„Familie“ wird immer mehr Gegenstand des öffentlichen Interesses. Gestritten wird nicht nur über Betreuungsgeld, KiTa-Ausbau und darüber, ob die 200 Milliarden Euro, die der Staat jedes Jahr für seine Familienpolitik ausgibt, gerecht verteilt werden. Es wird auch diskutiert über "Helikoptereltern", überforderte Kleinkinder und immer ältere Mütter. Grund genug, um das Thema Familie nicht nur im neuen
Wie unterschiedlich die Vorstellungen von Familie sein können, zeigen die folgenden sechs Kurz-Interviews.
"Wir sind zu wenig locker"
Carla B. lebt mit einer Frau zusammen. Das war nicht immer so: 15 Jahre lang führte sie eine Ehe mit einem Mann, mit dem sie auch ein Kind hat. Dann trennte sie sich wegen ihrer Liebe zu Frauen. Heute ist sie 65 und lebt mit ihrer Partnerin und ihrem Ex-Mann im selben Haus. Dass das möglich ist, verdankt sie ihrem Sohn. Er war das Bindeglied, über das die Eltern wieder ein vernünftiges Verhältnis zueinander fanden.
Familie Christoph (© Philip Artelt)
Familie Christoph (© Philip Artelt)
"Kinder bringen so viel Abwechslung"
Agnes Christoph hat mit 27 Jahren schon zwei Kinder. Beide kamen zur Welt, als sie und ihr Mann noch studierten. Für die Geburt ihres Sohnes unterbrach sie ihr praktisches Jahr als Medizinstudentin, mit ihrer Tochter war sie während des Examens schwanger. Jetzt haben die beiden Eltern Teilzeitstellen. Rückblickend sagt Agnes Christoph, die letzte Phase des Studiums war die ideale Zeit zum Kinder kriegen.
Leni Ewers (© Philip Artelt)
Leni Ewers (© Philip Artelt)
"Die Politik soll sich mal mehr Mühe geben mit den jungen Menschen"
Wie sehr Leni Ewers ihre Familie liebt, bewies die heute 98-Jährige nach dem Krieg. Mit dem Fahrrad fuhr sie durch ganz Deutschland, um ihren Mann vor russischer Kriegsgefangenenschaft zu bewahren. In den 30er-Jahren bekamen sie zwei Kinder. Es wären wohl noch mehr geworden, wäre nicht der Krieg dazwischengekommen. Über zu wenige Kinder in der Familie kann Leni Ewers dennoch nicht klagen: Heute hat sie Freude an ihren vier Enkeln und sieben Urenkeln.
Lemia Yiyit mit ihrer Familie (© Philip Artelt)
Lemia Yiyit mit ihrer Familie (© Philip Artelt)
"Die Politik muss jetzt sofort handeln"
Lemia Yiyits Eltern kamen als Gastarbeiter aus der Türkei nach Deutschland, sie war damals neun Jahre alt. „Sei neugierig, aber verliere deine Kultur nicht“, rieten sie ihr. Wenn Lemia auf einen Kindergeburtstag ging, kam ihr Bruder als Aufpasser mit. So ist das bei alevitischen Muslimen üblich. Aber die Eltern ließen ihr auch viele Freiheiten: Mit ihren Klassenkameraden durfte Lemia Yiyit sogar in die Kirche gehen. So westlich Lemia Yiyit heute wirkt, ihre Kultur hat die 49-Jährige nicht verloren.
Peter Schütz (© Philip Artelt)
Peter Schütz (© Philip Artelt)
"Familie bedeutet nicht unbedingt einen biologisch-genetischen Zusammenhang"
Peter Schütz (Name geändert) ist schwul – oder eher bisexuell? So genau kann er das nicht definieren. Und er ist Vater – oder doch nicht? Auch das kann er nicht so genau sagen. Vor drei Jahren hat der 44-Jährige eine Abmachung mit einem lesbischen Paar getroffen. Er stellte sich als biologischer Vater für ein Kind zur Verfügung und gab es zur Adoption frei, wie besprochen und wie bei einem Notar besiegelt. Jetzt kam das Kind zur Welt – und es brachte Peters Gefühlswelt durcheinander. Gerne würde er am Leben des Kindes – seines Kindes – teilhaben.
Markus Schwarz (Philip Artelt) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Markus Schwarz (Philip Artelt) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
"Familie sollte der Ort sein, an dem man Halt findet"
„Sozialer Brennpunkt“ nennt Markus Schwarz den Stadtteil, in dem er aufgewachsen ist. Ein typisches Problemviertel, aber der soziale Brennpunkt war auch bei ihm daheim: Als er drei Jahre alt war, trennten sich seine Eltern. Schwarz musste ein Jahr in eine Pflegefamilie. Als er 15 war, starb sein Vater, Markus zog zu seiner Tante. Seine Jugend war von Alkohol geprägt, er suchte nach Halt, nach Stabilität, nach einer Familie. Heute ist alles anders. Er hat eine Frau und drei Kinder, seine jüngste Tochter ist fünf Monate alt. Bei seiner eigenen Familie will der 36-Jährige alles besser machen.
Familie Hauptmann (© Philip Artelt)
Familie Hauptmann (© Philip Artelt)
"Ich bin da ein bisschen traditionell"
Fünf Geschwister hatte Stefan Hauptmann. Seine Familie stammt vom Land, Nebenerwerbslandwirte. Neben seinem Beruf im Maschinenbau arbeitet Stefan Hauptmann immer noch als Landwirt. Inzwischen hat er selbst eine Frau und Kinder – allerdings nur zwei. Sein ganzes Leben war der 42-Jährige von vielen Menschen umgeben. Großfamilie ist schön, sagt Stefan Hauptmann, aber manchmal möchte man einfach seine Ruhe haben.
Nun fragen wir Sie: Was bedeutet für Sie Familie? Wir freuen uns auf Ihre Meinung.