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Künftige Erweiterungen und Verhältnis zu den Nachbarn

Eckart D. Stratenschulte

/ 7 Minuten zu lesen

Der Erweiterungsprozess der Europäischen Union ist noch nicht abgeschlossen. In den vergangenen 20 Jahren wuchs sie von 12 auf 28 Mitgliedstaaten. Die politischen Herausforderungen liegen vor allem im Verhältnis zu den östlichen Nachbarn der Union.

2005 wurde Mazedonien der Status des Beitrittskandidaten verliehen. (© picture-alliance/AP)

Seit 1. Juli 2013 gehört Kroatien zur Europäischen Union. Das Land ist damit der 28. Mitgliedstaat der EU. In Zukunft könnte sie noch weiter wachsen: Es gibt weitere Interessenten für die EU-Mitgliedschaft, die man wie folgt unterscheiden kann:

  • Kandidaten, mit denen über die Mitgliedschaft verhandelt wird

  • Kandidaten, mit denen noch nicht über die Mitgliedschaft verhandelt wird

  • potenzielle Kandidaten

  • Länder mit europäischer Perspektive

Island und Türkei

Seit dem Jahr 2005 finden Beitrittsverhandlungen zwischen der EU und der Türkei statt. Zwar hat man dem Land am Bosporus die Mitgliedschaft in Aussicht gestellt, aber diese Festlegung ist in der EU nicht unumstritten. Auch die deutsche Bundeskanzlerin machte bei einem Treffen mit dem türkischen Ministerpräsidenten im Februar 2014 keinen Hehl daraus, dass sie einer türkischen EU-Mitgliedschaft derzeit skeptisch gegenüber steht.

Mit der Türkei wird also nicht verhandelt, wie und wann sie Mitglied wird, sondern ob das überhaupt geschehen soll. Für beide Positionen gibt es eine große Zahl von Argumenten, die in den letzten Jahren intensiv ausgetauscht worden sind. Während die einen sagen, die Türkei sei zu groß, zu arm und zu "anders" oder kulturell zu verschieden, verweisen die anderen auf die positiven Aspekte einer türkischen Mitgliedschaft, die sie in einer jungen Bevölkerung, einer dynamischen Wirtschaft und einer Stabilisierungsfunktion im Mittleren Osten sehen.

Die Gespräche werden auch dadurch erschwert, dass die Türkei sich weigert, das EU-Mitglied Zypern anzuerkennen und ihm dieselben Rechte wie den anderen EU-Staaten (beispielsweise beim Zugang zu ihren Häfen) zu gewähren - der Nordteil der Mittelmeerinsel wird noch immer von der Türkei kontrolliert. Die EU hat daraufhin beschlossen, die Verhandlungen mit der Türkei über eine Reihe von Kapiteln des Gemeinschaftsrechts zu stoppen oder gar nicht zu beginnen.

Vom Süden in den Norden: Island, ein Staat im europäischen Nordmeer, hatte 2009 seine Aufnahme in die EU beantragt, nachdem er knapp an einem Bankrott vorbeigeschrammt war. Da Island bereits Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums und damit im Wesentlichen Teil des EU-Binnenmarktes ist und auch die Schengen-Regelungen bereits übernommen hat, galt es als gut vorbereitet, gerade bei Themen, die bei anderen Kandidaten schwierig sind wie Rechtsstaatlichkeit, Korruptionsbekämpfung und gute Regierungsführung. Allerdings hat die 2013 neu gewählte isländische Regierung die Verhandlungen mit der EU auf Eis gelegt. Im Februar 2014 brachte die Regierung einen Gesetzesentwurf im isländischen Parlament ein, demzufolge die Verhandlungen endgültig abgebrochen werden sollen. Ob sie dann vielleicht nach einem erneuten Regierungswechsel noch einmal aufgenommen werden, wie das mit Malta der Fall war, oder ob diese Entscheidung endgültig ist, ist nicht abzusehen.

Der serbische Ministerpräsident Ivica Dacic und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Seit Januar 2014 verhandelt Serbien mit der EU über die Mitgliedschaft. (© picture-alliance/dpa)

Mazedonien, Montenegro und Serbien

Ein weiterer Kandidat für die EU-Mitgliedschaft ist die Republik Mazedonien. 2005 wurde dem Land der Status des Kandidaten verliehen, allerdings ist es bislang nicht zu Beitrittsgesprächen eingeladen worden. Ein bilateraler Streit mit Griechenland lähmt den Fortgang der Ereignisse. Griechenland bestreitet dem Nachbarn im Norden das Recht, den gewählten und in der Verfassung festgelegten Staatsnamen zu führen, weil Mazedonien eine größere Region sei, die auch griechische und bulgarische Teile umfasse. Der Namensstreit hat auch dazu geführt, dass Mazedonien anders als Kroatien und Albanien 2009 nicht in die NATO aufgenommen werden konnte.

Montenegro, ebenfalls ein Teil des früheren Jugoslawien, erhielt 2010 den Status eines Kandidaten für die EU-Mitgliedschaft und steht seit 2012 in Verhandlungen. Ebenfalls im Jahr 2012 hat Serbien den Kandidatenstatus erhalten. Die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen hatte die EU an die Bedingung geknüpft, das Verhältnis zu Kosovo zu normalisieren. Das sah die Union nach einem serbisch-kosovarischen Abkommen 2013 als gegeben an. Seit Januar 2014 verhandelt Serbien nun mit der EU über seine Mitgliedschaft.

Albanien, Bosnien-Herzegowina und Kosovo

Als potenzielle Kandidaten bezeichnet die EU die Länder des westlichen Balkans, die noch keinen Kandidatenstatus haben, also Albanien und Bosnien-Herzegowina. In dieselbe Logik gehört auch Kosovo, das allerdings von fünf EU-Staaten bislang nicht völkerrechtlich als souveräner Staat anerkannt worden ist.

Den Ländern des westlichen Balkans wurde 2003 der Status als "potenzielle Beitrittskandidaten" bestätigt, was allerdings an einen langwierigen Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess gekoppelt ist. Erst wenn die Länder hier Erfolge vorweisen können, ist es möglich, sie zu Kandidaten zu ernennen und bei weiteren Fortschritten auch die Verhandlungen zu beginnen. Albanien wurde der Kandidatenstatus für Juni 2014 in Aussicht gestellt, für Bosnien-Herzegowina steht noch kein Termin fest. Mit Kosovo ist die Vereinbarung eines Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens in Vorbereitung.

Die Länder der "Östlichen Partnerschaft": Ukraine, Republik Moldau, Georgien, Belarus, Armenien und Aserbaidschan

Neben den Kandidaten und potenziellen Kandidaten gibt es weitere Länder, die die Mitgliedschaft in der EU anstreben. Hierbei handelt es sich gegenwärtig um die Ukraine, die Republik Moldau und Georgien.

Mit der Ukraine, dem größten Land der sogenannten Östlichen Partnerschaft der EU, war ein Assoziierungsabkommen, das auch ein weitreichendes Freihandelsabkommen beinhaltet, bereits ausgehandelt. Kurz vor einer möglichen Unterzeichnung auf dem Gipfeltreffen in Vilnius Ende November 2013 zog der ukrainische Präsident jedoch seine Bereitschaft zur Unterschrift zurück. In Folge dieser Entscheidung hat sich in der Ukraine eine breite Protestbewegung formiert, die nach einer gewaltsamen Eskalation den Rücktritt des Präsidenten und einen Regierungswechsel sowie Neuwahlen für das Parlament und das Präsidentenamt bewirkt hat. Das Land ist tief gespalten und auf massive wirtschaftliche Unterstützung angewiesen. Während die Übergangsregierung und ihre Unterstützer jetzt wieder verstärkt in Richtung EU schauen, hoffen andere auf eine stärkere Anbindung an Russland. Die ukrainische Übergangsregierung unterzeichnete mit der EU im März 2014 den politischen Teil des Assoziierungsabkommens.

Auch Georgien und die Republik Moldau befinden sich in einer schwierigen und instabilen politischen und wirtschaftlichen Situation. Gerade das macht es aber der EU unmöglich, sie und ihre Wünsche einfach zu ignorieren. Georgien ist wie die Ukraine zudem ein wichtiges Transitländer für Öl und Gas. Schon aus diesem Grund hat die EU ein starkes Interesse daran, dass diese Staaten stabil und dem Westen zugewandt bleiben.

Auch Armenien hat das ebenfalls fertig ausgehandelte Assoziierungsabkommen in letzter Minute zurückgewiesen. Der armenische Präsident erklärte im September 2013, man werde sich stattdessen Russland zuwenden, Mitglied der russisch dominierten Zollunion (mit Belarus und Kasachstan, perspektivisch auch mit Kirgisistan und Tadschikistan) werden und wolle Teil der Eurasischen Union sein, die Russland 2015 gründen will.

Die Europäische Nachbarschaftspolitik, die die EU für die sechs genannten Länder seit 2004 entwickelt und durchgeführt hat und die sie seit 2009 als Östliche Partnerschaft verstärken will, steht also vor neuen Herausforderungen, zumal es nicht gelungen ist, Aserbaidschan und Belarus in den Prozess einzubeziehen. Der EU wird es nur gelingen, ihren Einfluss zu erhalten und zu verstärken, wenn sie sich mit mehr Engagement als bisher diesen Partnerländern zuwendet.

Die Europäische Nachbarschaftspolitik richtet sich neben den östlichen Partnerländern gleichermaßen an zehn Staaten im südlichen Mittelmeerraum. Auch hier sind die Ergebnisse überschaubar. Eine auf französische Initiative hin 2008 ins Leben gerufene Union für die Mittelmeerstaaten hat es bislang nicht vermocht, Gemeinsamkeiten zu entwickeln und Akzente für die Region zu setzen. Zwar gab es mit dem "Arabischen Frühling", der 2011 von Tunesien ausging, einen Aufbruch in Nordafrika, der allerdings nicht die Folge einer zielgerichteten EU-Politik war, sondern vielmehr die Akteure der Europäischen Union, die beste Beziehungen zu den Diktatoren und Machthabern der Region pflegten, überrascht hat.

Schwarzmeersynergie und Zentralasienstrategie

Auch über die Europäische Nachbarschaftspolitik und die Östliche Partnerschaft hinaus bemüht sich die EU, die Region im Osten und Südosten Europas zu stabilisieren. Seit 2007 verfolgt sie eine "Externer Link: Schwarzmeersynergie" genannte Politik, die auf eine Intensivierung der Kooperation im Schwarzmeerraum zielt. Aus demselben Jahr stammt die Externer Link: Zentralasienstrategie, deren Ziel es ist, die fünf zentralasiatischen Staaten Externer Link: Kasachstan, Externer Link: Kirgisistan, Externer Link: Tadschikistan, Externer Link: Turkmenistan und Externer Link: Usbekistan in ein Netzwerk der Zusammenarbeit einzubinden, von dem die EU sich neben der Demokratisierung der Region die Sicherung von Energiequellen sowie die gemeinsame Eindämmung irregulärer Migration und organisierter Kriminalität erhofft. Allerdings hat der Enthusiasmus der EU im Hinblick auf beide Strategien deutlich nachgelassen - vor allem im Hinblick auf die Beziehungen zu Russland.

Strategische Partnerschaft mit Russland

Die Verhältnisse im Osten Europas und in Zentralasien können nicht ohne Berücksichtigung Russlands gestaltet werden. Mit Russland pflegt die EU offiziell eine "strategische Partnerschaft", tatsächlich sind die Verhältnisse seit einiger Zeit distanziert. Das Vorhaben, mit Russland vier gemeinsame Räume (der äußeren Sicherheit, der inneren Sicherheit, der Wirtschaft sowie der Forschung, Bildung und Kultur) zu etablieren, tritt seit 2003 auf der Stelle. Die mehrmalige Unterbrechung der Gaslieferungen an die Ukraine und auch an den Westen, der russisch-georgische Krieg im Sommer 2008 sowie das Verhalten Russlands vor und nach dem Umsturz in der Ukraine 2014 haben das Verhältnis weiter beschädigt. Bis heute ist es nicht gelungen, für das 2007 ausgelaufene Partnerschafts- und Kooperationsabkommen eine Nachfolgeregelung zu vereinbaren.

Auch die 2010 ins Leben gerufene "Modernisierungspartnerschaft" zwischen der EU und Russland tritt auf der Stelle, was nicht zuletzt mit unterschiedlichen Erwartungen zu tun hat. Die EU erhofft sich von dieser Partnerschaft eine weitergehende Transformation Russlands, die neben der Wirtschaft auch andere Bereiche der Gesellschaft umfasst, einschließlich der politischen und menschenrechtlichen Verhältnisse. Die russische Führung sieht die Modernisierungspartnerschaft dagegen als eine auf die Wirtschaft beschränkte Kooperation.

Es gibt also in der unmittelbaren europäischen Nachbarschaft für die EU viel zu tun. Die Lösung der dort zutage tretenden Probleme muss die Europäische Union angehen, auch wenn sie ihre eigenen internen Schwierigkeiten noch nicht gelöst hat.

Fussnoten