Aufgrund der sprachlichen und kulturellen Nähe kamen jahrzehntelang viele Einwanderer aus Lateinamerika nach Spanien. Und durch die geografische Nähe ist die iberische Halbinsel auch der Punkt, an dem sich Europa und Afrika überschneiden. An der Meerenge von Gibraltar trennen die beiden Kontinente nur 14 Kilometer. Und noch näher sind sich die beiden Welten in den Städten Ceuta und Melilla, den beiden spanischen Exklaven auf marokkanischem Gebiet. An den sechs Meter hohen doppelten Grenzzäunen warten tausende Afrikaner auf ihre Chance, im richtigen Moment schwimmend oder kletternd zu fliehen, um in Europa eine Zukunft zu erleben.
Öffentlichkeit gespalten
Seit ein paar Monaten versuchen es die Flüchtlinge mit koordinierten Massenanstürmen, bei denen mehrere hundert gleichzeitig versuchen, die Grenze nach Europa zu überwinden. So im Februar, als 15 von ihnen ums Leben kamen, nachdem die spanische Grenzpolizei in Ceuta Gummigeschosse gegen Afrikaner eingesetzt hatte, die versuchten, schwimmend spanisches Staatsgebiet zu erreichen.
Wie bei fast allen Fragen teilte sich die Reaktion der spanischen Öffentlichkeit in zwei Lager. Linkswähler kritisierten das Vorgehen der Polizei und die Reaktion des Innenministers Jorge Fernández Díaz von der konservativen Regierung. Anhänger der konservativen Regierung hingegen verteidigten den Einsatz von Gummikugeln. Aber als EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström den spanischen Innenminister öffentlich kritisierte, waren sich die politischen Lager so einig wie selten: Es sei vor allem die Aufgabe der EU, die Grenze zu Afrika zu sichern.
Stärkeres Europa angestrebt
Im Gegensatz zu einigen anderen europäischen Ländern, in denen fremdenfeindliche Parteien dazu aufrufen, sich von Europa abzuschotten, setzen in Spanien zumindest alle großen politischen Lager auf ein stärkeres Europa, um die illegale Einwanderung in den Griff zu bekommen. Keine der Parteien mit Repräsentation in Kongress, Senat oder Regionalparlamenten setzt auf populistische Kampagnen. Gegen die drohende illegale Masseneinwanderung aus Nordafrika fordern alle wichtigen Parteien ein Mehr an Europa, nicht ein Weniger: Brüssel solle sich um seine Außengrenzen kümmern und diese Aufgabe nicht mehr nur den Mitgliedstaaten überlassen.
Die linksliberale Tageszeitung El País forderte einen parteienübergreifenden Pakt, um die EU-Behörden in die Verantwortung zu nehmen: "Die Einwanderungspolitik darf nicht zum Streit zwischen den Parteien führen. Im Gegenteil sollten diese Geschlossenheit gegenüber Brüssel demonstrieren." In seltener Übereinstimmung pflichtete die konservative Tageszeitung El Mundo bei: "Brüssel muss reagieren und endlich eine umfassende Migrationspolitik mit diplomatischen und wirtschaftlichen Lösungen beschließen." Und selbst die rechts-konservative Tageszeitung La Razón kommentierte, eine Abschottung ohne Entwicklungshilfe könne nicht funktionieren: "Entweder man unterstützt die friedliche gesellschaftliche Entwicklung südlich der Sahara und in den Maghreb-Staaten oder es kommen weiter unzählige Flüchtlinge auf der Suche nach einer besseren Zukunft zu uns."
Rechtsradikale haben kaum Erfolg
Offen fremdenfeindliche Parteien hatten in Spanien bislang wenig Erfolg. Rechts der regierenden konservativen Volkspartei (Partido Popular) existieren lediglich zersplitterte politische Gruppierungen ohne Abgeordnete auf nationaler oder regionaler Ebene. Vereinzelt wurden Rechtsradikale zwar in Stadtparlamente gewählt, sowohl bei den Kommunalwahlen 2007 als auch 2011 bekamen diese landesweit aber weniger als ein Prozent der Stimmen.
Für die bevorstehende Europawahl formieren sich zwar mehrere Zusammenschlüsse rechts der spanischen Volkspartei, wie das rechtsextreme Bündnis "La España en Marcha" (Spanien auf dem Marsch) oder die nationalistische Partei "Vox" (Stimme). Nach der jüngsten Umfrage der linksliberalen Tageszeitung El País (22. März 2014) würden diese aber jeweils weniger als ein Prozent der Stimmen erhalten.
In Umfragen des staatlichen Meinungsforschungsinstituts CIS geben die Spanier den fremdenfeindlichen Parteien seit Jahrzehnten kaum eine Chance. Auf die Frage "Glauben Sie, dass eine rassistische oder fremdenfeindliche Partei in Spanien großen, mäßigen, geringen oder keinen Zuspruch erhalten würde?", bleiben die Spanier skeptisch. Bei der jüngsten Befragung im Oktober 2012 gingen nur 2,4 Prozent von "großem", 14,9 Prozent von "mäßigem" Erfolg aus. Die Antworten auf diese Frage fallen seit 20 Jahren relativ konstant aus. Zunehmende Einwanderung, Wirtschaftskrise und steigende Arbeitslosigkeit scheinen die Chancen für ausländerfeindliche Parteien in Spanien also kaum begünstigt zu haben.