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Contra: Warum Sparen falsch ist

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Die Sparpolitik habe in der Eurozone in Zeiten der Krise eine weitere Rezession verursacht, sagt Klaus Busch. Die USA seien mit einer sehr expansiven Geld- und Fiskalpolitik besser durch die Krise gekommen.

Klaus Busch

Die Austeritätspolitik, welche die EU unter der deutschen Hegemonie im Jahre 2010 einleitete, basiert auf der Analyse, dass einerseits die übermäßigen Staatsschulden die Eurokrise verursacht und andererseits die übermäßige Lohn- und Sozialpolitik in etlichen EU-Staaten zum Verlust ihrer Wettbewerbsfähigkeit geführt hätten. Die einzig mögliche Antwort sei deshalb ein rigider Sparkurs in der Haushalts-, Sozial- und Lohnpolitik.

Diese einseitige Analyse der Krisenursachen übersieht, dass in vielen Staaten erst aufgrund der Weltwirtschaftskrise 2008/2009 die Staatsschulden explodierten (einbrechende Steuereinnahmen, konjunkturstützende Ausgaben und Rettung von Banken) und einige der nach 2009 hochverschuldeten Staaten (Spanien, Irland) vor der Krise deutlich niedrigere Staatsschuldenquoten verzeichneten als der Musterstaat Deutschland. Sie ist auch gegenüber der Tatsache blind, dass gerade die deutsche Politik der - im europäischen Kontext - weit überdurchschnittlichen Lohnmäßigung einen großen Beitrag zu den Leistungsbilanzungleichgewichten in der Eurozone leistete (Busch 2012).

USA kommen besser durch die Krise



Im Ergebnis produzierte diese Politik der starken Dämpfung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage (Reduktion der Haushaltsdefizite, Lohnabbau) in den Jahren 2012 und 2013 in der Eurozone eine weitere Rezession. Insbesondere in den Staaten, die am härtesten sparen mussten (Griechenland, Portugal, Irland, Spanien), kam es zu erheblichen Einkommenseinbußen, einer Explosion der Arbeitslosenraten, vor allem bei den Jugendlichen, und massiven Einschnitten in den sozialen Sicherungssystemen (Busch/Hermann/Hinrichs/Schulten 2012).

Dass die Krise auch anders bekämpft werden kann, lehrt die Entwicklung in den USA seit 2008/2009. Mit Hilfe einer sehr expansiven Geld- und Fiskalpolitik haben die Vereinigten Staaten wesentlich bessere Wachstums- und Beschäftigungsdaten erzielt als die EU. Während sich die Eurozone in der Rezession befand, realisierten die USA 2012/2013 bereits wieder ein BIP-Wachstum von zwei und drei Prozent. Während die Arbeitslosenrate in der Eurozone mit über 12 Prozent 2013 auf einem historisch überdurchschnittlichen Niveau angesiedelt war, lag die Arbeitslosenrate in den USA bereits wieder unter 7 Prozent.

Zwei idealtypische Wege



Es gibt ökonomisch idealtypisch zwei Wege eine Krise zu bekämpfen: Regierung und Zentralbank können auf einen Einbruch der Realwirtschaft mit einer Stützung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage reagieren und die dabei erzeugten Haushaltsdefizite nach Erreichen eines hohen Wachstumspfades wieder abbauen (so die USA). Der Staat kann aber auch eine Sparpolitik durchführen, welche die realwirtschaftliche Krise zunächst verstärkt, jedoch die Neuverschuldung senkt. Durch Anpassungen auf der Angebotsseite (Arbeitslosigkeit senkt Löhne und Preise) soll dann nach und nach der Output stabilisiert werden (so die Eurozone). Der zweite Weg erzeugt zum einen wesentlich höhere soziale Anpassungskosten als der erste Anpassungspfad (hohe Arbeitslosigkeit, größere Einkommenseinbußen), zum anderen vollzieht sich die Stabilisierung in der Regel langsamer als auf dem alternativen Weg.

Obwohl auch internationale Institutionen, wie der Interner Link: International Währungsfonds IWF, auf diese Unterschiede hingewiesen haben und den harten Sparkurs in Europa kritisierten, hat sich insbesondere die deutsche Regierung, von der internationale Stimmen immer wieder Wachstumsimpulse einforderten, gegenüber der Kritik als äußerst hartleibig erwiesen. Die deutsche Regierung lehnte auch die Forderung ab, zur Entlastung der Staatsschulden der südeuropäischen Länder Eurobonds oder einen Schuldentilgungsfonds einzuführen. Beide Instrumente hätten die Zinskosten der hoch verschuldeten Staaten reduzieren können und wurden unter anderen von den südeuropäischen Regierungen und Frankreich, aber auch der Europäischen Kommission unterstützt. Auch den Wunsch der Südeuropäer, bei der Realisierung einer Bankenunion in der EU eine direkte Stabilisierung von Banken durch den Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM zu ermöglichen, hat die deutsche Regierung abgelehnt.

Die Politik der Bundesregierung orientierte auf die fiskalpolitische Disziplinierung und wettbewerbspolitische Normierung der Mitgliedstaaten. Sie war sehr stark durch nationale Interessen geprägt, denn sie wies die Forderungen nach einer stärker solidarischen Europapolitik in Form von Eurobonds, einem Schuldentilgungsfonds, einer expansiveren Wirtschafts- und Lohnpolitik sowie einem direkten Engagement des ESM bei Bankenrestrukturierungen allesamt ab. Sie nahm auch die strukturellen Ursachen der Eurokrise, die aus der Fehlkonstruktion des Maastrichter Vertrages resultieren (Europäische Kommission 2012; Rompuy/Barroso/Juncker/Draghi 2012), nicht in den Blick.

Demokratisierung der EU



Dass eine gemeinsame Währung letztlich nur in einer gemeinsamen Politischen Union bestehen kann, die neben einer Geldregierung über eine gemeinsame Wirtschaftsregierung verfügt, lag nicht im Fokus der Europapolitik der schwarz-gelben Regierung. Sie unterstützte deshalb auch nicht die Bemühungen einer Demokratisierung der EU mit einer Stärkung der Rolle des Europaparlaments im Gesetzgebungsverfahren und dem Ausbau der Kommission zu einer demokratisch gewählten und kontrollierten europäischen Regierung. Ebenso wenig hatte sie damit Probleme, dass das Maastrichter System der Wettbewerbsstaaten - mit einer gemeinsamen Währung, aber nationalen Lohn-, Sozial- und Steuerpolitiken - dazu neigt, Dumpingpraktiken und damit Leistungsbilanzungleichgewichte zu erzeugen.

In Deutschland ist die Sichtweise sehr verbreitet, dass die höher verschuldeten Staaten ihre Probleme selber erzeugt hätten und ebenso für ihre Leistungsbilanzdefizite selber verantwortlich seien. Dabei wird sowohl der Einfluss der internationalen Finanzkrise 2008/2009 negiert als auch die Verantwortung der deutschen Wirtschafts- und Lohnpolitik. Dieser Blick ist gleichzeitig mit der Auffassung gepaart, Deutschland werde aufgrund seiner Bürgschaften für die Krisenländer hohe Verluste einfahren. Die Vorteile, die Deutschland bislang aus der Krise gezogen hat – niedrigere Zinsen für seine Staatsschulden, Exportvorteile durch den niedrigen Eurokurs und Gewinnausschüttungen der Europäischen Zentralbank, die sich in hoch verzinslichen Staatspapiere der Krisenstaaten engagiert -, Vorteile, die sich vorsichtig geschätzt bislang auf über 100 Mrd. Euro belaufen, werden dagegen in Deutschland nicht wahrgenommen, geschweige denn diskutiert.

Auch die neue schwarz-rote Bundesregierung setzt diesen wirtschaftspolitischen Kurs – trotz des konträren Wahlprogramms der SPD – in allen genannten Aspekten uneingeschränkt fort (Koalitionsvertrag 2013; SPD 2013).

Literatur:

  • Busch, Klaus (2012): Scheitert der Euro? Strukturprobleme und Politikversagen bringen den Euro an den Abgrund. Friedrich-Ebert-Stiftung, Internationale Politikanalyse, Berlin

  • Busch, Klaus/Hermann, Christoph/Hinrichs, Karl/Schulten, Thorsten (2012): Eurokrise, Austeritätspolitik und das Europäische Sozialmodell. Friedrich-Ebert-Stiftung, Internationale Politikanalyse, Berlin

  • Europäische Kommission (2012): Ein Konzept für eine Vertiefte und Echte Wirtschafts- und Währungsunion – Auftakt für eine Europäische Diskussion, COM (2012) 777 final/2, Brüssel

  • Koalitionsvertrag (2013): Deutschlands Zukunft gestalten, Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, Berlin

  • Rompuy, Van Herman/Barroso, J.M./ Juncker, J.-C./Draghi, M. (2012): Towards a Genuine Economic and Monetary Union, Brussels

  • SPD (2013): Das Wir entscheidet – Regierungsprogramm 2013-2017, Berlin