Die Gefahr eines überwältigenden Zuwachses für antieuropäische, nationalistische und rechtsextreme Parteien hielten die meisten Kommentatoren am Tag nach der Europawahl für gebannt. "Wir sind weit entfernt von der gefürchteten braunen Welle", zeigt sich etwa der Philosoph Bernard-Henri Lévy in der italienische Tageszeitung La Stampa erleichtert. Er war einer derjenigen, die vor der Wahl eindringlich vor einem Siegeszug des Externer Link: Rechtspopulismus gewarnt hatten.
Europawahl: Wer gewinnt, wer verliert?
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Sie wurde zur Schicksalswahl heraufbeschworen, als Votum für oder gegen Europa. Nun haben die Europäer gewählt, doch für welches Europa haben sie sich entschieden?
"Vielleicht haben die Menschen in Europa verstanden, dass die Länder, die allein ihre eigenen Interessen verfolgen, nicht gegen China, Russland und die USA bestehen können", mutmaßte die finnische Tageszeitung Illtalehti. In Finnland beispielsweise erreichte die rechtspopulistische Partei Die Finnen gerade mal den fünften Platz bei der Europawahl. Auch in Dänemark verloren die Rechtspopulisten Stimmen, in Spanien bekam die rechtsextreme Vox lediglich auf sechs Prozent, in den Niederlanden verlor die PVV von Geert Wilders sogar ihre Sitze im EU-Parlament. Allerdings profitierte dort Thierry Baudet mit seinem relativ neuen rechtspopulistischen Forum voor Democratie (FVD), das drei Mandate erhielt.
In Schweden legten die rechtspopulistischen Schwedendemokraten zu und wurden zweitstärkste Partei. In Deutschland blieb die AfD zwar unter ihren Erwartungen, konnte jedoch vor allem im Osten hohe Zugewinne verzeichnen und gewann insgesamt im Vergleich zu 2014 rund vier Prozentpunkte hinzu. Am klarsten aber triumphierten rechtsnationale Parteien in Frankreich und Italien. Marine Le Pens Rassemblement gewann das Kopf-an-Kopf-Rennen um den ersten Platz in Frankreich gegen Emmanuel Macrons La République en Marche mit 23,3 Prozent der Stimmen. Die Partei des Präsidenten kam auf 22,4 Prozent. Die Lega von Matteo Salvini wurde stärkste Kraft in Italien, mit rund 34 Prozent. Und auch in Ungarn und Polen siegten die Regierungsparteien Fidesz und PiS, deren illiberale Politik ihren Ländern bereits Rechtsstaatlichkeitsverfahren eingebracht hat.
Insgesamt kommen die bisher in drei Fraktionen organisierten nationalistischen und EU-skeptischen Parteien auf insgesamt 171 der 751 Sitze im Europaparlament. Dies ist zwar europaweit ein Stimmenzuwachs, doch davon, stärkste Fraktion zu werden – wie es Italiens Innenminister Salvini vorschwebte – sind sie weit entfernt. Dennoch betrachtet die Wochenzeitung Externer Link: Der Freitag die Entwicklung mit Sorge: "Die nächste EU-Legislative wird stärker als bisher zum Spiegelbild eines politisch zerklüfteten, von Feindseligkeiten und Animositäten geprägten Europa, das nicht den besten Zeiten entgegensieht. Es gibt eine relevante Minderheit, die im Europa der EU kein Ersatzvaterland sehen will und erst recht kein solches wünscht."
Als große Verlierer sehen Kommentatoren die Europäische Volkspartei (EVP) und die Sozialdemokraten, die bisher in einer Art großer Koalition das Europäische Parlament dominierten. Mit 326 von 751 Sitzen haben sie keine gemeinsame Mehrheit mehr. Externer Link: The Economist aus Großbritannien prophezeit, dass die Entscheidungsfindung im künftigen Europaparlament dadurch wesentlich schwieriger vonstatten gehen könnte, als bisher: "Zu erwarten sind mehr Ad-hoc-Koalitionen zu Einzelfragen", schreibt das Magazin. Die Wahl habe "den vollen Umfang der politischen Fragmentierung Europas sichtbar gemacht". EVP und Sozialdemokraten könnten vermehrt auf die Stimmen der Grünen und der Liberalen angewiesen sein, deren Fraktionen deutliche Zugewinne erringen konnten.
Zu den größten Gewinnern der Europawahl zählt paradoxerweise die Partei, deren Ziel es ist, ihr Land schnellstmöglich aus der EU herauszuführen. Die Brexit-Partei von Nigel Farage siegte in Großbritannien mit rund einem Drittel der Stimmen. Mit 20 Prozent folgen die Liberal Democrats und damit die Partei, die sich klar gegen den Brexit stellt. Die Externer Link: BBC interpretiert dies folgendermaßen: "Die klare Botschaft scheint zu sein, dass die Briten endlich Klarheit wollen. Die Brexit-Anhänger wollen den Brexit, die Brexit-Gegner wollen in der EU bleiben. Alle Bemühungen, sie davon zu überzeugen, sich für einen Mittelweg zu entscheiden, sind gescheitert."
ist euro|topics-Redakteurin bei n-ost.
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