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Wie alles begann – Frauen um 1800

Dr. Mechthilde Vahsen Mechthilde Vahsen

/ 6 Minuten zu lesen

Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit hatte die französische Revolution versprochen. Allerdings nicht für Frauen, wie diese recht schnell erkennen mussten. Es blieb ihnen also nichts anderes übrig, als sich selber aufzumachen und um ihre Bürgerinnenrechte zu kämpfen.

Tugend, Sittsamkeit und Fleiß wurden zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu typisch weiblichen Eigenschaften erklärt. Der Ort von Frauen sollte das Haus sein, hier hatten sie für eine gemütliche Häuslichkeit zu sorgen. Interner Link: Bildnachweis (© AddF)

Die Französische Revolution

Europa war im 18. Jahrhundert in viele feudalistisch regierte Länder und Staaten zerstückelt. Diese politische und gesellschaftliche Struktur geriet durch die Französische Revolution von 1789 in Auflösung. Die Revolution setzte dabei einen Prozess in Gang, der Menschenrechte, Demokratie-Konzepte und deren Umsetzung zum Ziel hatte. Die alles bestimmenden Schlagworte lauteten: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.

In dieser Zeit beteiligten sich vermehrt Frauen an den revolutionären Aktionen in Paris und anderswo. So waren sie unter anderem beim Marsch nach Versailles dabei und forderten eine Verbesserung der Lebensmittelsituation. Einige wurden sogar zu Vorkämpferinnen für die Rechte von Frauen: zum Beispiel Olympe de Gouges mit ihrer Erklärung der Rechte der Frauen, Théroigne de Méricourt, die bewaffnete Frauenbataillons einforderte und selbst mitkämpfte, oder Charlotte Corday, die aus politischen Gründen den Revolutionär Marat ermordete. Das boomende Nachrichtenwesen in Form von Zeitungen, Journalen, Leihbibliotheken und Lesezirkeln sorgte dafür, dass die Ereignisse in Frankreich europaweit bekannt wurden. Mit der Krönung Napoleons zum Kaiser endete 1804 die Französische Revolution.

Die Situation von (bürgerlichen) Frauen in Deutschland um 1800

Im Verlauf des 18. Jahrhunderts, das allgemein als das "Zeitalter der Aufklärung" gilt, veränderte sich einiges: Noch in der ersten Hälfte des Jahrhunderts propagierten die Moralischen Wochenschriften das Bild der gelehrten Frau. Dieses Rollenmodell sah eine Frau vor, die gebildet und intellektuell sein sollte – obwohl es zu dieser Zeit keine systematische Mädchenbildung gab. Zum Ende des Jahrhunderts wurde dieses Rollenmodell durch den so genannten "natürlichen Geschlechtscharakter" der Frau abgelöst, der in Philosophie, Theologie, Medizin und anderen Bereichen ausführlich beschrieben wurde. Demnach hatten Frauen keinen Subjekt-Status, waren keine mündigen, autonomen Menschen, sondern benötigten eine Geschlechtsvormundschaft, ausgeübt durch den Vater, den Bruder oder den Ehemann. Aufgrund der ihnen zugewiesenen "natürlichen Geschlechtseigenschaften" wie Tugend, Sittsamkeit und Fleiß war die ihnen nun zugedachte Rolle die der Ehefrau und Mutter. Dieses neue Rollenkonzept sorgte für eine Trennung der gesellschaftlichen Räume: Der Ort von Frauen war das Haus, der Ort von Männern war die Öffentlichkeit.

Dass die Ideologie des "natürlichen Geschlechtscharakters" sich vor allem auf die Frauen des Bürgertums richtete – nicht zuletzt in Abgrenzung zum Adel –, wird vor allem daran deutlich, dass für Frauen der Arbeiterschicht diese Ideologie nicht funktionierte. Ihre Erwerbsarbeit wurde für den Unterhalt der Familie gebraucht, sodass das Konzept der nicht erwerbstätigen (bürgerlichen) Hausfrau und Mutter dieser Realität drastisch entgegenstand.

Das Modell der gesellschaftlich getrennten Geschlechterrollen blieb nicht unwidersprochen. Unter dem Einfluss der Französischen Revolution und den rasanten politischen Veränderungen gerieten seine Vertreterinnen und Vertreter in Erklärungsnöte. Alternative Konzepte wurden entwickelt, wie beispielsweise das so genannte Egalitätskonzept. Es ging davon aus, dass Frauen ebenso wie Männer autonome Subjekte sind. Mit anderen Worten: Frauen und Männer sind gleich. Ein Vertreter dieser Richtung in Deutschland war Theodor Gottlieb von Hippel, der 1792 seine Schrift "Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber" publizierte.

Frauen und der Literaturmarkt

Interessanterweise gab es um 1800 einige Frauen in Deutschland resp. der Schweiz, die sich als Autorinnen und Redakteurinnen, als Zeitungsverlegerinnen und Dramatikerinnen einen Namen machten und mit dieser Arbeit ihren Lebensunterhalt verdienten. Mit Hilfe von Literatur und Medien mischten sich diese Frauen politisch ein, wenn auch nicht immer radikal, sondern durchaus auch im Sinne der bürgerlichen Frauenrolle. Eine Vertreterin dieser Richtung war Sophie von La Roche, die mit ihren zahlreichen Beiträgen zur Mädchenerziehung und ihren Bildungsbüchern ein großes, meist weibliches Lesepublikum gewinnen konnte. Frauen waren bald nicht mehr wegzudenken aus diesem Markt, sie produzierten, verhandelten mit Verlegern um ihr Honorar und professionalisierten sich zusehends.

Deutschland nach 1815

Mit dem Einsetzen der so genannten Befreiungskriege gegen Napoleon wurden in ganz Deutschland zum ersten Mal zahlreiche Frauenvereine gegründet. Ihre Mitglieder arbeiteten in Krankenhäusern, stellten Kleidung für die Soldaten her und beteiligten sich an Sammelaktionen. Auch nach dem Wiener Kongress von 1815 bestanden einige dieser Frauenvereine fort, sie wurden damit zu Vorgängerinnen der späteren politischen Frauenvereine.

1830 geriet Europa durch die Julirevolution in Frankreich erneut in Bewegung. In vielen Ländern gab es ebenfalls Revolutionen, in deren Verlauf Verfassungen und eine neue Gesellschaftsordnung gefordert wurden. Diese Unruhen griffen auch auf Deutschland über: Das Hambacher Fest von 1832 versammelte Menschen, die die Politik verändern wollten zugunsten eines Nationalstaates mit einer liberalen Verfassung. Der Deutsche Bund versuchte, die Reformbewegungen aufzuhalten, was jedoch nicht bzw. kaum gelang. Auch die politische Landschaft differenzierte sich in diesen Jahren aus: Es gründeten sich konservative, sozialistische, demokratische, liberale und katholische Gruppen. Diese Gruppen schlossen sich vorzugsweise in Vereinen zusammen, denn diese neue Form der "Association" bot die Möglichkeit, sich zu vernetzen. Interessant ist, dass in den neuen Vereinen Frauen bis zu 40 Prozent der Mitglieder ausmachten. Vor allem die freireligiösen Gemeinden verzeichneten einen Zuwachs an weiblichen Mitgliedern, die sich rege beteiligten und hier eine Möglichkeit sahen, sich politisch zu engagieren.

Die Politisierung der Frauen

Damit waren die Politisierung und das gesellschaftskritische Engagement von Frauen nicht mehr aufzuhalten. Frauen engagierten sich in (religiösen) Vereinen oder der Reformbewegung zur Kindererziehung, arbeiteten als Autorin, Lehrerin oder Journalistin und setzten sich vehement für die Verbesserung der sozialen und politischen Stellung der Frauen ein. In ihren Romanen und Erzählungen thematisierten Ida Hahn-Hahn, Luise Dittmar, Fanny Lewald oder Louise Aston detailliert die Benachteiligungen ihres Geschlechts und die bürgerliche Doppelmoral. Sie entwarfen demokratische und gerechte Gesellschaftsmodelle, in denen die strikte Trennung der Geschlechter aufgehoben war. Viele dieser Frauen – sie waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht überregional vernetzt, sondern wirkten regional – bezogen sich auf die Tradition der Frauen-Geschichte und schrieben Biografien über andere Frauen, wie zum Beispiel über Protagonistinnen der Französischen Revolution oder Vertreterinnen des Egalitätsansatzes. Die so genannte Frauenfrage wurde zu einem wichtigen gesellschaftlichen Thema.

Louise Otto-Peters (1819 – 1895), 1848er Revolutionärin und Mitgründerin des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins. Interner Link: Bildnachweis

(© AddF)

1843 wagte eine Frau den mutigen Schritt in die politische Öffentlichkeit: Louise Otto-Peters. Sie antwortete auf die in den Sächsischen Vaterlandsblättern gestellte Frage, wie die politische Stellung der Frau aussehen könne, mit folgendem Satz: "Die Teilnahme der Frau an den Interessen des Staates ist nicht ein Recht, sondern eine Pflicht." Damit gab sie die Linie für die von ihr initiierte erste deutsche (bürgerliche) Frauenbewegung vor.

In den Jahren bis zum Ausbruch der Revolution in Deutschland meldeten sich weitere Frauen zu Wort. Louise Dittmar kritisierte die christlichen Religionen und setzte gegen die bürgerliche Ideologie frühsozialistische Ideen (für sie war die Frauenfrage eine Frage von Freiheit und Menschenrecht). Kathinka Zitz war in Mainz aktiv und setzte sich, auch aufgrund eigener Erfahrungen in einer unglücklichen Ehe, für die Rechte von Frauen ein. Louise Aston hingegen, die aufgrund ihres Verhaltens – sie trug Männerkleidung – aus Berlin ausgewiesen wurde, schrieb zu ihrer Verteidigung ein Buch, in dem sie die Gleichheit der Geschlechter forderte.

Die Revolution von 1848/49

Im Jahr 1848 erreichten die Proteste in Deutschland einen Höhepunkt: Auf Massenkundgebungen und mit Hilfe von Petitionen wurden die Abschaffung der Zensur, Presse- und Versammlungsfreiheit, eine neue Verfassung und ein einheitlicher Bundesstaat gefordert. Auch die sozialen Probleme (Verarmung weiter Teile der Bevölkerung) standen auf der politischen Agenda. Tatsächlich wurde ein so genanntes Vorparlament gebildet, das die Frankfurter Nationalversammlung vorbereiten sollte. Doch die politischen Meinungen waren zu unterschiedlich: Einige forderten ein Kaiserreich, andere wiederum wollten eine Republik als Staatsform. Die Republikaner konnten sich nicht durchsetzen und aktivierten daraufhin Aufstände, die jedoch scheiterten. Auch an diesen Aufständen waren in großer Zahl Frauen beteiligt, sie kämpften auf den Barrikaden und bildeten eigene Korps.

Arbeiterinnen demonstrierten und demokratische Frauenvereine wurden gegründet. Einige Frauen, die bereits vor 1848 politisch aktiv waren, mischten sich vehement ein: Kathinka Zitz, Johanna Kinkel, Elise Blenker, Mathilde Franziska Anneke, Amalie Struve, Emma Herwegh, Louise Aston, Louise Otto-Peters. Viele von ihnen kamen nach dem Scheitern der Revolution ins Gefängnis oder flüchteten ins Exil. Trotzdem ließen sie sich nicht den Mund verbieten, sondern verarbeiteten diese aufregende Zeit literarisch und journalistisch, um ihre politische Überzeugung weiter zu verbreiten. Denn obwohl die Organisationen der Frauen zunächst aufgelöst waren, blieben ihnen die Erfahrungen und Erlebnisse.

Weitere Inhalte

geb. 1965, Studium der Germanistik und Politikwissenschaft, Zusatzstudium Frauen im Recht, Promotion Literaturwissenschaft; freie Lektorin für Wissenschaft, Belletristik und Sachbuch; Redakteurin der Zeitschrift "Wir Frauen"; Schwerpunkte: Altern in der Gegenwartsliteratur, Frauenfreundschaften, Frauengeschichte und Frauenpolitik.