370 Häuser mussten weichen
Die Grenzen waren erst seit kurzem offen, und dies hier war die erste große Sause der Theaterszene, zu der Wiener in die Nachbarstadt Bratislava gekommen waren. Viele von ihnen waren zum ersten Mal in meiner Stadt, vielleicht sogar alle.
Als Bratislavaer bin ich sicher nicht unvoreingenommen, glaube aber trotzdem sagen zu können, dass eine der schönsten Brücken an der ganzen Donau in meiner Heimatstadt steht. Sie heißt Most SNP, Brücke des Slowakischen Nationalaufstands, und wurde 2001 in der Slowakei zum Bauwerk des 20 Jahrhunderts gewählt, auch wenn für sie 370 Häuser im historischen Zentrum gefallen sind – in Zuckermandel, Weidritz (Vydrica), sowie das ehemalige jüdische Ghetto, ein Teil des Fischplatzes (Rybne namestie) und der früheren Erzherzog-Friedrich-Straße, heute Suche myto.
Hochwasser an der Donau im Mai 2013 (© Inka Schwand)
Hochwasser an der Donau im Mai 2013 (© Inka Schwand)
Immer wenn ich das UFO sehe, weiß ich, dass ich zu Hause bin. An der Stelle, wo die Brücke steht, gab es zu Zeiten von Österreich-Ungarn eine Furt. Bratislava hatte damals nur einen einzigen Donauübergang und das am Südufer gelegene Petržalka, zu Deutsch Engerau, war noch ein eigenständiges Dorf, das dann während des so genannten Dritten Reiches sogar zu Deutschland gehörte.
Die Most SNP ist die größte Brücke der Stadt und die einzige ohne Pfeiler im Fluss. In ihrem Innern verlaufen Wasserleitungen, die das komplette Plattenbauviertel Petržalka versorgen. Unten gibt es Öffnungen, damit im Fall eines Rohrbruchs das Wasser abfließen kann und die Konstruktion nicht in Mitleidenschaft zieht.
Sozialistisches Ambiente
Im UFO gab es früher das Café Bystrica. Einige Leute glauben, dass es sich auch gedreht hat, vielleicht hat sie die Scheibenform zu dieser Vorstellung verleitet, aber tatsächlich sollte und konnte es sich nicht drehen.
Die Zeiten des Cafés sind vorbei, heute heißt das Lokal längst anders. Der neue Besitzer hat es zu einem Luxusrestaurant voller Designermöbel aller Weltmarken umgebaut, lauter teures, durchsichtiges Plastik und gerundete, fließende Tischformen, bizarre weiße Leuchten, die wie Engelsflügel aussehen – doch dafür, dass sie so groß sind, geben sie nur schwaches Licht. Ich bin ein paar Mal dort gewesen, vor allem, wenn jemand anderes gezahlt hat, denn obwohl ich heute in einer anderen Situation bin, kann ich mir einen Besuch dort nicht leisten.
Das Bystrica hat immer eine sozialistische Atmosphäre verbreitet. Der Aufzug im linken Pylon wurde von einem unwirschen Rentner in einer alten Livree gesteuert. Neben dem Eingang hing ein Mosaik aus Aufbau-Zeiten. Bedient wurde man von dreisten Kellnern, die den ganzen Abend kein Lächeln herausbrachten, dafür aber schnell einmal die Preise verdoppelten. Auf schmutzigen weißen Tischdecken thronten dicke Milchglas-Aschenbecher und aus Keramikvasen ragten Kunstblumen heraus.
Heute wäre dieses Retro-Design wieder in Mode, aber all das ist verschwunden. Ich mischte mich unter die Gäste, aber ich kannte niemanden. Ich war ohne Einladung gekommen. In meinen Ohren flossen unklare Stimmen zusammen, ein unablässiges Rauschen, mal starker, mal schwächer, wie die Meeresbrandung.