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Kommentar: Drei Jahrzehnte der ukrainischen Unabhängigkeit | Ukraine-Analysen | bpb.de

Ukraine Arbeitsmarktintegration ukrainischer Geflüchteter / Ukrainische Community in Deutschland / Deutsch-ukrainische kommunale Partnerschaften (29.04.2024) Analyse: Arbeitsmarktintegration der ukrainischen Geflüchteten in Deutschland Statistik: Integration in den Arbeitsmarkt Analyse: Die ukrainische Community in Deutschland Analyse: (Un)genutzte Potenziale in den deutsch-ukrainischen Kommunal- und Regionalpartnerschaften Dokumentation: Übersicht deutsch-ukrainischer Partnerschaften Chronik: 11. bis 31. März 2024 10 Jahre Krim-Annexion / Donbas nach der Annexion 2022 (21.03.2024) Analyse: Zehn Jahre russische Annexion: Die aktuelle Lage auf der Krim Dokumentation: Reporters Without Borders: Ten years of Russian occupation in Crimea: a decade of repression of local independent journalism Dokumentation: Europarat: Crimean Tatars’ struggle for human rights Statistik: Repressive Gerichtsverfahren auf der Krim und in Sewastopol Analyse: Die Lage im annektierten Donbas zwei Jahre nach dem 24. Februar 2022 Umfragen: Öffentliche Meinung zur Krim und zum Donbas Chronik: 22. Februar bis 10. März 2024 Wirtschaft / Rohstoffe / Kriegsschäden und Wiederaufbau Analyse: Wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit in einer schwierigen Gesamtlage Analyse: Die Rohstoffe der Ukraine und ihre strategische Bedeutung Analyse: Schäden und Wiederaufbau der ukrainischen Infrastruktur Chronik: 11. Januar bis 21. Februar 2024 Zwei Jahre Angriffskrieg: Rückblick, aktuelle Lage und Ausblick (23.02.2024) Analyse: Zwei Jahre russischer Angriffskrieg. Welche politischen, militärischen und strategischen Erkenntnisse lassen sich ziehen? Kommentar: Die aktuelle Lage an der Front Kommentar: Wie sich der russisch-ukrainische Krieg 2024 entwickeln könnte Kommentar: Die Ukraine wird sich nicht durchsetzen, wenn der Westen seine eigene Handlungsfähigkeit verleugnet Kommentar: Wie funktioniert das ukrainische Parlament in Kriegszeiten? Kommentar: Wie die Wahrnehmung des Staates sich durch den Krieg gewandelt hat Umfragen: Stimmung in der Bevölkerung Statistik: Verluste an Militärmaterial der russischen und ukrainischen Armee Statistik: Russische Raketen- und Drohnenangriffe, Verbrauch von Artilleriegranaten, Materialverluste im Kampf um Awdijiwka Folgen des russischen Angriffskriegs für die ukrainische Landwirtschaft (09.02.2024) Analyse: Zwischenbilanz zum Krieg: Schäden und Verluste der ukrainischen Landwirtschaft Analyse: Satellitendaten zeigen hohen Verlust an ukrainischen Anbauflächen als Folge der russischen Invasion Statistik: Getreideexporte Chronik: 17. Dezember 2023 bis 10. Januar 2024 Kunst, Musik und Krieg (18.01.2024) Analyse: Ukrainische Künstler:innen im Widerstand gegen die großangelegte Invasion: Dekolonialisierung in der Kunst nach dem 24. Februar 2022 Analyse: Musik und Krieg Dokumentation: Ukrainische Musiker:innen, die durch die russische Invasion umgekommen sind Statistik: "De-Russifizierung" der ukrainischen Youtube-Musik-Charts Umfragen: Änderung des Hörverhaltens seit der großangelegten Invasion Chronik: 21. November bis 16. Dezember 2023 Eintritt in eine neue Kriegsphase? / Selenskyjs Appelle an Russland (19.12.2023) Interview: "Dieser Krieg bleibt in erster Linie ein Artilleriekrieg, der die Munitionslieferungen zu einem sehr wichtigen Faktor macht" Statistik: Geländegewinne seit Beginn der Großinvasion Kommentar: Deutschland: Ein Schlüsselakteur in der neuen Kriegsphase? Statistik: Internationale Hilfen für die Ukraine Analyse: Selenskyjs Appelle an russische Staatsbürger:innen im ersten Jahr des russischen Aggressionskriegs gegen die Ukraine Dokumentation: Ansprache des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an das russische Volk am Vorabend der großangelegten Invasion Chronik: 28. Oktober bis 20. November 2023 Der Globale Süden und der Krieg (24.11.2023) Analyse: Der Blick aus dem Süden: Lateinamerikanische Perspektiven auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine Analyse: Russlands Krieg gegen die Ukraine und Afrika: Warum die Afrikanische Union zwar ambitioniert, aber gespalten ist Analyse: Eine Kritik der zivilisatorischen Kriegsdiplomatie der Ukraine im Globalen Süden Umfragen: Umfragedaten: Der Globale Süden und Russlands Krieg gegen die Ukraine Dokumentation: Abstimmungen in der Generalversammlung der Vereinten Nationen Chronik: 16. bis 27. Oktober 2023 Zwischen Resilienz und Trauma: Mentale Gesundheit (02.11.2023) Analyse: Mentale Gesundheit in Zeiten des Krieges Karte: Angriffe auf die Gesundheitsinfrastruktur der Ukraine Analyse: Den Herausforderungen für die psychische Gesundheit ukrainischer Veteran:innen begegnen Umfragen: Umfragen zur mentalen Gesundheit Statistik: Mentale Gesundheit: Die Ukraine im internationalen Vergleich Chronik: 1. bis 15. Oktober 2023 Ukraine-Krieg in deutschen Medien (05.10.2023) Kommentar: Der Kampf um die Deutungshoheit. Deutsche Medien zu Ukraine, Krim-Annexion und Russlands Rolle im Jahr 2014 Analyse: Die Qualität der Medienberichterstattung über Russlands Krieg gegen die Ukraine Analyse: Russlands Aggression gegenüber der Ukraine in den deutschen Talkshows 2013–2023. Eine empirische Analyse der Studiogäste Chronik: 1. bis 30. September 2023 Ökologische Kriegsfolgen / Kachowka-Staudamm (19.09.2023) Analyse: Die ökologischen Folgen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine Analyse: Ökozid: Die katastrophalen Folgen der Zerstörung des Kachowka-Staudamms Dokumentation: Auswahl kriegsbedingter Umweltschäden seit Beginn der großangelegten russischen Invasion bis zur Zerstörung des Kachowka-Staudamms Statistik: Statistiken zu Umweltschäden Zivilgesellschaft / Lokale Selbstverwaltung und Resilienz (14.07.2023) Von der Redaktion: Sommerpause – und eine Ankündigung Analyse: Die neuen Facetten der ukrainischen Zivilgesellschaft Statistik: Entwicklung der ukrainischen Zivilgesellschaft Analyse: Der Beitrag lokaler Selbstverwaltungsbehörden zur demokratischen Resilienz der Ukraine Wissenschaft im Krieg (27.06.2023) Kommentar: Zum Zustand der ukrainischen Wissenschaft in Zeiten des Krieges Kommentar: Ein Brief aus Charkiw: Ein ukrainisches Wissenschaftszentrum in Kriegszeiten Kommentar: Warum die "Russian Studies" im Westen versagt haben, Aufschluss über Russland und die Ukraine zu liefern Kommentar: Mehr Öffentlichkeit wagen. Ein Erfahrungsbericht Statistik: Auswirkungen des Krieges auf Forschung und Wissenschaft der Ukraine Innenpolitik / Eliten (26.05.2023) Analyse: Zwischen Kriegsrecht und Reformen. Die innenpolitische Entwicklung der Ukraine Analyse: Die politischen Eliten der Ukraine im Wandel Statistik: Wandel der politischen Elite in der Ukraine im Vergleich Chronik: 5. April bis 3. Mai 2023 Sprache in Zeiten des Krieges (10.05.2023) Analyse: Die Ukrainer sprechen jetzt hauptsächlich Ukrainisch – sagen sie Analyse: Was motiviert Ukrainer:innen, vermehrt Ukrainisch zu sprechen? Analyse: Surschyk in der Ukraine: zwischen Sprachideologie und Usus Chronik: 08. März bis 4. April 2023 Sozialpolitik (27.04.2023) Analyse: Das Sozialsystem in der Ukraine: Was ist nötig, damit es unter der schweren Last des Krieges besteht? Analyse: Die hohen Kosten des Krieges: Wie Russlands Krieg gegen die Ukraine die Armut verschärft Chronik: 22. Februar bis 7. März 2023 Besatzungsregime / Wiedereingliederung des Donbas (27.03.2023) Analyse: Etablierungsformen russischer Herrschaft in den besetzten Gebieten der Ukraine: Wege und Gesichter der Okkupation Karte: Besetzte Gebiete Dokumentation: Human Rights Watch: Torture, Disappearances in Occupied South. Apparent War Crimes by Russian Forces in Kherson, Zaporizhzhia Regions (Ausschnitt) Dokumentation: War and Annexation. The "People’s Republics" of eastern Ukraine in 2022. Annual Report (Ausschnitt) Dokumentation: Terror, disappearances and mass deportation Dokumentation: Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) gegen Wladimir Putin wegen der Verschleppung von Kindern aus besetzten ukrainischen Gebieten nach Russland Analyse: Die Wiedereingliederung des Donbas nach dem Krieg: eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung Chronik 11. bis 21. Februar 2023 Internationaler Frauentag, Feminismus und Krieg (13.03.2023) Analyse: 8. März, Feminismus und Krieg in der Ukraine: Neue Herausforderungen, neue Möglichkeiten Umfragen: Umfragen zum Internationalen Frauentag Interview: "Der Wiederaufbau braucht einen geschlechtersensiblen Ansatz" Statistik: Kennzahlen und Indizes geschlechterspezifischer Ungleichheit Korruptionsbekämpfung (08.03.2023) Analyse: Der innere Kampf: Korruption und Korruptionsbekämpfung als Hürde und Gradmesser für den EU-Beitritt der Ukraine Dokumentation: Statistiken und Umfragen zu Korruption Analyse: Reformen, Korruption und gesellschaftliches Engagement Chronik: 1. bis 10. Februar 2023 Kriegsentwicklung / Jahrestag der Invasion (23.02.2023) Analyse: Unerwartete Kriegsverläufe Analyse: Die Invasion der Ukraine nach einem Jahr – Ein militärischer Rück- und Ausblick Kommentar: Die Unterstützung der NATO-Alliierten für die Ukraine: Ursachen und Folgen Kommentar: Der Krieg hat die Profile der EU und der USA in der Ukraine gefestigt Kommentar: Wie der Krieg die ukrainische Gesellschaft stabilisiert hat Kommentar: Die existenzielle Frage "Sein oder Nichtsein?" hat die Ukraine klar beantwortet Kommentar: Wie und warum die Ukraine neu aufgebaut werden sollte Kommentar: Der Krieg und die Kirchen Karte: Kriegsgeschehen in der Ukraine (Stand: 18. Februar 2023) Statistik: Verluste an Militärmaterial der russischen und ukrainischen Armee Chronik: 17. bis 31. Januar 2023 Meinungsumfragen im Krieg (15.02.2023) Kommentar: Stimmen die Ergebnisse von Umfragen, die während des Krieges durchgeführt werden? Kommentar: Vier Fragen zu Umfragen während eines umfassenden Krieges am Beispiel von Russlands Krieg gegen die Ukraine Kommentar: Meinungsumfragen in der Ukraine zu Kriegszeiten: Zeigen sie uns das ganze Bild? Kommentar: Meinungsforschung während des Krieges: anstrengend, schwierig, gefährlich, aber interessant Kommentar: Quantitative Meinungsforschung in der Ukraine zu Kriegszeiten: Erfahrungen von Info Sapiens 2022 Kommentar: Meinungsumfragen in der Ukraine unter Kriegsbedingungen Kommentar: Politisches Vertrauen als Faktor des Zusammenhalts im Krieg Kommentar: Welche Argumente überzeugen Deutsche und Dänen, die Ukraine weiterhin zu unterstützen? Dokumentation: Umfragen zum Krieg (Auswahl) Chronik: Chronik 9. bis 16. Januar 2023 Ländliche Gemeinden / Landnutzungsänderung (19.01.2023) Analyse: Ländliche Gemeinden und europäische Integration der Ukraine: Entwicklungspolitische Aspekte Analyse: Monitoring der Landnutzungsänderung in der Ukraine am Beispiel der Region Schytomyr Chronik: 26. September bis 8. Januar 2023 Weitere Angebote der bpb Redaktion

Kommentar: Drei Jahrzehnte der ukrainischen Unabhängigkeit

Mykhailo Minakov Washington) Von Michail Minakow (Kennan Institute/Wilson Center

/ 6 Minuten zu lesen

Demokratisierung, marktwirtschaftliche Reformen und Europäisierung. Das waren die Ziele der ukrainischen Unabhhängigkeit - nach diesen werden die letzten 30 Jahre hier bewertet.

Der ukrainische Präsident Selenskyj auf einer Pressekonferenz in Berlin. (© picture-alliance, photothek | Florian Gaertner)

Das Ende der Sowjetunion

Vor etwa 30 Jahren begann die letzte Phase der Auflösung der Sowjetunion. Der Externer Link: Putschversuch sowjetischer Konservativer brachte im August 1991 keinen Machtwechsel, aber er schaffte es, den Prozess zum Abschluss eines neuen Unionsvertrages [LINK im PDF funktioniert nicht] zu zerstören. Obwohl die Externer Link: Mehrheit der Sowjetbürger im März 1991 eine "reformierte Union" unterstützt hatte (darunter Externer Link: 71 % derjenigen, die in der Ukraine lebten), begannen die Regierungen der Unionsrepubliken bereits Ende August 1991 mit Vorbereitungen für die Auflösung der Union.

Diese Vorbereitungen orientierten sich an sehr Externer Link: unterschiedlichen Ambitionen der jeweiligen Eliten. Einige Republiken wollten ihre Verhandlungsposition für einen neuen Unionsvertrag verbessern, andere erwogen durch eine national-kommunistische Agenda und eine Abgrenzung vom zu liberalen Moskau unter Boris Jelzin ihre Herrschaft zu sichern, wieder andere sahen wirklich eine Chance einen unabhängigen Nationalstaat zu schaffen. Diese Ziele zeigen sich in den Unabhängigkeitserklärungen, die von den Obersten Sowjets der Unionsrepubliken nach Jelzins Sieg über den Putsch verabschiedet wurden. Die Externer Link: ukrainische Unabhängigkeitserklärung, die am 24. August 1991 angenommen wurde, ist ein Beispiel für resultierende Kompromisse.

Aber die praktischen Schritte zur Auflösung der Sowjetunion und zur Schaffung eines neuen Staates – ein Prozess der kreativen Zerstörung – waren sichtbarer in der Dekommunisierung von 1991–92. In der kurzen Zeit von Ende August bis Dezember 1991 wurde in der Ukraine die Kommunistische Partei aufgelöst, ihr Besitz enteignet und der KGB verboten, während Parteien- und Meinungsfreiheit eingeführt wurde. Alle Personen, die auf dem Gebiet der Ukrainischen Republik wohnten, erhielten die Staatsbürgerschaft des neu entstehenden unabhängigen Staates. Im Unterschied zu vielen anderen Sowjetrepubliken verhinderten diese Schritte einen Konflikt: die ukrainischen Nationalkommunisten und Nationaldemokraten waren sich einig über die Schaffung eines neuen Staates und es gab keine politische Kraft, die dieses Ziel in Frage stellte. Die Entscheidung der Eliten wurde in einem Referendum am 01. Dezember 1991 Externer Link: unterstützt.

Hoffnungen

Mittlerweile, 30 Jahre später, ist es nicht einfach angemessene Kriterien zu finden, um zu bewerten, was mit uns – den Bürgern der Ukraine – passiert ist. Wahrscheinlich lohnt es sich, den aktuellen Zustand mit den Erwartungen derjenigen zu vergleichen, die 1991 einen neuen Staat schufen.

Diese Erwartungen sind kein absoluter Vergleichsmaßstab. 1991 war eine historische Zäsur – die nachhaltige historische Veränderung des kulturellen, sozialen, politischen und ökonomischen Lebens vieler Menschen in Osteuropa und Nord-Eurasien. Der Wandel wurde geleitet von Hoffnungen, die gleichermaßen geteilt wurden von Experten und Bevölkerung, externen Beobachtern und Menschen, die die Transformation selber durchlebten.

Ein Beispiel für entsprechendes Wunschdenken war der berühmte Bericht einer Expertengruppe unter Leitung von Jürgen Corbert im Auftrag der Deutschen Bank zur Bewertung der wirtschaftlichen Perspektiven der Sowjetrepubliken. Die Autoren formulierten 1990 eine Mischung aus beeindruckender Weitsicht und Blindheit gegenüber dem, was die post-kommunistische Zukunft bereithielt: Sie sahen die Auflösung der Sowjetunion vorher (S. 5), lagen aber völlig daneben, als sie der Ukraine die erfolgreichste Wirtschaftstransformation vorhersagten, wobei sie "das Niveau der wirtschaftlichen und kulturellen Standards Westeuropas erreichen werde" (S. 7). Die Schlussfolgerungen dieses Berichts wurden in der Unabhängigkeitskampagne in der Ukraine viel zitiert und passten zu den Erwartungen der ukrainischen Bevölkerung gegen Ende der Sowjetunion.

Die verschiedenen Hoffnungen des Jahres 1991 bezogen sich auf drei Entwicklungslinien der post-kommunistischen Transformation: Demokratisierung, marktwirtschaftliche Reformen und Europäisierung. Dementsprechend schlage ich vor das dreißigjährige Jubiläum der ukrainischen Unabhängigkeit für diese drei Entwicklungslinien zu bewerten.

Demokratisierung

Die post-sowjetische Demokratisierung Externer Link: beinhaltete die Schaffung eines Nationalstaates, ideologischen Pluralismus, Versammlungs- und Pressefreiheit, ein Mehrparteiensystem, freie und faire Wahlen und eine starke Zivilgesellschaft. Die dreißigjährige Demokratisierung sah Erfolge und Misserfolge, aber die Ukraine existiert eindeutig als voll anerkannter unabhängiger und souveräner Staat. Die Souveränität ist allerdings beschädigt durch die Externer Link: illegale Annexion der Krim und die fortwährende Existenz von Externer Link: Gebieten in der Ostukraine außerhalb der Kontrolle der ukrainischen Regierung sowie den andauernden Externer Link: militärischen Konflikt im Donbas.

Die Ukraine hat eines der freiesten politischen Regime unter den post-sowjetischen Staaten, aber weder in den Bewertungen von Externer Link: Freedom House noch in denen des Externer Link: Varieties of Democracy-Projektes wird die Ukraine als vollständige Demokratie eingestuft. Das Land schwankte vielmehr zwischen mehr und weniger freien hybriden politischen Regimen, mit den Externer Link: besten Phasen für liberale Demokratie in der ersten Hälfte der 1990er Jahre und von 2005 bis 2009. Die ungleichmäßige politische Entwicklung provozierte zwei tiefe politische Krisen – die Orange Revolution 2004 und den Euro-Maidan 2013–14 – in deren Verlauf die Existenz der Ukraine als ein Land gefährdet wurde. Trotz einer Externer Link: lebhaften Erfahrung der Meinungsfreiheit und Debatte in den letzten Jahrzehnten, hat die ukrainische Bevölkerung dieses Jahr Externer Link: beunruhigende Schritte des Staates gesehen, die zu dieser Erfahrung im Widerspruch stehen. Die demokratische Entwicklungslinie hat also eine gemischte Bilanz, in der Freiheit und ihr Gegenteil in einer andauernden politischen Transformation aufeinandertreffen. Ich bezweifele, dass wir den Traum eines freien ukrainischen Staates und einer offenen ukrainischen Gesellschaft bereits erfüllt haben.

Marktwirtschaftliche Reformen

Die post-sowjetische Wirtschaftsentwicklung der Ukraine wurde geleitet von den Zielen der Transformation zu einer freien Marktwirtschaft und wohlhabenden Gesellschaft. Im Zuge dieser Transformation haben wir einen Externer Link: dramatischen Wirtschaftseinbruch in den frühen 1990ern erlebt, Wirtschaftswachstum 2002–07 und instabile Stagnation in den restlichen Jahren. Der Externer Link: Privatisierungsprozess war am Anfang schnell, wurde aber dann von den neu aufkommenden Oligarchen gestoppt. Wie andere post-sowjetische Staaten musste die Ukraine Externer Link: Reichtum und Armut neu erfinden, was die wirtschaftlichen Grundlagen für instabile politische Verhältnisse und die Macht der Oligarchen schuf. Die Einführung der Marktwirtschaft, der Traum von 1991, ist nicht erfüllt worden und geht weiter: erst letztes Jahr hat die Ukraine endlich die Märkte im Externer Link: Energiesektor und für Externer Link: landwirtschaftliche Nutzflächen liberalisiert. Externer Link: Wirtschaftliche Freiheit – genau wie politische Freiheit – schwankte zwischen Extremen. Verzögerungen bei Wirtschaftsreformen, Dominanz der Oligarchen und der andauernde Krieg haben zur Folge, dass die Ukraine eines der Externer Link: ärmsten Länder in Europa bleibt. In dieser Hinsicht wären die Träumer von 1991 definitiv enttäuscht mit den Ergebnissen der ukrainischen Wirtschaftsentwicklung.

Europäisierung

Schlussendlich hat auch die Entwicklungslinie der Europäisierung viele Überraschungen gebracht. Der Traum von Ost- und Westeuropäern 1989–91 eine gemeinsame kulturelle und soziale Externer Link: Region des Friedens und der Zusammenarbeit zu schaffen, war eine starke Motivation hinter der post-kommunistischen Transformation. Bedauerlicherweise ist dieser Traum nie wahr geworden: Heute ist Europa eine Externer Link: geopolitisch gespaltene Region mit einer wachsenden Zahl von Konflikten und Gegensätzen.

Im Unterschied zu ihren mitteleuropäischen und baltischen Nachbarn hat sich die Ukraine nicht immer an europäischer Integration orientiert. Eine Externer Link: Multi-Vektor-Außenpolitik war 1991–2004 und 2010–14 stärker (mit großem Einfluss Russlands), während eine an Europa (und den USA) orientierte Außenpolitik 2005–09 und nach 2014 dominierte (aber vor allem in Externer Link: Deklarationen dominierte). Der Ukraine gelang es, das 2017 abschließend ratifizierte Externer Link: Assoziierungsabkommen mit der EU abzuschließen, welches den Rahmen für einige Reformen bot. Heute sind ukrainische Politiker und Staatsvertreter im Externer Link: fortwährenden Dialog mit den EU-Mitgliedsstaaten. Die Externer Link: wirtschaftlichen Verbindungen zwischen der EU und der Ukraine werden stärker. Die Sicherheit der Ukraine ist jetzt ein Externer Link: wichtiger Faktor für die Sicherheit der EU. Millionen Externer Link: ukrainischer Arbeitsmigranten sind mittlerweile Teil europäischer Gesellschaften und ihre Externer Link: finanziellen Rücküberweisungen unterstützen die ukrainische Wirtschaft. Allerdings wird die weitere Integration mit der EU durch Externer Link: politische und Externer Link: sozio-ökonomische Hindernisse auf beiden Seiten begrenzt. Während Europäisierung – in der Form von Kooperation und Integration mit der EU – ein wichtiger Entwicklungsschritt für die Ukraine bleibt, gibt es andere Prioritäten, die zu Einschränkungen oder sogar Widersprüchen führen, wie Fragen der nationalen Sicherheit in Kooperation mit den USA (z. B. im Falle der NordStream-Pipeline), Handel mit arabischen Ländern oder der Türkei. Tatsächlich ist die Ukraine weit fortgeschritten auf dem Weg, ein Teil der europäischen politischen, wirtschaftlichen und Sicherheitsagenda zu werden; ich bin mir aber nicht ganz sicher, dass die Formen der ukrainischen Europäisierung den Absichten von 1991 entsprechen.

Epilog

2021 ist nicht das Ende der Geschichte der unabhängigen Ukraine. Ich hoffe, dass wir in der Zukunft mehr Frieden, Freiheit und Wohlstand in der Ukraine und in Europa insgesamt sehen werden. Aber meine Hoffnung ist in permanentem Konflikt mit dem Wissen, was aus den Hoffnungen der Gründungsväter und -mütter der Ukraine geworden ist.

Übersetzung aus dem Englischen: Heiko Pleines

Lesetipps

  • Jürgen Corbet et al. (1990): The Soviet Union at the Crossroads: Facts and Figures on the Soviet Republics (Frankfurt/M: Deutsche Bank).

  • Mikhail Minakov u. a. (Hg.) (2021): From "The Ukraine” to Ukraine. A Contemporary History, 1991–2021 (Stuttgart: ibidem-Verlag).

  • Karl Schlögel (2015): Entscheidung in Kiew. Ukrainische Lektionen (München: Hanser Verlag).

Fussnoten

Weitere Inhalte

Mykhailo Minakov ist Philosoph und Politikwissenschaftler. Zurzeit ist er Senior Advisor on Ukraine am Kennan Institute / Wilson International Centre for Scholars in Washington. Außerdem ist er Chefredakteur des Externer Link: "Ideology and Politics Journal", des Externer Link: Blogs "Focus Ukraine" (hrsg. vom Kennan Institute) und der philosophischen Plattform Externer Link: Koine.Community.