Zollunion und Westerweiterung
1973 kam es zur ersten Vergrößerung der Europäischen Gemeinschaft, der Westerweiterung. Neben Großbritannien traten auch Irland und Dänemark bei. Die norwegische Regierung wollte ihr Land ebenfalls in die europäische Integration führen. Allerdings wurde der ausgehandelte und unterschriebene Beitrittsvertrag von der Bevölkerung abgelehnt - 1994 geschah dieses ein weiteres Mal.
Bis zur ersten Erweiterung hatten die Europäischen Gemeinschaftenschon einige Entwicklungsschritte hinter sich gebracht. Als erstes hatte sich die EWG Schaffung einer Zollunion vorgenommen, mit deren Realisierung man 1959 begann. Dieses Ziel, für das man sich zehn Jahre Zeit lassen wollte, wurde 1968, erreicht. Zollunion hieß: Freier Handel im Inneren der Gemeinschaft und gemeinsame Außenzölle. 1967 wurden die drei bis dahin selbstständigen Gemeinschaften zur Europäischen Gemeinschaft (EG) zusammengelegt und mit gemeinsamen Institutionen ausgestattet. Seitdem gibt es die Europäische Kommission, den Rat der Europäischen Union und ein Europäisches Parlament.
Der EGKS-Vertrag ("Montanunion") war übrigens der einzige, der zeitlich befristet war. Er hatte eine Laufzeit von 50 Jahren und endete 2002. Seine Regelungen wurden in den EG-Vertrag übernommen, der die Bestimmungen für EWG und EAG zusammenfasste. Seit dem Inkrafttreten des Lissabonner Vertrags 2009 ist das Vertragswerk neu strukturiert und besteht aus dem EU-Vertrag (EUV) sowie dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).
Als erste gemeinschaftliche Politik wurde die Agrarpolitik entwickelt, was mit den Hungererfahrungen des Krieges und der Nachkriegszeit genauso zu tun hatte wie mit der Bedeutung, die der Landwirtschaft in den EG-Ländern nach wie vor zukam, vor allem in Frankreich.
Krise und Süderweiterung
Nach der Westerweiterung 1973 kam die EG ein wenig in die Sinnkrise. Man wusste nicht so recht, wie es mit der europäischen Integration weitergehen sollte. Dies erklärt sich daraus, dass es für die EG keine Blaupause gab, die die weiteren Entwicklungsschritte vorzeichnete, sondern dass die Gemeinschaft sich in einer Weise entwickelte und bis heute entwickelt, die "Methode Monnet" genannt wird. Jean Monnet (1888 - 1979) war einer der Gründer und Vordenker der europäischen Integration und stand von 1952 bis 1954 in der Montanunion der Hohen Behörde vor, die später zur Europäischen Kommission wurde. Mit der Monnet-Methode ist gemeint: Die EU entwickelt sich immer dort weiter, wo es gerade möglich ist und wo man auf Herausforderungen reagieren muss.
Eine neue Aufgabe stellte sich der Gemeinschaft in den 1970er-Jahren durch die Entwicklungen in Südeuropa. Griechenland, Portugal und Spanien hatten - durch eine Revolution oder schrittweise - ihre Diktaturen überwunden, waren aber von politischer und wirtschaftlicher Stabilität weit entfernt. Die Europäische Gemeinschaft sah eine wichtige Aufgabe darin, sie in das europäische Geflecht einzubinden, was sie durch die Süderweiterung der Jahre 1981 (Beitritt Griechenlands) bzw. 1986 (Beitritt Spaniens und Portugals) tat.
Binnenmarkt, Ende des Ost-West-Konfliktes und Norderweiterung
Neuen Schwung erhielt die europäische Integration durch die Einheitliche Europäische Akte, eine Revision der Gründungsverträge, die 1987 in Kraft trat. Mit ihr wurde der Europäische Binnenmarkt geschaffen, der seit 1993 offiziell besteht und bis heute schrittweise ausgeweitet wurde. Der Binnenmarkt ist gegenüber einer Zollunion ein wesentlicher Schritt zu mehr Gemeinsamkeit. In ihm werden die vier Freiheiten verwirklicht. Kurz gesagt: Jeder kann innerhalb der Gemeinschaft einkaufen, Dienstleistungen beziehen oder anbieten, arbeiten und investieren, wo er will. Durch das Binnenmarktprojekt, das wesentlich auf den damaligen Präsidenten der Europäischen Kommission, Jacques Delors, zurückgeht, wurde die Europäische Gemeinschaft enger zusammengeführt.
Noch während die Europäische Gemeinschaft damit beschäftigt war, die Voraussetzungen für die Schaffung des Binnenmarkts herzustellen, änderten sich die politischen Verhältnisse in Europa grundlegend. In Polen zwang die Solidarnosc-Bewegung die herrschende kommunistische Partei in die Knie und setztefür den Juni 1989 Wahlen durch, die zwar noch nicht vollständig demokratischen Standards entsprachen, aber zum ersten Mal eine Opposition ins Parlament brachten.
Im Mai 1989 zerschnitten österreichische und ungarische Politiker öffentlichkeitswirksam den Eisernen Vorhang, in diesem Fall den Metallzaun an der Grenze der beiden Länder zueinander. Daraufhin setzte eine Massenflucht von DDR-Bürgern über Ungarn in den Westen ein. Am 9. November 1989 fiel dann in Berlin die Mauer, die die Stadt und die beiden deutschen Staaten seit 1961 getrennt hatte. Die baltischen Staaten, bislang gegen ihren Willen Teil der Sowjetunion, erklärten 1990 ihre Unabhängigkeit und widerstanden Anfang 1991 einem Versuch der Sowjetunion, das Rad der Geschichte mit Gewalt zurückzudrehen. Im Dezember 1991 schließlich löste sich die Sowjetunion auf. Die nunmehr selbstständigen Staaten bildeten die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), die jedoch nicht mehr war als ein Auffangbecken, um die unmittelbaren Transformationsfolgen abzufedern. Die baltischen Staaten gehörten der GUS nie an, sie wussten, wohin sie wollten: in die NATO und in die EU.
Mit dem Wegfall des Ost-West-Konflikts war auch der Weg für die bislang neutralen Staaten - Österreich, Finnland und Schweden - in die Gemeinschaft frei. Ihr Beitritt 1995 wird als Norderweiterung bezeichnet.
Währungsunion und Osterweiterung
Bereits 1993 war der Maastrichter Vertrag in Kraft getreten. Er war nach der Einheitlichen Europäischen Akte die zweite Reform der Gründungsverträge. Das Wichtigste, was dieser Vertrag regelt, ist sicherlich die Währungsunion, also die Einführung des Euro, die dann 1999 Wirklichkeit wurde. Mit dem Vertrag von Maastricht wurde auch die Europäische Union geschaffen: als das gemeinsame Dach für die Europäische Gemeinschaft, die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die ebenfalls durch Maastricht ins Leben gerufen wurde, sowie die Rechts- und Innenpolitik der Union. 2009 sind diese sogenannten drei Säulen durch den Lissabonner Vertrag genauso wie die Europäischen Gemeinschaften in der Europäischen Union aufgegangen.
Mitte der 1990er-Jahre bestand die Europäische Union aus 15 Staaten, bildete einen Binnenmarkt, entwickelte eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und nahm Kurs auf eine Gemeinschaftswährung. Aber die nächste große Herausforderung stand ihr bereits bevor: Viele europäische Staaten in Mittel-, Ost- und Südosteuropa, der Vorherrschaft der Sowjetunion entronnen, strebten die Mitgliedschaft in der EU an.
Die Europäische Union, ursprünglich Europäische Gemeinschaft, war immer auf das gesamte Europa angelegt. Deshalb war es für die EU auch keine Frage, mit der neuen Situation entsprechend ihren Grundsätzen umzugehen. Sie signalisierte den mittel- und osteuropäischen Staaten, dass sie willkommen seien, und legte Bewertungsmaßstäbe fest, an denen die Kandidaten sich messen lassen mussten. Da der entsprechende Beschluss des Europäischen Rates 1993 in der dänischen Hauptstadt gefällt wurde, spricht man seitdem von den Kopenhagener Kriterien. Sie legen fest, dass ein Staat nur in die EU aufgenommen werden kann, wenn er rechtsstaatlich und demokratisch verfasst ist, wenn seine Wirtschaftsordnung marktwirtschaftlich und in der Lage ist, dem Druck der EU-Marktkräfte stand zu halten, und wenn darüber hinaus die Bereitschaft und Fähigkeit besteht, das Gemeinschaftsrecht der EU (den sogenannten Acquis Communautaire) zu übernehmen und anzuwenden.
Die Voraussetzung, überhaupt Verhandlungen über den Beitritt aufzunehmen, ist die Erfüllung des politischen Kriteriums: Mit einem Land, das nicht eindeutig demokratisch ist, redet die EU nicht über eine eventuelle Mitgliedschaft.In den Verhandlungen geht es ausschließlich um die Frage, wie schnell die Regelungen akzeptiert und implementiert werden. Es wird lediglich über Übergangszeiten verhandelt, nicht über die Substanz der Verträge selbst.
1997 nahm die EU mit sechs Staaten (Polen, Tschechien, Estland, Ungarn, Slowenien und Zypern) Gespräche auf, 1999 mit sechs weiteren Ländern (Slowakei, Lettland, Litauen, Malta, Bulgarien und Rumänien). Im Jahr 2004 kam es dann zur großen Osterweiterung, alle Kandidaten wurden in die EU aufgenommen. Lediglich bei Rumänien und Bulgarien verzögerte sich der Beitritt noch bis 2007. 2013 setzte sich der Erweiterungsprozess durch die Aufnahme Kroatiens fort.
Zukünftige Erweiterungen
Begonnen hatten die Verhandlungen mit Kroatien im Jahr 2005, genau wie die Gespräche mit der Türkei, die sich allerdings schwierig und zäh gestalten. Island, das der Europäischen Union schon durch den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) sowie die Zugehörigkeit zur Schengen-Zone verbunden ist, führte Gespräche über seine Mitgliedschaft, hat diese jedoch nach einem Regierungswechsel 2013 ausgesetzt und will sie 2014 vollständig abbrechen.
Die Republik Mazedonien ist offiziell Kandidat auf die Mitgliedschaft, allerdings wird über den Beitritt noch nicht verhandelt. Griechenland, das einen bilateralen Streit mit Mazedonien über dessen Staatsnamen führt, hat die Aufnahme der Gespräche bislang blockiert. Mit Montenegro und Serbien hingegen haben die Verhandlungen begonnen.
Auch Albanien hat seine Mitgliedschaft bereits beantragt. Grundsätzlich hat das Land - genau wie Bosnien-Herzegowina - eine Beitrittsperspektive, die EU spricht daher von den "potenziellen Kandidaten". Dies gilt im Prinzip auch für Kosovo, das allerdings bislang von fünf EU-Staaten völkerrechtlich nicht anerkannt worden ist. Darüber hinaus haben weitere Staaten, vor allem die Ukraine, die Republik Moldau und Georgien, Interesse an einer EU-Mitgliedschaft geäußert - allerdings ohne sich auf Beitrittszusagen der EU berufen zu können.