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Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt | Frauen in Deutschland | bpb.de

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Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt Ein europäischer Vergleich

Gesine Fuchs

/ 10 Minuten zu lesen

Die Gleichstellungspolitik gilt heute als eine der am weitesten entwickelten und erfolgreichsten Politikfelder der EU. Auf dem Arbeitsmarkt bestehen in vielen Ländern aber noch immer große Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Ein deutsch-europäischer Vergleich.

Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt (© AP)

Beim EU-Gipfel 2000 in Lissabon wurden erstmals konkrete beschäftigungspolitische Ziele festgelegt: bis 2010 sollte die allgemeine Beschäftigungsquote in der EU bei 70% und die für Frauen bei 60% liegen. Hierfür wurden auch beim Ausbau der externen Kinderbetreuung bis 6 Jahre messbare Ziele formuliert. Gerade in den Anfängen hat die sogenannte Europäische Beschäftigungsstrategie einen gleichstellungspolitischen Schub für die nationalen Politiken gehabt. Dieser Schub hat sich im Laufe der Jahre aber abgeschwächt und die Ziele haben sich auf die Erhöhung der weiblichen Erwerbstätigkeit verengt.

Tatsächlich sind in allen EU-Staaten die Erwerbsquoten in den letzten zehn Jahren angestiegen, von 62 auf 65 Prozent (Eurostat 2010: 284). In Deutschland stieg die Erwerbsquote von Frauen im selben Zeitraum von 57,4 Prozent auf 66,2 Prozent. Die Erwerbsquote der Männer stieg weniger stark an (von 72,8 Prozent auf 75,6 Prozent). Geringere Geschlechter-Unterschiede weisen vor allem die skandinavischen und die baltischen Staaten auf. Mehr Frauen sind nur in den skandinavischen Staaten und den Niederlanden tätig (zwischen 68 Prozent und 73 Prozent, vgl. Eurostat 2010: 286)

Nach wie vor besonders niedrig sind die Frauenerwerbsquoten in Südeuropa. In Malta, Italien und Griechenland liegen zudem die Unterschiede zwischen Männer- und Frauenbeschäftigungsquote zwischen 22 und 34 Prozent. In einigen osteuropäischen Mitgliedsstaaten sind zwar die Erwerbsraten für beide Geschlechter niedrig, aber die Differenz zwischen Frauen- und Männererwerbstätigkeit ist wesentlich geringer als in Westeuropa. Eine fast ausgeglichene Erwerbsbeteiligung weisen die baltischen und die skandinavischen Ländern auf (mit einer Lücke zwischen 5% und -1%). Mit 9.4% mehr erwerbstätigen Männern als Frauen liegt Deutschland im Mittelfeld (Eigene Berechnungen nach Eurostat 2010: 284-292).

Tendenzen der Teilzeitarbeit

Mit dem Anstieg der weiblichen Erwerbsquote in Deutschland ging auch der Anstieg der Teilzeitarbeit einher: 1999 arbeiteten 37, 2009 bereits 45 Prozent aller Frauen Teilzeit. Bei den Männern stieg der Anteil in der gleichen Zeit von fünf Prozent auf knapp zehn Prozent (Eurostat 2010: 291f.). Der Vergleich mit anderen europäischen Ländern zeigt, dass die Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt in Ländern mit einem ehemals starken männlichen Ernährermodell (Ehemann ist Vollzeit erwerbstätig, Ehefrau betreut die Kinder und den Haushalt) über Teilzeitarbeit funktioniert. Zu diesen Ländern gehören z.B. Österreich, Italien, Spanien oder Luxemburg. Länder mit einer Tradition eines Zweiverdienermodells (dual breadwinner and female caregiver model: Frau und Mann arbeiten beide Vollzeit, die Betreuungsarbeit übernimmt vor allem die Frau) wie die ehemals staatssozialistischen osteuropäischen Mitgliedstaaten (z.B. die Slowakei, Ungarn oder die baltischen Staaten) weisen sehr niedrige Teilzeitquoten auf (zwischen 3 und 14 Prozent für Frauen, noch niedriger für Männer). Externer Link: (Dossier Arbeitsmarktpolitik: Das Ende des Ernährermodells)

Teilzeitarbeit ist eine Möglichkeit für Frauen, trotz der ihnen zugewiesenen Haus- und Betreuungsarbeit eigenes Geld zu verdienen und ihrem Beruf nachzugehen. In Deutschland ist für ein Fünftel aller Teilzeitbeschäftigten diese Form aber unfreiwillig und sie würden gerne mehr arbeiten. Bedenkt man zusätzlich, dass Teilzeitarbeit besonders häufig in Niedriglohnsektoren vorkommt und dass für zwei Drittel aller Externer Link: Teilzeitbeschäftigten diese Arbeit ihre Haupteinnahmequelle ist, erscheint Teilzeitarbeit problematisch. Teilzeit bedeutet im Vergleich zur Vollzeit weniger Lohn, eine schlechtere soziale Absicherung sowie eingeschränkte Weiterbildungs- und Laufbahnmöglichkeiten. Die Chancen sind auf wenige gutbezahlte Berufe beschränkt, in denen mit Teilzeitarbeit ein existenzsichernden Einkommen erwirtschaftet werden kann.

In Deutschland überwiegt das männliche Ernährermodell

Der Anstieg der Teilzeitarbeit ist Indiz für Veränderungen in Familien- und Arbeitsmodellen in Europa, die Gegenstand intensiver Forschungsarbeit ist (z. B. Leitner et al. 2004, Klenner/Leiber 2009). Im europäischen Vergleich hat sich das oben erwähnte Ernährermodell in Deutschland länger gehalten. So ist in Westdeutschland das Zweiverdienermodell "Mann Vollzeit – Frau Teilzeit" im Vergleich mit anderen Erwerbskonstellationen stark angestiegen. Rund 40 Prozent der westdeutschen Paare arbeiten und leben in dieser Form, 1990 waren es hier noch 26 Prozent. 2007 lag diese Zahl in Ostdeutschland bei 28 Prozent, 1990 noch bei 16 Prozent. Das klassische männliche Ernährermodell, nach dem nur der Mann das Einkommen erwirtschaftet, ist im Westen von 34 Prozent auf 20 Prozent der Paarhaushalte zurückgegangen, im Osten von 13 auf sechs Prozent. Die Anteile der westdeutschen Paarhaushalte, in denen beide Vollzeit arbeiten, sind mit 22 Prozent im Jahr 1990 und 23 Prozent ungefähr gleichgeblieben. In Ostdeutschland ist dieses Modell zwar stark zurückgegangen von 65 Prozent (1990) auf 41 Prozent, doch noch immer sehr dominant Externer Link: (Hans Böckler Stiftung: Frauen in Teilzeit).

Das männliche Ernährermodell ist weiterhin im Steuersystem (Ehegattensplitting), in der Sozialversicherung (Mitversicherung nichterwerbstätiger Ehepartner) und im Bildungswesen (Halbtagsschule) institutionell verankert. So bevorteilt das steuerliche Interner Link: Ehegattensplitting die - auch kinderlose - Alleinverdiener-Ehe, und macht aber gleichzeitig die meist schlechter bezahlte und Teilzeitarbeit von Ehefrauen unattraktiv. Eingeführt wurde es ursprünglich, weil das Bundesverfassungsgericht in den 1950er Jahren die progressive Besteuerung des gemeinsamen Einkommens der Eheleute als unvereinbar mit dem Gleichberechtigungsartikel des Grundgesetzes ansah Externer Link: (querelles-net: Das Ehegattensplitting im Widerstreit der Argumente).

In Osteuropa dominiert das Zweiverdienermodell

Am Beispiel von Erwerbskonstellationen in Familien mit Vorschulkindern zeigt sich, dass im westeuropäischen Vergleich in Österreich, Deutschland und Italien noch am stärksten traditionelle Familienmodelle gelebt werden, während in Großbritannien, Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Schweden Modernisierungstendenzen hin zu einem Zweiverdienermodell ausgeprägt sind. In Osteuropa, etwa in Polen und dem Baltikum, ist das Zweiverdienermodell prägend geblieben – zwischen 50 und 60 Prozent der Paarhaushalte zwischen 20 und 49 Jahren. Ein männliches Ernährermodell leben nur zwischen 16 und 29 Prozent der Paarhaushalte (vgl. Michoń 2009: 187).

In Westeuropa sind politische Entscheidungen Grundlage dieser Entwicklungen gewesen: In den skandinavischen Ländern, besonders Schweden, wurde seit den 1970er Jahren mit einem Ausbau der Kinderbetreuung, der Individualbesteuerung und Reform des Unterhaltsrecht die Müttererwerbstätigkeit stark gefördert. Seit der gleichen Zeit wurde angesichts von Arbeitskräftemangel und sinkender Geburtenzahlen in Frankreich das Leitbild der erwerbstätigen Mutter etabliert und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch den Ausbau von Kinderbetreuung vorangetrieben. Kinderbetreuung wird in diesen Ländern als wichtige staatliche Aufgabe im Rahmen der Chancengleichheit gesehen (vgl. Rüling/Kassner 2007).

Die Politik in Deutschland konzentrierte sich lange Zeit darauf, Frauen nach dem Mutterschutz lange Auszeiten mit einem späteren Wiedereinstieg zu ermöglichen, etwa durch einen bis zu dreijährigen Erziehungsurlaub oder Elternzeit. Hingegen sollen mit dem neuen Elterngeldgesetz, das bis zu zwei Dritteln Lohnersatz für bis zu 14 Monaten vorsieht, Frauen wieder schneller in den Beruf zurückfinden und Väter zur Übernahme von Elternzeit ermuntert werden. Um dies zu erreichen, sind aber bisherige Rechtsansprüche auf einen (Halbtags)-Kindergartenplatz ab drei Jahren noch ungenügend – ebenso wie Planungen, dass ab 2013 für 35 Prozent aller Kinder zwischen ein und drei Jahren ein Krippenplatz zur Verfügung stehen soll.

"Gender Pay Gap": Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern

Wenig positive Veränderungen sind in den letzten Jahren bei der Lohnschere zwischen den Geschlechtern zu sehen. Frauen in Deutschland verdienen 23 Prozent weniger als Männer (Brutto-Stundenlöhne). Der EU-Durchschnitt liegt bei 18 Prozent. Einen Teil der Lohndifferenzen kann man "statistisch erklären" – etwa durch weniger Berufserfahrung oder eine weniger gute Ausbildung von Frauen. Der größere Teil beruht auf Diskriminierung: Trotz vergleichbarer Ausgangsbedingungen werden Frauen für die gleiche Arbeit geringer bezahlt.

Eine bedeutendere Rolle spielt die indirekte Diskriminierung. Die kritische Arbeitsbewertungsforschung hat seit Langem aufgezeigt, wie die Arbeitsbewertung zur Unterbewertung typischer "Frauenarbeit" und damit zur indirekten Lohndiskriminierung beiträgt (Krell/Winter 2008). So werden häufig in Anforderungskatalogen das Arbeitsmerkmal "Arbeitsschwere" nicht diskriminierungsfrei ausgelegt – wenn etwa nur schwere dynamische Muskelarbeit berücksichtigt wird, oder für Frauenarbeitsplätze wesentliche Anforderungen kaum berücksichtigt werden, so etwa die körperliche Belastung bei Krankenpflegerinnen, Serviererinnen oder Kassiererinnen. Zudem werden in gängigen Schemata Emotions- und Interaktionsarbeit nicht berücksichtigt, die für personenbezogene Dienstleistungen kennzeichnend ist. Solche komplexen Arbeitsanforderungen in der Pflege oder Kindererziehung gelten unbewusst häufig noch als "natürlich weiblich" und nicht lohnrelevant. Bestrebungen, durch analytische Arbeitsbewertungsverfahren diskriminierungsfreie Tarifverträge zu erreichen, etwa beim Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes, hatten bisher gemischte Erfolge Externer Link: (Social Science Research Network).

28 Prozent aller Vollzeit erwerbstätigen Frauen, aber nur 16 Prozent der Männer in Deutschland arbeiteten 2006 für einen Niedriglohn. Als Niedriglohn in Deutschland gilt ein Einkommen von höchstens zwei Dritteln des mittleren Lohns (Medianlohns). Im EU-27 Durchschnitt betraf dies nur 23 Prozent der Frauen (eurostat: Externer Link: 17 percent of full-time employees in the EU are low-wageearners). Deutschland ist eines von sieben Ländern in der EU (mit Dänemark, Italien, Zypern, Österreich, Finnland und Schweden), das keine allgemeinverbindlichen Mindestlöhne hat. Bisher wurden in Deutschland für 12 Branchen spezifische Mindestlöhne festgesetzt, drei davon (Gebäudereinigung, Wäscherei, Pflege) sind frauendominiert. Auch hier zeigt sich eine geschlechtsspezifische Schere: während ungelernte Maler 9.50 Euro verdienen, liegt der Mindestlohn in der Pflege bei 7.50 Euro bzw. 8.50 Euro. Die Mindestlöhne bei der frauendominierten Innengebäudereinigung sind 25 Prozent niedriger als bei der eher männerdominierten Außenreinigung. (Externer Link: Tarifliche Mindestlöhne in Deutschland). Erfahrungen aus Großbritannien haben gezeigt, dass ein gesetzlicher Mindestlohn einen wichtigen Beitrag leisten kann, auch das Lohngefälle zwischen Frauen und Männern zu verringern (Weinkopf 2010). Ob sich ein branchenübergreifender Mindestlohn durchsetzen lässt, ist offen.

Schließlich sind Frauen in Führungspositionen sehr stark unterrepräsentiert: in den Vorständen der größten börsennotierten Unternehmen in Deutschland beispielsweise stieg der Frauenanteil zwischen 2003 und 2009 nur von 10 auf 13 Prozent. Hier bewegt sich Deutschland im EU-Durchschnitt, doch Skandinavien und einige osteuropäische Mitgliedsstaaten haben einen höheren Frauenanteil, etwa Schweden mit 27 Prozent oder die Slowakei, Bulgarien und Lettland mit 17-18 Prozent. (Externer Link: Datenbank Frauen und Männer in Entscheidungspositionen). Bei den Vorstandsvorsitzen ist das Bild allerdings noch deutlicher: im EU-Durchschnitt sind nur drei Prozent von Frauen besetzt, und nur osteuropäische Mitgliedsländer liegen deutlich darüber, etwa Bulgarien mit 13 oder die Slowakei mit 10 Prozent.

Die Bedeutung der Gleichstellungspolitik der Europäischen Union

Insgesamt gesehen ist die Stellung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt europaweit also noch immer problematisch. Dabei war die Gleichstellungspolitik der EU aber oft Motor positiver, vor allem gesetzlicher Veränderungen. Das gilt besonders für Richtlinien zu Erwerbsarbeit, dem Zugang zu sozialer Sicherung, Mutterschutz, Elternurlaub und Teilzeit sowie Lohngleichheit. Bereits in den Römischen Verträgen zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft von 1957 wurde in Art. 119 der gleiche Lohn für Frauen und Männer festgelegt (heute Art. 157 AEUV). Zwischen 1982 und 2005 finanzierte die EU "Aktionsprogramme Chancengleichheit" zu Frauenförderung und Chancengleichheit im Erwerbsleben. In den neunziger Jahren kam das Familienleben als wichtige Arena für Gleichstellung in den Fokus, etwa mit der kürzlich überarbeiteten Richtlinie zur Elternzeit (2010/18/EU). 1996 wurde Gender Mainstreaming von der Europäischen Kommission zur verpflichtenden Querschnittsaufgabe erklärt. Gender Mainstreaming meint die systematische Integration von Fragen des Geschlechts (Prioritäten, Bedürfnisse, Auswirkungen) in alle Politikfelder und Regierungsinstitutionen mit dem Ziel, die Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern. Heute heißt es im "Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Unio" in Artikel 8: "Bei allen ihren Tätigkeiten wirkt die Union darauf hin, Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern." Dementsprechend haben ein "Fahrplan" bzw. eine "Strategie" für die Gleichstellung von Frauen und Männern die Aktionsprogramme abgelöst. Für die Umsetzung des Ziels der Gleichstellung sind nun keine separaten Mittel mehr vorgesehen, sondern Gleichstellungspolitik soll in andere Programme integriert werden. Hier ist eine sorgfältige Prüfung nötig, ob dies auch tatsächlich geschieht.
Im Folgenden wird anhand der verschiedenen Antidiskriminierungsrichtlinien aufgezeigt, worin die rechtliche Schrittmacherfunktion der EU besteht.

Direkte und indirekte Diskriminierung

Direkte und indirekte Diskriminierung ist aufgrund des Geschlechts im Erwerbsleben verboten. Man spricht von direkter Diskriminierung , wenn für die gleiche Arbeit Frauen weniger Geld bekommen als Männer (siehe im Text oben). Indirekt ist eine Diskriminierung, wenn eine vermeintlich neutrale Regelung sich in ihrer konkreten Anwendung so auswirkt, dass sie ein Geschlecht regelmäßig benachteiligt.

Beispiel: Ein Betrieb zahlt seinen Beschäftigten eine Betriebsrente. Eine solche bekommt aber nur, wer eine bestimmte Stundenzahl arbeitet. Wer weniger arbeitet, erhält keine Rente. Die Teilzeitbeschäftigten sind schlechter gestellt. Weil aber in dieser Gruppe Frauen in der Mehrheit sind, und es keinen objektiven Grund gibt, Teilzeitbeschäftigte schlechter zu behandeln als Vollzeitbeschäftigte, diskriminiert diese Regelung Frauen indirekt. So urteilte der EuGH bei der deutschen Kaufhauskette Bilka (Aktenzeichen des EuGH: C-170/84) und später auch bei der Deutschen Bundespost (C-270/97 und C-271/97).

Entschädigung und Schadenersatz bei Diskriminierung müssen effektiv und abschreckend sein. Verschulden oder Absicht der Diskriminierung sind nicht notwendig. So erreichte ein Hamburger Student mit einer Klage vor dem EuGH die Streichung des Passus' im BGB, wonach bei diskriminierender Nichtanstellung höchstens drei Monatslöhne Entschädigung gezahlt werden konnten (C-180/95).

Antidiskriminierungsstellen

Das europäische Recht sieht die Einrichtung von staatlichen Stellen vor, die die Verwirklichung der Gleichbehandlung aller Personen ohne Diskriminierung auf Grund des Geschlechts fördern, analysieren, beobachten und unterstützen. Für Personen, die sich diskriminiert fühlen, muss ein Rechtsweg sichergestellt werden, damit diese sich wirksam beschweren können. Verbände und Organisationen sollen in eigenem Namen klagen dürfen oder betroffene Personen wirksam unterstützen können. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat im Vergleich aber nur schwache Kompetenzen.

Erleichterte Beweislast

Wenn klagende Personen z. B. durch Indizien glaubhaft machen, dass sie aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert werden, muss die Gegenseite beweisen, dass sie nicht diskriminiert. Das wird vom Bundesarbeitsgericht eher restriktiv ausgelegt.

Positive Maßnahmen

Frauenförderung und Quotenregelungen bei Einstellung und Beförderung sind zulässig, wenn Frauen (bzw. das "bevorzugte Geschlecht") tatsächlich in einem Tätigkeitsbereich unterrepräsentiert sind und eine Bewerberin gleich qualifiziert wie ein Mitbewerber ist. Es müssen aber eine Härtefallklausel sowie eine Einzelfallprüfung existieren. Diese Rechtsprechung hatte sich durch drei Klagen deutscher Männer herausgebildet (Kalanke C 450/93, Marschall C 409/95, Badeck C-158/97).

Die Übernahme von EU-Richtlinien in deutsches Recht war oft verspätet oder unvollständig, anders als z. B. in Skandinavien. Häufig haben Klagen vor dem EuGH aus Deutschland dazu geführt, dass deutsches Recht angepasst werden musste. Das könnte für einige Regelungen im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), wie etwa kurze Klagefristen für Diskriminierungsopfer, wieder geschehen.

Für mehr Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt lohnt es sich, Erfahrungen der europäischen Nachbarn anzupassen, seien es aktive Antidiskriminierungsbehörden wie in Frankreich oder Großbritannien, Quotenregelungen für Führungspositionen wie in Norwegen oder Pflicht-Pläne zur Lohntransparenz in Unternehmen wie in Frankreich und Schweden.
In der aktuellen Diskussion besteht die Gefahr, dass Gleichstellung einseitig auf Arbeitsmarktintegration verengt wird. Ohne Veränderung der Teilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit, von Lohn- und Sorgearbeit, wird sich aber die Gleichstellung der Geschlechter nicht erreichen lassen, versteht man darunter die Gleichverteilung von Zeit, Macht, Geld und Anerkennung. Nicht einzelne Maßnahmen, sondern eine abgestimmte Gesamtstrategie mit umfassenden klaren Leitbildern ist notwendig.

Weitere Inhalte

Dr. phil. Gesine Fuchs ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Politikwissenschaft der Universität Zürich. Aktuell lehrt und forscht sie zur Gleichstellungspolitik in der Schweiz und vergleichend zur Rechtsmobilisierung sozialer Bewegungen in Europa. Mehr Informationen unter www.gesine-fuchs.net.