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Kommentar: Regierungswechsel als Zeichen der Schwäche | Ukraine-Analysen | bpb.de

Ukraine Beziehungen zu Polen / Beziehungen zur Slowakei (26.06.2024) Analyse: Die Entwicklung der ukrainisch-polnischen Beziehungen seit Beginn der russischen Vollinvasion Analyse: Pragmatisch, indifferent, gut? Über den Zustand der ukrainisch-slowakischen Beziehungen Statistik: Handel der Ukraine mit ihren Nachbarländern Statistik: Ukrainische Geflüchtete in den Nachbarstaaten der Ukraine Umfragen: Die Einstellung der ukrainischen Bevölkerung zu den Nachbarländern der Ukraine Umfragen: Die Einstellung der polnischen Bevölkerung zu Geflüchteten aus der Ukraine Chronik: 21. bis 31. Mai 2024 Exekutiv-legislative Beziehungen und die Zentralisierung der Macht im Krieg (30.05.2024) Analyse: Das Verhältnis zwischen Legislative und Exekutive in Zeiten des Krieges: Die Ukraine seit Beginn der russischen Vollinvasion Analyse: Wie schnell werden Gesetzentwürfe von der Werchowna Rada verabschiedet? Wie kann der Prozess effizienter gestaltet werden? Chronik: 1. bis 30. April 2024 Arbeitsmarktintegration ukrainischer Geflüchteter / Ukrainische Community in Deutschland / Deutsch-ukrainische kommunale Partnerschaften (29.04.2024) Analyse: Arbeitsmarktintegration der ukrainischen Geflüchteten in Deutschland Statistik: Integration in den Arbeitsmarkt Analyse: Die ukrainische Community in Deutschland Analyse: (Un)genutzte Potenziale in den deutsch-ukrainischen Kommunal- und Regionalpartnerschaften Dokumentation: Übersicht deutsch-ukrainischer Partnerschaften Chronik: 11. bis 31. März 2024 10 Jahre Krim-Annexion / Donbas nach der Annexion 2022 (21.03.2024) Analyse: Zehn Jahre russische Annexion: Die aktuelle Lage auf der Krim Dokumentation: Reporters Without Borders: Ten years of Russian occupation in Crimea: a decade of repression of local independent journalism Dokumentation: Europarat: Crimean Tatars’ struggle for human rights Statistik: Repressive Gerichtsverfahren auf der Krim und in Sewastopol Analyse: Die Lage im annektierten Donbas zwei Jahre nach dem 24. Februar 2022 Umfragen: Öffentliche Meinung zur Krim und zum Donbas Chronik: 22. Februar bis 10. März 2024 Wirtschaft / Rohstoffe / Kriegsschäden und Wiederaufbau Analyse: Wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit in einer schwierigen Gesamtlage Analyse: Die Rohstoffe der Ukraine und ihre strategische Bedeutung Analyse: Schäden und Wiederaufbau der ukrainischen Infrastruktur Chronik: 11. Januar bis 21. Februar 2024 Zwei Jahre Angriffskrieg: Rückblick, aktuelle Lage und Ausblick (23.02.2024) Analyse: Zwei Jahre russischer Angriffskrieg. Welche politischen, militärischen und strategischen Erkenntnisse lassen sich ziehen? Kommentar: Die aktuelle Lage an der Front Kommentar: Wie sich der russisch-ukrainische Krieg 2024 entwickeln könnte Kommentar: Die Ukraine wird sich nicht durchsetzen, wenn der Westen seine eigene Handlungsfähigkeit verleugnet Kommentar: Wie funktioniert das ukrainische Parlament in Kriegszeiten? Kommentar: Wie die Wahrnehmung des Staates sich durch den Krieg gewandelt hat Umfragen: Stimmung in der Bevölkerung Statistik: Verluste an Militärmaterial der russischen und ukrainischen Armee Statistik: Russische Raketen- und Drohnenangriffe, Verbrauch von Artilleriegranaten, Materialverluste im Kampf um Awdijiwka Folgen des russischen Angriffskriegs für die ukrainische Landwirtschaft (09.02.2024) Analyse: Zwischenbilanz zum Krieg: Schäden und Verluste der ukrainischen Landwirtschaft Analyse: Satellitendaten zeigen hohen Verlust an ukrainischen Anbauflächen als Folge der russischen Invasion Statistik: Getreideexporte Chronik: 17. Dezember 2023 bis 10. Januar 2024 Kunst, Musik und Krieg (18.01.2024) Analyse: Ukrainische Künstler:innen im Widerstand gegen die großangelegte Invasion: Dekolonialisierung in der Kunst nach dem 24. Februar 2022 Analyse: Musik und Krieg Dokumentation: Ukrainische Musiker:innen, die durch die russische Invasion umgekommen sind Statistik: "De-Russifizierung" der ukrainischen Youtube-Musik-Charts Umfragen: Änderung des Hörverhaltens seit der großangelegten Invasion Chronik: 21. November bis 16. Dezember 2023 Eintritt in eine neue Kriegsphase? / Selenskyjs Appelle an Russland (19.12.2023) Interview: "Dieser Krieg bleibt in erster Linie ein Artilleriekrieg, der die Munitionslieferungen zu einem sehr wichtigen Faktor macht" Statistik: Geländegewinne seit Beginn der Großinvasion Kommentar: Deutschland: Ein Schlüsselakteur in der neuen Kriegsphase? Statistik: Internationale Hilfen für die Ukraine Analyse: Selenskyjs Appelle an russische Staatsbürger:innen im ersten Jahr des russischen Aggressionskriegs gegen die Ukraine Dokumentation: Ansprache des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an das russische Volk am Vorabend der großangelegten Invasion Chronik: 28. Oktober bis 20. November 2023 Der Globale Süden und der Krieg (24.11.2023) Analyse: Der Blick aus dem Süden: Lateinamerikanische Perspektiven auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine Analyse: Russlands Krieg gegen die Ukraine und Afrika: Warum die Afrikanische Union zwar ambitioniert, aber gespalten ist Analyse: Eine Kritik der zivilisatorischen Kriegsdiplomatie der Ukraine im Globalen Süden Umfragen: Umfragedaten: Der Globale Süden und Russlands Krieg gegen die Ukraine Dokumentation: Abstimmungen in der Generalversammlung der Vereinten Nationen Chronik: 16. bis 27. Oktober 2023 Zwischen Resilienz und Trauma: Mentale Gesundheit (02.11.2023) Analyse: Mentale Gesundheit in Zeiten des Krieges Karte: Angriffe auf die Gesundheitsinfrastruktur der Ukraine Analyse: Den Herausforderungen für die psychische Gesundheit ukrainischer Veteran:innen begegnen Umfragen: Umfragen zur mentalen Gesundheit Statistik: Mentale Gesundheit: Die Ukraine im internationalen Vergleich Chronik: 1. bis 15. Oktober 2023 Ukraine-Krieg in deutschen Medien (05.10.2023) Kommentar: Der Kampf um die Deutungshoheit. Deutsche Medien zu Ukraine, Krim-Annexion und Russlands Rolle im Jahr 2014 Analyse: Die Qualität der Medienberichterstattung über Russlands Krieg gegen die Ukraine Analyse: Russlands Aggression gegenüber der Ukraine in den deutschen Talkshows 2013–2023. Eine empirische Analyse der Studiogäste Chronik: 1. bis 30. September 2023 Ökologische Kriegsfolgen / Kachowka-Staudamm (19.09.2023) Analyse: Die ökologischen Folgen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine Analyse: Ökozid: Die katastrophalen Folgen der Zerstörung des Kachowka-Staudamms Dokumentation: Auswahl kriegsbedingter Umweltschäden seit Beginn der großangelegten russischen Invasion bis zur Zerstörung des Kachowka-Staudamms Statistik: Statistiken zu Umweltschäden Zivilgesellschaft / Lokale Selbstverwaltung und Resilienz (14.07.2023) Von der Redaktion: Sommerpause – und eine Ankündigung Analyse: Die neuen Facetten der ukrainischen Zivilgesellschaft Statistik: Entwicklung der ukrainischen Zivilgesellschaft Analyse: Der Beitrag lokaler Selbstverwaltungsbehörden zur demokratischen Resilienz der Ukraine Wissenschaft im Krieg (27.06.2023) Kommentar: Zum Zustand der ukrainischen Wissenschaft in Zeiten des Krieges Kommentar: Ein Brief aus Charkiw: Ein ukrainisches Wissenschaftszentrum in Kriegszeiten Kommentar: Warum die "Russian Studies" im Westen versagt haben, Aufschluss über Russland und die Ukraine zu liefern Kommentar: Mehr Öffentlichkeit wagen. Ein Erfahrungsbericht Statistik: Auswirkungen des Krieges auf Forschung und Wissenschaft der Ukraine Innenpolitik / Eliten (26.05.2023) Analyse: Zwischen Kriegsrecht und Reformen. Die innenpolitische Entwicklung der Ukraine Analyse: Die politischen Eliten der Ukraine im Wandel Statistik: Wandel der politischen Elite in der Ukraine im Vergleich Chronik: 5. April bis 3. Mai 2023 Sprache in Zeiten des Krieges (10.05.2023) Analyse: Die Ukrainer sprechen jetzt hauptsächlich Ukrainisch – sagen sie Analyse: Was motiviert Ukrainer:innen, vermehrt Ukrainisch zu sprechen? Analyse: Surschyk in der Ukraine: zwischen Sprachideologie und Usus Chronik: 08. März bis 4. April 2023 Sozialpolitik (27.04.2023) Analyse: Das Sozialsystem in der Ukraine: Was ist nötig, damit es unter der schweren Last des Krieges besteht? Analyse: Die hohen Kosten des Krieges: Wie Russlands Krieg gegen die Ukraine die Armut verschärft Chronik: 22. Februar bis 7. März 2023 Besatzungsregime / Wiedereingliederung des Donbas (27.03.2023) Analyse: Etablierungsformen russischer Herrschaft in den besetzten Gebieten der Ukraine: Wege und Gesichter der Okkupation Karte: Besetzte Gebiete Dokumentation: Human Rights Watch: Torture, Disappearances in Occupied South. Apparent War Crimes by Russian Forces in Kherson, Zaporizhzhia Regions (Ausschnitt) Dokumentation: War and Annexation. The "People’s Republics" of eastern Ukraine in 2022. Annual Report (Ausschnitt) Dokumentation: Terror, disappearances and mass deportation Dokumentation: Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) gegen Wladimir Putin wegen der Verschleppung von Kindern aus besetzten ukrainischen Gebieten nach Russland Analyse: Die Wiedereingliederung des Donbas nach dem Krieg: eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung Chronik 11. bis 21. Februar 2023 Internationaler Frauentag, Feminismus und Krieg (13.03.2023) Analyse: 8. März, Feminismus und Krieg in der Ukraine: Neue Herausforderungen, neue Möglichkeiten Umfragen: Umfragen zum Internationalen Frauentag Interview: "Der Wiederaufbau braucht einen geschlechtersensiblen Ansatz" Statistik: Kennzahlen und Indizes geschlechterspezifischer Ungleichheit Korruptionsbekämpfung (08.03.2023) Analyse: Der innere Kampf: Korruption und Korruptionsbekämpfung als Hürde und Gradmesser für den EU-Beitritt der Ukraine Dokumentation: Statistiken und Umfragen zu Korruption Analyse: Reformen, Korruption und gesellschaftliches Engagement Chronik: 1. bis 10. Februar 2023 Kriegsentwicklung / Jahrestag der Invasion (23.02.2023) Analyse: Unerwartete Kriegsverläufe Analyse: Die Invasion der Ukraine nach einem Jahr – Ein militärischer Rück- und Ausblick Kommentar: Die Unterstützung der NATO-Alliierten für die Ukraine: Ursachen und Folgen Kommentar: Der Krieg hat die Profile der EU und der USA in der Ukraine gefestigt Kommentar: Wie der Krieg die ukrainische Gesellschaft stabilisiert hat Kommentar: Die existenzielle Frage "Sein oder Nichtsein?" hat die Ukraine klar beantwortet Kommentar: Wie und warum die Ukraine neu aufgebaut werden sollte Kommentar: Der Krieg und die Kirchen Karte: Kriegsgeschehen in der Ukraine (Stand: 18. Februar 2023) Statistik: Verluste an Militärmaterial der russischen und ukrainischen Armee Chronik: 17. bis 31. Januar 2023 Meinungsumfragen im Krieg (15.02.2023) Kommentar: Stimmen die Ergebnisse von Umfragen, die während des Krieges durchgeführt werden? Kommentar: Vier Fragen zu Umfragen während eines umfassenden Krieges am Beispiel von Russlands Krieg gegen die Ukraine Kommentar: Meinungsumfragen in der Ukraine zu Kriegszeiten: Zeigen sie uns das ganze Bild? Kommentar: Meinungsforschung während des Krieges: anstrengend, schwierig, gefährlich, aber interessant Kommentar: Quantitative Meinungsforschung in der Ukraine zu Kriegszeiten: Erfahrungen von Info Sapiens 2022 Kommentar: Meinungsumfragen in der Ukraine unter Kriegsbedingungen Kommentar: Politisches Vertrauen als Faktor des Zusammenhalts im Krieg Kommentar: Welche Argumente überzeugen Deutsche und Dänen, die Ukraine weiterhin zu unterstützen? Dokumentation: Umfragen zum Krieg (Auswahl) Chronik: Chronik 9. bis 16. Januar 2023 Ländliche Gemeinden / Landnutzungsänderung (19.01.2023) Analyse: Ländliche Gemeinden und europäische Integration der Ukraine: Entwicklungspolitische Aspekte Analyse: Monitoring der Landnutzungsänderung in der Ukraine am Beispiel der Region Schytomyr Chronik: 26. September bis 8. Januar 2023 Weitere Angebote der bpb Redaktion

Kommentar: Regierungswechsel als Zeichen der Schwäche Ukraine-Analysen Nr. 304

Mattia Nelles

/ 5 Minuten zu lesen

Der Regierungswechsel in Kyjiw zeigt: Die Personaldecke derjenigen, denen die Entscheidungsträger im Präsidialamt vertrauen, ist dünn.

Trotz scharfer Kritik an Energieminister Herman Haluschtschenko, dessen Stellvertreter in einen Korruptionsskandal verwickelt ist, behielt er seinen Posten. (© picture-alliance/dpa, Sebastian Gollnow)

Die jüngste Regierungsumbildung hatte sich seit Anfang des Jahres angedeutet und dennoch kam sie für viele westliche Beobachter überraschend. In Zeiten der russischen Vollinvasion sind Neuwahlen des Präsidenten und des Parlaments per Verfassung verboten. Der Regierungsumbau des halben Kabinetts und die Präsentation "neuer Gesichter" bieten dem Präsidenten aber eine Möglichkeit zu zeigen, dass gewisse Veränderungen dennoch möglich sind.

Lange wurde unter Insidern spekuliert, wer den wenig beliebten Premierminister Denys Schmyhal ersetzen könnte. Aber ausgerechnet Schmyhal überstand die Kabinettsumbildung mangels zur Verfügung stehender Alternativen. Sein Abgang, so heißt es, ist damit lediglich vertagt. Auch unter den neuen Ministerinnen und Ministern sind im Kern keine neuen Gesichter. Die meisten sind der breiten Öffentlichkeit kaum bekannte Personen, die in erster Linie durch ihr Vertrauensverhältnis zur und ihre Erfahrung in der Präsidialverwaltung, der Bankowa, in Erscheinung getreten sind.

Das zentrale Prinzip der Auswahl der neuen Ministerinnen und Minister ist und bleibt also Loyalität. Wichtig ist zu verstehen, dass die Regierungsgeschäfte im Kern nicht von den Ministern oder gar dem nominellen Regierungschef Schmyhal geleitet, sondern aus der Präsidialverwaltung – und maßgeblich dessen Leiter Andrij Jermak und seinen engsten Vertrauten – gesteuert werden. Genau das schreckte fähige bzw. erfahrene Leute aus der Wirtschaft und Zivilgesellschaft ab, um die sich Selenskyjs Team teils bemüht hatte. Dass es Selenskyj und Jermak nicht gelungen ist, wirklich neue, kompetente Gesichter zu rekrutieren, ist in aller erster Linie als ein Zeichen der Schwäche zu werten. Die Personaldecke derjenigen, denen die Entscheidungsträger in der Bankowa vertrauen, ist dünn.

Gerade bei der anstehenden Eröffnung der EU-Verhandlungskapitel wirft das die Frage auf, wie realistisch das Ziel der Regierung, möglichst viel EU-Recht möglichst schnell umzusetzen. Mit Olha Stefanischyna hat die Ukraine zwar eine fähige Justizministerin, Vize-Premierministerin und Chefunterhändlerin im Amt. Sie und ihr Team koordinieren die Verhandlungen mit der EU und die Umsetzung innerhalb der Regierung. Bei der Umsetzung kommt es aber auf die Qualität, Professionalität und das Zusammenspiel von zahlreichen Ministerien und Behörden an. Wenn der EU-Beitrittsprozess nicht zügig auch durch die Fortsetzung der angestoßenen Reform der öffentlichen Verwaltung ergänzt wird, droht hier viel wertvolle Zeit vergeudet zu werden, da schlicht nicht genügend kenntnisreiche, ausgebildete und motivierte Bürokraten zur Verfügung stehen, die diesen Mammutakt der Umsetzung des EU-Rechts in nationale Gesetze und Rechtsakte in die Tat umsetzen können.

Ein Hauptargument für die Umbildung war laut Selenskyj zudem, dass die entscheidenden Ministerien vor dem anstehenden schwierigen Herbst und Winter gestärkt werden sollten. An den strukturellen Schwächen der Ministerien selbst, der Ausdünnung bei fähigem Personal, ändert sich kaum etwas. Gerade zwei der Schlüsselministerien blieben von den Veränderungen unangetastet. Zuletzt warfen führende Köpfe der Zivilgesellschaft dem Verteidigungsminister Rustem Umerow "administratives Chaos" vor. Die scharfe Kritik am Minister bezog sich neben der mangelnden internen Steuerung vor allem auf die schleppende Reform des militärischen Beschaffungswesens und die für die Ukraine überlebenswichtige Koordinierung internationaler Militärhilfen. Gerade beim Aufbau der Expertise, um U.S.-amerikanische Hilfen korrekt abzurufen, seien wertvolle Monate vergeudet worden.

Auch im so wichtigen Energieministerium gab es trotz zum Teil scharfer Kritik an Energieminister Herman Haluschtschenko keine Veränderung. Das überraschte insofern, da vor Kurzem erst die rechte Hand des Ministers, Vizeminister Oleksandr Cheilo, auf frischer Tat bei einer Schmiergeldzahlung ertappt wurde und in einen großen Korruptionsskandal verstrickt ist. Dem Energieminister selbst wurde in den vergangenen Monaten immer wieder vorgeworfen, ein starker Fürsprecher der Atomlobby des Landes zu sein. Da Russland erhebliche Teile der ukrainischen Strom- und Wärmeerzeugung zerstört hat, ist die Frage, wie sich Unternehmen und auch Städte und Gemeinden an der Energiegewinnung beteiligen, von größter Bedeutung. Aus Kyjiw hörte man immer wieder, dass der Energiemister sich zu wenig um alternative, dezentrale Energiegewinnung kümmere, die ein schwierigeres Ziel für russische Luftangriffe und somit gut geeignet für die stabile Energieversorgung wären.

Gleichzeitig gelang es Haluschtschenko im Zuge der Regierungsumbildung ausgerechnet Wolodymyr Kudryzkyj zu entlassen, der seit 2020 Chef des ukrainischen Netzbetreibers Ukrenerho war. Kudryzkyj selbst gilt als effektiver Manager und setze sich wie kaum ein anderer für Anreizsysteme zur dezentralen Energiegewinnung durch Unternehmen ein. Ohne konkrete Begründung wurde Kudryzkyj in einer Sondersitzung des Aufsichtsrates des Amtes enthoben. Das veranlasste die beiden einzigen internationalen, unabhängigen Mitglieder des Aufsichtsrates zum Rücktritt. In einem scharfen Statement bezeichneten sie die Abberufung als grundlos und politisch motiviert.

Der Ukrenerho-Skandal steht exemplarisch für Probleme mit der Corporate Governance der wichtigsten Staatsunternehmen. Nach 2014 versuchte die Ukraine, die Vorstände und Aufsichtsräte zu professionalisieren – auch durch die Einbeziehung internationaler Expertinnen und Experten in die Aufsichtsräte. Nun untersteht ein wichtiges Staatsunternehmen wieder größerer politischer Kontrolle.

Kritiker wie der Oppositionspolitiker Jaroslaw Schelesnjak mutmaßen, dass es bei der Abberufung um die Kontrolle wichtiger Mittelflüsse gehen könnte. Kurz zuvor hatten westliche Partner in einem Brief an Schmyhal vor der Abberufung Kudryzkyjs gewarnt und auf die Besetzung des freien Aufsichtsratspostens mit einem internationalen Experten gepocht. Dass diese Forderung ausgeschlagen wurde und danach nur ein schwaches Statement der G7-Botschafter in der Ukraine folgte, in dem diese fordern, die neue Ukrenerho-Leitung in einem fairen, kompetitiven Verfahren auszusuchen, zeigt, wie schlecht es um den Einfluss westlicher Partner in Kyjiw bestellt ist.

Das ist kaum nachzuvollziehen, da der ukrainische Staat von westlichen Hilfszahlungen und Unterstützungsleistungen abhängig ist. Trotz des Krieges sollten Probleme in einzelnen Ministerien, verschleppte Reformen oder alarmierende innenpolitische Entwicklungen klar angesprochen werden, erst hinter verschlossenen Türen und dann notfalls öffentlich. Sollte das nicht helfen, muss notfalls der politische Einfluss der einzelnen Staaten, der G7 und der EU konsequent geltend gemacht werden. Zahlungen von Krediten und Zuschüssen sind an klare Kriterien gebunden, die es zu überprüfen gilt. Bei Rückschritten sollten Zahlungen auch ausgesetzt werden. Das Prinzip der Konditionalität erfordert ein klares Verständnis über die innenpolitischen Entwicklungen der Ukraine unter den westlichen Partnern und eine starke Rolle der EU. Geschwächte Institutionen und verschleppte Reformen bedrohen die gesellschaftliche Resilienz und das angestrebte Ziel, möglichst schnell der EU beizutreten. Zur Freundschaft mit der Ukraine gehört es daher auch, mögliche Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen und einzuordnen und entsprechend gegenzusteuern.

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Mattia Nelles ist Mitbegründer des Deutsch-Ukrainischen Büros (DUB) und arbeitet seit Jahren zur Ukraine und den innen- und außenpolitischen Veränderungsprozessen im Land.