschland aufsuchten, um das Aufgebot zu bestellen. Nachdem ihnen die Eheschließung verweigert wurde, bestritten einige dieser etwa 250 Paare den Rechtsweg, was letztlich am 4. Oktober 1993 in einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts mündete. Darin enthalten war ein Passus, der bis heute von Gegner*innen der Gleichstellung zitiert wird. Das Gericht zählte damals "die Geschlechtsverschiedenheit zu den prägenden Merkmalen der Ehe", weshalb gleichgeschlechtlichen Paaren der Zugang zu dieser (noch) verwehrt blieb. Die Gleichstellungskritiker*innen argumentierten wie folgt: Ehe und Familie stehen laut Artikel 6 des Deutschen Grundgesetzes unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Schützenswert sei die Ehe deshalb, weil sie als "Keimzelle" der Gesellschaft auf Reproduktion – also auf Kinder – ausgerichtet sei. Ehe, so wird weiter argumentiert, stelle seit jeher eine Verbindung aus Mann und Frau dar. Damit sei ein wichtiges Kriterium der Ehe – die Verschiedengeschlechtlichkeit – bei lesbischen und schwulen Paaren nicht erfüllt. Befürworter*innen der Gleichstellung und Öffnung der Ehe argumentierten jedoch schon damals, dass der Ehebegriff, so wie er in der Verfassung verwendet wird, nicht eindeutig definiert, sondern vielmehr interpretationsoffen ist und somit dem Wandel der Gesellschaft unterliegt.

Einführung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft im Jahr 2001

Im Jahr 2001 wurde mit der Eingetragenen Lebenspartnerschaft – der damals oft so genannten "Homo-Ehe" – ein alternativer rechtlicher Rahmen für gleichgeschlechtliche Paare geschaffen. Das Lebenspartnerschaftsgesetz bildete die rechtliche Grundlage für die formalisierte Partnerschaft ausschließlich für gleichgeschlechtliche Paare. Die Eingetragenen Lebenspartner*innen erhielten fast alle Pflichten, aber zum damaligen Zeitpunkt kaum die Rechte von Eheleuten. In den darauffolgenden Jahren gab es zahlreiche Anpassungen und Modifizierungen von Gesetzen zur Angleichung der Lebenspartnerschaft an die Ehe. Erst seit 2005 ist es z.B. Frauenpaaren, die sich einen gemeinsamen Kinderwunsch erfüllt haben, möglich, dass die nicht-biologische Mutter das Kind ihrer Eingetragenen Lebenspartnerin in einer Stiefkindadoption annimmt und damit die vollen Elternrechte und –pflichten erhält. Während Eingetragene Lebenspartner bis 2013 steuerlich wie Ledige veranlagt wurden, können sie seitdem bei der Einkommenssteuer von den steuerlichen Vorteilen des Ehegattensplittings profitieren. Die Ermöglichung der Sukzessivadoption 2014 schaffte letztlich rechtliche Bedingungen, die einer gemeinschaftlichen Adoption relativ nahe kamen, da im Ergebnis letztlich beide Lebenspartner*innen das Kind nacheinander adoptieren. Solange jedoch nur ein*e Partner*in das Kind adoptiert hat, ist die Eltern-Kind-Beziehung zum anderen Elternteil nicht rechtlich abgesichert. Wird die Adoption sukzessive durchgeführt, so kann der Zeitraum, in dem das Kind rechtlich nur über einen Elternteil verfügt, stark variieren. Die Adoption durch den zweiten Elternteil kann hierbei im Rahmen zweier direkt aneinander anschließender Gerichtsverfahren erfolgen oder erst Monate später durchgeführt werden. An diesen Beispielen wird die zunehmende Gleichstellung der Lebenspartnerschaft mit der Ehe deutlich, an der das Bundesverfassungsgericht mit seiner Rechtsprechung maßgeblich beteiligt war.

Bedeutungswandel des Ehebegriffs beim Bundesverfassungsgericht

Parallel zur Angleichung der Eingetragenen Lebenspartnerschaften an die Ehe vollzog sich bereits 2002 ein Wandel im Verständnis des Ehebegriffs beim Bundesverfassungsgericht. Genauer wurde in einem Urteil festgehalten: „Das Grundgesetz selbst enthält keine Definition der Ehe, sondern setzt sie als besondere Form menschlichen Zusammenlebens voraus. (…) Der Gesetzgeber hat dabei einen erheblichen Gestaltungsspielraum, Form und Inhalt der Ehe zu bestimmen“. Im Frühjahr 2015 deutete sich eine weitere Entwicklung hin zur Öffnung der Ehe an, als die Justizministerien der Länder wichtige Beschlüsse zu diesem Thema verabschiedeten. Sie bezeichneten die rechtliche Ungleichbehandlung von Ehen und Lebenspartnerschaften als "nicht länger tragbar" und hielten die Öffnung der Ehe im Sinne der umfassenden Gleichstellung für angemessen und geboten. Zuletzt stellten sie klar, dass für eine Öffnung der Ehe auch für schwule und lesbische Paare – die sogenannte "Ehe für alle" – keine Änderung des Grundgesetzes erforderlich wäre. Sie begründeten dies mit dem gewandelten Verfassungsverständnis.

Ähnlich argumentierte auch Friederike Wapler in einem Gutachten, das sie 2015 im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung erstellt hatte. Laut Wapler ist aus der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes nicht ersichtlich, dass der Ehebegriff immer im Sinne einer verschiedengeschlechtlichen Paarbeziehung interpretiert werden muss. Vielmehr sieht die Autorin den Ehebegriff als interpretationsoffen und damit wandlungsfähig im Zuge von Veränderungen der gesellschaftlichen Verhältnisse und Anschauungen an. Sie forderte daher die Öffnung der Ehe. Für sie stellen die Ehe und die Lebenspartnerschaft funktionsgleiche Verbindungen dar. Beide bilden auf Dauer angelegte Verantwortungs- und Solidargemeinschaften, was letztlich laut ihr den Kern des besonderen Schutzes von Ehe und Familien ausmacht (vgl. Art. 6 GG). Die Reproduktionsfunktion der Ehe, die von vielen Gleichstellungsgegnern als Argument ins Feld geführt wird, wurde hierbei weniger Bedeutung beigemessen. Wapler argumentiert, dass in Anbetracht der steigenden Anzahl an kinderlos bleibender Ehen und einer gestiegenen Zahl an außerehelichen Geburten die empirische Grundlage für das Argument fehle, die Ehe sei in besonderer Weise auf die Geburt von Kindern angelegt. Weitere zwei Jahre später, im Juni 2017, wurde schließlich das Gesetz zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare im Bundestag verabschiedet.

Aktuelle Rechtslage für Regenbogenfamilien

Die Ehe für alle war ein großer Schritt für eine gleichberechtigte Familiengründung. Seit dem 1. Oktober 2017 können gleichgeschlechtliche Ehepaare gemeinsam – und nicht etwa nacheinander – fremde Kinder adoptieren. Ein rechtlicher Unterschied zwischen Regenbogenfamilien und Familien mit verschiedengeschlechtlichen Eltern besteht bis heute jedoch im Abstammungsrecht und damit auch in der rechtlichen Absicherung der Kinder. Dies wirkt sich vor allem auf Regenbogenfamilien aus, in welchen ein*e Partner*in leiblicher Elternteil des Kindes ist. Kinder, die in einer verschiedengeschlechtlichen Ehe geboren werden, verfügen von Geburt an über zwei rechtliche Elternteile und zwar auch dann, wenn die Umsetzung des Kinderwunsches z.B. mittels einer fremden Samenspende erfolgt ist. Im Gegensatz dazu haben Kinder aus lesbischen Inseminationsfamilien zum Zeitpunkt ihrer Geburt nur einen rechtlichen Elternteil, nämlich die Frau, die sie zur Welt gebracht hat. Sind Mutter und Vater in verschiedengeschlechtlichen Partnerschaften unverheiratet, so können die Vaterschaftsanerkennung sowie die Regelung einer gemeinsamen Sorge ebenfalls bereits vor der Geburt des Kindes erfolgen, sodass auch diese Kinder zum Zeitpunkt der Geburt zwei rechtliche Elternteile haben. In Regenbogenfamilien müssen Lebenspartner*innen und seit Oktober 2017 auch gleichgeschlechtliche Ehepartner*innen das leibliche Kind ihres Partners bzw. ihrer Partnerin nach wie vor adoptieren (Stiefkindadoption), um eine tatsächlich bestehende Eltern-Kind-Beziehung mit der sozialen Mutter auch rechtlich abzusichern. Dieses Verfahren kann unterschiedlich lange dauern und sorgt letztlich dafür, dass das Kind bis zur Beendigung des Verfahrens nur einen rechtlichen Elternteil hat.

Bis zur Öffnung der Ehe 2017 war die gemeinschaftliche Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare einer der letzten großen Rechtsbereiche, in welchem Unterschiede zu Ehepaaren bestanden. Um eine komplette Gleichstellung zu verhindern, argumentierten Kritiker*innen im Gegensatz zu den 1990er-Jahren zunehmend mit dem möglicherweise gefährdeten Kindeswohl. Sie sahen die besten Bedingungen für das Aufwachsen von Kindern in Familien mit Vater und Mutter und äußerten verschiedene Befürchtungen im Hinblick auf die Entwicklung von Kindern in Regenbogenfamilien. Befürworter*innen der Gleichstellung und damit auch der gemeinschaftlichen Adoption entgegneten im Zuge dessen, dass gerade die Gleichstellung von lesbischen und schwulen Paaren mit Ehepaaren dem Kindeswohl zuträglich sei, da nur diese eine ausreichende Rechtssicherheit für die Familien und damit auch die Kinder darstellte. Weiter argumentierten sie, dass es keine fundierten Forschungsergebnisse gäbe, die Anlass zur Sorge um das Kindeswohl böten.

Die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen aus Regenbogenfamilien

Die bisherige Forschung zu Regenbogenfamilien konzentrierte sich stark auf die Frage, ob sich Kinder in diesen Familien ähnlich gut entwickeln wie Kinder aus heterosexuellen Kernfamilien. Damit waren vor allem Abweichungen im Sinne einer Fehlentwicklung oder eines Defizits von Interesse (wie bspw. emotionale oder Verhaltensprobleme, geringer Selbstwert, schlechte Schulleistungen, Ausschluss aus der Gruppe der Gleichaltrigen etc.). Weniger im Fokus standen dagegen Unterschiede zwischen den Familienformen an sich oder gar Stärken von Familien mit gleichgeschlechtlichen Elternpaaren. Auch in der öffentlichen Diskussion um Regenbogenfamilien werden Befürchtungen formuliert, welche die psychosoziale und sexuelle Entwicklung der Kinder betreffen. Typische Vorurteile sind, dass Kinder von lesbischen Müttern oder schwulen Vätern selbst später einmal schwul oder lesbisch werden, dass sie kein adäquates Geschlechtsrollenverhalten ausbilden oder bezüglich der eigenen geschlechtlichen Identität verwirrt seien. Diese Befürchtungen werden insbesondere zu Jungen aus lesbischen Familien geäußert. Dabei wird angenommen, dass lesbische Frauen grundsätzlich keine Nähe zu Männern zulassen können und folglich allem Männlichen negativ gegenüber eingestellt seien. Hinzu kommt die Sorge, den Kindern in lesbischen Familien könnten aufgrund des sehr weiblich geprägten frühen Bildungssystems männliche Geschlechtsrollenmodelle fehlen. Des Weiteren wird argumentiert, diese Kinder könnten aufgrund der sexuellen Orientierung ihrer Eltern diskriminiert werden, was sich wiederum negativ auf ihre (psychische) Entwicklung auswirken könnte.

Geschlechtsrollenverhalten, sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität

Als Geschlechtsrollenverhalten werden Verhaltensweisen verstanden, die innerhalb einer Kultur dem männlichen oder weiblichen Geschlecht als zugehörig definiert werden. Häufig werden diese anhand von bevorzugten Spielsachen, Aktivitäten und Berufswünschen gemessen. Während mit sexueller Orientierung die empfundene Anziehung und damit verknüpfte Wahl der Sexualpartner*innen gemeint ist, ist unter Geschlechtsidentität die Selbst-Identifikation als Mann/Junge oder Frau/Mädchen zu verstehen.

Studien zeigen, dass Kinder und Jugendliche aus Regenbogenfamilien sich selbst genauso häufig ihrem biologischen Geschlecht entsprechend identifizieren und sich ähnlich häufig vom anderen Geschlecht angezogen fühlen wie die Altersgenossen aus heterosexuellen Familien (Fedewa et al. 2015). Das Aufwachsen in einer Regenbogenfamilie bzw. die sexuelle Orientierung der Eltern wirken sich folglich weder auf die Geschlechtsidentität noch auf die sexuelle Orientierung der Kinder und Jugendlichen aus.

In Bezug auf das Geschlechtsrollenverhalten sind die Befunde nicht ganz eindeutig. Die meisten Studien kommen zu dem Schluss, dass sich Kinder und Jugendliche aus Regenbogenfamilien und solche aus heterosexuellen Familien hinsichtlich ihres Geschlechtsrollenverhaltens nicht unterscheiden (Bos & Sandfort 2010; Brewaeys et al. 1997; Fulcher, Sutfin & Patterson 2008; Golombok, Spencer & Rutter 1983; Hoeffer 1981; Kirkpatrick, Smith & Roy 1981). Andere Autor(inn)en resümieren, dass Kinder und Jugendliche aus Regenbogenfamilien etwas weniger geschlechtsstereotyp sind (Goldberg et al. 2012; Green et al. 1986; MacCallum & Golombok 2004; Sumontha, Farr & Patterson 2017). Die Metaanalyse von Fedewa et al. (2015) hingegen bestätigt Mädchen und Jungen aus gleichgeschlechtlichen Familien ein traditionelleres Geschlechtsrollenverhalten, wobei dieser Befund möglicherweise methodische Ursachen hat. Im Gesamten betrachtet, sind die Unterschiede im Geschlechtsrollenverhalten allerdings gering und bewegen sich im Normbereich. Allerdings weist die Diskussion um Geschlechtsrollenverhalten, sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität eine stark heteronormative Ausrichtung auf und verdeutlicht die Abwertung von nicht-heterosexueller Orientierung und Transgender-Personen, die noch immer nicht als natürliche Variation von sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität angesehen werden.

Psychische Anpassung der Kinder

Aufgrund der deutlich höheren Anzahl an lesbischen Familien wurden in bisherigen Studien meist Kinder und Jugendliche aus lesbischen Familien mit jenen aus heterosexuellen Familien verglichen. Die Befunde machen deutlich, dass beide Familienformen günstige Bedingungen für das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen bieten. Eine Analyse von insgesamt 33 veröffentlichten und unveröffentlichten Studien zwischen 1979 und 2009 belegt, dass Kinder und Jugendliche aus Regenbogenfamilien eine etwas bessere psychische Anpassung haben als Gleichaltrige aus heterosexuellen Familien (Fedewa et al. 2015). Demnach zeigen Kinder und Jugendliche aus gleichgeschlechtlichen Familien weniger Verhaltensauffälligkeiten und emotionale Probleme als Gleichaltrige aus heterosexuellen Familien.

Forschungsbedarf bei Studien über Familien mit zwei Vätern

Ein häufiger Einwand von Kritikern gleichgeschlechtlicher Lebensweisen betrifft die vergleichsweise geringe Anzahl an Studien über Kinder, die bei schwulen Vätern aufwachsen. Tatsächlich besteht hier Forschungsbedarf, allerdings bestätigt eine Analyse von Millers und Kolleginnen (2017) von insgesamt 10 veröffentlichten und unveröffentlichten Studien (ab 2005) den bisherigen Befund. Auch Kinder und Jugendliche von schwulen Vätern schneiden im Vergleich zu Gleichaltrigen aus heterosexuellen Familien hinsichtlich ihrer psychischen Anpassung besser ab (Miller, Kors & Macfie 2017). Hierbei sei jedoch auf die Besonderheiten schwuler und lesbischer Eltern in den Stichproben hingewiesen, welche sich möglicherweise auch positiv auf die Entwicklung der Kinder auswirken: Der Anteil gleichgeschlechtlicher Paare mit Hochschulabschluss ist beispielsweise deutlich höher und sie verfügen über ein höheres Nettoeinkommen als verschiedengeschlechtliche Eltern (Rupp & Dürnberger 2009, Miller, Kors & Macfie 2017). Auch der Weg in die Elternschaft ist immer ein bewusster Prozess, der mit hohen Anforderungen verknüpft ist und eine hohe Motivation sowie ein hohes Maß an Reflexion von den Beteiligten erfordert. Ebenso kann der Umstand der Stigmatisierung von schwul-lesbischer Elternschaft dazu führen, dass gleichgeschlechtliche Eltern eher nach Ressourcen und Unterstützung suchen, die sich wiederum positiv auf die Entwicklung der Kinder auswirken (eine Übersicht möglicher positiver Einflussfaktoren findet sich bei Miller, Kors & Macfie 2017). Viel bedeutender für die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen als die sexuelle Orientierung der Eltern ist die Qualität der familialen Beziehungen. Faktoren sind beispielsweise die Partnerschaftsqualität der Eltern und deren Konflikthäufigkeit, das Stresserleben in der Rolle als Eltern, die Verbundenheit sowie die emotionale Bindung zwischen Elternteil und Kind (vgl. z.B. Becker-Stoll & Beckh 2009; Farr 2017; Wainright & Patterson, 2006, 2008; Wainright, Russell & Patterson 2004). Auch die Frage, ob insbesondere Jungen ein männliches Rollenmodell brauchen, um sich psychisch gesund zu entwickeln, kann nach bisherigen Kenntnisstand verneint werden. Sowohl nach Auskunft der Jugendlichen selbst als auch nach der der Mütter gibt es im Hinblick auf die psychische Anpassung keine signifikanten Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen, die mit oder ohne männlichem Geschlechtsrollenmodell aufwachsen (Bos et al. 2012).

Diskriminierungserfahrungen und ihre Auswirkungen

Wie steht es aber um befürchtete Auswirkungen von möglichen Diskriminierungserfahrungen, denen Kinder aus Regenbogenfamilien aufgrund der sexuellen Orientierung ihrer Eltern ausgesetzt sein könnten? Bisherige Ergebnisse weisen darauf hin, dass Kinder und Jugendliche aus Regenbogenfamilien ähnlich häufig wie Gleichaltrige aus heterosexuellen Familien angefeindet und diskriminiert werden (Rivers, Poteat & Noret, 2008; Takser & Golombok 1995; Wainright & Patterson 2006). Im Gegensatz zu Kindern aus verschiedengeschlechtlichen Familien wurde ihnen jedoch häufiger nachgesagt, selbst homosexuell zu sein (Tasker & Golombok 1995). In Deutschland berichtet fast jeder zweite Jugendliche aus einer gleichgeschlechtlichen Familie über solche Erfahrungen. Diese gehen in der Regel von Gleichaltrigen aus, zeigen sich häufig in Form von Beschimpfungen oder dem Ausschluss aus Gruppen und finden hauptsächlich im schulischen Kontext statt (Becker-Stoll & Beckh 2009). In der Folge konnten in mehreren Studien negative Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit der Kinder und Jugendlichen nachgewiesen werden. Obwohl Diskriminierung einen Risikofaktor für die Entwicklung darstellt, waren die Werte dieser Kinder und Jugendlichen mit anderen vergleichbar. Dies deutet auf mögliche Schutzfaktoren hin. Nationale wie internationale Studien konnten zeigen, dass die Auswirkungen solcher negativen Erfahrungen durch eine gute Beziehung zu Gleichaltrigen und der Familie (van Gelderen et al. 2013) sowie durch eine emotional sichere Beziehung zum leiblichen Elternteil (Becker-Stoll & Beckh 2009; Buschner & Bergold 2017b) abgeschwächt oder gar ausgeglichen werden können. Als weitere Schutzfaktoren haben sich LGBT-Curricula an Schulen (Bos et al. 2008), die Teilhabe der Mütter in der lesbisch-schwulen Community (Bos et al. 2008) sowie ein häufiger Kontakt zu Kindern aus anderen Regenbogenfamilien (Bos & van Balen 2008) erwiesen.

Fazit

Die Studien der letzten Jahrzehnte zeigen, dass nicht die Familienstrukturen per se (Ein-Elternteil vs. Elternpaare; gleichgeschlechtlich vs. verschiedengeschlechtlich) entscheidend für die Entwicklung von Kindern sind, sondern die Prozesse innerhalb der Familie, das heißt die Qualität der Beziehungen zwischen den einzelnen Familienmitgliedern. Diese können ebenso förderlich wie hinderlich sein – und zwar für Kinder in allen Familienformen.

Trotz der mittlerweile erreichten Öffnung der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare, macht ein genauer Blick auf Regenbogenfamilien deutlich, dass immer noch rechtlicher Handlungsbedarf bei Familienformen besteht, die in ihrer Entstehungsgeschichte und in ihrer Zusammensetzung nicht der klassischen Kernfamilie aus Vater, Mutter und leiblichen Kindern entsprechen. Auch der Arbeitskreis Abstammungsrecht des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz wirft in seinem 2017 veröffentlichten Abschlussbericht die Frage auf, „ob das geltende Abstammungsrecht aktuellen Lebensrealitäten noch ausreichend gerecht wird, denn die Vielfalt der heutigen Familienkonstellationen und die Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin stellen es vor erhebliche Herausforderungen“ (BMJV 2017: S. 1). Die Schwierigkeiten ergeben sich aus der multiplen Elternschaft, von der neben der Regenbogenfamilie auch andere Familienformen betroffen sind. Auch in Stief- und Patchworkfamilien sowie in Familien, die mit Hilfe von Samen- oder Eizellspende entstanden sind, sind die bio-genetischen Elternteile nicht automatisch auch rechtliche oder soziale Elternteile (Bergold et al. 2017). In der Folge stellt sich für diese Familien die Frage, mit welchen Rechten und Pflichten soziale Elternteile ausgestattet sind und wie im Alltag mit möglichen Diskrepanzen zwischen rechtlicher und sozialer Elternschaft umgegangen wird. Für den Gesetzgeber kann eine Herausforderung darin bestehen, rechtliche Elternschaft, inklusive geltender Regelungen bzgl. der Sorge und des Umgangs, auf die soziale Elternschaft, also die tatsächliche Erziehungsbeteiligung sowie die Übernahme von Verantwortung in den verschiedensten Familienformen abzustimmen.

Literatur

Becker-Stoll, F./ Beckh, K. (2009): Die Entwicklung der Kinder - Ergebnisse der entwicklungspsychologischen Teilstudie, In: Rupp, M. (Hg.), Die Lebenssituation von Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften. Köln: Bundesanzeigerverlag, 233-280.

Bergold, P./ Buschner, A./ Mayer-Lewis, B./ Mühling, T. (Hrsg.) (2017): Familien mit multipler Elternschaft. Entstehungszusammenhänge, Herausforderungen und Potenziale. Opladen, Berlin & Toronto: Verlag Barbara Budrich.

BMJV – Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (Hrsg.) (2017): Arbeitskreis Abstammungsrecht. Abschlussbericht. Empfehlungen für eine Reform des Abstammungsrechts. Köln: Bundesanzeiger Verlag.

Bos, H. M. W./ Gartrell, N./ Peyser, H./ van Balen, F. (2008): The USA National Longitudinal Lesbian Family Study (NLLFS): Homophobia, psychological adjustment, and protective factors, In: Journal of Lesbian Studies, 12(4), 455–471.

Bos, H./ Goldberg, N./ van Gelderen, L./ Gartrell, N. (2012): Adolescents Of The U.S. National Longitudinal Lesbian Family Study: Male Role Models, Gender Role Traits, and Psychological Adjustment. In: Gender & Society, 26(4), 603-638.

Bos, H. M. W./ van Balen, F. (2008): Children in planned lesbian families: Stigmatization, psychological adjustment, and protective factors. In: Culture, Health & Sexuality, 10 (3), 221–236.

Bos, H./ Sandfort, T.G.M. (2010): Children’s Gender Identity in Lesbian and Heterosexual Two-Parent Families. In: Sex Roles, 62, 114-126.

Brewaeys, A./ Ponjaert, I./ van Hall, E.V./ Golombok, S. (1997): Donor insemination: child development and family functioning in lesbian mother families. In: Human Reproduction, 12 (6), 1349-1359.

Buschner, A./ Bergold, P. (2017a): Regenbogenfamilien in Deutschland. In: Bergold, P./Buschner, A./Mayer-Lewis, B./Mühling, T. (Hrsg.): Familien mit multipler Elternschaft. Entstehungszusammenhänge, Herausforderungen und Potenziale. Opladen, Berlin & Toronto: Verlag Barbara Budrich, S. 143-172.

Buschner, A./ Bergold, P. (2017b): Die Auswirkungen von Diskriminierungserfahrungen und familiären Schutzfaktoren auf die psychische Anpassung von Kindern in lesbischen Stieffamilien. In: Lessenich, S. (Hrsg.) 2017: Geschlossene Gesellschaften. Verhandlungen des 38. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Bamberg 2016.

Farr, R.H. (2017): Does parental sexual orientation matter? A longitudinal follow-up of adoptive families with school-age children. In: Developmental Psychology, 53(2), 252-264.

Fedewa, A.L./ Black, W.W./ Ahn, S. (2015): Children and Adolescents With Same-Gender Parents: A Meta-Analytic Approach in Assessing Outcomes. In: Journal of GLBT Family Studies, 11, 1-34.

Fulcher, M./ Sutfin, E.L. / Patterson, C.J. (2008): Individual Differences in Gender Development: Associations with Parental Orientation, Attitudes, and Division of Labor. In: Sex Roles, 58, 330-341. Goldberg, A.E./ Allen, K.R. (2013): LGBT-Parent Families: Innovations in Research and Implications for Practice. New York, NY: Springer.

Goldberg, A.E./ Kashy, D.A./ Smith, J.Z. (2012): Gender-Typed Play Behavior in Early Childhood: Adopted Children with Lesbian, Gay, and Heterosexual Parents. In: Sex Roles, 67(9-10), 503-515.

Golombok, S. (2015): Modern Families: Parents and children in new family forms. Cambridge, UK: Cambridge University Press.

Golombok, S./ Spencer, A./ Rutter, M. (1983): Children in Lesbian and Single-Parent Households: Psychosexual and Psychiatric Appraisal. In: Journal of Child Psychology and Psychiatry, 24, 551-572.

Green, R./ Mandel, J. B./ Hotvedt, M. E./ Gray, J./ Smith, L. (1986): Lesbian mothers and their children: A comparison with solo parent heterosexual mothers and their children. In: Archives of Sexual Behavior, 7, 175-181.

Hoeffer, B. (1981): Children's Acquisition Of Sex-Role Behavior In Lesbian-Mother Families. American Journal of Orthopsychiatry, 51(3), 536-544.

Kirkpatrick, M./ Smith, C. / Roy, R. (1981): Lesbian mothers and their children: A comparative suvrey. American Journal of Orthopsychiatry, 51(3), 545-551.

MacCallum, F./ Golombok, S. (2004): Children raised in fatherless families from infancy: A follow-up of children of lesbian and single heterosexual mothers at early adolescence. In: Journal of Child Psychology and Psychiatry, 45, 1407-1419.

Miller, B. G./ Kors, S./ Macfie, J. (2017): No Differences? Meta-Analytic Comparisons of Psychological Adjustment in Children of Gay Fathers and Heterosexual Parents. In: Psychology of Sexual Orientation and Gender Diversity, 4(1), 14-22.

Patterson, C.J. (2013): Family Lives of Lesbian and Gay Adults. In: Peterson, G. W./ Bush, K. R. (Hrsg.), Handbook of Marriage and the Family. Boston, MA: Springer US, pp. 659-681.

Rivers, I./ Poteat, V.P./ Noret, N. (2008): Victimization, social support, and psychosocial functioning among children of same-sex and opposite-sex couples in the United Kingdom. In: Developmental Psychology, 44(1), 127-134.

Rupp, M./ Dürnberger, A. (2010): Wie kommt der Regenbogen in die Familie? Entstehungszusammenhang und Alltag von Regenbogenfamilien. In: Funcke, D./Thorn, P. (Hrsg.): Die gleichgeschlechtliche Familie mit Kindern. Interdisziplinäre Beiträge zu einer neuen Lebensform, Bielefeld: Transcript, S. 61-98.

Sumontha, J./ Farr, R. H./ Patterson, C. (2017): Children’s Gender Development: Associations With Parental Sexual Orientation, Division of Labor, and Gender Ideology. In: Psychology of Sexual Orientation and Gender Diversity, 4, 438-450.

Statistisches Bundesamt (2017): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Haushalte und Familien. Ergebnisse des Mikrozensus. Fachserie 1, Reihe 3, Wiesbaden. Tasker, F./ Golombok, S. (1995): Adults raised as children in lesbian families. In: American Journal of Orthopsychiatry, 65, 203-215.

Wainright, J.L./ Patterson, C. J. (2006): Delinquency, victimization, and substance use among adolescents with female same-sex parents. In: Journal of Family Psychology, 20(3), 526-530.

Wainright, J.L./ Patterson, C.J. (2008): Peer relations among adolescents with female same-sex parents. In: Developmental Psychology, 44(1), 117-126.

Wainright, J.L./ Russel, S.T./ Patterson, C.J. (2004): Psychosocial Adjustment, School Outcomes, and Romantic Relationships of Adolescents With Same-Sex Parents. In: Child Development, 75(6), 1886-1898.

Van Gelderen, L./Gartrell, N. K./ Bos, H. M. W./ van Rooij, F. B./ Hermanns, J. M. A. (2012): Stigmatization associated with growing up in a lesbian-parented family: What do adolescents experience and how do they deal with it? In: Children and Youth Services Review, 34(5), 999–1006.

Pia Bergold ist Diplom-Psychologin und ist beim Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg tätig. Dort forscht sie zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und Familienbildung.

Andrea Buschner studierte an der Otto-Friedrich Universität Bamberg Soziologie. Seit Juni 2006 arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg mit Schwerpunkt auf gleichgeschlechtliche Lebensweisen und Pluralisierung von Lebens- und Familienformen.