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Wo steht Europa nach der Wahl?

Ulrike Schuler Tom Gebhardt

/ 11 Minuten zu lesen

Europa hat gewählt – und die europäische Presse fragt: Was bedeutet der Rechtsruck? Welche Folgen hat der Wahlausgang für die Klima- und Außenpolitik? Und was passiert jetzt in einzelnen Ländern?

Nach dem deutlichen Erfolg des rechtsnationalen Rassemblement National (RN) löst der französische Präsident Macron das Parlament auf und kündigt Neuwahlen an. (Hier zu sehen auf einer Leinwand bei einer Wahlparty der Rechtsaußenpartei am 09.06.2024 in Paris) (© picture-alliance/AP)

Was bedeutet der Rechtsruck?

Die Externer Link: EU-Wahl 2024 hat zu einem deutlichen Rechtsruck im Parlament geführt: Starke Zugewinne gab es in der Fraktion der konservativen EVP (190 Sitze, 14 Sitze mehr im Vergleich zu 2019) sowie den beiden Rechtsaußen-Fraktionen EKR (76 Sitze, +7) und ID (58, +9). Dieser Zuwachs wird noch deutlicher, wenn man bedenkt, dass die Externer Link: zehn in Ungarn gewählten Abgeordneten der rechtspopulistischen Fidesz-Partei seit dem Austritt 2021 aus dem gemäßigten EVP-Lager herausgerechnet, aber keiner der rechten oder extrem rechten Fraktionen zugerechnet werden. Auch die Externer Link: 15 EU-Abgeordneten der AfD sind vorerst fraktionslos, müssten aber dem extrem rechten Lager zugeordnet werden. Hauptverlierer sind die Fraktionen der Liberalen Renew Europe (80 Sitze; -22) und der Grünen (52 Sitze; -19). Die Sozialdemokraten S&D (136 Sitze; -3) und die Linken (39 Sitze, +2) konnten ihre Ergebnisse im Vergleich zur Wahl vor fünf Jahren in etwa halten.

Für viele Kommentatoren der europäischen Presse bedeutet der Rechtsruck einen großen Schock. Die österreichische Zeitung Externer Link: Die Presse schreibt: „FPÖ-Sieg in Österreich, Kantersieg des Rassemblement National in Frankreich, klare rechtsnationale Mehrheiten in Italien und Ungarn, eine gestärkte AfD in Deutschland: In unterschiedlicher Intensität je Land bedeutet dies einen Schock für alle Proeuropäer, die auf gemeinsame Lösungssuche setzen. Denn mit diesen Parteien ist keine der großen Krisen gemeinsam in Europa zu bewältigen.“ Die italienische Tageszeitung Externer Link: La Repubblica ist entsetzt: „Die Rechte versperrt Europa den Weg.“ Der Schweizer Externer Link: Tages-Anzeiger ist von der „Wucht“ des Rechtsrucks überrascht: „Das Wahlergebnis widerspiegelt ein zutiefst verzagtes Europa.“ Das Luxemburger Externer Link: Tageblatt ärgert sich über die Haltung der bürgerlichen Parteien: „Die EVP trägt einen großen Teil Mitschuld an der Normalisierung der extremen Rechten und deren jetzigem Wahlerfolg. Politische Ideen der extremen Rechten wurden übernommen, die Nähe zu ihr gesucht. Das Ergebnis ist jetzt da, und statt ihren ersten Platz zu feiern, sollten die Konservativen sich schämen.“ Der niederländische Externer Link: De Telegraaf fordert hingegen als Konsequenz, dass das rechte Spektrum nun auch in die EU-Kommission eingebunden werden müsse: „Auch dieses Organ muss nach rechts rücken, einer besseren Repräsentation wegen.“

Andere Stimmen warnen davor, den Zuwachs auf der rechten Seite überzubewerten. Schließlich habe die Mitte weiterhin eine klare Mehrheit, so Externer Link: Göteborgs-Posten: „Die EVP ist immer noch an der Macht und kann sich ihre Partner aussuchen. Die rechtspopulistischen Parteien, die gut abgeschnitten haben, sind in der Regel diejenigen, die in ihrer Politik nachgeben und sich in Richtung Mitte bewegen.“ Auch Externer Link: El País schreibt: „Das ist keine generelle Welle, sondern eher eine allmähliche Ausbreitung. ... Ihr Sieg sollte nicht überbewertet werden: Sie bleiben eine Minderheit.“ Und die finnische Zeitung Externer Link: Kauno diena erinnert: „Rechtsnationalistische Parteien sind in Europa Realität geworden, nicht nur im Europaparlament. Wie die Erfahrungen in einzelnen Ländern zeigen, vergessen sie nach den Wahlen ihre Parolen, sind in der Lage Koalitionen zu bilden und im Allgemeinen keine unsterblichen Schreckgespenster.“

Europäische Achse Berlin-Paris geschwächt?

Bisher betrachteten viele die beiden bevölkerungsreichsten und wirtschaftsstärksten EU-Länder Deutschland und Frankreich als mehr oder weniger gut funktionierendes Führungsduo der EU. Dass gerade in diesen beiden Ländern die jeweiligen Regierungen stark abgestraft wurden, beschäftigt viele Kommentatoren. So analysiert Externer Link: France Inter: „Auf europäischer Ebene sind also die beiden führenden Länder der EU, Deutschland und Frankreich, jeweils in ihrem eigenen Bereich, in politische Situationen verwickelt, die sie schwächen.“ Externer Link: Seznam Zprávy aus Tschechien befürchtet: „Präsident Macron und Kanzler Scholz müssen ihre Positionen vor allem in der Innenpolitik retten. Damit werden die europäischen Aktivitäten, zumindest in naher Zukunft, auf der Strecke bleiben.“ Die italienische Externer Link: La Repubblica ist besorgt: „Wenn Frankreich und Deutschland wie gewohnt die Lokomotive Europas sein sollten, so ist dieser Zug gestern stehengeblieben und der gesamte Prozess der Stärkung der Union zum Stillstand gekommen.“ Für Externer Link: Berlingske aus Dänemark haben die Wähler in Deutschland und Frankreich ein „Fragezeichen“ hinter das Führungsduo gesetzt, Europa habe seinen „Trump-Moment erlebt“. Die spanische Tageszeitung Externer Link: El País sieht den Kontinent sogar in Lebensgefahr: „Für den deutsch-französischen Motor gibt es keinen Ersatz. Wenn Paris oder Berlin in die Hände von Regierungen fallen, die gegen die europäische Integration sind, wird die EU gelähmt oder tödlich verwundet.“

Was bedeutet das Ergebnis für die Klimapolitik?

Als eine der möglichen Konsequenzen, die aus der neuen Zusammensetzung des EU-Parlaments resultieren könnte, sehen Beobachter eine Schwächung der Klimapolitik, die in der Externer Link: vergangenen Legislaturperiode eine wichtige Rolle einnahm. Externer Link: Jornal de Notícias aus Portugal analysiert: „Es besteht die Gefahr einer Abwertung der Energiewende-Agenda.“ Auch die polnische Wochenzeitung Externer Link: Tygodnik Powszechny stellt klar: „Der europäische Rechtsruck ist in Wirklichkeit viel stärker, als es das Wahlergebnis vermuten lässt, das dennoch eine Mehrheit für die etablierten Parteien ergab. Der Erfolg der EVP ist vor allem darauf zurückzuführen, dass ihre Mitglieder begonnen haben, die Euroskeptiker auf ihrem eigenen Terrain zu bekämpfen. In Fragen der Migration oder der Ökologie wird die neue EVP mit einer ganz anderen Stimme sprechen als die vorherige.“ Die rumänische Wochenzeitung Externer Link: Observator Cultural befürchtet, dass die Agenda in Europa künftig mehr von denjenigen bestimmt wird, „die von all dem gelangweilt sind, von der Umweltethik oder dem Klimawandel, bis hin zur Verantwortung oder Sorge um Flüchtlinge bis zur Identitäts- und Geschlechterpolitik“. Die türkische Zeitung Externer Link: Hürriyet geht davon aus, dass „die ehrgeizigen EU-Ziele zum Umweltschutz wohl überdacht“ werden.

Nicht in allen Ländern wurden die Umweltparteien abgestraft. In Schweden wurden die Grünen für viele überraschend zur drittstärksten Kraft: Externer Link: Dagens Nyheter meint zu wissen, warum: „'Das Klima, das Klima, das Klima', hieß es auf den Wahlplakaten. ... Eine naheliegende Schlussfolgerung ist: Wenn sich die Grünen voll und ganz aufs Klima konzentrieren, können sie Menschen außerhalb ihrer traditionellen Kernwählerschaft zurückholen. Viele Schweden sahen die Grünen bisher als eine Art Linkspartei light, und dafür ist das Interesse gering.“

Auswirkungen für die Außenpolitik gegenüber der Ukraine?

Ein wichtiges Thema für die europäische Presse ist auch die Analyse der Auswirkungen des Wahlergebnisses auf die künftige Haltung gegenüber der Externer Link: Ukraine und Russland. So befürchtet Externer Link: The Spectator aus Großbritannien, dass die Schwächung der politischen Mitte „insbesondere den Ukrainern“ Nachteile bringen könnte. Auch der Externer Link: Irish Examiner geht von einer „geringeren Unterstützung für die Ukraine“ aus. Externer Link: Verslo žinios aus Litauen sieht hinter dem „Aufstieg der radikalen Rechten“ einen Beweis dafür, wie groß der Einfluss Russlands geworden ist: „Russische Tentakel versuchen, immer tiefer in das europäische Bewusstsein einzudringen – es ist kein Geheimnis, dass eine große Zahl europäischer Radikaler von russischem Geld lebt.“ Dieser Einfluss – so Externer Link: TVNT aus Lettland – funktioniere vor allem in den großen EU-Ländern, nicht aber in den baltischen Staaten: „Haben die Trumpisten und Putinisten das Geplante erreicht? Insgesamt ja, es ist erreicht. In den großen Mitgliedsstaaten der Union gelang die Wiederbelebung rechtsextremer Parteien. Nicht weil, es im Trend liegt oder das Volk es wollte, sondern als Ergebnis bewusster Manipulation. … Putin gewann in den großen Ländern, verlor jedoch in der nördlichen Peripherie. Hoffentlich wird dies Europa retten.“ Das Wahlergebnis ist vor allem ein gefundenes Fressen für die russische Propaganda, beobachtet Externer Link: Corriere della Sera: „Die pro-ukrainische Mehrheit hat sich zwar im Wesentlichen gehalten, aber der Vormarsch der extremen Rechten hat in Russland einen Zustand der Euphorie ausgelöst.“

Dass die russlandfreundlichen Diskurse in vielen Ländern Mittel- oder Osteuropas, die dichter an Russland liegen und sich deshalb vor einer Einflussnahme fürchten, weniger verfangen, analysiert die französische Externer Link: Le Monde: „Der Krieg in der Ukraine und die Nähe der russischen Bedrohung haben in diesen Regionen auch eine mobilisierende Rolle zugunsten dezidiert pro-europäischer Parteien gespielt, da die Europäische Union und die Einheit ihrer Mitglieder somit als Schutz wahrgenommen werden.“ Die dänische Externer Link: Berlingske verweist darauf, dass sich die Unterstützung für die Ukraine beziehungsweise das Verhältnis zu Russland keineswegs in ein klassisches Links-Rechts-Schema einordnen lässt. Man müsse verstehen, „dass der populistische Pazifismus ebenso die Linke im Griff hat“. Umgekehrt sei nicht „jeder auf der rechten Seite von Putins Anliegen überzeugt – insbesondere die Italienerin Giorgia Meloni hat sich als wichtige Unterstützerin der Ukraine erwiesen.“

Für die Ukraine, so resümiert der ukrainische Externer Link: Politikanalyst Ruslan Rochow auf Facebook, ändert sich erstmal wenig: „Die Kräfte, die auf verschiedene Weise von Moskau unterstützt werden, oder jene, die sich als loyal gegenüber Russland zeigten, bleiben weiterhin in der Minderheit. Die Ukraine wird indes nach wie vor ein hohes Maß an Loyalität und Unterstützung genießen.“

Wahlbeteiligung

Auch wenn sich im Vorfeld der Wahl laut der Externer Link: Frühjahrs-Eurobarometer-Umfrage ein erhöhtes Interesse feststellen ließ, war die Gesamtbeteiligung in Europa dann doch ungefähr so wie 2019 bei etwas über als Externer Link: 50 Prozent. Das Schlusslicht bildet Kroatien mit einer Beteiligung von nur 21 Prozent. Externer Link: Večernji list konstatiert: „Den kroatischen Bürgern ist der Sinn dieser Wahlen noch immer nicht (ganz) klar und sie wissen nicht, wie ihre Stimme die Politik in Brüssel beeinflusst.“ Die Entscheidungsprozesse erschienen den Kroaten weit weg, komplex, unklar, so die kroatische Tageszeitung: „Besonders demotiviert sind die Jungen, die nicht genug über die europäische Integration wissen, die europäischen Institutionen und Politiken nicht kennen.“ Ähnlich urteilt die griechische Wirtschaftszeitung Externer Link: Naftemporiki über das mangelnde Interesse der griechischen Wähler: „Die Stimmenthaltung ist in erster Linie auf das Gefühl eines großen Teils der Bürger zurückzuführen, dass sich nichts ändert, dass es sich bei dem, was in Brüssel geschieht, um eine gesichtslose Bürokratie handelt.“ Litauen verzeichnet nicht nur die niedrigste Wahlbeteiligung unter den baltischen Staaten, sondern auch einen Absturz von 54 Prozent bei der Wahl von 2019 auf 28 Prozent – das könnte allerdings auch damit zusammenhängen, dass die EU-Wahl diesmal nicht zusammen mit der Präsidentschaftswahl durchgeführt wurde. Litauer seien nicht daran gewöhnt, in größeren Zusammenhängen der europäischen Politik zu denken, rügt das Onlineportal Externer Link: LRT. Ein Anstieg der Wahlbeteiligung ist hingegen beispielsweise in Ungarn, in der Slowakei, Slowenien, den Niederlanden und Deutschland, welches das Wahlalter für die Europawahl auf 16 Jahre gesenkt hatte, zu verzeichnen.

Folgen der Wahl für die politische Situation in einzelnen Ländern

In Deutschland sorgte insbesondere derExterner Link: Zuwachs von 5 Prozentpunkten für die Rechtsaußen-Partei AfD für Diskussionen. Externer Link: In Ostdeutschland wurde sie gar zur stärksten Kraft. Alle drei Koalitionsparteien der „Ampel“-Regierung erlitten Verluste. Die SPD sackte gegenüber der Wahl von 2019 um knapp zwei Prozentpunkte auf 13,9 Prozent ab, es ist ihr schlechtestes Ergebnis bei einer bundesweiten Wahl. Die Grünen fielen von 20,5 auf 11,9 Prozent, die FDP verlor nur leicht und kam auf 5,2 Prozent (5,4). Besonders jüngere Wähler haben bei der Europawahl für CDU und AfD votiert, fast ein Drittel der Stimmen der 16- bis 24-Jährigen ging aber an Kleinstparteien wie Volt. „Die Stärke der AfD ist vor allem eine Schwäche der Ampel“, bilanziert die Tageszeitung Externer Link: Welt. Die Externer Link: FAZ meint, die Wähler verabschiedeten den linksliberalen Zeitgeist, der nach dem Kalten Krieg so lange die westliche Politik geprägt habe: „Da kommt im Kern eine Ernüchterung über die Folgen von Globalisierung, Migration und Emanzipation zum Ausdruck.“

Auch in Estland wurden Forderungen nach weitreichenden Konsequenzen laut, nachdem die wirtschaftsliberale Reformpartei von Regierungschefin Kaja Kallas von 26,2 Prozent bei der Wahl 2019 auf 17,9 Prozent abgerutscht und ihr Koalitionspartner, die zentristische Eesti 200, nur 2,6 Prozent der Stimmen (3,2 Prozent 2019) erhalten hatte. „Die Vorwürfe gelten Kaja Kallas Reformpartei, die einen der zwei Sitze verloren hat, und Eesti 200, deren Ergebnis desaströs war. Eine Regierungsumbildung könnte die Folge sein“, kommentiert die Tageszeitung Externer Link: Postimees. Die Tageszeitung Externer Link: Eesti Päevaleht ergänzt: „Am schmerzlosesten wäre es, wenn Kaja Kallas tatsächlich nach Brüssel in die Kommission gehen und eine neue Regierungsbildung in Estland folgen würde.“

In Frankreich hat Staatspräsident Emmanuel Macron nach den herben Verlusten seines Wahlbündnisses und dem heftigen Externer Link: Aufstieg des Rassemblement National (RN) Konsequenzen gezogen und das Parlament aufgelöst. Der RN war mit 31 Prozent stärkste Kraft geworden, während Macrons „Besoin d’Europe“ nur 15 Prozent erringen konnte. Die Franzosen sollen bereits am 30. Juni und 7. Juli zur Wahlurne gehen. Externer Link: L’Opinion kritisiert, Macron würde wieder sein exklusives Duell mit dem RN inszenieren, was jedoch nur zu einer Aufwertung der Partei von Marine Le Pen führe. Verständnis für die Strategie des Präsidenten äußert Externer Link: La Croix: „Die von Macron getroffene Entscheidung ist schwerwiegend. Sie leitet eine Phase unerlässlicher Klärung ein. Es liegt nun an jedem Franzosen, die richtige Entscheidung zu treffen.“ Mit dem 28-jährigen Jordan Bardella hatte der RN einen Spitzenkandidaten aufgestellt, der seit 2021 Parteichef ist, im EU-Parlament sitzt und sich im Wahlkampf gemäßigt gab. Bardella habe seine Partei zur Lieblingspartei der jungen Leute gemacht, konstatiert Externer Link: eldiario.es und analysiert die Beliebtheit des RN-Vorsitzenden: „Die (oft berechtigte) Unzufriedenheit mit der Pariser Elite ist die Reaktion auf die Kurzsichtigkeit, mit der diese auf wirtschaftliche Probleme bestimmter Gruppen blickt. ... Hier gedeiht der Diskurs der Rechtsextremen. Und das ist kein französisches Phänomen, wie die Wahlen gezeigt haben.“

Bulgarien, Ungarn, Polen: Kein einheitliches Bild

In Bulgarien fand parallel zur Europawahl eine Parlamentswahl statt – dieExterner Link: sechste innerhalb von drei Jahren. Die konservative Partei Gerb des ehemaligen Regierungschefs Bojko Borissow wurde mit gut einem Viertel der Stimmen bei Externer Link: beiden Abstimmungen stärkste Kraft, gefolgt von der türkischen Minderheitenpartei DPS. Das bis März mitregierende liberale reformorientierte Parteienbündnis PP-DP erreichte nur den dritten Platz – fast gleichauf mit der EU-skeptischen Partei Wasraschdane (Wiedergeburt). Trotz doppelter Wahlentscheidung lag die Externer Link: Beteiligung mit 34 Prozent relativ niedrig und kaum höher als 2019. Obwohl es bei den vorgezogenen Parlamentswahlen technisch gesehen Gewinner und Verlierer gegeben habe, zeige das Resultat, dass in Wirklichkeit alle verloren hätten, kommentiert die bulgarische Wochenzeitung Externer Link: Kapital: „Die Weigerung einer so großen Anzahl von Wählern, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen, hat auch dazu geführt, dass die Unterstützung für alle großen Parteien zurückgegangen ist.“

In Ungarn ist die nationalkonservative, EU-skeptische Regierungspartei Fidesz von Viktor Orbán bei der Europawahl auf 45 Prozent der Stimmen abgerutscht, während die neue Externer Link: Tisza-Partei seines Konkurrenten Péter Magyar aus dem Stand 30 Prozent holte. Im Wahlkampf hatte Fidesz sich mit der Forderung nach einem Ende von Waffenlieferungen an die Ukraine als Externer Link: Friedenspartei verkauft, während der Mitte-Rechts-Politiker Magyar sich als neue frische Kraft gegen Korruption und Propaganda darstellte und anstelle der Externer Link: Blockadepolitik Orbáns eine stärkere Externer Link: Einbindung Ungarns in der EU anstrebt. Die Wahlbeteiligung lag bei einem Externer Link: Rekordwert von fast 60 Prozent. Der Plan eines großen europäischen Rechtsbündnisses mit Orbán als geistigem Führer sei schwer gescheitert, urteilt die ungarische Tageszeitung Externer Link: Népszava: „Die sieben Abgeordneten der Tisza-Partei werden sich der EVP-Fraktion anschließen.“

In Polen konnte die europafreundliche Externer Link: regierende Bürgerplattform KO von Donald Tusk den Stimmungstest bestehen und mit Externer Link: 37 Prozent den ersten Platz vor der rechtskonservativen, EU-skeptischen PiS (36 Prozent) erreichen. Die polnische Tageszeitung Externer Link: Gazeta Wyborcza begrüßt das Ergebnis: „Schließlich ist die positive Nachricht, dass die demokratischen Parteien erneut mehr als 50 Prozent der Stimmen erhalten haben, auch wenn der Vorsprung vor der PiS nicht sehr groß ist.“ Da die nationalistische Konfederacja mit 12 Prozent einen hohen Zugewinn erzielte und drittstärkste Kraft wurde, kritisiert die Tageszeitung Externer Link: Rzeczpospolita den Kurs des Regierungschefs: „Ein Nebeneffekt der Polarisierung der politischen Szene durch Donald Tusk ist die Schwächung der Koalitionspartner und die Stärkung der Konfederacja.“

Bilanzierend schreibt das konservative polnische Onlineportal Externer Link: Interia: „Alles in allem hat der Juni 2024 keine politische Revolution in Europa gebracht. Aber er hat zweifellos den Grundstein für eine ganz andere Realität gelegt als die, die bisher alternativlos schien. Die Durchlüftung Europas hat begonnen.“ Der Historiker Timothy Garton Ash warnt hingegen in der spanischen Tageszeitung Externer Link: El País vor einem destabilisierenden Einfluss der euroskeptischen Parteien: „Lassen Sie sich also nicht einreden, dass 'die Situation nicht so schlimm ist'. Sie ist schlecht und kann sich verschlechtern. ... Es gibt immer noch eine große Mehrheit der Europäer, die nicht auf das beste Europa, das wir je hatten, verzichten wollen. Aber sie müssen mobilisiert werden. ... Wird Europa aufwachen, bevor es zu spät ist?“

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ist euro|topics-Redakteurin.

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