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Analyse: Polen und die Ukraine: Pragmatismus schreitet voran | Ukraine-Analysen | bpb.de

Ukraine Arbeitsmarktintegration ukrainischer Geflüchteter / Ukrainische Community in Deutschland / Deutsch-ukrainische kommunale Partnerschaften (29.04.2024) Analyse: Arbeitsmarktintegration der ukrainischen Geflüchteten in Deutschland Statistik: Integration in den Arbeitsmarkt Analyse: Die ukrainische Community in Deutschland Analyse: (Un)genutzte Potenziale in den deutsch-ukrainischen Kommunal- und Regionalpartnerschaften Dokumentation: Übersicht deutsch-ukrainischer Partnerschaften Chronik: 11. bis 31. 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Februar 2024 Zwei Jahre Angriffskrieg: Rückblick, aktuelle Lage und Ausblick (23.02.2024) Analyse: Zwei Jahre russischer Angriffskrieg. Welche politischen, militärischen und strategischen Erkenntnisse lassen sich ziehen? Kommentar: Die aktuelle Lage an der Front Kommentar: Wie sich der russisch-ukrainische Krieg 2024 entwickeln könnte Kommentar: Die Ukraine wird sich nicht durchsetzen, wenn der Westen seine eigene Handlungsfähigkeit verleugnet Kommentar: Wie funktioniert das ukrainische Parlament in Kriegszeiten? Kommentar: Wie die Wahrnehmung des Staates sich durch den Krieg gewandelt hat Umfragen: Stimmung in der Bevölkerung Statistik: Verluste an Militärmaterial der russischen und ukrainischen Armee Statistik: Russische Raketen- und Drohnenangriffe, Verbrauch von Artilleriegranaten, Materialverluste im Kampf um Awdijiwka Folgen des russischen Angriffskriegs für die ukrainische Landwirtschaft (09.02.2024) Analyse: Zwischenbilanz zum Krieg: Schäden und Verluste der ukrainischen Landwirtschaft Analyse: Satellitendaten zeigen hohen Verlust an ukrainischen Anbauflächen als Folge der russischen Invasion Statistik: Getreideexporte Chronik: 17. Dezember 2023 bis 10. Januar 2024 Kunst, Musik und Krieg (18.01.2024) Analyse: Ukrainische Künstler:innen im Widerstand gegen die großangelegte Invasion: Dekolonialisierung in der Kunst nach dem 24. Februar 2022 Analyse: Musik und Krieg Dokumentation: Ukrainische Musiker:innen, die durch die russische Invasion umgekommen sind Statistik: "De-Russifizierung" der ukrainischen Youtube-Musik-Charts Umfragen: Änderung des Hörverhaltens seit der großangelegten Invasion Chronik: 21. November bis 16. Dezember 2023 Eintritt in eine neue Kriegsphase? / Selenskyjs Appelle an Russland (19.12.2023) Interview: "Dieser Krieg bleibt in erster Linie ein Artilleriekrieg, der die Munitionslieferungen zu einem sehr wichtigen Faktor macht" Statistik: Geländegewinne seit Beginn der Großinvasion Kommentar: Deutschland: Ein Schlüsselakteur in der neuen Kriegsphase? Statistik: Internationale Hilfen für die Ukraine Analyse: Selenskyjs Appelle an russische Staatsbürger:innen im ersten Jahr des russischen Aggressionskriegs gegen die Ukraine Dokumentation: Ansprache des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an das russische Volk am Vorabend der großangelegten Invasion Chronik: 28. Oktober bis 20. November 2023 Der Globale Süden und der Krieg (24.11.2023) Analyse: Der Blick aus dem Süden: Lateinamerikanische Perspektiven auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine Analyse: Russlands Krieg gegen die Ukraine und Afrika: Warum die Afrikanische Union zwar ambitioniert, aber gespalten ist Analyse: Eine Kritik der zivilisatorischen Kriegsdiplomatie der Ukraine im Globalen Süden Umfragen: Umfragedaten: Der Globale Süden und Russlands Krieg gegen die Ukraine Dokumentation: Abstimmungen in der Generalversammlung der Vereinten Nationen Chronik: 16. bis 27. Oktober 2023 Zwischen Resilienz und Trauma: Mentale Gesundheit (02.11.2023) Analyse: Mentale Gesundheit in Zeiten des Krieges Karte: Angriffe auf die Gesundheitsinfrastruktur der Ukraine Analyse: Den Herausforderungen für die psychische Gesundheit ukrainischer Veteran:innen begegnen Umfragen: Umfragen zur mentalen Gesundheit Statistik: Mentale Gesundheit: Die Ukraine im internationalen Vergleich Chronik: 1. bis 15. Oktober 2023 Ukraine-Krieg in deutschen Medien (05.10.2023) Kommentar: Der Kampf um die Deutungshoheit. Deutsche Medien zu Ukraine, Krim-Annexion und Russlands Rolle im Jahr 2014 Analyse: Die Qualität der Medienberichterstattung über Russlands Krieg gegen die Ukraine Analyse: Russlands Aggression gegenüber der Ukraine in den deutschen Talkshows 2013–2023. Eine empirische Analyse der Studiogäste Chronik: 1. bis 30. September 2023 Ökologische Kriegsfolgen / Kachowka-Staudamm (19.09.2023) Analyse: Die ökologischen Folgen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine Analyse: Ökozid: Die katastrophalen Folgen der Zerstörung des Kachowka-Staudamms Dokumentation: Auswahl kriegsbedingter Umweltschäden seit Beginn der großangelegten russischen Invasion bis zur Zerstörung des Kachowka-Staudamms Statistik: Statistiken zu Umweltschäden Zivilgesellschaft / Lokale Selbstverwaltung und Resilienz (14.07.2023) Von der Redaktion: Sommerpause – und eine Ankündigung Analyse: Die neuen Facetten der ukrainischen Zivilgesellschaft Statistik: Entwicklung der ukrainischen Zivilgesellschaft Analyse: Der Beitrag lokaler Selbstverwaltungsbehörden zur demokratischen Resilienz der Ukraine Wissenschaft im Krieg (27.06.2023) Kommentar: Zum Zustand der ukrainischen Wissenschaft in Zeiten des Krieges Kommentar: Ein Brief aus Charkiw: Ein ukrainisches Wissenschaftszentrum in Kriegszeiten Kommentar: Warum die "Russian Studies" im Westen versagt haben, Aufschluss über Russland und die Ukraine zu liefern Kommentar: Mehr Öffentlichkeit wagen. Ein Erfahrungsbericht Statistik: Auswirkungen des Krieges auf Forschung und Wissenschaft der Ukraine Innenpolitik / Eliten (26.05.2023) Analyse: Zwischen Kriegsrecht und Reformen. Die innenpolitische Entwicklung der Ukraine Analyse: Die politischen Eliten der Ukraine im Wandel Statistik: Wandel der politischen Elite in der Ukraine im Vergleich Chronik: 5. April bis 3. Mai 2023 Sprache in Zeiten des Krieges (10.05.2023) Analyse: Die Ukrainer sprechen jetzt hauptsächlich Ukrainisch – sagen sie Analyse: Was motiviert Ukrainer:innen, vermehrt Ukrainisch zu sprechen? Analyse: Surschyk in der Ukraine: zwischen Sprachideologie und Usus Chronik: 08. März bis 4. April 2023 Sozialpolitik (27.04.2023) Analyse: Das Sozialsystem in der Ukraine: Was ist nötig, damit es unter der schweren Last des Krieges besteht? 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Februar 2023 Kriegsentwicklung / Jahrestag der Invasion (23.02.2023) Analyse: Unerwartete Kriegsverläufe Analyse: Die Invasion der Ukraine nach einem Jahr – Ein militärischer Rück- und Ausblick Kommentar: Die Unterstützung der NATO-Alliierten für die Ukraine: Ursachen und Folgen Kommentar: Der Krieg hat die Profile der EU und der USA in der Ukraine gefestigt Kommentar: Wie der Krieg die ukrainische Gesellschaft stabilisiert hat Kommentar: Die existenzielle Frage "Sein oder Nichtsein?" hat die Ukraine klar beantwortet Kommentar: Wie und warum die Ukraine neu aufgebaut werden sollte Kommentar: Der Krieg und die Kirchen Karte: Kriegsgeschehen in der Ukraine (Stand: 18. Februar 2023) Statistik: Verluste an Militärmaterial der russischen und ukrainischen Armee Chronik: 17. bis 31. Januar 2023 Meinungsumfragen im Krieg (15.02.2023) Kommentar: Stimmen die Ergebnisse von Umfragen, die während des Krieges durchgeführt werden? 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Dokumentation: Umfragen zum Krieg (Auswahl) Chronik: Chronik 9. bis 16. Januar 2023 Ländliche Gemeinden / Landnutzungsänderung (19.01.2023) Analyse: Ländliche Gemeinden und europäische Integration der Ukraine: Entwicklungspolitische Aspekte Analyse: Monitoring der Landnutzungsänderung in der Ukraine am Beispiel der Region Schytomyr Chronik: 26. September bis 8. Januar 2023 Weitere Angebote der bpb Redaktion

Analyse: Polen und die Ukraine: Pragmatismus schreitet voran

Dr. Lina Klymenko

/ 10 Minuten zu lesen

Die derzeitigen Beziehungen zwischen Polen und der Ukraine sind robust und auf beiden Seiten herrschen pragmatische Überlegungen vor. Allerdings erhalten viele bestehende Projekte der ukrainisch-polnischen Zusammenarbeit keine neuen Impulse mehr. Die Rolle Polens in der europäischen Integration der Ukraine wird jedoch weiter stark bleiben.

Der ukrainische Präsident Wiktor Janukowytsch (links) und Polens Premierminister Donald Tusk beim Gipfel der Östlichen Partnerschaft Ende September in Warschau. (© AP)

Einleitung

Mit dem Regierungswechsel im November 2007 und dem Amtsantritt Präsident Komorowskis im August 2010 ging eine Übernahme außenpolitischer Schlüsselpositionen durch die zentristische Partei Bürgerplattform (PO) einher, wodurch es Polen seither gelingt, seine Ukraine-Politik effizienter und pragmatischer zu gestalten. Angesichts der Aufnahme von Kooperationen mit Russland und Deutschland und des Rückzugsgefechts der Demokratie in der Ukraine führt Polen zwar keine intensive, jedoch eine zielgerichtete Ukraine-Politik. Unter Präsident Janukowytsch (amtierend seit Februar 2010) wurden die wichtigsten außenpolitischen Positionen rasch mit dem Präsidenten loyalen Figuren besetzt und die ukrainische Außenpolitik kehrte zu dem altbekannten „Spagat“zurück, mit dem die Ukraine ihre Beziehungen zur EU und zu Russland zu balancieren und nach beiden Seiten zu verbessern sucht. Obwohl Polen seit Jahrzehnten der wichtigste strategische Partner der Ukraine in der Annährung an die EU ist, scheint eine Intensivierung der ukrainisch-polnischen Beziehungen in der „multivektoriellen“Außenpolitik der Ukraine derzeit nicht vorgesehen. Dies unterstrich der ukrainische Präsident, indem er seinen ersten offiziellen Polen-Besuch erst nach Ablauf eines ganzen Jahres nach seinem Amtsantritt unternahm. Angesichts dieser Unscheinbarkeit stellt sich die Frage, wie sich die ukrainisch-polnischen Beziehungen aktuell gestalten, wo die Prioritäten liegen und was die möglichen Folgen dieser Entwicklung sind.

Prioritäten der ukrainisch-polnischen Zusammenarbeit

Die ukrainisch-polnischen Beziehungen umfassen ein vielfältiges Spektrum von Themen- und Kooperationsfeldern. Im Fokus stehen Themen wie kultureller Austausch, Zusammenarbeit im Bildungsbereich, wirtschaftliche Kooperation, Erweiterung der Grenzübergänge, Energiesicherheit sowie militärische Zusammenarbeit. Hinzu kommt aktuell die Vorbereitung auf die Fußball-Europameisterschaft 2012 sowie als Langzeitprojekt die ukrainisch-polnische Versöhnung, die aufgrund der komplizierten historischen Beziehungen weiterhin vonnöten ist. Während viele Unternehmungen fortgeführt werden, kam es zur stillschweigenden Stilllegung einer Reihe von Projekten, die noch unter den Präsidenten Kaczynski und Juschtschenko intensiv verfolgt wurden. Zwar unterzeichneten die beiden amtierenden Präsidenten im Februar 2011 während Janukowytschs offiziellem Besuch in Polen eine Roadmap für die Zusammenarbeit in den Jahren 2011 bis 2013, da dieses Dokument jedoch nicht im Internet auffindbar ist, steht zu bezweifeln, dass es eine große Bedeutung trägt und der Zusammenarbeit neue Impulse geben wird. Auf institutioneller Ebene wurde im Februar 2011 unter der Schirmherrschaft der Ministerpräsidenten beider Länder ein Partnerschaftsforum für wirtschaftliche, kulturelle und politische Zusammenarbeit eingerichtet. Allerdings ist fraglich, ob dieses neu geschaffene Forum eine neue Qualität in die ukrainisch-polnischen Beziehungen bringen wird. Immerhin gibt es bereits eine Reihe etablierter politischer Institutionen, von denen einige allerdings schon heute nur unregelmäßig arbeiten.

Eines der vorrangigen Interaktionsfelder ist und bleibt die Zusammenarbeit bezüglich der ukrainischen Minderheit in Polen und der polnischen Minderheit in der Ukraine. Den Minderheiten ist hierbei eine Brückenfunktion zugedacht, über die die beiden Völker gemeinsam ihre schwierige Geschichte aufarbeiten und sich hierdurch versöhnen sollen. Dass negative Wahrnehmungen in der Tat auf dem Rückzug sind, zeigt sich unter anderem in Umfragen des polnischen Meinungsforschungsinstituts CBOS im Jahr 2010, in denen die Polen steigende Sympathie gegenüber den Ukrainern äußerten. Darüber hinaus wurden dem Verein der Ukrainer in Polen im März 2011 die Besitzunterlagen des Ukrainischen Hauses im polnischen Przemysl übereignet. Die Frage der Errichtung eines Polnischen Hauses in Lwiw ist hingegen nach wie vor offen und politisiert. Überdies besteht die ukrainische Gemeinde in Polen auf der Errichtung eines Denkmals für den ersten ukrainischen Präsidenten Hruschewskyj im polnischen Chelm, während Polen die Errichtung eines Denkmals für den polnischen Dichter Slowacki in Kiew verlangt. Dies unterstreicht, dass zum Abbau der gegenseitigen negativen Wahrnehmungen weiterhin viel Überzeugungskraft und konstruktive Arbeit vonnöten ist.

Im Hinblick auf die schwierige Aussöhnung zwischen Polen und der Ukraine kommt der Zusammenarbeit bei Gedenkstätten für Opfer von Kriegen und politischen Repressionen eine wichtige Rolle zu. Stätten dieser Art werden bevorzugt in Städten errichtet, in denen im 2. Weltkrieg ethnische Säuberungen durchgeführt wurden. Beispiel ist hier das polnische Gorajec, in dem die neu eingerichtete Stätte den damals dort gefallenen Ukrainern gewidmet wurde. Obwohl Gedenkstätten dieser Art wichtige Symbole für die Versöhnung der beiden Länder darstellen, werden Auseinandersetzungen über ihren geschichtlichen Hintergrund meist nicht konstruktiv über wissenschaftliche Konferenzen oder gemeinsame Bürgerinitiativen aufgearbeitet. Die Herausforderung für die Politik besteht darin, potenzielle Konflikte nicht zuzuspitzen. Für Polen gehört die Aufarbeitung totalitärer Vergangenheit zu den wichtigen Prioritäten; so fand beispielsweise der erste offizielle Besuch des polnischen Präsidenten Komorowski in der Ukraine im September 2010 zum Gedenken an die polnischen Opfer des sowjetischen NKWD in der Nähe der ukrainischen Stadt Charkiw statt. Ein weiteres Beispiel sind die laufenden Gespräche zur Etablierung einer Gedenkstätte für polnische und ausländische Bürger, die zwischen 1937 und 1941 den Stalinistischen Repressionen in der Nähe von Kiew zum Opfer fielen.

Die Zusammenarbeit im Bereich Kultur und Bildung ist weiterhin intensiv. Polen unterstützt nachdrücklich den wissenschaftlichen Austausch zwischen Hochschulen und wissenschaftlichen Institutionen sowie Programme zum Jugendaustausch. Ein Beispiel hierfür ist der Vertrag über Zusammenarbeit zwischen der polnischen Krajowa Szkola und der ukrainischen Nationalakademie (beide im Bereich der Öffentlichen Verwaltung), der im Juni 2010 unterzeichnet wurde. Die bereits seit einem Jahrzehnt angestrebte Etablierung einer ukrainisch-polnischen Universität konnte jedoch aufgrund von Differenzen über das Format der Universität bisher nicht erreicht werden. Das erstmals während der Präsidentschaften Kwasniewskis und Kutschmas konzipierte Projekt wurde bereits unter den Präsidenten Kaczynski und Juschtschenko reanimiert. Polen strebt danach, das Projekt als „europäisch“darzustellen und verfügt dabei in dem polnischen EU-Abgeordneten und Vorsitzenden des Europäischen Parlaments Buzek über einen Unterstützer.

Erhalten bleibt weiters die ukrainisch-polnische Zusammenarbeit in Grenzfragen. Von Bedeutung in diesem Bereich ist die Modernisierung bestehender und die Eröffnung neuer Grenzübergänge sowie die Effizienzsteigerung von Zoll- und Passkontrollen. Der Ausbau von Grenzübergängen und die Entwicklung des Grenzgebiets stehen auch im Rahmen der Vorbereitung zur Fußball-Europameisterschaft 2012 im Fokus. Die ursprüngliche Idee, die Visumspflicht für Ukrainer während der Fußball-Europameisterschaft aufzuheben, musste Polen jedoch aufgeben, da die EU einen solchen Schritt nicht zugelassen hätte. Allerdings erwartet Polen ohnehin nur wenige ukrainische Fans, da die polnische und die ukrainische Mannschaft jeweils im eigenen Land spielen wird. Des weiteren unterstützt Polen den Ausbau der Selbstverwaltung in der Ukraine; im März 2011 fand hierzu eine Sitzung des Interregierungsrats für Regionale Kooperation in Lwiw statt, wo unter der Schirmherrschaft der Präsidenten beider Länder unter anderem ein Treffen ukrainischer Regionen-Gouverneure und polnischer Woiwodschafts-Marschälle durchgeführt wurde.

In Fragen politischer Sicherheit tritt Polen weiterhin als Befürworter der Anbindung der Ukraine an die NATO auf. Die von den vorherigen Präsidenten beider Länder stark forcierte euroatlantische Zusammenarbeit liegt jedoch für unbestimmte Zeit auf Eis, da eine NATO-Mitgliedschaft aktuell weder für die Ukraine noch für die NATO zur Debatte steht. Im direkten Zusammenhang hiermit wird auch der Plan einer ukrainisch-polnisch-litauischen Brigade - mit dem Ziel der Annährung der Ukraine an die NATO - derzeit nicht weiter verfolgt. Polen geht in diesem Zusammenhang insofern pragmatisch vor, als die NATO in den ukrainisch-polnischen Beziehungen nicht mehr thematisiert wird. Eine Rolle spielt hierbei auch die Tendenz Polens, sich stärker als europäischer Akteur und somit vorrangig als EU-Mitglied und erst danach als NATO-Mitglied zu sehen.

Die Frage der Energiesicherheit ist derzeit nicht von besonderer Bedeutung. Vor allem der von den vorherigen Präsidenten vorangetriebene Bau der Pipeline Odessa-Brody(-Plock-Gdansk) ist weiterhin ausständig. Die Planung der Pipeline wurde vor vielen Jahren mit dem Ziel der Diversifizierung von Energieträgern begonnen und würde Polen die Möglichkeit bieten, Öl ohne Umweg über Russland aus dem Kaspischen Meer nach Europa zu transportieren. Zwar fand am Rande des Gipfeltreffens zur Östlichen Partnerschaft im September 2011 ein Treffen der Organisation GUAM (Sicherheitsallianz der Staaten Georgien, Ukraine, Aserbaidschan, Moldawien) statt, bei dem die Zusammenarbeit der Länder in der Region Schwarzes Meer-Kaspisches Meer von Polen unterstützt wurde, jedoch wurden bezüglich des Pipeline-Projekts bei diesem Treffen keine Fortschritte erzielt. Offen bleiben dabei nach wie vor Fragen der Finanzierung und Rentabilität sowie der aktuellen ukrainischen Innenpolitik.

Stärkung der europäischen Integration der Ukraine

Der Hauptaspekt der ukrainisch-polnischen Zusammenarbeit ist nach wie vor die Unterstützung Polens für die Annährung der Ukraine an die EU. Eine solche Annäherung ist von zentralem Interesse für Polen, sei es in geopolitischer, kultureller oder Demokratie fördernder Hinsicht. Die Ukraine strebt ihrerseits seit Jahren danach, Bestandteil der europäischen Gemeinde zu werden. Die Entwicklung der polnischen Strategie gegenüber der Ukraine wurde insbesondere durch die Initiierung der Östlichen Partnerschaft 2009 sichtbar. Polen nutzte die EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2011 dazu, seine Position innerhalb der EU als Befürworter der europäischen Integration der Ukraine weiter zu stärken. Laut Programm der polnischen EU-Ratspräsidentschaft strebt Polen im Fall der Ukraine (wie auch der anderen Länder der Östlichen Partnerschaft) nach einem Assoziierungsabkommen mit der EU, einer Freihandelszone sowie einer Liberalisierung des Visumregimes. Im Gegensatz zu den vorherigen Präsidenten Kaczynski und Juschtschenko, die das Ziel einer EU-Mitgliedschaft der Ukraine stark vorantrieben, ist die Einstellung der polnischen Entscheidungsträger zu einer EU-Mitgliedschaft der Ukraine in jüngster Zeit pragmatischer geworden. Da derzeit weder die Ukraine noch die EU für einen EU-Beitritt der Ukraine bereit sind, besteht auch Polen gegenwärtig nicht auf einer EU-Mitgliedschaft der Ukraine.

Als Hauptereignis unter Polens EU-Ratspräsidentschaft sollte sich das Gipfeltreffen der Östlichen Partnerschaft in Warschau am 29. und 30. September 2011 herausstellen. Das Gipfeltreffen bot Polen die Möglichkeit, die Aufmerksamkeit der EU-Mitglieder auf die Bedeutung der Ukraine für die EU zu lenken und die Probleme der europäischen Integration der Ukraine und ihrer Demokratisierung zu thematisieren. Allerdings sah sich die polnische Regierung auch dem Vorwurf ausgesetzt, das Gipfeltreffen sei eine PR-Aktion im Vorfeld der polnischen Parlamentswahlen. Wie zu erwarten brachte das Gipfeltreffen keine radikalen Änderungen in den Beziehungen der EU mit der Ukraine, d. h. keine Verankerung einer EU-Beitrittsperspektive im derzeit in Verhandlung befindlichen Assoziierungsabkommen. Die Vorgehensweise Polens ist jedoch nicht als Mangel an Unterstützung für die Ukraine zu erachten, sondern als Beweis für die Erkenntnis, dass freundliche und konstruktive Beziehungen zu den „alten EU-Mitgliedern“sowie eine Zusammenarbeit mit Russland ebenfalls zur Stabilität in der Region beitragen. In Kooperation mit Deutschland stärkt dies auch Polens Rolle als wichtiges EU-Mitglied.

Die Haupterrungenschaft des Gipfeltreffens liegt nach Meinung des polnischen Ministerpräsidenten Tusk in der Perspektive auf einen Einbezug der Ukraine (und anderer Länder der Östlichen Partnerschaft) in den europäischen Markt sowie auf ein visumfreies Regime. Der polnische Außenminister Sikorski sieht die Bedeutung der Östlichen Partnerschaft für die Ukraine weiters darin, dass das Assoziierungsabkommen die Zusammenarbeit in bestimmen Bereichen stärken würde, wie am Bespiel Norwegens oder der Schweiz zu beobachten sei. Damit wiederum betont Polen, dass langfristig doch eine Perspektive auf einen EU-Beitritt der Ukraine besteht. Die Deklaration der Östlichen Partnerschaft sieht hierbei eine Differenzierung der einzelnen Partner vor, mit dem Ziel, einen gemeinsamen Raum für demokratische Entwicklung, Stabilität, Wohlstand und Austausch mit den Ländern der Östlichen Partnerschaft auszubauen. Auch wird angestrebt, nicht nur die Regierungen, sondern alle Teile der Gesellschaften in diesen Prozess einzubeziehen. Zu diesem Zweck wurden die parlamentarische Versammlung Euronest, das Civil Society Forum, ein Business-Forum sowie eine Konferenz für regionale und lokale Behörden eingerichtet.

In der Bilanz ihrer EU-Ratspräsidentschaft für den Monat September 2011 äußert die polnische Führung die Hoffnung auf einen Abschluss der Verhandlungen über das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine bis Ende des Jahres 2011. Die Forcierung des Abkommens durch Polen stieß jedoch bei anderen EU-Mitgliedern sowie bei ukrainischen Intellektuellen und Oppositionellen auf Unverständnis, da das Gipfeltreffen der Östlichen Partnerschaft gerade zu der Zeit stattfand, als in der Ukraine der Prozess gegen die Ex-Ministerpräsidentin Tymoschenko seinen Lauf nahm. Auch die beim EU-Gipfeltreffen Versammelten kritisierten die Gefährdung der Demokratie in der Ukraine, und der Tymoschenko-Prozess wurde einhellig als Feldzug gegen die politische Opposition angesehen. Frankreich und Deutschland befürchteten überdies, die EU würde mit der Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens eine Möglichkeit aus der Hand geben, dem Zusammenfallen der ukrainischen Demokratie entgegenzuwirken.

Die Verurteilung Tymoschenkos am 11. Oktober 2011 erfuhr Kritik aus dem polnischen Außenministerium; Polen zeigte sich zusammen mit der EU besorgt ob des Urteils. In einer Erklärung des polnischen Außenministeriums hieß es, Polen unterstütze weiter die europäischen Aspirationen der Ukraine, da diese für das Streben der Ukraine nach politischen und sozialen Normen der EU stünden. Der Gerichtsprozess, so das polnische Außenministerium, repräsentiere jedoch die Politisierung des ukrainischen Justizsystems. Das Ministerium forderte einen transparenten und fairen Gerichtsprozess, da die weiteren Maßnamen in diesem Bereich demonstrieren würden, ob die Ukraine sich europäischen Werten nähert oder sich von ihnen entfernt. Deutlicher äußerte sich der Präsident des Europäischen Parlaments, der polnische EU-Abgeordnete Buzek, gegen das Tymoschenko-Urteil, indem er an der Fairness, Transparenz und Unabhängigkeit des Gerichtsprozesses zweifelte.

Ausblick

Die Rolle Polens in der europäischen Integration der Ukraine wird weiter stark bleiben, da der Ukraine im Konzept der polnischen Außenpolitik eine grundlegende Bedeutung zukommt. Auch wird die Ukraine Polen nach wie vor als einen wichtigen Partner in den Beziehungen zur EU betrachten. Im Fokus werden weiter Langzeitprojekte wie die gesellschaftliche Versöhnung, kultureller Austausch, wirtschaftliche Kooperation und die Zusammenarbeit in Grenzfragen stehen. Infolge des zusehenden Verfalls der ukrainischen Demokratie sowie aufgrund der Konstellationen auf internationaler Ebene und in der EU ist zu erwarten, dass ein NATO- und ein EU-Beitritt der Ukraine in absehbarer Zukunft nicht auf der Agenda stehen werden. Es bleibt auch abzuwarten, ob die EU die Abkommen mit der Ukraine weiter befürwortet. Unter europäischer Integration sollte nicht nur Außen-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik verstanden werden, sondern insbesondere auch eine Annährung der Ukraine an die demokratische Kultur der EU. In diesem Kontext könnte sich Polens Beharren auf Unterzeichung des Assoziierungsabkommens und Errichtung der Freihandelszone letztendlich sogar als Bärendienst gegenüber der Ukraine erweisen. Die Ergebnisse der Verhandlungen zwischen der EU und der Ukraine über das Assoziierungsabkommen und die Freihandelszone werden sich auf dem EU-Ukraine-Gipfeltreffen im Dezember 2011 zeigen.

Lesetipp

  • Das Centre for Eastern Studies (http://www.osw.waw.pl) ist ein polnischer Think-Tank, der Expertisen zur EU Ostpolitik, Energiepolitik und zu Transformationsprozessen der Nachbarländer Polens erstellt.

  • Klymenko, Lina (2009): What Holds Ukraine and Poland Together? On External and Internal Factors of Ukrainian-Polish Relations, in: J. Besters-Dilger (Hrsg.): Ukraine on its Way to Europe. Interim Results of the Orange Revolution Peter Lang: Frankfurt am Main, 253-274.

Fussnoten

Dr. Lina Klymenko ist Lektorin am Institut für Politikwissenschaft an der Universität Wien. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in Transformationsprozessen im postsowjetischen Raum, Geschichtspolitik und Europäische Nachbarschaftspolitik (östliche Dimension).