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Opposition in Ungarn wohl chancenlos

Sugárka Sielaff

/ 4 Minuten zu lesen

Zersplittert, zerstritten, zermürbt: so stellt sich die Opposition in Ungarn dar und hat damit kaum Chancen, ein Gegengewicht zu Viktor Orbáns regierender Partei Fidesz zu bilden. Zwar gibt es Pläne, sich gemeinsam gegen Orbán zu verbünden. Doch für die Europawahl kommen diese zu spät.

Der ungarische Premierminister Viktor Orban im Mai 2018 bei einer Ansprache im serbischen Subotica. (© picture-alliance/AP)

In Ungarn steht die Europawahl im Schatten der Kommunalwahlen, die im Herbst stattfinden werden. Die Oppositionsparteien sind damit beschäftigt, sich dafür in Stellung zu bringen und verhandeln über eine mögliche Zusammenarbeit. So wollen sie versuchen, der Übermacht der Regierungspartei des Ministerpräsidenten Viktor Orbán, die aktuellen Prognosen zufolge bei rund 56 Prozent liegt, etwas entgegenzusetzen. Ziel der Opposition ist es, bei den Kommunalwahlen in Bezirken und Städten jeweils nur einen Kandidaten der Oppositionsparteien gegen den Bewerber der Regierungspartei aufzustellen.

Bisher gehen diese Bemühungen allerdings nur sehr langsam voran. Die geplante "Vorwahl" eines gemeinsamen Bürgermeisterkandidaten für die Hauptstadt Budapest wird wohl aufgrund von Meinungsverschiedenheiten nicht mehr stattfinden. Das Internetportal Externer Link: Azonnali kritisiert dieses Tempo: "Wichtige Ereignisse der Weltgeschichte fanden oft innerhalb weniger Wochen statt, aber dafür, dass sich das Universum außerhalb des Fidesz einigt, ist auch ein ganzes Jahr noch zu wenig."

Protest gegen "Sklavengesetz" vereinte die Opposition

Im Europawahlkampf profitiert die Regierungspartei, die einen monotonen Anti- Einwanderungswahlkampf gegen das in ihren Augen zu dominante "Brüssel" führt, von dieser gespaltenen Opposition. Die regierungsnahe Tageszeitung Externer Link: Magyar Nemzet glaubt ohnehin, dass es nur noch um Posten geht: "Der ungarische Opposition geht es auch wegen ihres engen politischen Spielraums gar nicht mehr um den Sieg, sondern nur noch um ihr Überleben und Auskommen."

Auch die Proteste, die Anfang des Jahres gegen das von der Opposition als "Externer Link: Sklavengesetz" bezeichnete Überstundengesetz stattgefunden haben, sind inzwischen wieder abgeflaut. Sie haben gezeigt, dass es durchaus möglich ist, Themen zu setzen, die regierungskritische Wähler mobilisieren. Dies gelingt der zunehmend fragmentierten Opposition aber nur selten, auch weil die Parteien überwiegend mit sich selbst beschäftigt sind.

Viele Parteien – wenige Gemeinsamkeiten

Im rechten Spektrum hat sich der extreme Flügel der Jobbik-Partei abgespalten. Die neue Partei "Unsere Heimat" liegt in den Umfragen bei etwa zwei Prozent. Genauso hoch wie die kleine grüne Partei "Dialog für Ungarn" (Együtt-PM), die sich schon vor einiger Zeit mit den ungarischen Sozialisten (MSZP) verbündet hat. Denen werfen in Ungarn viele Menschen vor, dass sie das Land zu Beginn der Weltwirtschaftskrise im Herbst 2008 nahe an den Staatsbankrott gebracht haben, weswegen die Sozialisten als Verbündete für die größere Grüne Partei LMP, die sich 2009 als Anti-Elite-Partei gründete, kaum in Frage kommen.

Die LMP ist globalisierungskritisch, fordert die Einführung einer europäischen Finanztransaktionssteuer und eine ökologische Wende. Aktuell liegt sie bei etwa sechs Prozent und sieht einen potentiellen Verbündeten eher in der nach eigenen Angaben inzwischen gemäßigten rechten Jobbik-Partei, die es vollkommen ablehnt, Flüchtlinge aufzunehmen und gleichen Lohn für gleiche Arbeit in ganz Europa fordert. Die Partei liegt in den Umfragen mit den Sozialisten gleichauf bei rund elf Prozent.

Auch von den Sozialisten hat sich schon vor einigen Jahren ein Teil abgespalten und ist Viktor Orbáns Vorgänger im Amt des Ministerpräsidenten, Externer Link: Ferenc Gyurcsány, in seine neue Partei "Demokratische Koalition" (DK) gefolgt. Gyurcsány polarisiert. Er wird für eine verfehlte Wirtschafts- und Sozialpolitik in seiner Amtszeit und den erdrutschartigen Sieg Orbáns 2010 verantwortlich gemacht, was ihn für viele zur Persona non grata macht. Trotzdem hat er etwa acht Prozent Anhänger unter den Wählern.

Pro-europäischer Wahlkampf auf der linken Seite

Die DK macht den offensivsten Wahlkampf für Europa, sie wirbt für die Vereinigten Staaten von Europa. Auch die kleine liberale Partei Momentum, die aktuell bei vier Prozent liegt, will mehr Europa, den Beitritt zur Eurozone und feierte den Beitritt Ungarns zur EU vor 15 Jahren mit einer Kundgebung. Sie will über einen Handel mit der Flüchtlingsquote dafür sorgen, dass einzelne Staaten sich von der Aufnahme von Flüchtlingen freikaufen können. In ihrem Programm spielen soziale Fragen eine geringe Rolle.

Die Sozialistische Partei betont diese hingegen. Sie fordert einen europäischen Mindestlohn und eine europäische Arbeitslosenversicherung, um die massive Abwanderung aus Ungarn zu stoppen. Derlei Feinheiten spielen in der Berichterstattung über den Europawahlkampf in Ungarn aber kaum eine Rolle. Die Medien berichten darüber, ob es der Opposition gelingt, sich gegen die Regierungspartei zusammenzuschließen. Die Wochenzeitung hvg schreibt dazu: "Die dauernde Beschäftigung mit dem Zusammenbauen der Opposition ist auch darum schlecht, weil sie die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit in die falsche Richtung lenkt." Jüngste Entwicklungen dieser Partnerfindung werden verfolgt und analysiert. Inhaltliches wird wenig thematisiert. Das kommt der Regierungspartei zugute, da die Opposition so recht selbstbezogen und konfus wirkt.

Ende Mai wählen die Europäer ein neues EU-Parlament. Angesichts der zunehmenden Spaltung in ein souveränistisches und ein pro-europäisches Lager blicken Beobachter auf eine Schicksalswahl. In unserem Wahlblog begleiten Redakteure und Korrespondenten der Presseschau Externer Link: euro|topics den Wahlkampf in den Mitgliedstaaten, spiegeln die zentralen Debatten und fassen zusammen, was auf dem Spiel steht.

Sugárka Sielaff ist euro|topics-Korrespondentin für Ungarn. Sie arbeitet als freie Journalistin für den Norddeutschen Rundfunk und Die Zeit. Nach ihrem Studium der Germanistik, Journalistik und Finnougristik hat sie beim NDR volontiert und wurde 2012 mit dem Alternativen Medienpreis in der Sparte "Medienkritik" ausgezeichnet.