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Kontroversen der Europapolitik | Themen | bpb.de

Kontroversen der Europapolitik

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Eurokrise, Freizügigkeit, die Flüchtlinge an Europas Außengrenzen: Im Wahlkampf werden verschiedene Themen kontrovers diskutiert. Ein Überblick über zentrale Streitfragen.

Nicht bei allen Themen sind sich die 28 EU-Mitglieder einig. (© picture-alliance/dpa)

Eurokrise, Bankenrettung, Staatsverschuldung



Eurokrise, Staatsverschuldung und Bankenkrise sind trotz der hierzulande günstigen Wirtschaftslage auch 2014 noch nicht gelöst. Die Staatsverschuldung im Euroraum steigt weiter, drastische Sparmaßnahmen führen zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit in den Krisenländern, besonders bei Jugendlichen. Nicht nur linke Parteien und Gewerkschaften, sondern auch viele Medien kritisieren, dass die Krisenpakete lediglich eine temporäre Beruhigung der Märkte bewirkt hätten. Kritiker monieren, die Hilfsmaßnahmen seien vor allem maroden Banken zu Gute gekommen und nicht für Jobs und die Sanierung der Staatshaushalte eingesetzt worden. Laut Umfragen befürchten viele Deutsche, dass die Staatsverschuldung im Euroraum weiter ansteigt und sich die Währungsunion faktisch zu einer Haftungsgemeinschaft für die Schulden anderer Länder entwickelt. Populistische Parteien fordern, Länder aus der Eurozone auszuschließen, die nicht bereit oder nicht fähig sind, ihren Schuldenberg abzubauen.

Aufstieg rechtspopulistischer und europaskeptischer Parteien



Rechtspopulistische und europaskeptische Parteien verzeichnen in mehreren EU-Ländern wachsenden Zulauf, beispielsweise in Italien, Frankreich und den Niederlanden. Sie vertreten unter anderem eine kritische oder ablehnende Haltung zum Interner Link: Freizügigkeitsprinzip. Einige lehnen die EU-Mitgliedschaft ihrer Länder ab oder verlangen eine weitgehende Rückverlagerung von Kompetenzen von der EU- auf die nationale Ebene.

In Deutschland wendet sich die neue Partei Alternative für Deutschland (AfD) gegen die "Unterwanderung der Sozialsysteme" durch (EU-)Ausländer, fordert die Auflösung der Eurozone, die Rückkehr zu nationalen Währungen, grundlegende Reformen der Union und mehr direkte Demokratie.

Freizügigkeit und "Armutsmigration"



Freizügigkeit beinhaltet das Recht der EU-Bürger, in einem anderen EU-Land zu wohnen, zu arbeiten oder Arbeit zu suchen und hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und Sozialleistungen gleich behandelt zu werden wie Inländer. Nicht nur Rechtspopulisten und Europaskeptiker äußern in vielen EU-Ländern das Unbehagen, dass dieses Prinzip angesichts der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten und des enormen Wohlstandsgefälles etwa zwischen Deutschland und Bulgarien unweigerlich zu "Armutsmigration" führe. Auch die Regierungen Österreichs, Frankreichs und Großbritanniens fordern von der EU Maßnahmen gegen den Missbrauch des Rechts, sich frei in der EU niederzulassen. Polen befürchtet hingegen eine weitere Abwanderung seiner Facharbeiter in Hochlohnländer. In Deutschland klagen Städte über "Armutsflüchtlinge", die angeblich Sozialleistungen beanspruchten, ohne arbeiten zu wollen.

EU-Kommissionspräsident Barroso verteidigte gegenüber der "populistischen Rhetorik" die Freizügigkeit als elementares Prinzip. Immerhin hätten die Staaten auch das Recht, einen Missbrauch von Sozialleistungen zu bekämpfen. Laut Sozialkommissar Andor hat aber bisher kein Mitgliedsland statistisch belegt, dass es signifikanten "Sozialtourismus" gebe. Vielmehr hätten gut zwei Drittel der EU-Ausländer einen Job. Zur Sicherung der Freizügigkeit schlägt er vor, auch Vereinigungen und Verbänden das Recht zu geben, für die Interessen Betroffener einzutreten und auf die Ämter und Behörden in den EU-Ländern einzuwirken, dass sie die Gleichbehandlung von EU-Ausländern auf dem Arbeitsmarkt besser überwachen.

Flüchtlingsdramen vor Europa



Die EU entfaltet für viele Menschen solche Anziehungskraft, dass sie selbst vor Interner Link: lebensbedrohlichen Risiken nicht zurückschrecken. Die Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen der Schengen-Staaten erleichtere zwar den Personen- und Warenverkehr, aber auch die illegale Einwanderung, den Menschen- und Drogenhandel und das internationale Verbrechen, monieren Kritiker. Menschenrechtsaktivisten, kritische Journalisten sowie die christlichen Kirchen weisen auf die humanitäre Katastrophe hin, die sich an den Außengrenzen Europas tagtäglich ereigne (Flüchtlingsboote, Sturm auf Grenzzäune, überfüllte Aufnahmelager, Abschiebepraxis).

Politiker in den betroffenen EU-Ländern fordern mehr EU-Mittel für Notunterkünfte und Abwehrmaßnahmen. Zwischen den EU-Regierungen sind vor allem die Aufnahmequoten und die gerechtere Verteilung der Flüchtlinge auf die EU-Mitgliedstaaten strittig. Gefordert werden ferner eine Garantie für ein faires, genormtes EU-weites Asylverfahren und ein einheitlicher Rechtsstatus für Flüchtlinge.

Grenzen des Erweiterungsprozesses



Die Staaten der EU diskutieren auch über mögliche Beitritte der Kandidatenländer Montenegro, Serbien und Mazedonien. Die isländische Regierung hat die Interner Link: Verhandlungen mit der EU 2013 auf Eis gelegt. Ein Beitritt des "ewigen Kandidaten" Türkei ist wieder heftig umstritten. In Anbetracht der aktuellen Entwicklungen zweifeln Kritiker an der Rechtsstaatlichkeit des Landes. Dem Beitritt der potenziellen Kandidatenländer Bosnien-Herzegowina, Kosovo und Albanien werden wirtschaftliche Probleme, Mängel der Rechtsstaatlichkeit, grassierende Korruption und ungelöste ethnische Konflikte entgegengehalten. Sicherheitspolitiker heben jedoch die friedenssichernden Ziele der EU auf dem zerstrittenen Balkan hervor.

Die Heranführungsstrategie der Östlichen Partnerschaft in den drei Südkaukasus-Staaten sowie Weißrussland, Moldawien und Ukraine prallt frontal mit den Interner Link: russischen Plänen für eine Eurasische (Zoll-) Union zusammen. Während viele Politiker (vor allem auch in den Balkanländern und früheren Ostblockstaaten) und Meinungsführer nach der Krim-Annexion harte wirtschaftlich-finanzielle Sanktionen gegen Russland fordern, werden von Seiten der Wirtschaft gravierende Bedenken vorgetragen (Exporte, Gas). EU-Politiker aller Parteien sehen aber selbstkritisch in der lange ambivalenten Haltung der EU gegenüber der Ukraine einen mitverursachenden Faktor der Krise. Auch sei nicht konsequent genug versucht worden, Russland in die neue Osteuropa-Partnerschaft aktiv einzubeziehen. Nicht strittig ist, dass die Stabilisierung der Ukraine besondere Anstrengungen mit Blick auf Zivilgesellschaft, europabezogene Bildung, Korruptionsbekämpfung und Demokratisierung erfordert.