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Rumänen stimmten gegen Korruption

Alex Gröblacher

/ 4 Minuten zu lesen

In Rumänien haben die Bürger bei den Europawahlen die Regierungsparteien PSD und Alde deutlich abgestraft. Das Ergebnis der Europawahl wird vor allem als Votum gegen Korruption bewertet.

Der Wunsch vieler Rumänen ist in Erfüllung gegangen: Liviu Dragnea wurde vom Obersten Gerichtshof zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. (© picture-alliance/AP, AP Photo)

Die in Rumänien regierenden Sozialdemokraten schnitten am Wahlsonntag mit rund 22,5 Prozent nur als zweitbeste Kraft ab. Ihr liberaler Koalitionspartner Alde scheiterte an der 5-Prozent-Hürde. Die Opposition durfte sich hingegen freuen. Die Nationalliberale Partei (PNL) war mit 27 Prozent klarer Wahlsieger, die Allianz 2020 (bestehend aus der zentristischen USR und der Partei Plus) erhielt 22,4 Prozent und hätte so um ein Haar die PSD überholt. Die Partei der Volksbewegung (PMP) um Ex-Staatspräsident Băsescu, der Verband der ungarischen Minderheit (UDMR) und die neue Partei Pro Romania des PSD-Dissidenten und ehemaligen Premierministers Victor Ponta schafften es mit einstelligen Stimmanteilen ebenfalls ins Europäische Parlament.

Der PSD wurde vor allem die starke Mobilisierung ihrer Gegner zum Verhängnis. So konnten die Sozialdemokraten zwar ungefähr genauso viele Wähler wie bei den Europawahlen von 2014 mobilisieren. Doch durch die Kampagnen vieler Videoblogger, Künstler und Intellektueller im Internet stieg die Wahlbeteiligung auf fast 50 Prozent (2014 waren es gerade mal 32 Prozent). Somit reichten die etwa zwei Millionen Stimmen für ein gutes Ergebnis nicht mehr aus: Die PSD büßte rund 15 Prozentpunkte gegenüber der Europawahl von 2014 und mehr als die Hälfte gegenüber der Parlamentswahl Ende 2016 ein.

Die liberal-konservative PNL holte sich mit dem Talkshow-Moderator Rareş Bogdan einen wortgewandten und engagierten - durchaus auch radikalen - Spitzenkandidaten ins Team, der die Wähler besser als viele routinierte Parteiveteranen abholen und begeistern konnte.

Die Allianz 2020 konnte sich erfolgreich als Alternative positionieren: Die Union Rettet Rumänien (USR) wurde erst vor wenigen Jahren gegründet, sie ist politisch unbelastet und gilt vielen deshalb noch als glaubwürdig. Die Partei Plus um den ehemaligen Premierminister Dacian Ciolos, in den Augen der bürgerlichen Wähler einer der wenigen anständigen Politiker, verzichtete auf eigene Ambitionen und stimmte einer Mitwirkung in der Allianz zu. Zusammen gewannen die beiden Parteien insbesondere junge Wähler - mancherorts gingen sogar mehr junge Menschen als Rentner wählen. Nicht nur in Studentenstädten wie Bukarest oder Cluj, sondern sogar in Hochburgen der PSD wie Vaslui oder Craiova setzte sich die Allianz 2020 durch.

Eine wichtige Rolle spielte dabei auch die Personalisierung: Die Wähler identifizierten die PSD mit Liviu Dragnea, dem Strippenzieher hinter der Regierung. Um sich vor einer Gefängnisstrafe in einem laufenden Verfahren zu retten, hatte der vorbestrafte Politiker seit 2017 den Rechtsstaat ausgehöhlt und gegen die EU gehetzt. Seine Hasstiraden gegen vermeintliche Verschwörer im In- und Ausland polarisierten so stark, dass Menschen die Europawahlen als Plebiszit gegen Dragnea und für Europa und den Rechtsstaat verstanden. Die Rentenerhöhungen und Lohnsteigerungen im öffentlichen Dienst, mit denen die PSD in den letzten Jahren zu punkten hoffte, wurden an den Urnen nicht belohnt. Die Bürger "haben Europa wieder einmal gezeigt, dass Rumänien weder Orbáns Ungarn ist, noch Erdoğans Türkei; dass nur ein demokratischer Unfall dazu geführt hat, dass zeitweilig eine Gruppe von Straftätern an die Macht kam", kommentierte das Bukarester Externer Link: Onlineportal G4Media.

Damit ging auch das politische Kalkül von Staatspräsident Klaus Johannis auf. Er hatte darauf gesetzt, dass ein Referendum zu Rechtsstaatsfragen am selben Tag wie die Europawahl mehr Menschen an die Urnen bringt. In der Tat: Die Wahlbeteiligung am Referendum, bei dem es im Kern um ein Verbot von Amnestien für Korruptionsstraftaten und von Eilverordnungen im Justizbereich ging, lag trotz Quasi-Boykott durch die PSD bei mehr als 40 Prozent. Mehr als 80 Prozent bejahten das Verbot. Das Onlineportal Externer Link: Ziare deutete die sehr hohe Beteiligung als Zeichen der Verzweiflung "eines Volkes, das seit zweieinhalb Jahren von einem Straftäter erniedrigt wurde, der die totale Macht zu einem einzigen Zweck an sich riss: straffrei auszugehen". Dragnea half schließlich nichts mehr: Am Montag nach den Wahlen Externer Link: verurteilte der Oberste Gerichtshof ihn zu dreieinhalb Jahren Gefängnis.

Wie bei früheren Wahlterminen hatten Auslandsrumänen auch diesmal wieder mit Schwierigkeiten bei der Abstimmung zu kämpfen, vor allem in Deutschland, Italien, Dänemark, den Niederlanden oder Großbritannien. Tausende konnten nicht wählen, obwohl sie stundenlang in langen Schlangen warteten. Kommentatoren und die Opposition warfen der Regierung vor, zu wenige Wahllokale eingerichtet und den Wahlprozess damit gezielt sabotiert zu haben, weil Rumänen im Ausland mehrheitlich gegen die PSD stimmen: "Außenminister Teodor Meleşcanu, Knecht des Kommunismus, der Securitate und der Kleptokraten, und Liviu Dragnea persönlich haben die Anzahl der Städte und Wahllokale sowie den Zeitraum begrenzt, in dem die Rumänen ihr sakrosanktes Wahlrecht ausüben konnten, ihr Recht als Teil der souveränen Nation die Marschrichtung des Landes und des Volks zu bestimmen", kommentierte Externer Link: der rumänische Dienst der Deutschen Welle.

Hätten mehr Auslandsrumänen wählen können, hätte die PSD wohl noch schlechter abgeschnitten.

arbeitet für Radio Rumänien International (öffentlich-rechtlicher Auslandsrundfunk Rumäniens) und ist dort neben dem Tagesgeschäft für eine Sendereihe zum Thema Technik, Medien und Gesellschaft zuständig. Er ist Redakteur und Kolumnist für das zweisprachige Wirtschaftsmagazin debizz, außerdem bei Bedarf hin und wieder Rumänien-Korrespondent für eurotopics.