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Rechtspopulistische Parteien nach der Europawahl 2014
Bei der Europawahl 2014 haben viele rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien Stimmen hinzugewonnen. Was die Gründe dafür sind und wie sich dies nun auf die Arbeit des Europäischen Parlaments auswirkt, erklärt Politikwissenschaftler Tim Spier im Interview.
QuellentextRechtspopulistische Parteien nach der Europawahl 2014. Interview mit Prof. Dr. Tim Spier, Politikwissenschaftler an der Universität Siegen.
Bei der Europawahl haben rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien in einigen Ländern große Stimmenanteile hinzugewonnen. Woran liegt das?
In der Tat haben in einigen Ländern rechtspopulistische Parteien relativ große Wahlerfolge erzielt. Das hat natürlich vor allen Dingen auch länderspezifische Ursachen. Man muss sich ganz genau angucken, was meinetwegen in Frankreich passiert ist, was auch in anderen Ländern passiert ist. Allerdings würde ich schon sagen, dass es mindestens zwei länderübergreifende Ursachen gibt. Das ist einerseits die immer noch grassierende Wirtschafts- und Finanzkrise im Euroraum, die tatsächlich wirtschaftliche, soziale Verwerfungen nach sich zieht und dadurch eine relativ günstige Gelegenheitsstruktur für die rechtspopulistischen Parteien bietet. Und hinzu kommt das, was wir Politikwissenschaftler gerne als Second Order Elections wahrnehmen. Europawahlen werden von den meisten Bürgern als zweitrangig wahrgenommen. Das führt zu zwei Dingen: Erstens neigt ein Teil der Bevölkerung eher dazu, die Europawahl zu nutzen, um der nationalen Regierung einen Denkzettel zu verpassen; also sie abzustrafen. Das kann dann durchaus auch mal eine Stimme für eine rechtspopulistische Partei sein. Und zweitens bedeutet das, dass allgemein die Bürger weniger zur Wahl bei einer Europawahl gehen und das heißt dann, dass den Proteststimmen, die für eine populistische Partei abgegeben werden, natürlich ein größeres Gewicht zukommt und sich schneller in hohe Stimmenanteile auswirkt.
Wer hat rechtspopulistisch gewählt?
Grundsätzlich kann man schon sagen, dass im ersten Anschein nach das zutrifft, was auch vorher schon für rechtspopulistische Parteien, die Wählerschaften rechtspopulistischer Parteien zugetroffen ist. Nämlich, dass es sich da in einem ganz überwiegenden Maße, ganz überdurchschnittlich, um so genannte Modernisierungsverlierer handelt. Das ist natürlich ein plakativer Begriff, der aber glaube ich ganz gut bezeichnet, was die Wählerschaft rechtspopulistischer Parteien ausmacht, nämlich dass es sich allgemein um sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen handelt. Das sind natürlich einerseits Betroffene aktueller Krisenerscheinungen, aber auch allgemein Personengruppen, die sich dem allgemeinen sozialen Wandel nicht gut anpassen können, die dadurch soziale Benachteiligungen erfahren. Die neigen in der Tat alle zur Wahl rechtspopulistischer Parteien und das hat auch einen Grund: Man muss sich das so vorstellen, dass das aus der eigenen Frustration über die eigene soziale Benachteiligung passiert, dass diese Personen eine aggressive Tendenz aufbauen. Dem kommen natürlich rechtspopulistische Parteien besonders gut nach. Die haben eine sehr aggressive Rhetorik, die sorgen für Ressentiments, die auf bestimmte Bevölkerungsgruppen soziale Probleme projizieren, die dann als Feindgruppen wahrgenommen werden und das dient alles der rechtspopulistischen Mobilisierung. In der Tat sind derartige Modernisierungsverlierer ganz überdurchschnittlich Wähler rechtspopulistischer Parteien.
Was bedeutet der Wahlerfolg der Rechtspopulisten für die Arbeit des Europaparlaments?
Ich glaube nicht, dass das Vorhandensein von vielleicht 80, 90 rechtspopulistischen Abgeordneten im Europaparlament die Arbeit des Europaparlaments nennenswert einschränken wird. Das liegt einerseits daran, dass den populistischen Parteien, dass rechtspopulistischen Parteien an der eigentlichen parlamentarischen Arbeit meist gar nicht so viel gelegen ist. Sie haben auch eigentlich keine konzise, kohärente Programmatik, die sich jetzt umsetzen würde in konkretes parlamentarisches Handeln im Europaparlament und deswegen glaube ich, werden sie da kaum Schaden anrichten. Sie werden sicherlich die Suche nach Mehrheiten etwas schwieriger machen, das heißt sie werden üblicherweise nicht mit den anderen Fraktionen stimmen. Das wird jetzt schon für die Wahl des Kommissionspräsidenten wichtig werden. Allerdings haben die Sozialdemokraten, die europäischen Christdemokraten weit genug Stimmen, um diese Gruppe tatsächlich zu ignorieren. Man ist nicht auf Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten im Europaparlament angewiesen.
Werden die Rechtspopulisten eine gemeinsame Fraktion bilden?
Rechtspopulisten sind fast immer radikale Nationalisten und der Nationalist eines Landes hat natürlich etwas Schwierigkeiten mit dem Nationalist eines anderen Landes, was vielleicht abgewertet wird in der eigenen Rhetorik, sich zusammenzuschließen. Und gleichzeitig trifft zweitens auf Rechtspopulisten fast immer zu, dass sie von charismatischen Führungsfiguren angeführt werden und das sind meistens relativ narzisstische Persönlichkeiten, die alles auf sich zuspitzen und dann auch Schwierigkeiten haben, mit ähnlich starken Persönlichkeiten anderer Länder bzw. anderer Parteien zusammenzuarbeiten. Deswegen sind sehr häufig Organisationsversuche in Form von Gründungen von Fraktionen im Europaparlament gescheitert. Ich gehe davon aus, dass ein guter Teil dieser 80, 90 Abgeordneten, die die Rechtspopulisten jetzt im Europaparlament haben, tatsächlich versuchen werden, eine Fraktion zu bilden. Dazu werden sicherlich nicht die etwas gemäßigteren Europa-kritischen Parteien gehören, wie zum Beispiel UKIP oder auch in Deutschland die AfD. Aber ein harter Kern von rechtspopulistischen Parteien wie der Front National, die FPÖ in Österreich, Vlaams Belang in Belgien oder die Lega Nord in Italien, die werden sich tatsächlich in einer Fraktion organisieren. Wie viele Parteien die dann insgesamt drin haben, wird abzuwarten sein.
Was bedeutet es strukturell für die rechtspopulistischen Parteien, dass sie Mandate im Parlament innehaben?
Ich glaube nicht, dass es den meisten rechtspopulistischen Parteien wirklich um die Arbeit im Europaparlament geht. Es ist eine Möglichkeit, tatsächlich bei einer Wahl, wo man sehr gute Erfolge erzielen kann, tatsächlich auch einen Erfolg zu erzielen und dann auf der nationalen Bühne dadurch zu profitieren. Im Europaparlament selber bietet sich diese Bühne eigentlich nicht an, das heißt nationale Medien berichten kaum über das, was Rechtspopulisten oder überhaupt Abgeordnete im Europaparlament machen. Deswegen bietet sich das eigentlich nicht als Mobilisierungsarena für nationale Wahlen an. Es ist natürlich zum Teil eine Ressource, das heißt dass so eine Partei dann natürlich Gelder bekommt, hat Mitarbeiter, die sie einstellen kann. Das kann natürlich der Partei helfen, aber ich würde das nicht überschätzen gegenüber der Frage, dass die meisten Rechtspopulisten eigentlich eher auf ihre eigenen Länder konzentriert sind.
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