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Der Europawahlkampf im Netz | Themen | bpb.de

Der Europawahlkampf im Netz

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Kaum im Dialog mit den Nutzern: Die Parteien nutzen die sozialen Medien im Europawahlkampf überwiegend als einseitige Informationskanäle. Auf den Profilen der deutschen Parteien dominieren zu Beginn des Wahlkampfes nationale Themen. Eine europäische Öffentlichkeit ist nicht in Sicht – auch nicht in den sozialen Medien.

Die Parteien in Social Media - erfolgreicher Wahlkampf? (© picture-alliance/dpa)

Das Internet ist im Wahlkampf inzwischen zur Normalität geworden – ein Kommunikationsweg neben anderen. Das zeigte sich deutlich bei der Bundestagwahl 2013, bei der Parteien und Kandidaten eine Vielzahl von Online-Angeboten nutzten – von Webseiten über soziale Netzwerke, YouTube-Kanäle und Tumblr-Blogs bis hin zu eigenen Community-Seiten. Selten jedoch machten die Parteien Interner Link: wirklich vom interaktiven Potenzial des Internets Gebrauch. Es blieb weitestgehend Interner Link: eine einseitige Kommunikation.

Wird das bei der kommenden Wahl zum Europäischen Parlament anders sein? Wie werden sich die Parteien im Europawahlkampf im Netz aufstellen? Und lassen sich die Bundesbürger bei einer Wahl, die kaum auf großes Interesse stößt, online mobilisieren? 2009 lag die Wahlbeteiligung nur noch bei 43,3 Prozent.

Noch stehen nationale Themen im Fokus

Aktuell ist vom Wahlkampf noch nichts zu spüren. Anders als bei der Bundestagswahl beginnt der Wahlkampf für die Europawahl recht spät. Die Parteien und Kandidaten sind zwar nach wie vor auf allen Web-Kanälen präsent, aber noch dominieren dort überwiegend nationale Themen. Europa bleibt als Thema eher die Ausnahme und wenn es auftaucht, dann meist ganz klar verknüpft mit einer nationalen Perspektive.

Anders ist dies lediglich bei den kleinen Parteien, die nicht im Bundestag vertreten sind und deren Chancen auf den Einzug ins EU-Parlament sich durch das Interner Link: Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Drei-Prozent-Hürde deutlich erhöht haben. Sie stellen die Europawahl in den Mittelpunkt.

Auffallend ist, dass die Parteien die sozialen Netzwerke nach wie vor in erster Linie als einseitige Informationskanäle nutzen und auf Kommentare und Fragen von Nutzern nur höchst selten reagieren. Das mag auch daran liegen, dass sich – vor allen auf Facebook – viele negative, polemische Kommentare finden, insbesondere bei der CDU, SPD und bei den Grünen. Auf den Facebook-Seiten der Linken, der Piratenpartei und der Alternative für Deutschland finden sich hingegen mehr zustimmende Kommentare. Insgesamt kommt es bei allen Parteien aber eher zu Diskussionen unter den Nutzern selbst als zum Dialog mit den Parteien. Bei den sozialen Netzwerken ist insgesamt weiterhin Facebook die Nummer eins, auch wenn Parteien wie FDP und Piratenpartei inzwischen auf Google+ mehr Nutzer haben. Auf Facebook hat die Alternative für Deutschland bei der Zahl der Fans die lange Zeit vorne liegende Piratenpartei überholt.

Stärkere Personalisierung

Was bei diesem Europawahlkampf außerdem deutlich auffällt, ist die Personalisierung, die in der Vergangenheit eine eher untergeordnete Rolle gespielt hat. Erstmals gibt es in den meisten Parteien europaweite Spitzenkandidaten. Grund dafür ist der im Lissabon-Vertrag festgelegte Grundsatz, dass bei der Auswahl des Kommissionspräsidenten in Zukunft das Ergebnis der Europawahl zu berücksichtigen ist. Entsprechend gelten die Spitzenkandidaten der Parteien gleichzeitig als Anwärter auf das Amt des Kommissionspräsidenten, auch wenn noch nicht wirklich klar ist, wie ausschlaggebend das Wahlergebnis bei der Besetzung sein wird. Der Effekt ist im Wahlkampf bei einigen Parteien bereits deutlich sichtbar. So tritt für die Sozialdemokraten der aktuelle Parlamentspräsident Martin Schulz an, der auch in der Kommunikation online klar im Mittelpunkt steht.

Vorwahlen der Grünen

Die Grünen gingen bei der Kandidatensuche zur Europawahl neue Wege und ließen europaweit online über ihr gesamteuropäisches Spitzenkandidatenduo abstimmen – und das nicht nur unter Parteimitgliedern, Externer Link: auch Nichtmitglieder konnten teilnehmen. Diese offene Vorwahl war ein interessantes Experiment in Sachen Basisdemokratie und E-Voting, das aber auf wenig Resonanz stieß: Die Wahlbeteiligung war bei diesen Green Primaries äußerst gering. Nur rund 22.000 Menschen aus ganz Europa stimmten innerhalb von drei Monaten ab. Angesichts von alleine 140.000 Mitgliedern in den verschiedenen grünen Parteien in Europa eine recht magere Bilanz.

Über die Ursachen wurde viel spekuliert. Zum einen waren die Kandidaten relativ unbekannt. Sie versuchten zwar sich online über Chats und offline über Debatten in verschiedenen europäischen Großstädten bekannt zu machen, aber nur mit mäßigem Erfolg. In einigen europäischen Ländern Externer Link: wurde kaum über die Vorwahlen berichtet. Auch die fehlende inhaltliche Debatte und Datenschutzbedenken und technische Probleme bei der Online-Abstimmung werden für die recht geringe Beteiligung verantwortlich gemacht.

Keine europäische Öffentlichkeit

Sicherlich war dieses Experiment auch ein Beleg dafür, wie weit entfernt wir von einer staatenübergreifenden europäischen Öffentlichkeit sind. Menschen europaweit zu mobilisieren, ist nach wie vor nicht einfach, auch nicht mit Hilfe des Internets, auch nicht mit sozialen Medien.

Andere partizipative Online-Aktionen blieben ebenfalls auf die nationale Ebene beschränkt und waren meist nur für die Mitglieder der jeweiligen Partei offen. So können alle CDU-Mitglieder auf der parteiinternen Webseite CDUplus über den europapolitischen Antrag des Bundesvorstandes diskutieren, Änderungsvorschläge einbringen und bewerten. Anfang April soll der Antrag dann auf dem Parteitag als Europawahlprogramm verabschiedet werden. Auch die Linken boten ihren Mitgliedern die Möglichkeit, Änderungsvorschläge zum Leitantrag des Parteivorstands online einzureichen.

Außerhalb der Parteien halten sich explizite Online-Aktivitäten zur Europawahl in Grenzen. Konnte man bei den Bundestagswahlen noch unzählige Tools im Web finden, die die Online-Aktivitäten der Parteien und Kandidaten analysierten, gibt es diese für die Europawahl kaum. Auch die einschlägigen politischen Blogs beschäftigen sich zurzeit noch überwiegend mit anderen Themen. Selbst von den sicherlich noch zahlreich stattfindenden Wahlaufrufs-Kampagnen ist im Web bisher nichts zu sehen. Offenbar hat der Europawahlkampf noch nicht richtig begonnen – jedenfalls nicht online.