Auch heute noch ist es für Frauen nicht selbstverständlich Karriere zu machen. Hochqualifizierte Frauen erreichen in Unternehmen häufig nur die mittlere Managementebene. Neben behindernden Strukturen am Arbeitsplatz und in den Betrieben wirkt sich auch die Gründung einer Familie nachteilig auf den Berufsweg von Frauen aus. Denn nach wie vor wird die Herausforderung Beruf und Familie zu vereinbaren vor allem von Frauen bewältigt. Studien zeigen, dass traditionelle Geschlechterbilder in den Köpfen der männlichen Kollegen und Vorgesetzten, aber auch in den Köpfen der Frauen selbst, den beruflichen Aufstieg ebenfalls erschweren können.
Die folgenden Ausführungen stützen sich auf die Ergebnisse eines Forschungsprojektes, in dem die karrierefördernden Potenziale von Frauenverbänden untersucht wurden. Dieses Forschungsprojekt wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und am Archiv der deutschen Frauenbewegung in Kassel durchgeführt.
In 45 Interviews wurden Frauen aus dreizehn verschiedenen Frauenverbänden nach ihrem Karriereverständnis, den Voraussetzungen, unter denen sie bereit sind, eine Karriere zu machen, und nach dem Nutzen ihres frauenverbandlichen Engagements für den beruflichen Erfolg befragt. Ziel war es herauszufinden, welche Strukturen, Maßnahmen und Verhaltensweisen der Verbände einerseits und der Verbandsmitglieder andererseits sich positiv auf die Karrieren von Frauen auswirken. Im Folgenden werden einige der Ergebnisse dieses Projektes dargestellt.
Ein typisch weibliches Karriereverständnis?
Allgemein wird Karriere verstanden "als Abfolge von sozialen Positionen oder Stationen im Lebenslauf einer Person".
In den Interviews zeigten die befragten Frauen ein distanziertes Verhältnis zum Thema Karriere, da sie Karriere mit Vorstellungen von Position, Macht und Geld verknüpften. Statt von Karriere sprachen sie bevorzugt von Erfolg. Diese Umschreibung des Begriffs ermöglichte es den Frauen, den Bedeutungsrahmen von Karriere zu erweitern und den Gesamtrahmen ihrer Lebensumstände wie Erwerbsleben, Sorge- und Pflegearbeiten sowie ehrenamtliche Arbeiten darunter zu fassen. Die erfolgreiche Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben hatte für die befragten Frauen Priorität. Gelang dies zufriedenstellend, so bezeichneten sich die Interviewpartnerinnen als erfolgreich und nahmen für sich in Anspruch, eine Karriere gemacht zu haben.
Von Erfolg und nicht von Karriere zu sprechen, kann eine Strategie sein, um die mit dem Karrierebegriff verbundenen Assoziationen wie etwa ungehemmtes Machtstreben und Rücksichtslosigkeit nicht mit der eigenen Person in Verbindung zu bringen. Welchen Beitrag können Frauenverbände unter diesen speziellen Voraussetzungen zur Karriere- und Berufsförderung von Frauen leisten?
Karriere- und Berufsförderung im Frauenverband
Berufs- und Karriereförderung findet in Frauenverbänden auf unterschiedliche Art und in unterschiedlicher Intensität statt, abhängig von der jeweiligen Zielgruppe und der thematischen Ausrichtung des Verbandes. Frauenverbände bieten neben direkten Fortbildungsangeboten für ihre Mitglieder auch ein Übungsfeld, um Kompetenzen zu erwerben, die sich positiv auf ihre berufliche Laufbahn auswirken.
Neben Angeboten zur Verbesserung der fachlichen und sozialen Kompetenzen lernen Mitglieder im Verband weibliche Vorbilder kennen und werden durch Mentoring-Programme gefördert. Es gibt die Möglichkeit, sich in Lebensphasengruppen mit gleichaltrigen Frauen auszutauschen oder den Dialog über die Generationen hinweg zu führen und von den Erfahrungen der älteren Verbandskolleginnen zu profitieren.
Die Studie hat gezeigt, dass aktive Verbandsfrauen ihre kommunikativen Kompetenzen erweitern. Sie lernen Meinungsbildungsprozesse in Gruppen zielführend zu begleiten, in einem Team auftretende Konflikte zu lösen und erwerben durch das Leiten von Arbeitsgruppen oder durch die Übernahme einer führenden Position im Verband Führungskompetenz. Die Lernprozesse steigern somit nach Aussage von Verbandsfrauen ihre Kompetenzen und stärken ihre Persönlichkeit.
Durch den Austausch im Verband lernen die Frauen auch, dass viele ihrer Schwierigkeiten, Beruf und Familie in Einklang zu bringen, nicht an ihrer persönlichen Situation und in persönlichem Versagen liegen, sondern dass die Gründe dafür auch gesellschaftspolitischer Natur sind. Außerdem kann die Erkenntnis, dass sie Teil einer Gruppe mit identischen oder ähnlichen Erfahrungen sind, entlasten und motivieren.
Hervorgehoben werden soll die Situation junger Frauen in den Frauenverbänden. Die Verbände verwenden den Begriff "junge Frau" sehr breit: Sie bezeichnen damit sowohl Frauen, die als Berufsanfängerinnen im Alter von zwanzig bis dreißig Jahren Mitglied im Verband werden, als auch jene Frauen, die nach der Elternzeit mit Anfang vierzig oder auch später in ihren Beruf zurückkehren oder sich beruflich neu orientieren wollen. Beide Gruppen stehen in puncto Berufs- und Karriereförderung vor ähnlichen Problemen. Somit wird im Zusammenhang mit der Karriereförderung durch Frauenverbände der Begriff der "jungen Frau" nicht am Lebensalter, sondern an der Lebensphase festgemacht.
Berufsanfängerinnen fällt es häufig schwer, einen Zugang zur Frauenverbandsarbeit zu finden. Sie haben hohe Erwartungen an die Möglichkeiten der Berufsförderung in den Verbänden. Gleichzeitig haben sie oft nur vage Vorstellungen darüber, wie Verbandsarbeit funktioniert. Häufig müssen sie erst lernen, dass die Mitgliedschaft in einem Frauenverband erst bei aktivem Engagement besonders förderlich für die berufliche Entwicklung sein kann.
In vielen Frauenverbänden ist ein starkes Engagement junger Frauen erwünscht und wird entsprechend gefördert. So erhalten junge Frauen durch die Zusammenarbeit mit erfahrenen Frauen in Gremien und Arbeitsgruppen die Möglichkeit, sich zu qualifizieren und zu profilieren.
Traditionelle Geschlechterbilder und ihr Einfluss auf die Karrieren von Frauen
Karrieren von Frauen können auch durch traditionelle Rollenbilder sowie unhinterfragte Vorstellungen von Weiblichkeit behindert werden. Diese sind nicht nur bei männlichen Kollegen und Vorgesetzten zu finden, sondern auch bei den Frauen selbst. Ideen, Vorstellungen und Zuschreibungen von dem, was "typisch" weiblich ist oder sein soll, verdichten sich zu Rollenbildern. Diese werden zu unbewussten Wissensbeständen und zur Grundlage für die Bewertung des Verhaltens von Frauen und Männern. In der soziologischen Forschung werden diese in jedem Menschen vorhandenen Wissensbestände über das, was typisch weiblich oder auch typisch männlich ist, unter dem Begriff des Geschlechterwissens zusammengefasst.
So offenbart beispielsweise die Art und Weise, wie in Frauenverbänden über die dort stattfindenden Konflikte und deren Beilegung gesprochen wird, eine spezifische Form dieses Geschlechterwissens. Deutlich wird dies zum Beispiel, wenn das Verhalten von Frauen im Konfliktfall von Verbandsfrauen als "Zickenalarm" oder "Mimosigkeiten" bezeichnet wird. Frauen bleiben damit bei der Bewertung von weiblicher Kommunikation und weiblichem Konfliktverhalten in überkommenen Rollen- und Verhaltenszuschreibungen stecken und verstellen sich den Blick für die Wahrnehmung von Veränderungen und Neuinterpretationen des Geschlechterwissens.
Ähnliches gilt auch für die Bewertung des eigenen Karriere- und Berufsweges, wenn Verbandsfrauen erzählen, dass sie ihre Karriere glücklichen Fügungen zu verdanken haben und die eigene Leistung sowie den persönlichen Ehrgeiz und ihre Ambitionen verschweigen. Diese Art der Selbstdarstellung der eigenen Leistung hängt eng mit vorhandenen Weiblichkeitsbildern zusammen. Die Eigenschaften, die mit karriereorientiertem Handeln verbunden sind, z.B. Ehrgeiz, Dominanz, Durchsetzungsfähigkeit und Durchsetzungswillen sowie eine gewisse Aggressivität, werden als "unweiblich" wahrgenommen. Frauen wollen aber nicht unweiblich sein, darum passen sie ihre Schilderungen über ihr Tun den Vorstellungen über das vermeintlich richtige weibliche Verhalten an.
Diese Neigung von Frauen, ihre beruflichen Erfolge eher zurückhaltend und abwägend darzustellen, entspricht auch der in anderen Studien nachgewiesenen Neigung von Frauen, ihre Fähigkeiten und Leistungen klein zu reden und zu verzerren: "In Bewerbungssituationen schätzen sich Frauen trotz gleicher Leistung gemessen an objektiven Indikatoren in allen Aufgabenbereichen als deutlich weniger erfolgreich ein als die getesteten Männer" heißt es beispielsweise im Gleichstellungsbericht der Bundesregierung von 2011.
Eine mögliche Erklärung dafür wird in einem überhöhten Leistungsanspruch der Frauen gesehen, bei dem die Selbstkritik erwartungsgemäß streng ausfällt. "Frauen bewerten sich schon bei ihrer ersten Bewerbung zurückhaltender als ihre männlichen Kommilitonen und dies trotz besserer Studienabschlüsse" heißt es ebenfalls im Gleichstellungsbericht der Bundesregierung.
An dieser Stelle können Frauenverbände durch gezielte Schulungen bewusstseinsbildend und persönlichkeitsstärkend wirken. Sie können sensibilisieren für das Erkennen von Rollenklischees und dazu beitragen, dass Frauen ihre eigene Leistung würdigen und entsprechend nach außen darstellen. Für Bewerbungsgespräche oder auch das Verhalten in gemischtgeschlechtlichen Teams und besonders für den beruflichen Aufstieg ist dies eine wesentliche Voraussetzung. Wenn Frauenverbände daran mitwirken, den Blick ihrer Mitglieder auf ihre Fähigkeiten in der Kommunikation und im Konfliktaustrag zu richten, dann hilft das Frauen, im gemischtgeschlechtlichen Umfeld Konflikte zielführend und sachorientiert zu bewältigen und erfolgsorientiert zu kommunizieren.
Es wird deutlich: Das Engagement im Frauenverband unterstützt und fördert die Karriere. Frauenverbände bieten ihren Mitgliedern einen geschützten Raum zum privaten und beruflichen Austausch und tragen in diesem Rahmen durch unterschiedliche Angebote und Arbeitsformen zur fachlichen Fortbildung und zur Stärkung der Persönlichkeit bei. Bleibt die Frage: Ist das Arbeiten in einem reinem Frauenzusammenhang noch zeitgemäß?
Die Aussagen der im Rahmen dieser Untersuchung befragten Verbandsfrauen hierzu sind eindeutig. Mehrfach wurden von den interviewten Frauen die Erfahrungen in der Kommunikation mit männlichen Arbeitskollegen im Vergleich zu denen mit Kolleginnen im Verband angesprochen. Gerade für Frauen in von Männern dominierten Arbeitsfeldern stellt der Frauenverband eine Möglichkeit für einen konstruktiven fachlichen Dialog dar. Frauen brauchen für den Umgang mit den geschlechtsspezifischen Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt den Austausch mit und die Erfahrung von anderen Frauen. Beim Umgang mit diesen Problemen sehen sich die Frauen im Frauenverband durch verständige und kompetente Beratung durch Frauen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, gut aufgehoben. Im Frauenverband finden Lernprozesse entspannter statt als am Arbeitsplatz. Der Verband bietet ein Übungsfeld, in dem sich Frauen im geschützten Rahmen ausprobieren können.
Das Vorhaben "Karriere mit Tradition. Analyse der unterschätzten Potentiale von Frauenverbänden bei der Karriereplanung junger Frauen" wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds der Europäischen Union gefördert (FKZ 01FP10131).