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Kommentar: Die Unterstützung der NATO-Alliierten für die Ukraine: Ursachen und Folgen | Ukraine-Analysen | bpb.de

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Kommentar: Die Unterstützung der NATO-Alliierten für die Ukraine: Ursachen und Folgen Ukraine-Analyse Nr. 279

Alexander Lanoszka Jordan Becker

/ 6 Minuten zu lesen

Die Bereitschaft zur materiellen Unterstützung für die Ukraine im Krieg hängt stark mit früher getätigten Investitionen der jeweiligen NATO-Staaten in die Verteidigung zusammen.

Verteidigungsminister Boris Pistorius vor einem Leopard-Kampfpanzer. (© picture-alliance, EPA | FILIP SINGER)

Im Januar und Anfang Februar 2022 begann sich die Ungewissheit zu verringern, die die Regierungen der euroatlantischen Gemeinschaft hinsichtlich des militärischen Aufmarschs Russlands an der ukrainischen Grenze noch haben mochten. Einige Staaten begannen, ihre militärische Hilfe für die Ukraine zu verstärkten. Das Vereinigte Königreich setzte sich mit der Bereitstellung von sogenannten Leichten Panzerabwehrwaffen der nächsten Generation (NLAW) an die Spitze, samt einer Abstellung von Luftlandetruppen, um ukrainische Soldaten an diesen Waffen auszubilden. Auch Polen und die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen stockten ihre Hilfe auf. Andere hielten sich hingegen zurück. Deutschland schickte lieber Helme, medizinische Güter und andere Ausrüstung, während es sich weigerte, selbst irgendwelches militärisches Gerät zu liefern. Kanada, das wegen seiner großen ukrainischen Diaspora oft als ein wichtiger Unterstützer der Ukraine betrachtet wird, lehnte es am Vorabend von Russlands großangelegter Invasion ebenfalls ab, Hilfe in Form von tödlicher militärischer Unterstützung zu liefern.

Die zögerliche Haltung, die so viele Länder dazu gebracht hatte, militärische Hilfe für die Ukraine zurückzuhalten, sollte sich bald etwas auflösen. Nach dem 24. Februar 2022 stellte die erbitterte Verteidigung Kyjiws und Charkiws durch die ukrainischen Streitkräfte eindeutig und ausgiebig unter Beweis, dass die Armee in der Lage ist, komplexe militärische Operationen gegen einen mächtigen Angreifer zu unternehmen. Natürlich kam es in den NATO-Hauptstädten zu Debatten über die Frage, ob die Bereitstellung bestimmter Waffensysteme nicht zu einer ungewollten Eskalation mit Russland führen würde. Allerdings setzte bald eine neue Entwicklung ein: Immer mehr Waffen mit immer größerer Feuerkraft aus Beständen von NATO-Mitgliedstaaten sollten der Ukraine bereitgestellt werden, angefangen von Panzerabwehrwaffen über Artilleriesysteme und Schützenpanzer bis hin zu Kampfpanzern.

Die Unterschiede, wer was geliefert hat, waren allerdings weiterhin beträchtlich. Die Vereinigten Staaten sind für die Einsatzfähigkeit der ukrainischen Streitkräfte zweifellos unersetzlich gewesen, wenn es um die Aufrechterhaltung oder gar Erhöhung deren Kampfkraft ging. Auch das Vereinigte Königreich war hier von zentraler Bedeutung. Polen und die baltischen Staaten lieferten überproportional viel militärischer Hilfe. Deutschland wiederum hat der Ukraine beträchtliche Hilfe zur Verfügung gestellt, indem es selbstfahrende Boden-Boden-Artillerie (die "Panzerhaubitzen 2000") und selbstfahrende Flugabwehrpanzer vom Typ "Gepard" sowie Schützenpanzer vom Typ "Marder" anbot. Die Bereitstellung von Kampfpanzern vom Typ "Leopard 2" ist jetzt auf dem Weg. Einige andere NATO-Mitglieder haben in viel geringerem Umfang Hilfe geliefert. Was sind die Gründe für diese Unterschiede?

Für gewöhnlich lauteten die Argumente zu der Frage, warum sich NATO-Mitgliedstaaten bei der Lieferung von militärischer Hilfe für die Ukraine unterscheiden, wie folgt: Diejenigen, die am dichtesten an Russland liegen, haben wohl die strategisch zwingendsten Gründe für eine Unterstützung der Ukraine. Falls nämlich Russland erfolgreich die Ukraine erobern und sein Imperium in Gebieten wiederherstellen sollte, die einst zur Sowjetunion gehörten, wären sie das nächste Ziel. Andere hingegen, die sich weiter entfernt befinden, dürften wohl weniger stark das Gefühl einer Bedrohung durch Moskau haben und würden ihre politischen Ziele und militärischen Fähigkeiten lieber auf andere, für sie näherliegende Herausforderungen konzentrieren. Die Länder wiederum, die von fossilen Rohstoffen aus Russland abhängig waren, könnten die Sorge haben, dass eine militärische Hilfe für die Ukraine eine Unterbrechung bei den Energielieferungen nach sich ziehen könnte, was wiederum ihre Volkswirtschaften, die nach der Coronapandemie ohnehin um eine Erholung ringen, schwer beeinträchtigen würde. Eine weitere Überlegung wäre, dass einige NATO-Mitglieder – aus welchen Gründen auch immer – eine besondere Affinität zu Russland hegen, und dass die Not der Ukraine daher schlichtweg nicht ihre Sorge wäre.

In einem vor kurzem in der Zeitschrift "Post Soviet Affairs" erschienenen Artikel haben wir die Hypothesen, die sich aus diesen und anderen Argumenten ergeben, geprüft. Wir müssen bei den Ergebnissen einer derart begrenzten Datenbasis natürlich Vorsicht walten lassen. Schließlich hatte es nur 23 Fälle gegeben. Bei der Untersuchung der Korrelate hinsichtlich der militärischen Hilfe durch NATO-Staaten für die Ukraine stellten wir allerdings fest, dass diese Standardargumente sich kaum empirisch stützen lassen. Bei der Erstellung unserer statistischen Modelle, in die frühere Investitionen in das Verteidigungswesen, eine mögliche politische Übereinstimmung mit Russland, die geographische Lage, der Wohlstand und eine mögliche Abhängigkeit von russischen Energielieferungen einflossen, konnten wir feststellen, dass weder Energieabhängigkeit noch die geografische Lage bei der Frage einer militärischen Unterstützung für die Ukraine vorbestimmende Faktoren waren.

Wir konnten jedoch feststellen, dass früher getätigte Investitionen in die Verteidigung stark mit einer materiellen Unterstützung für die Ukraine korrelierten. Insbesondere der Anteil der Ausgaben für Betrieb und Erhalt (gemessen am BIP der einzelnen NATO-Staaten) war der stärkste und verlässlichste Indikator, den wir identifizieren konnten; diese Ausgaben stehen sowohl mit der Ausbildung wie auch mit der Entsendung von Truppen in Verbindung. Dieser Indikator war für sämtliche drei Kategorien, die wir untersuchten, am stärksten von Bedeutung, nämlich die Militärhilfe für die Ukraine nach dem russischen Einmarsch im Februar 2022, die Militärhilfe im Zeitraum bis zum Einmarsch und die gesamte (militärische und nicht-militärische) Hilfe (ebenfalls als Anteil am BIP) für die Ukraine nach dem Einmarsch.

Das wohl überraschendste Ergebnis war das Fehlen jedwedes statistisch signifikanten Zusammenhangs zwischen einer Energieabhängigkeit von Russland und einer (schwächeren) militärischen Unterstützung für die Ukraine. Sollte dieser Zusammenhang weiterhin nicht gegeben sein, wäre Russlands wichtigstes strategisches Instrument, mit dem es die Demokratien des Westens (wirtschaftlich) erpressen könnte, nahezu wirkungslos. Wenn die Europäer:innen es durch den Winter schaffen, ohne vor einer russischen Erpressung mit einem Energielieferstopp zu kapitulieren – und danach sieht es derzeit aus – wären die Bemühungen Moskaus, seine wirtschaftlichen Verflechtungen als Waffe einzusetzen, gescheitert. Das ist eine gute Nachricht für die westeuropäischen Strategen. Eine negative Folge könnte sein, dass Russland zu einem noch stärkeren atomaren Säbelrasseln greift, da sein Atomarsenal eines der letzten, wenn nicht gar das letzte Mittel darstellt, mit dem es Druck ausüben könnte.

Neben diesem überraschenden Ergebnis ist die politische Bedeutung des Zusammenhangs zwischen den Militärausgaben (Betrieb und Erhalt) und der Militärhilfe für die Ukraine insbesondere aus deutscher Sicht von Bedeutung. Deutschlands mangelnde Bereitschaft ist gut dokumentiert und der Zusammenhang zwischen Bereitschaft (durch Investitionen) und Umsetzung erscheint jetzt offensichtlich. Die Sicherheitsumgebung Europas ist mittlerweile alles andere als günstig, und es wird zunehmend klar, dass eine Vorbereitung im Voraus von zentraler Bedeutung ist, um Krisen dann bewältigen zu können, wenn sie tatsächlich ausbrechen. Die NATO-Alliierten werden auf ihrem Gipfeltreffen in Vilnius im Sommer über die Struktur eines "Versprechens von Vilnius" (Vilnius Pledge) in Bezug auf Verteidigungsausgaben entscheiden. Das dürfte dann auf dem "Versprechen von Wales" (Wales Pledge/Zwei-Prozent-Ziel), dessen 10-jährige Laufzeit 2024 endet, aufbauen und dieses womöglich ersetzen. Die deutschen Diplomaten werden dann wohl nur schwerlich die gleiche Argumentation vorbringen können wie 2014 bei den Verhandlungen über das "Versprechen von Wales" und auch in der Zeit danach, dass nämlich Investitionen in die Verteidigung nicht unbedingt gute Verteidigungsleistungen verheißen.

Es ist von zentraler Bedeutung, diese Ergebnisse zu bestätigen, sobald neue Daten verfügbar sind. Derzeit deuten alle Indikatoren auf etwas hin, das viele Verteidigungsplaner seit langem intuitiv wissen: Investitionen in die Verteidigung steigern nicht nur die Verteidigungsfähigkeit, sondern auch die Verteidigungsbereitschaft. Truppen können nicht erst während einer Krise aufgestellt werden. Sie müssen im Voraus ausgebildet, ausgerüstet und vorbereitet werden.

Übersetzung aus dem Englischen: Hartmut Schröder

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ist Assistant Professor an der Abteilung für politische Wissenschaft der Universität Waterloo in Kanada, Gastprofessor am "College of Europe" in Natolin (Warschau) und Associate Fellow am in London angesiedelten "Council on Geostrategy". Sein letztes Buch hat den Titel "Military Alliances in the Twenty-First Century" (Milton, Queensland: Polity 2022).

ist Academy Professor und Direktor des "Social Sciences Research Lab" an der Militärakademie der Vereinigten Staaten in West Point und Gastwissenschaftler an der "Brussels School of Governance" und der französischen "École de Guerre" in Paris (IHEDN & IRSEM). Dieser Beitrag gibt allein seine Forschungsergebnisse wieder und sollte nicht als Bekräftigung einer wie auch immer gearteten offiziellen Position der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika betrachtet werden.