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Analyse: Türkei-Ukraine Beziehungen: Was steckt dahinter? | Ukraine-Analysen | bpb.de

Ukraine Arbeitsmarktintegration ukrainischer Geflüchteter / Ukrainische Community in Deutschland / Deutsch-ukrainische kommunale Partnerschaften (29.04.2024) Analyse: Arbeitsmarktintegration der ukrainischen Geflüchteten in Deutschland Statistik: Integration in den Arbeitsmarkt Analyse: Die ukrainische Community in Deutschland Analyse: (Un)genutzte Potenziale in den deutsch-ukrainischen Kommunal- und Regionalpartnerschaften Dokumentation: Übersicht deutsch-ukrainischer Partnerschaften Chronik: 11. bis 31. März 2024 10 Jahre Krim-Annexion / Donbas nach der Annexion 2022 (21.03.2024) Analyse: Zehn Jahre russische Annexion: Die aktuelle Lage auf der Krim Dokumentation: Reporters Without Borders: Ten years of Russian occupation in Crimea: a decade of repression of local independent journalism Dokumentation: Europarat: Crimean Tatars’ struggle for human rights Statistik: Repressive Gerichtsverfahren auf der Krim und in Sewastopol Analyse: Die Lage im annektierten Donbas zwei Jahre nach dem 24. Februar 2022 Umfragen: Öffentliche Meinung zur Krim und zum Donbas Chronik: 22. Februar bis 10. März 2024 Wirtschaft / Rohstoffe / Kriegsschäden und Wiederaufbau Analyse: Wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit in einer schwierigen Gesamtlage Analyse: Die Rohstoffe der Ukraine und ihre strategische Bedeutung Analyse: Schäden und Wiederaufbau der ukrainischen Infrastruktur Chronik: 11. Januar bis 21. Februar 2024 Zwei Jahre Angriffskrieg: Rückblick, aktuelle Lage und Ausblick (23.02.2024) Analyse: Zwei Jahre russischer Angriffskrieg. Welche politischen, militärischen und strategischen Erkenntnisse lassen sich ziehen? Kommentar: Die aktuelle Lage an der Front Kommentar: Wie sich der russisch-ukrainische Krieg 2024 entwickeln könnte Kommentar: Die Ukraine wird sich nicht durchsetzen, wenn der Westen seine eigene Handlungsfähigkeit verleugnet Kommentar: Wie funktioniert das ukrainische Parlament in Kriegszeiten? Kommentar: Wie die Wahrnehmung des Staates sich durch den Krieg gewandelt hat Umfragen: Stimmung in der Bevölkerung Statistik: Verluste an Militärmaterial der russischen und ukrainischen Armee Statistik: Russische Raketen- und Drohnenangriffe, Verbrauch von Artilleriegranaten, Materialverluste im Kampf um Awdijiwka Folgen des russischen Angriffskriegs für die ukrainische Landwirtschaft (09.02.2024) Analyse: Zwischenbilanz zum Krieg: Schäden und Verluste der ukrainischen Landwirtschaft Analyse: Satellitendaten zeigen hohen Verlust an ukrainischen Anbauflächen als Folge der russischen Invasion Statistik: Getreideexporte Chronik: 17. Dezember 2023 bis 10. Januar 2024 Kunst, Musik und Krieg (18.01.2024) Analyse: Ukrainische Künstler:innen im Widerstand gegen die großangelegte Invasion: Dekolonialisierung in der Kunst nach dem 24. Februar 2022 Analyse: Musik und Krieg Dokumentation: Ukrainische Musiker:innen, die durch die russische Invasion umgekommen sind Statistik: "De-Russifizierung" der ukrainischen Youtube-Musik-Charts Umfragen: Änderung des Hörverhaltens seit der großangelegten Invasion Chronik: 21. November bis 16. Dezember 2023 Eintritt in eine neue Kriegsphase? / Selenskyjs Appelle an Russland (19.12.2023) Interview: "Dieser Krieg bleibt in erster Linie ein Artilleriekrieg, der die Munitionslieferungen zu einem sehr wichtigen Faktor macht" Statistik: Geländegewinne seit Beginn der Großinvasion Kommentar: Deutschland: Ein Schlüsselakteur in der neuen Kriegsphase? Statistik: Internationale Hilfen für die Ukraine Analyse: Selenskyjs Appelle an russische Staatsbürger:innen im ersten Jahr des russischen Aggressionskriegs gegen die Ukraine Dokumentation: Ansprache des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an das russische Volk am Vorabend der großangelegten Invasion Chronik: 28. Oktober bis 20. November 2023 Der Globale Süden und der Krieg (24.11.2023) Analyse: Der Blick aus dem Süden: Lateinamerikanische Perspektiven auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine Analyse: Russlands Krieg gegen die Ukraine und Afrika: Warum die Afrikanische Union zwar ambitioniert, aber gespalten ist Analyse: Eine Kritik der zivilisatorischen Kriegsdiplomatie der Ukraine im Globalen Süden Umfragen: Umfragedaten: Der Globale Süden und Russlands Krieg gegen die Ukraine Dokumentation: Abstimmungen in der Generalversammlung der Vereinten Nationen Chronik: 16. bis 27. Oktober 2023 Zwischen Resilienz und Trauma: Mentale Gesundheit (02.11.2023) Analyse: Mentale Gesundheit in Zeiten des Krieges Karte: Angriffe auf die Gesundheitsinfrastruktur der Ukraine Analyse: Den Herausforderungen für die psychische Gesundheit ukrainischer Veteran:innen begegnen Umfragen: Umfragen zur mentalen Gesundheit Statistik: Mentale Gesundheit: Die Ukraine im internationalen Vergleich Chronik: 1. bis 15. Oktober 2023 Ukraine-Krieg in deutschen Medien (05.10.2023) Kommentar: Der Kampf um die Deutungshoheit. Deutsche Medien zu Ukraine, Krim-Annexion und Russlands Rolle im Jahr 2014 Analyse: Die Qualität der Medienberichterstattung über Russlands Krieg gegen die Ukraine Analyse: Russlands Aggression gegenüber der Ukraine in den deutschen Talkshows 2013–2023. Eine empirische Analyse der Studiogäste Chronik: 1. bis 30. September 2023 Ökologische Kriegsfolgen / Kachowka-Staudamm (19.09.2023) Analyse: Die ökologischen Folgen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine Analyse: Ökozid: Die katastrophalen Folgen der Zerstörung des Kachowka-Staudamms Dokumentation: Auswahl kriegsbedingter Umweltschäden seit Beginn der großangelegten russischen Invasion bis zur Zerstörung des Kachowka-Staudamms Statistik: Statistiken zu Umweltschäden Zivilgesellschaft / Lokale Selbstverwaltung und Resilienz (14.07.2023) Von der Redaktion: Sommerpause – und eine Ankündigung Analyse: Die neuen Facetten der ukrainischen Zivilgesellschaft Statistik: Entwicklung der ukrainischen Zivilgesellschaft Analyse: Der Beitrag lokaler Selbstverwaltungsbehörden zur demokratischen Resilienz der Ukraine Wissenschaft im Krieg (27.06.2023) Kommentar: Zum Zustand der ukrainischen Wissenschaft in Zeiten des Krieges Kommentar: Ein Brief aus Charkiw: Ein ukrainisches Wissenschaftszentrum in Kriegszeiten Kommentar: Warum die "Russian Studies" im Westen versagt haben, Aufschluss über Russland und die Ukraine zu liefern Kommentar: Mehr Öffentlichkeit wagen. Ein Erfahrungsbericht Statistik: Auswirkungen des Krieges auf Forschung und Wissenschaft der Ukraine Innenpolitik / Eliten (26.05.2023) Analyse: Zwischen Kriegsrecht und Reformen. Die innenpolitische Entwicklung der Ukraine Analyse: Die politischen Eliten der Ukraine im Wandel Statistik: Wandel der politischen Elite in der Ukraine im Vergleich Chronik: 5. April bis 3. Mai 2023 Sprache in Zeiten des Krieges (10.05.2023) Analyse: Die Ukrainer sprechen jetzt hauptsächlich Ukrainisch – sagen sie Analyse: Was motiviert Ukrainer:innen, vermehrt Ukrainisch zu sprechen? Analyse: Surschyk in der Ukraine: zwischen Sprachideologie und Usus Chronik: 08. März bis 4. April 2023 Sozialpolitik (27.04.2023) Analyse: Das Sozialsystem in der Ukraine: Was ist nötig, damit es unter der schweren Last des Krieges besteht? 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Annual Report (Ausschnitt) Dokumentation: Terror, disappearances and mass deportation Dokumentation: Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) gegen Wladimir Putin wegen der Verschleppung von Kindern aus besetzten ukrainischen Gebieten nach Russland Analyse: Die Wiedereingliederung des Donbas nach dem Krieg: eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung Chronik 11. bis 21. Februar 2023 Internationaler Frauentag, Feminismus und Krieg (13.03.2023) Analyse: 8. 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Februar 2023 Kriegsentwicklung / Jahrestag der Invasion (23.02.2023) Analyse: Unerwartete Kriegsverläufe Analyse: Die Invasion der Ukraine nach einem Jahr – Ein militärischer Rück- und Ausblick Kommentar: Die Unterstützung der NATO-Alliierten für die Ukraine: Ursachen und Folgen Kommentar: Der Krieg hat die Profile der EU und der USA in der Ukraine gefestigt Kommentar: Wie der Krieg die ukrainische Gesellschaft stabilisiert hat Kommentar: Die existenzielle Frage "Sein oder Nichtsein?" hat die Ukraine klar beantwortet Kommentar: Wie und warum die Ukraine neu aufgebaut werden sollte Kommentar: Der Krieg und die Kirchen Karte: Kriegsgeschehen in der Ukraine (Stand: 18. Februar 2023) Statistik: Verluste an Militärmaterial der russischen und ukrainischen Armee Chronik: 17. bis 31. Januar 2023 Meinungsumfragen im Krieg (15.02.2023) Kommentar: Stimmen die Ergebnisse von Umfragen, die während des Krieges durchgeführt werden? Kommentar: Vier Fragen zu Umfragen während eines umfassenden Krieges am Beispiel von Russlands Krieg gegen die Ukraine Kommentar: Meinungsumfragen in der Ukraine zu Kriegszeiten: Zeigen sie uns das ganze Bild? Kommentar: Meinungsforschung während des Krieges: anstrengend, schwierig, gefährlich, aber interessant Kommentar: Quantitative Meinungsforschung in der Ukraine zu Kriegszeiten: Erfahrungen von Info Sapiens 2022 Kommentar: Meinungsumfragen in der Ukraine unter Kriegsbedingungen Kommentar: Politisches Vertrauen als Faktor des Zusammenhalts im Krieg Kommentar: Welche Argumente überzeugen Deutsche und Dänen, die Ukraine weiterhin zu unterstützen? Dokumentation: Umfragen zum Krieg (Auswahl) Chronik: Chronik 9. bis 16. Januar 2023 Ländliche Gemeinden / Landnutzungsänderung (19.01.2023) Analyse: Ländliche Gemeinden und europäische Integration der Ukraine: Entwicklungspolitische Aspekte Analyse: Monitoring der Landnutzungsänderung in der Ukraine am Beispiel der Region Schytomyr Chronik: 26. September bis 8. Januar 2023 Weitere Angebote der bpb Redaktion

Analyse: Türkei-Ukraine Beziehungen: Was steckt dahinter?

Daria Isachenko

/ 9 Minuten zu lesen

Die ukrainische Führung setzt große Hoffnungen in die Türkei als strategischen Partner. Doch der Handlungsspielraum Ankaras ist begrenzt. Die Türkei hegt eigene Interessen.

Der Aktivismus Ankaras im post-sowjetischen Raum wird als Anzeichen der erneuten geopolitischen Rivalität mit Moskau gesehen. Das Schwarze Meer ist dabei ein Gebiet, in dem die Türkei ihre NATO-Position unter Beweis stellen kann. (© picture-alliance)

Zusammenfassung

Die ukrainische Führung setzt große Hoffnungen in die Türkei und sieht Ankara als einen strategischen Partner. Die Türkei soll Kyjiw dabei helfen, die ukrainische territoriale Integrität wiederherzustellen und gleichzeitig der NATO beizutreten. Der Handlungsspielraum Ankaras für konkrete Schritte, die über die solidarische Rhetorik hinausgehen, ist allerdings begrenzt. Das Hauptinteresse der Türkei bei der Zusammenarbeit mit Kyjiw liegt vielmehr darin, die Lücken in seiner Verteidigungsindustrie mit der ukrainischen Unterstützung zu füllen.

Einleitung

Im September 2020 hat die Ukraine in ihrer neuen Nationalen Sicherheitsstrategie neben Aserbaidschan, Georgien, Litauen und Polen auch die Türkei als einen strategischen Partner Kyjiws ausgezeichnet. In der letzten Zeit nähern sich die Türkei und die Ukraine in der Tat überraschend rasch an. Im Februar 2020 hat die Türkei den ukrainischen Streitkräften 36 Millionen US-Dollar Militärhilfen zugesagt. Im Oktober 2020 haben Ankara und Kyjiw ein Abkommen zur militärischen Zusammenarbeit unterzeichnet. Im April 2021 fand bereits das dritte Treffen zwischen dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und seinem türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdoğan seit dem Herbst letzten Jahres statt. Die gemeinsame Erklärung nach dem Treffen umfasste zwanzig Punkte. Im bilateralen Bereich wird eine Vertiefung im Handel und in Rüstungs- und Verteidigungsindustrien angestrebt. Die Ukraine setzt aber vor allem auf die Unterstützung der Türkei, um die ukrainische territoriale Integrität wieder etablieren zu können. Außerdem rechnet die Ukraine mit dem Engagement der Türkei bei den Bemühungen Kyjiws um eine NATO-Mitgliedschaft.

Die jüngste türkisch-ukrainische Annäherung findet vor dem Hintergrund einer zunehmend aktiven Rolle Ankaras im post-sowjetischen Raum statt. Im Herbst 2020 stellte sich die Türkei offensiv auf die Seite Aserbaidschans bei der militärischen Eskalation im Konflikt um Bergkarabach im Südkaukasus. Auch von einer Rückkehr der Türkei nach Zentralasien ist bereits die Rede. Für Ankara ist die Aussicht auf die Schaffung des Nachitschewan-Korridors, der die Türkei durch die aserbaidschanische Exklave Nachitschewan in Armenien mit Aserbaidschan verbinden soll, einer der Erfolge des Krieges zwischen Armenien und Aserbaidschan, da er dem Land einen Zugang zur Kaspischen Region und zu Zentralasien ermöglicht. Der Aktivismus Ankaras im post-sowjetischen Raum wird als Anzeichen der erneuten geopolitischen Rivalität mit Moskau gesehen. Die Beziehungen der Türkei zur Ukraine stechen in dieser Hinsicht besonders hervor, da das Schwarze Meer als ein Gebiet angesehen wird, in dem die Türkei ihre NATO-Position unter Beweis stellen kann, da sie in anderen Regionen wie im Nahen Osten und im östlichen Mittelmeerraum wie nie zuvor in die Kritik geraten ist. Doch ist die Türkei in der Lage den Erwartungen Kyjiws und ihrer NATO-Partner im Kampf gegen Russland nachzukommen?

Bilaterale Schwerpunkte: Drohnen, Handel und die Krim

Kyjiw ist kein neuer Partner Ankaras. Schon 2011 etablierte die Türkei mit der Ukraine einen High-Level-strategischen Rat (HLSR). Solche Räte hat die Türkei seit 2006 eingeführt, um mit ausgewählten Ländern die Zusammenarbeit institutionell zu vertiefen. Daneben haben die Türkei und die Ukraine kürzlich noch ein zusätzliches "Quadriga Format" eingeführt, im Rahmen dessen sich die Vertreter der ukrainischen und türkischen Ministerien für Auswärtiges und Verteidigung treffen, um sicherheitspolitische Fragen der Schwarzmeerregion zu besprechen. Im bilateralen Bereich haben sich in der letzten Zeit drei Kernpunkte der türkisich-ukrainischen Zusammenarbeit herauskristallisiert.

Erstens bildet die Sphäre des militärisch-industriellen Komplexes einen vielversprechenden Bereich für die Kooperation zwischen der Türkei und der Ukraine, da sie einen hohen Grad an Konvergenz aufweist. Die Türkei und die Ukraine haben u. a. ein gemeinsames Interesse an unbemannten Luftfahrzeugen, Triebwerken für gepanzerte Fahrzeuge, Turbinen, Flugzeugtriebwerken, Raketen und Schiffsbau. Medienberichten zufolge plant die Türkei für ihren Kampfhubschrauber Atak 2 ein in der Ukraine produziertes Triebwerk zu nutzen. Für die ukrainische Marine ist die Produktion der türkischen Korvetten (Ada-Klasse) vorgesehen. Die Ukraine hat bereits sechs Drohnen vom Typ Bayraktar TB2 und drei Bodenkontrollstationssysteme von der Türkei gekauft. Des Weiteren ist die Ukraine an Kauf bzw. Ko-Produktion von insgesamt 48 unbemannten Luftfahrzeugen interessiert. Gewünscht ist auch die Gründung gemeinsamer Unternehmen für die Produktion. Im Gespräch ist derzeit der Verkauf von rund 50 Prozent der Anteile vom führenden Motorenhersteller für Raketen, Flugzeuge und Hubscharuber, Motor Sitsch, an ein türkisches Unternehmen mit staatlicher Beteiligung. Im Januar 2021 hat die Ukraine den Verkauf von Motor Sitsch an das chinesische Luftfahrtunternehmen Skyrizon wegen Sanktionen seitens der USA abgebrochen. Die türkische Seite ist optimistisch, dass die von den USA gegen die Türkei verhängten Sanktionen keine Auswirkung auf die Zusammenarbeit mit der Ukraine im Rüstungs- und Verteidigungssektor haben werden.

Zweitens streben die Ukraine und die Türkei an, ein bilaterales Freihandelsabkommen abzuschließen. Im Vergleich zu den Fortschritten im Bereich des militärisch-industriellen Komplexes ist hier der Weg etwas holprig. Das Handelsvolumen von 2019 betrug 4,8 Milliarden US-Dollar, davon 2,09 Milliarden US-Dollar Exporte aus der Türkei und 2,72 Milliarden US-Dollar Importe aus der Ukraine. Mit dem Freihandelsabkommen soll sich das Handelsvolumen zwischen Kyjiw und Ankara auf 10 Milliarden US-Dollar verdoppeln. Das Abkommen sollte bereits im Februar 2020 unterschrieben werden, allerdings bestehen immer noch Uneinigkeiten. Diese umfassen unter anderem Quoten für Agrarprodukte sowie das Zertifizierungsverfahren in der Türkei. Auch das Investitionsklima in der Ukraine ist für türkische Unternehmen noch nicht attraktiv genug.

Drittens gibt es mit den Krimtataren wegen ihrer kulturellen und historischen Verwandtschaft mit den Turkvölkern ein besonderes Band in den ukrainisch-türkischen Beziehungen. Bereits nach dem Zerfall der Sowjetunion war die Türkei aktiv dabei, die Krimtataren in der Ukraine zu unterstützen. Die Türkische Agentur für Zusammenarbeit und Entwicklung (TIKA) hat für die Krimtataren, die Anfang der 1990er Jahre wieder in die Ukraine zurückkehrten, Wohn- und Kulturprojekte finanziert. Auch die Vereinbarung, die beim letzten Treffen zwischen Erdoğan und Selenskyj im April 2021 getroffen wurde, sieht türkische Hilfe für den Bau von 500 Häusern in den ukrainischen Städten Kyjiw, Mykolajiw und Cherson vor für Krimtataren, die 2014 die Halbinsel verlassen mussten. In der Türkei selbst wird die Diaspora der Krimtataren auf drei bis fünf Millionen Menschen geschätzt. Auch hat die Krim einen sehr bedeutsamen symbolischen Wert für die Türkei: Die Halbinsel war der erste territoriale Verlust für das Osmanische Reich im Jahr 1783.

Regionale Zusammenhänge: Lehren aus 2014 und dem Konflikt um Bergkarabach

Seitens der Ukraine gibt es zwei besonders große Hoffnungen für die strategische Partnerschaft mit der Türkei. Erstens wünscht sich Kyjiw, dass Ankara sich stärker bei der "Krim-Plattform" engagiert, die Kyjiw im August 2021 zu etablieren plant. Mit dieser Plattform bezweckt die Ukraine, internationale Aufmerksamkeit auf die Krim-Frage zu lenken, bzw. die Besetzung der Krim von Russland langfristig zu beenden. Dies soll unter anderem durch die Erarbeitung einer Nicht-Anerkennungs-Strategie für die Krim und durch die wirksame Umsetzung der Sanktionen gegenüber Russland erreicht werden. Zweitens setzt Kyjiw große Hoffnung auf Ankara auch bei der ukrainischen Bestrebung, einen Membership Action Plan (MAP) von der NATO zu bekommen, der die Ukraine zum formellen Antragsteller für eine NATO-Mitgliedschaft machen würde. Auch die Interoperabilität der ukrainischen Streitkräfte mit den NATO-Mitgliedern soll die Zusammenarbeit mit der Türkei fördern.

Die Türkei unterstützt zwar die Errichtung der Krim-Plattform sowie Kyjiws Wunsch nach einer NATO-Mitgliedschaft, der Handlungsspielraum Ankaras für Schritte, die über die solidarische Rhetorik hinausgehen, bleibt allerdings stark eingeschränkt. Die Grenzen der türkischen Politik, insbesondere hinsichtlich der Krim-Frage, wurden bereits 2014 deutlich.

Das "Referendum über den Status der Krim" am 16. März 2014 hat die Türkei zwar als rechtswidrig verurteilt. Für die Unterstützung der territorialen Integrität hat Ankara auch eigene Gründe. Referenden, die auf dem Selbstbestimmungsprinzip beruhen, sind für die Türkei problematisch, da Ankara die Auswirkungen auf seine eigene territoriale Integrität befürchtet. So hat die Türkei zwar der Resolution 68/262 der UN-Generalversammlung zur Ungültigkeit des Krim-Referendums im März 2014 zusammen mit 100 Ländern zugestimmt. Im Gegensatz zu westlichen Staaten hat sich die Türkei jedoch nicht an die Sanktionen gegenüber Russland angeschlossen. Bereits damals waren die Beziehungen zu Moskau der Hauptgrund für die Zurückhaltung Ankaras.

Vor allem im wirtschaftlichen Bereich ist die Türkei auf die Zusammenarbeit mit Russland angewiesen. Die Energieabhängigkeit von Moskau hat Ankara in den letzten Jahren mit Hilfe von Gaslieferungen von Aserbaidschan und Flüssiggas (LNG) reduziert. Es bleiben dennoch wichtige Faktoren im Türkei-Russland Verhältnis, die für Ankara von entscheidender Bedeutung sind. Russland leistet einen wesentlichen Beitrag für die türkische Wirtschaft, vor allem durch Tourismus und Handel. Im Jahr 2019 erreichte die Zahl der russischen Touristen in der Türkei mit sieben Millionen einen neuen Rekord, was einem Anteil von 16 Prozent aller Touristen in der Türkei entspricht. Zum Vergleich: Die Zahl der ukrainischen Touristen betrug rund 1,6 Millionen. Nicht unwichtig ist auch die Tätigkeit türkischer Baufirmen in Russland. Seit deren Eintritt in Russland Ende der 1980-er Jahre wurde das Gesamtvolumen der Bauprojekte türkischer Unternehmen in Russland im Jahr 2018 auf 71,8 Milliarden US-Dollar geschätzt. Russland ist damit der führende Auslandsmarkt für türkische Bauunternehmen. Der Gesamtwert der türkischen Bauprojekte in der Ukraine liegt bei vergleichsweise niedrigen 6,28 Milliarden US-Dollar.

Es waren nicht zuletzt die Auswirkungen auf die türkische Wirtschaft, die Ankara nach der Kampfjet-Krise im November 2015 wegen Syrien dazu bewegt haben, mit Moskau im Juni 2016 eine Versöhnung zu suchen. Seit der Bewältigung der Kampfjet-Krise haben Ankara und Moskau ihre Beziehungen erheblich erweitert. Der syrische Konflikt ist inzwischen der "Kleber" geworden, der Ankara und Moskau zusammenhält. Moskau und Ankara sind in Syrien aufeinander angewiesen, wenn es um ihre existenziellen Interessen geht: Regimesicherheit für Russland und kurdische Autonomiebestrebungen für die Türkei. Zudem kooperieren Russland und die Türkei im Bereich Atomenergie. Nicht zuletzt hofft Moskau auch bei den türkischen Weltraumambitionen behilflich zu sein.

Im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine eine Seite wählen zu müssen fällt der Türkei daher sehr schwer. Laut einer vom türkischen Forschungsunternehmen Metropoll im April 2021 durchgeführten Meinungsumfrage wünschen sich 69,1 Prozent der Befragten, dass die Türkei in diesem Konflikt eine neutrale Haltung einnehmen soll, während 9,1 Prozent die russische und 3,8 Prozent die ukrainische Seite unterstützen. Auch der türkische Präsident Erdoğan hat sich nach dem Treffen am 10. April 2021 mit seinem ukrainischen Amtskollegen Selenskyj bemüht, zwischen Russland und der Ukraine zu manövrieren. So betonte Erdogan Ankaras Unterstützung für die Ukraine bei der Krim-Plattform sowie für die Aussicht auf eine NATO-Mitgliedschaft für Kyjiw. Zugleich sendete Erdoğan eine Botschaft auch an den russischen Präsidenten Wladimir Putin, indem er sich für die Minsker Vereinbarungen als Grundlage für die Lösung im Donbas-Konflikt aussprach.

Im Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan war die Strategie Ankaras darauf gerichtet, durch eine Veränderung des Status quo sich eine politische Rolle am Verhandlungstisch zu schaffen. Im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine wäre die Veränderung des Status quo nicht im Interesse der Türkei. Auch der Einsatz von Drohnen wäre hier nicht der entscheidende Faktor. Für Russland steht, anders als im Südkaukasus, im Donbas-Konflikt viel mehr auf dem Spiel. Ankaras Vorgehensweise im Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan wurde in Moskau mit Zurückhaltung verfolgt und hat auch Gewinne für Russland – durch die Etablierung der Friedenstruppen in Bergkarabach – gebracht. Was die Ukraine anbelangt, warnte der russische Außenminister Sergei Lawrow die Türkei davor, den "militaristischen Stimmungen [der Ukraine] Vorschub zu leisten".

Außenpolitische Prioritäten der Türkei

Das Hauptmerkmal der türkischen Außenpolitik besteht im ständigen Balancieren zwischen dem Westen und Russland. Dies funktioniert aber nur dann für die Türkei, wenn Ankara nicht gezwungen ist, zwischen zwei Stühlen einen wählen zu müssen. Vor dem Hintergrund der problematischen Beziehungen zwischen der Türkei und ihren NATO-Partnern im Nahen Osten und im östlichen Mittelmeerraum gilt gerade das Schwarze Meer als ein möglicher Ort, wo die Türkei ihre Position in der NATO stärken könnte.

Die Türkei war in der Vergangenheit in der Tat ein aktiver Mitgestalter in dieser Region. In der Zeit nach dem Kalten Krieg hat Ankara mehrere regionale Projekte in die Wege geleitet. 1992 wurde die Schwarzmeer-Wirtschaftskooperation gegründet. 2001 wurde die "Black Sea Naval Cooperation Task Group" (BLACKSEAFOR) für die Rettungsmaßnahmen und humanitäre Operationen von der Türkei initiiert. 2004 rief die Türkei des Weiteren die Marineoperation "Black Sea Harmony" ins Leben, die zur Sicherheit in der Region gegenüber Terrorismus und asymmetrischen Bedrohungen beitragen sollte. Bei allen diesen Maßnahmen war auch die Zusammenarbeit mit Russland nicht unwichtig.

Die türkische Führung wird ihre rhetorische Unterstützung der ukrainischen territorialen Integrität fortsetzen, während Ankara gleichzeitig darauf abzielt, die Lücken in seiner Verteidigungsindustrie mit ukrainischer Unterstützung zu füllen. Eine militärische Eskalation im Schwarzen Meer hingegen dürfte den Balanceakt der Türkei unmöglich machen.

Lesetipps

Iliya Kusa: As Russia Escalates, Where Do Turkey-Ukraine Relations Stand?, in: Focus Ukraine, Kennan Institute, 22.04.2021, Externer Link: https://www.wilsoncenter.org/

Fussnoten

Dr. Daria Isachenko arbeitet am Centrum für angewandte Türkeistudien (CATS) der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Zu ihren Forschungsgebieten zählen die internationalen Beziehungen der Türkei sowie regionale und zwischenstaatliche Konflikte.