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Kommentar: Wie die Wahrnehmung des Staates sich durch den Krieg gewandelt hat | Ukraine-Analysen | bpb.de

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Kommentar: Wie die Wahrnehmung des Staates sich durch den Krieg gewandelt hat Ukraine-Analyse Nr. 295

Serhij Dembizkyj

/ 4 Minuten zu lesen

Durch den russischen Angriffskrieg hat sich die Sicht der ukrainischen Gesellschaft auf den Staat und seine Institutionen stark verbessert, zeigen Umfragedaten.

Ein Feuerwehrmann rettet eine Katze aus den Trümmern eines Wohnhauses in Kramatorsk nach Raketenbeschuss. Da die staatlichen Institutionen den Menschen helfen, hat sich das Image des ukrainischen Staates zum Positiven gewandelt. (© picture alliance / Anadolu | Jose Colon)

Die großangelegte russische Invasion hat die ukrainische Gesellschaft in den letzten zwei Jahren stark verändert. Zu den wichtigsten Veränderungen gehört eine deutliche Zunahme der Wertschätzung des eigenen Staates. Dies belegen die Daten des soziologischen Monitorings "Ukrainische Gesellschaft" (Umfragen von 2021, 2022 und 2023), das vom Institut für Soziologie der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine durchgeführt wird und in repräsentativen Umfragen die Meinung der erwachsenen Bevölkerung in der Ukraine erfasst.

Die Einstellung zum Staat wurde anhand der Externer Link: GSR-5-Skala erfasst, die 2020–2021 am Institut für Soziologie der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine entwickelt wurde. Die GSR-5-Skala besteht aus fünf Indikatoren: Leistungsfähigkeit der zentralen Regierungsorgane, Zukunft des Staates, Lebensbedingungen für die Mehrheit der Bevölkerung, Bilanz von Erfolgen und Misserfolgen seit der Unabhängigkeit, Zufriedenheit mit der aktuellen Entwicklung des Landes. Im Folgenden werden die Ergebnisse für jeden einzelnen Indikator vorgestellt. Darauf basierend wird abschließend die allgemeine Einstellung der Bevölkerung zum ukrainischen Staat zusammengefasst.

Der großangelegte Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine führte zu erheblichen Veränderungen in der Bewertung der Leistungsfähigkeit der zentralen Regierungsorgane (siehe Grafik 1). Während Ende 2021 nur jeder zwanzigste eine positive Bewertung vornahm, war es im Mai 2022 schon die absolute Mehrheit. Spätere Umfragen zeigen dann einen Rückgang der positiven Bewertungen zugunsten einer mittleren Einschätzung. Bei der letzten Umfrage im Juni 2023 war der Anteil der negativen Bewertungen schon wieder fast genauso hoch wie der der positiven.

Der großangelegte Angriffskrieg führte in der ukrainischen Gesellschaft auch zu einem deutlichen Anstieg des Optimismus bezüglich der Zukunft des eigenen Staates (siehe Grafik 2). Hier ist keine wesentliche Abschwächung zu beobachten. Auch wenn sich die Einschätzung der Zukunftsaussichten 2023 ein wenig verschlechtert hat, geht weiterhin die absolute Mehrheit der Befragten davon aus, dass sich die Lage verbessern wird.

Nicht so stark, aber dennoch eindeutig, hat sich auch die Einschätzung der Lebensbedingungen der Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung verbessert (siehe Grafik 3). Die dramatische Bedrohung der nationalen Sicherheit zusammen mit der für viele unerwarteten Widerstandsfähigkeit der Ukraine führten bei der Bevölkerung zu der Einschätzung, dass die Lebensbedingungen unter so schwierigen Bedingungen im Großen und Ganzen zufriedenstellend sind. Nach 2022 zeigt sich zwar ein kleiner Abwärtstrend, der aber nicht signifikant ist.

Hinsichtlich der Bewertung der Erfolge und Misserfolge der Ukraine als unabhängiger Staat blieben die Ergebnisse von 2021 bis 2023 weitgehend unverändert (siehe Grafik 4). Wie bereits Ende 2021 glaubte auch während des Krieges eine relative Mehrheit der Befragten, dass sich Misserfolge und Erfolge gegenseitig kompensierten. Gleichzeitig gab in der Umfrage im Juni 2023 fast ein Drittel der Befragten an, dass die Misserfolge überwiegen.

Auch die Zufriedenheit mit der aktuellen Entwicklung erwies sich als stabiler Indikator. Während aber bei den bisher vorgestellten Indikatoren meist der Mittelwert dominiert, zeigt sich hier eine überwiegend negative Einschätzung (siehe Grafik 5). Die absolute Mehrheit der Befragten war und ist mit den aktuellen Entwicklungen unzufrieden.

Die "GSR-5"-Skala wurde so entwickelt, dass anhand der fünf Indikatoren ein Gesamtprofil der Befragten erstellt werden kann, das die allgemeine Einstellung gegenüber dem Staat in fünf Abstufungen beschreibt: von eindeutig negativ bis eindeutig positiv.

Die Entwicklung dieser allgemeinen Einstellungen gegenüber dem Staat zeigt einige interessante Ergebnisse (siehe Grafik 6). Zum Jahresende 2021 sahen wir gewissermaßen einen pathologischen Negativismus der Bevölkerung gegenüber dem eigenen Staat, der sich in einer weit verbreiteten Unzufriedenheit mit der ukrainischen Politik und ihren Vertreter:innen sowie in der Unzufriedenheit mit verschiedenen Aspekten des Lebens im Lande äußerte. Bei zwei Dritteln aller Befragten dominierten daher negative Einstellungen. Der großangelegte Angriffskrieg beseitigte diesen vorherrschenden Negativismus und zeigte den Menschen, dass sie mit dem Verlust ihres Staates viel von dem verlieren würden, woran sie gewöhnt waren und was sie schätzten. Die erste Umfrage nach dem 24.02.2022 zeigt, dass die negativen Einstellungen drastisch um mehr als zwei Drittel zurückgingen, während der Anteil der positiven Einstellungen sich versechsfachte.

Die Umfragen zeigen eine allmähliche Verschlechterung der Einstellung zum ukrainischen Staat, die vor allem auf von der Bevölkerung negativ gesehene, auf das politische System bezogene Handlungen von Regierungsvertreter:innen zurückzuführen ist. Solche Effekte verschwinden auch während eines umfassenden blutigen Krieges nicht. So ist der Anteil der positiven Einstellungen gut ein Jahr nach der ersten Umfrage 2022 wieder gesunken. Trotzdem ist das Gesamtbild aber noch deutlich positiver als Ende 2021.

Gleichzeitig gibt es gute Gründe anzunehmen, dass eine als erfolglos und unzureichend wahrgenommene Politik der Regierung die Gesamteinstellung gegenüber dem Staat nur begrenzt beeinflusst. Wahrscheinlich ist es der anhaltende Optimismus der Mehrheit der Bevölkerung bezüglich der Zukunft des Staates, der die Rückkehr zu einem pathologischen Negativismus verhindert.

Übersetzung aus dem Ukrainischen: Lina Pleines

Fussnoten

Weitere Inhalte

Dr. Serhij Dembizkyj ist promovierter Soziologie und stellvertretender Direktor des Instituts für Soziologie der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine in Kyjiw. Seine wissenschaftlichen Interessengebiete sind Methoden der soziologischen Forschung, politische Kultur und individuelles Wohlbefinden.