Einleitung
Die Beschäftigten des öffentlichen Sektors sind mit Veränderungen ihrer Arbeitsweise und insbesondere mit den Erwartungen von Bürger:innen und Unternehmen konfrontiert. Durch die zunehmende gesellschaftliche Technisierung entsteht externer Druck auf Staatsbedienstete, sich auf veränderte Anforderungen in Bezug auf effizientere und bürgernahe Dienstleistungen einzustellen. Durch die Verabschiedung von Gesetzen und Vorschriften wird die Modernisierung von Verwaltungsprozessen und die Einführung von eGovernment weiter vorangetrieben. In mehreren Ländern Europas wurden digitale Initiativen ins Leben gerufen, auch um auf veränderte Erwartungen von Endnutzer:innen zu reagieren. Der Wandel von einer bürokratie- zu einer dienstleistungsorientierten öffentlichen Verwaltung bringt jedoch aus Sicht der Beschäftigten des öffentlichen Sektors auch Unsicherheiten mit sich: So ist eGovernment nicht als bloße Digitalisierung von Dienstleistungen zu verstehen. Sie verändert auch die Prozesse und Strukturen in der öffentlichen Verwaltung nachhaltig. Infolgedessen sehen sich die Beschäftigten des öffentlichen Sektors vielfach erheblichen Veränderungen in ihrem Arbeitsumfeld ausgesetzt.
Eine Betrachtung öffentlicher Bediensteter als Rezipient:innen des digitalen Wandels würde aber zu kurz greifen, da diese nicht nur von Digitalisierung betroffen sind, sondern diese im Rahmen ihrer Tätigkeit mit ausgestalten (können). In den letzten Jahrzehnten hat sich die Verwaltungsforschung zu Beschäftigten des öffentlichen Sektors weitgehend auf deren Arbeitsmotivation konzentriert, wobei die Rolle einzelner öffentlich Bediensteter im organisationalen Wandel nur punktuell erforscht wurde.
Insbesondere im Kontext von eGovernment-Initiativen hat diese zudem wenig Beachtung gefunden. Bisherige Untersuchungen deuten auf potenzielle Hindernisse für die erfolgreiche Umsetzung von eGovernment hin: Einerseits haben Wissenschaftler:innen in den vergangenen zehn Jahren festgestellt, dass Beschäftigte des öffentlichen Sektors risikoscheuer und skeptischer gegenüber organisatorischen Veränderungen sind und diese aus Angst vor Arbeitsplatzverlust ablehnen, was ein Haupthindernis für die Umsetzung digitaler Initiativen darstellt.
Andererseits kann auch die Wahrnehmung eines unzureichenden prozessualen Einbezugs zum Scheitern von Veränderungsbemühungen beitragen. Insgesamt wird öffentlichen Bediensteten damit eine hybride Rolle zuteil: Sie sind sowohl Empfänger:innen als auch Vermittler:innen digitaler Transformation. Ein tiefergehender Blick auf einzelne Beschäftigte des öffentlichen Sektors ist also lohnend und trägt zum Verständnis bei, unter welchen Bedingungen eGovernment-Initiativen erfolgreich sein können und/oder auf Hindernisse stoßen.
Bestrebungen zur Digitalisierung der Verwaltung in der Ukraine
Die Ukraine will die Digitalisierung der eigenen Staatsverwaltung bis 2024 abschließen. Die eGovernment-Bewegung in der Ukraine begann 2014, aber eine der ersten Anordnungen des ukrainischen Ministerkabinetts"On the Approval of the Concept of E-Services System Development in Ukraine" wurde erst 2016 verabschiedet. Im Gegensatz zur deutschen Vorgehensweise bei der Einführung von elektronischen Dienstleistungen sind in der Ukraine verschiedene nichtstaatliche Akteure beteiligt. Vor allem zivilgesellschaftliche Organisationen sind als Motoren der Innovation auf den Plan getreten, auch weil es Regierungsbeamt:innen oft an IT-Fachwissen und einem unterstützenden Umfeld fehlt. Insgesamt lässt sich der ukrainische Weg zur Umsetzung von eGovernment als ein Prozess beschreiben, der stark von nichtstaatlichen Akteuren getrieben und insgesamt fragmentiert ist. Bei der Entwicklung einer staatlichen Digitalisierungspolitik wurde ein Multi-Stakeholder-Ansatz verfolgt. Dies bedeutet, dass der Zweck einer staatlichen Stelle darin besteht, die Anforderungen der Beteiligten (z. B. NGOs, Bürger:innen, Verwaltung) zu ermitteln, diese zu harmonisieren und umzusetzen. Insgesamt zielt die Digitalisierungsstrategie in der Ukraine darauf ab, die Verwaltung des öffentlichen Sektors an das Niveau anderer europäischer Länder anzugleichen. Dies soll unter anderem durch die Einbeziehung verschiedener gesellschaftlicher Gruppen in die Planung und Umsetzung von Maßnahmen erreicht werden, was zu einer allumfassenden Digitalisierung des öffentlichen Sektors führen soll. Da die Ukraine kein EU-Mitglied ist, bestehen diese Interessen vorrangig seitens der Ukraine und werden nicht durch die EU eingefordert. Bis zum Krieg im Februar 2022 bestand keine strategische Ausrichtung seitens der EU-Staaten, eine Anbindung ukrainischer eGovernment Systeme zu ermöglichen. Im Hinblick der Flüchtlingsbewegungen findet seither jedoch ein Paradigmenwechsel statt, der eine interoperable Anbindung ukrainischer Authentifizierungslösungen vorantreibt. Zur Steigerung der Effizienz wird durch die Zivilgesellschaft und von NGOs, die im Bereich der Verwaltungsdigitalisierung aktiv sind, erwartet, dass sich jede staatliche Einrichtung auf die jeweiligen gesellschaftlichen Erwartungen konzentriert und ein hohes Maß an Rechenschaftspflicht aufrechterhält, so das Ministerkabinett im Jahr 2019. Die Weltbank schreibt in ihrer eGovernment-Bewertung dem ukrainischen Ministerkabinett eine führende Rolle zu. Die ministerielle Hauptaufgabe besteht jedoch darin, Strategien zu genehmigen, während die staatliche eGovernment-Agentur des Ministeriums für Digitale Transformation die Ausgestaltung und Umsetzung koordiniert. Die Entscheidungen des Ministeriums für Digitale Transformation sind für die Ausführung durch staatliche, regionale und lokale Behörden sowie für Unternehmen verbindlich. Die staatliche eGovernment-Agentur hat verschiedene Funktionen wie das Einbringen neuer Gesetzesvorschläge, die Bereitstellung methodischer und rechtlicher Informationen, die organisatorische Unterstützung beteiligter Akteure und die internationale Zusammenarbeit (bspw. USAID (The United States Agency for International Development); UKAID (The UK Department for International Development); SIDA (The Swedish International Development Cooperation Agency); SDC (Swiss Agency for Development and Cooperation) sowie die East Europe Foundation). Die Liste der Funktionen ist somit breit gefächert und umfasst sowohl die Politikgestaltung als auch die Umsetzung, was Bedenken hinsichtlich der Kapazität der staatliche eGovernment-Agentur aufkommen lässt. Seit dem Beginn des Digitalisierungsprozesses hat die Ukraine von EU-Berater:innen und internationalen staatlichen Initiativen Unterstützung erhalten. Die eGovernance-Akademie Estlands half bei der Entwicklung von Strategien und Leitlinien für lokale eGovernment-Initiativen. Darüber hinaus hat die Ukraine nach dem Vorbild der estnischen Datenaustauschplattform, X-tee (früher X-Road), mit Trembita eine Lösung für den sicheren Datenaustausch entwickelt, welche das Rückgrat des eGovernment-Systems bildet. Das System harmonisiert die IT-Standards für neue elektronische Dienste, bietet das erforderliche Sicherheitsniveau und erleichtert einheitliche Interaktionen zwischen IT-Systemen, lässt aber gleichzeitig genügend Spielraum für Flexibilität. Der Prozess der Einführung elektronischer Dienstleistungen in der Ukraine ist ebenfalls dezentralisiert. Die meisten eGovernment-Initiativen auf lokaler Ebene entstehen in Zusammenarbeit mit ukrainischen Organisationen der Zivilgesellschaft und ausländischen Förderern wie USAID (United States Agency for International Development), UKAID (UK Department for International Development) und der East Europe Fundation. Auch die staatliche eGovernment-Agentur profitiert von internationaler Unterstützung. Eines der vielversprechenden Projekte, welches das Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen der ukrainischen Regierung, der staatlichen eGovernment-Agentur, zivilgesellschaftlichen Organisationen und ausländischen Förderorganisationen ist, ist das Online-Portal und die mobile Anwendung für öffentliche Dienstleistungen DIIA (vom ukrainischen Wort "Дія" – Aktion). Das Projekt hat das ehrgeizige Ziel, bis 2024 alle öffentlichen Dienstleistungen für die Bürger:innen der Ukraine digital zugänglich zu machen.
Rahmenbedingungen für Beschäftigte im öffentlichen Sektor
Die Reform der öffentlichen Verwaltung, die im Jahr 2018 gestartet wurde, konzentriert sich auf die Verbesserung und Modernisierung der Auswahlverfahren und -kriterien für Beschäftigte des öffentlichen Sektors, wobei digitale Kompetenzen, analytische und kommunikative Fähigkeiten sowie Englischkenntnisse stärkere Gewichtung erfuhren. Es gibt jedoch keinen Aktionsplan, wie die Qualifikationen der derzeit beschäftigten Beamt:innen verbessert werden könnten. Entsprechend bleiben diese vielfach im Transformationsprozess zurück. Mangelnde Fähigkeiten, um mit dem Tempo der Einführung neuer elektronischer Dienstleistungen Schritt zu halten, können zu Effizienzverlusten und Verwirrung bei der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen führen. Die Beschäftigten des öffentlichen Sektors erhalten nicht die erforderliche Ausbildung und können daher die elektronische Erbringung öffentlicher Dienstleistungen für die Bürger:innen nur bedingt erleichtern. Dadurch wird der Wert ihrer Arbeit geschmälert und die Wahrnehmung der eigenen Rolle im Prozess verzerrt. Ein weiteres entscheidendes Problem ist der Mangel an Personal, das für die Wartung der IT-Infrastrukturen ausreichend qualifiziert ist. Aufgrund der im Vergleich zum Privatsektor geringen Vergütung ist die Fluktuation unter den Angestellten hoch. Ungeachtet des schnellen Wachstums digitaler Services und der gut durchdachten technischen Gestaltung neuer elektronischer Dienstleistungen wird deutlich, dass Faktoren wie die Einbeziehung und Weiterentwicklung von Verwaltungsbeschäftigten von zentraler Bedeutung für eine erfolgreiche Digitalisierung der Verwaltung sind.
Aktuelle Herausforderungen für Beschäftigte in der ukrainischen Verwaltung
Die für diese Analyse durchgeführte qualitative Befragung wurde vom 04. Februar 2020 bis zum 14. Februar 2020 mit 32 Teilnehmenden aus der Ukraine durchgeführt. Die Befragung hatte zum Ziel, zumeist subjektive Einstellungen der Befragten zu erfassen und deren Überschneidungen und Mehrfachnennungen zum zuvor fest definierten Rahmen der Befragung zu erörtern. Mithilfe der Codierung von Aussagen offener Fragestellungen sowie der Auswertung von Fragen mit gradueller Antwortskala, auf der die Befragten ihre Einstellung zu einer bestimmten Aussage darlegten, entwickelte sich ein breites Bild zur persönlichen Einstellung von Beschäftigten des öffentlichen Sektors gegenüber aktuellen eGovernment-Initiativen in der Ukraine. Bei den Befragten wurde auf eine durchschnittliche Verteilung von Alter, Geschlecht, der Verortung im politischen System sowie der Verantwortlichkeit im Rahmen der Verwaltungsdigitalisierung geachtet. Freilich ermöglicht eine Befragung von n = 32 keine repräsentativen Aussagen. Die Befragung war in vier Unterabschnitte gegliedert, um die Fragen thematisch zu bündeln. Zunächst wurden allgemeine Informationen von den Befragten erhoben. Im zweiten und dritten Teil wurden die Teilnehmenden zu ihren Eindrücken von der digitalen Transformation, ihre Berührungspunkte mit entsprechenden Initiativen und Prozessen und persönlichen Motiven und Zielen befragt. Der letzte Abschnitt konzentrierte sich auf den Bereich der persönlichen Motivation und die Ergebnisse, die mit der digitalen Transformation erzielt werden sollten. Die Mehrheit der befragten Personen waren Beschäftigte des öffentlichen Sektors. Zudem waren Respondent:innen in Nichtregierungsorganisationen und anderen zivilgesellschaftlichen Institutionen tätig.
Die Ergebnisse der Umfrage haben zunächst gezeigt, dass die Vergütung und das soziale Sicherungsnetz für Verwaltungsbeschäftigte ihre Motivation wesentlich prägen. Die Beschäftigten ukrainischer NGOs oder der Zivilgesellschaft hingegen ziehen ihre Motivation aus der Sichtbarkeit der erzielten Ergebnisse bei einzelnen Vorhaben und dem Gesamtzielbild einer funktionsfähigen digitalen Verwaltung. Die Motivation der Beschäftigten ukrainischer NGOs oder der Zivilgesellschaft speist sich hauptsächlich daraus, mit neuen Ideen zur Nutzung digitaler Technologien nutzerfreundlichere öffentliche Dienstleistungen und ein günstigeres politisches Umfeld zu schaffen. Diese persönliche Einstellung zeigt sich zugleich in der in Grafik 1 auf S. 18 aufgeführten Übersicht der Antworten zur Auffassung der digitalen Transformation im öffentlichen Sektor. Eine Bedienstete einer NGO antwortete, sie sei motiviert durch die "Möglichkeit, am Projektmanagement [digitaler Initiativen] von Anfang bis Ende beteiligt zu sein; durch die Vorstellung, das Endergebnis des Produkts oder der Dienstleistung zu sehen." Die Ergebnisse der offenen Fragen trugen dazu bei, die Hauptursachen für Frustrationen und Hindernisse bei der Einführung elektronischer Dienste zu umreißen. Eine davon ist das Festhalten an traditionellen oder eher veralteten Arbeitsmethoden, hierarchischen Organisationsstrukturen und das Denken in Abteilungsstrukturen, sogenannten "Silos". Sie sind Hindernisse für die Übernahme neuer digitaler Initiativen und verlangsamen den Veränderungsprozess erheblich. Als weitere Hindernisse wurden die Komplexität und die dringend erforderliche Rechtssicherheit für elektronische Behördendienste genannt. Die ukrainischen Befragten aus Staat und Zivilgesellschaft betonten auch den Mangel an Ressourcen (z. B. moderne Hardware, hochwertige Internetverbindungen und Gehälter). Die zivilgesellschaftlichen Akteure hoben hierbei auch die mangelnde Unterstützung durch die Regierung bei der Schaffung neuer digitaler öffentlicher Dienste hervor. Große Übereinstimmung fand sich bei dem Punkt, dass die Einstellung von Regierungsbeamt:innen geändert werden müsse, damit diese eine treibende Kraft des digitalen Wandels werden können.
Abschließend wurden die Eindrücke zu den bisher erreichten Meilensteinen analysiert. Die Gruppe der Befragten, welche eher negative Eindrücke von den Veränderungen teilen, beklagen einen Mangel an Fachwissen, Koordination zwischen den Abteilungen und Transparenz. Einer der Befragten erklärte, dass "der Prozess dezentralisiert ist und viele Dienstleistungen ohne Absprache zwischen den verschiedenen Verantwortlichen und Entwicklern von diesen Dienstleistungen erscheinen." Eine weitere Sorge dieser Gruppe ist die geringe Beteiligung der Endnutzer:innen. Die Umfrage wurde mit einer offenen Frage abgeschlossen, bei der die Befragten ihre Ideen zur Veränderung hinsichtlich der Strategie sowie der prozessualen Umsetzung bei der Einführung einer neuen digitalen Initiative auf nationaler Ebene mitteilen konnten. Eine allgemeine Übersicht zur Auffassung der Befragten in Bezug darauf, welchen Einfluss die Einführung von elektronischen Dienstleistungen auf die eigene Arbeitswelt hat, ist in Grafik 2 auf S. 19 aufgeführt. Das Gros der Befragten war sich einig, dass die Strategie, die externe Kommunikation, die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Abteilungen bzw. Einrichtungen sowie die Qualifikation der Beschäftigten des öffentlichen Sektors verbessert und ein Bewusstsein für die Veränderungen geschaffen werden muss. Des Weiteren wurde die Notwendigkeit von Personalschulungen vor der Einführung neuer elektronischer Dienstleistungen hervorgehoben und ein verstärkter Einbezug von qualifizierten Fachleuten als Berater:innen in Entscheidungsprozessen gewünscht. Der Einbezug und Umgang mit den Anforderungen verschiedener Gruppen von Nutzer:innen sollte dazu beitragen, elektronische Dienstleistungen bedarfsgerecht anzupassen und mögliche Probleme auf der Grundlage ihrer Erfahrungen zu vermeiden.
Resümee
Die Einführung von eGovernment in der Ukraine hat etablierte Strukturen der öffentlichen Verwaltung in einen transformativen Veränderungsprozess geführt, der auch die öffentlichen Beschäftigten direkt betrifft. Der öffentliche Sektor wurde dazu angehalten, sich digital zu transformieren, um den neuen Anforderungen von Bürger:innen und Unternehmen gerecht zu werden.
Der Krieg in der Ukraine hat die Entwicklung neuer und die Verbesserung bestehender öffentlicher elektronischer Dienste gefördert. Dies lässt sich durch die dringende Notwendigkeit erklären, die öffentliche Dienstleistungen in kritischen Zeiten stark zu beschleunigen, diese zu sichern und zu optimieren. Die Hauptplattform DIIA ermöglicht den Ukrainer:innen nicht nur den Online-Zugang zu Dokumenten, sondern vereinfacht auch die Erbringung der wichtigsten öffentlichen Dienstleistungen wie zum Beispiel die Registrierung eines neuen Wohnsitzes (für Bürger:innen, die aufgrund des Krieges binnenvertrieben wurden), die Beantragung von Sozialhilfen oder den Zugriff auf digitale Bildungsdienste. Darüber hinaus hat die DIIA Plattform seit Beginn des Krieges eine Reihe von kriegsbezogenen elektronischen Dienstleistungen zur Verfügung gestellt. So können Bürger:innen beispielsweise Berichte über die Zerstörung ihres Eigentums im Verlauf des Krieges einreichen, die später zur Schätzung der entsprechenden Entschädigung herangezogen werden. Aufgrund der Kriegshandlungen ergeben sich schnelle Entscheidungsprozesse, die auf eine Stabilisierung der digitalen Infrastruktur abzielen. So wurde in kürzester Zeit ein Gesetz über die Nutzung von Cloud-Technologien im öffentlichen Sektor verabschiedet.
Noch vor dem Krieg haben die im Rahmen unserer Forschung Befragten auf bekannte Mängel im Digitalisierungsprozess hingewiesen, die für den öffentlichen Sektor in der Ukraine typisch sind, wie zum Beispiel mangelhafte Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Abteilungen und Institutionen, die zu Unstimmigkeiten bei der Umsetzung digitaler Initiativen führen. Nach Meinung der Befragten gibt es keine realisierbaren und umfassenden Digitalisierungsstrategien auf nationaler Ebene. Aufgrund mangelnder Transparenz in den Digitalisierungsprozessen haben die Beschäftigten des öffentlichen Sektors nur begrenzte Möglichkeiten, einen Beitrag zu leisten oder ihr Wissen und ihre Erfahrung weiterzugeben, was ihren Wert in diesem Prozess mindert. Den Beschäftigten des öffentlichen Sektors mangelt es an digitalen Kompetenzen und an Klarheit über die neuen Prozesse, was sich auf ihr Vertrauen und ihre Produktivität bei der Arbeit mit kürzlich eingeführten elektronischen Diensten auswirkt.
Auf der Grundlage der Analyse der Rückmeldungen haben die Autor:innen erste Handlungsempfehlungen abgeleitet. Diese richten sich insbesondere an Führungskräfte im öffentlichen Sektor und sollen diese bei zukünftigen Entscheidungsprozessen unterstützen. Zunächst ist eine ebenenübergreifende Kommunikation und eine Inklusion aller Beteiligten und Betroffenen notwendig, um von Prozessbeginn für eine passende Formierung von Initiativen und der Entwicklung digitaler Dienste zu sorgen. Die Einbindung, die Beteiligung und das Interesse kann auch durch regelmäßige und transparente Berichterstattung über Projektfortschritte und das Erreichen von Meilensteinen gefördert werden. Zweitens ist eine Anpassung der Schulungsinhalte von größter Bedeutung, um wettbewerbsfähig zu bleiben und eine weitgehende Unabhängigkeit von Beratungsunternehmen zu ermöglichen. Hier ist die Durchführung tool-spezifischer Schulungen und die Einrichtung von zentralen Ansprechpartner:innen in den Abteilungen nach der Einführung neuer Prozesse und Software von grundlegender Bedeutung. Schließlich bildet die Möglichkeit zur Mitgestaltung einen wichtigen Baustein. Es ist wichtig, die Beschäftigten des öffentlichen Sektors in den Entscheidungsprozess bei der Einführung neuer elektronischer Dienste oder Rechtsvorschriften einzubeziehen. Diese Empfehlungen machen deutlich, wie notwendig die Einbindung der öffentlichen Bediensteten in jeder Phase der digitalen Transformation ist. Die Beschäftigten müssen insbesondere bei der Ausarbeitung digitaler Strategien und Gesetze für digitale Programme einbezogen werden. Die Beschäftigten wünschen sich klare Maßnahmen, um mögliche Lösungen zur Verbesserung der Arbeitsweise im Rahmen der digitalen Transformation aufzuzeigen.
Hinweis Der vorliegende Beitrag basiert auf einer vergleichenden Fallstudie zu Deutschland und der Ukraine, die erstmals 2021 in der Zeitschrift dms – der moderne staat veröffentlicht wurde: Lemke, F., Ehrhardt, K., Popelyshyn, O. (2021). Support and Resistance of Public Officials Towards Current eGovernment Initiatives – A Case Study on Ukraine and Germany. dms – der moderne staat – Zeitschrift für Public Policy, Recht und Management, 14(1-2021), 61–80. https://doi.org/10.3224/dms.v14i1.08