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Analyse: Chancen und Grenzen der Beteiligung der Zivilgesellschaft an der nationalen Klimapolitik der Ukraine

Larissa Donges Yelyzaveta Aleksyeyeva Lwiw Environment-People-Law Berlin und Yelyzaveta Aleksyeyeva Unabhängiges Institut für Umweltfragen (UfU e.V.) Von Larissa Donges

/ 12 Minuten zu lesen

Inwieweit haben ukrainische NGOs die Möglichkeit, sich an der Klimapolitik zu beteiligen? Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Beteiligung der Öffentlichkeit bei umweltpolitischen Entscheidungen sind komplex, die NGOs sitzen jedoch mit am Tisch.

November 2019: Teilnehmer des Globalen Klimastreiks in Kiev. (© picture-alliance, ZUMAPress)

Zusammenfassung

Mit der Ratifizierung des Pariser Abkommens hat sich die Ukraine dazu verpflichtet, sich nationale Klimaziele zu setzen, die mit dem 1,5-Grad-Ziel in Einklang stehen. In diesem Prozess spielen ukrainische Nichtregierungsorganisationen (NGOs) eine entscheidende Rolle, denn sie engagieren sich für die notwendige Ambitionssteigerung und versuchen, die Politik dahingehend zu beeinflussen. Einige aktuelle Beispiele zeigen, dass NGOs bereits in die Entwicklung bestimmter klimabezogener Strategien, Programme und Pläne einbezogen werden und von einigen unterstützenden Strukturen profitieren. Es gibt jedoch noch viel Verbesserungspotenzial auf dem Weg zu einer tatsächlich partizipatorischen Klimapolitik.

Einleitung

Jüngste Analysen der NASA und der Nationalen Wetter- und Ozeanografiebehörde der Vereinigten Staaten (NOAA) zeigen, dass die Oberflächentemperaturen der Erde 2019 die wärmsten seit Beginn der modernen Aufzeichnungen im Jahr 1880 waren. Die Jahre 2015 bis 2019 waren die fünf wärmsten der letzten 140 Jahre. Doch so dringend der Handlungsbedarf ist, so ungenügend sind die bislang weltweit umgesetzten und geplanten Klimaschutzmaßnahmen.

Ende 2015 einigte sich die Ukraine gemeinsam mit 194 anderen Ländern darauf, die globale Erwärmung und ihre Folgen zu begrenzen und die nationalen Klimaziele (Nationally Determined Contributions, NDC) mit dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens in Einklang zu bringen. Nach der Vorlage seines ersten nationalen Klimaziels im Jahr 2015 muss die Ukraine in diesem Jahr aktualisierte und ehrgeizigere Ziele vorlegen. In diesem Prozess spielen die ukrainische Zivilgesellschaft und NGOs eine Schlüsselrolle. Sie agieren als "Wachhunde", analysieren die bisher formulierten nationalen Klimaziele, fordern ehrgeizigere Pläne und Strategien sowie deren schnelle Umsetzung.

Die ukrainische Regierung hat sich bisher verpflichtet, ihre Emissionen bis 2030 mindestens um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. 1990 zählte die Ukraine weltweit jedoch zu den Ländern mit dem größten Emissionsausstoß. Dieses Ziel ist also ohne allzu großen Aufwand zu erreichen: Bereits 2017 stieß die Ukraine 66 Prozent weniger Treibhausgase als 1990 aus und übererfüllte damit ihre Verpflichtungen. Weil diese Reduzierungen jedoch eher auf den Zusammenbruch der Sowjetunion, die Finanzkrise von 2009 und den Krieg im Donbas zurückgehen und nicht auf eine ehrgeizige Klimapolitik, werden die Klimaziele der Ukraine vom Climate Action Tracker als "bedenklich unzureichend" bewertet. Ukrainische NGOS, vor allem das Ukrainische Klimanetzwerk (das 2000 gegründet wurde und 30 zivilgesellschaftliche Organisationen aus verschiedenen Regionen der Ukraine unter seinem Dach versammelt) sowie Mitglieder der Koalition für 100 Prozent Erneuerbare Energien versuchen, diese mangelhafte Klimapolitik öffentlich zu machen und sich am politischen Entscheidungsprozess zu beteiligen. Sie möchten die Entwicklung relevanter Dokumente und Strategien beeinflussen, etwa derzeit die neuen NDCs, bzw. haben sie sich in der Vergangenheit bereits in die Entwicklung der Energiestrategie für 2035 und die 2018 veröffentlichte Low Emission Development Strategy (LEDS) eingebracht. Doch inwieweit haben ukrainische NGOs die Möglichkeit, sich an Klimapolitik zu beteiligen? Welche rechtlichen Rahmenbedingungen schreiben die Einbeziehung der Zivilgesellschaft in klimapolitische Entscheidungsprozesse vor? Wie sieht die praktische Umsetzung dieser Rechte aus? Welche Hürden verhindern eine sinnvolle Partizipation von NGOs und wie können sie überwunden werden?

Diese Fragen haben das Unabhängige Institut für Umweltfragen und die Organisation Environment-People-Law im Rahmen des internationalen Projekts "Stärkung der Zivilgesellschaft bei der Umsetzung der nationalen Klimapolitik" untersucht. Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) im Rahmen der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI).

Das Recht auf Partizipation

Der rechtliche Rahmen für Öffentlichkeitsbeteiligung an umweltpolitischen Entscheidungen in der Ukraine ist komplex. Er besteht aus den jeweiligen Bestimmungen der Aarhus-Konvention [offiziell: Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, Anm. d. Red.], der Gesetzgebung des (Umwelt-)Sektors zur Öffentlichkeitsbeteiligung an umweltrelevanten Entscheidungsprozessen auf verschiedenen Ebenen sowie aus den allgemeinen Gesetzen, die Öffentlichkeitsbeteiligung bei politischen Entscheidungsfindungen vorschreiben.

Der nationale Gesetzesrahmen geht ziemlich eindeutig und detailliert auf die Partizipation der Öffentlichkeit an spezifischen Projekten, Plänen und Programmen, die Auswirkungen auf die Umwelt haben können und daher Gegenstand der strategischen Umweltprüfung oder der Umweltverträglichkeitsprüfung sind, ein. In Bezug auf andere Bereiche der Umweltpolitik und andere Pläne, wie etwa einen Klimaaktionsplan, ist er jedoch wesentlich unspezifischer gehalten. Die Gesetze der Ukraine definieren oder erklären weder, was "Politik" bedeutet und welche Dokumente als "Politik" verstanden werden, noch machen sie Vorgaben für Öffentlichkeitsbeteiligung. Die Gesetze der Ukraine betrachten weder die nationalen Klimaziele noch den Nationalen Energie- und Klimaplan oder irgendein spezielles politisches oder planerisches Dokument, das mit dem Klimawandel zu tun hat, als Umweltpolitik und schreiben auch keine Öffentlichkeitsbeteiligung bei deren Entwicklung oder Überprüfung vor.

Auf der anderen Seite werden politische Dokumente in der Regel vom Parlament oder der Regierung verabschiedet und in diesem Zuge muss die Öffentlichkeit an ihrer Entwicklung beteiligt werden. Die beiden jüngsten Umweltstrategien, die (Strategie der) Hauptprinzipien der Nationalen Umweltpolitik der Ukraine bis zum Jahr 2020 (2010) und die (Strategie der) Hauptprinzipien der Nationalen Umweltpolitik der Ukraine bis zum Jahr 2030 (2019), wurden vom Parlament unter breiter Beteiligung der Öffentlichkeit verabschiedet.

Das Ukrainische Gesetz zum Schutz der Umwelt (1991) sagt zwar nichts über die Beteiligung der Öffentlichkeit an der Entwicklung der Umweltpolitik aus, es fordert jedoch, dass Ministerien und andere Regierungsstellen die Öffentlichkeit an der Entwicklung von Umweltprogrammen beteiligen sollen (Artikel 6). Sie sollen die Entwürfe von Umweltprogrammen veröffentlichen, damit die Zivilgesellschaft sich mit ihnen auseinandersetzen und sie bei öffentlichen Anhörungen kommentieren kann. Außerdem erlauben die Artikel 9 und 21 (über die Rechte von Bürgern und Umwelt-NGOs) die Beteiligung an der Entwicklung von Plänen und Programmen, die sich auf die Umwelt beziehen, sowie die Beteiligung an der Planung wichtiger rechtlicher Schritte zu Umweltfragen. Im Jahr 2003 verabschiedete das Umweltministerium mit seiner Verfügung #168 ein Vorgehen zur Beteiligung der Öffentlichkeit an diesen Prozessen. Dieses ist mittlerweile jedoch extrem veraltet und bezieht sich nur auf Entscheidungen des Ministeriums für Energie und Umweltschutz.

2010 verabschiedete die Regierung die Resolution des Ministerkabinetts der Ukraine Nr. 996 über die Sicherstellung der Öffentlichkeitsbeteiligung an der Entwicklung und Umsetzung aller Bereiche der nationalen staatlichen Politik. Daraufhin haben alle Ministerien (inklusive des Umweltministeriums) Öffentliche Beiräte gegründet, die als offizielle Kommunikations- und Konsultationskanäle zwischen Regierung und Zivilgesellschaft dienen sollen. Viele Vertreter von NGOs sehen diese jedoch eher als eine formale Möglichkeit an, die aber in der Realität wenig bewegt.

Die NGOs sitzen mit am Tisch

Der oben beschriebene rechtliche Rahmen stellt vor allem eine Grundlage für formale Beteiligungsverfahren dar; das Engagement der NGOs reicht allerdings über diese hinaus und wird von zahlreichen Aspekten beeinflusst. In der Ukraine haben die "Revolution auf Granit" von 1990, die "Orange Revolution" 2004 und die "Revolution der Würde" 2013/2014 den öffentlichen Raum und die Möglichkeiten für NGOs stark verändert. Zivilgesellschaft und NGOs haben ihre Präsenz in öffentlichen Diskursen und in der politischen Sphäre verstärkt und sind zu einer starken Triebkraft hinter den stattfindenden Reformen geworden. Ukrainische Nichtregierungs- und zivilgesellschaftliche Organisationen sind hauptsächlich auf die Demokratisierung und auf Menschenrechte fokussiert, doch auch Umwelt- und Klimathemen sind in den letzten Jahren immer wichtiger geworden, vor allem nach der Ratifizierung des Pariser Abkommens 2016. NGOs und Think-Tanks wie Ecoaction, Ecoclub Rivne, OPORA, Greencubator, DiXi Group und andere arbeiten zu Klimafragen, werden von der Regierung zunehmend stärker als kompetente Interessenvertreter respektiert und erhalten formelle und informelle Möglichkeiten, etwa klimarelevante Gesetzentwürfe, Strategien und Pläne zu kommentieren.

In diesem Zusammenhang beeinflusst auch der potenzielle EU-Beitritt die Möglichkeiten für zivilgesellschaftliche Organisationen sowie die Art der Zusammenarbeit zwischen Zivilgesellschaft und Staat stark. Unterzeichnete Verordnungen schreiben die Beteiligung zivilgesellschaftlicher Akteure vor und fördern Strukturen und Plattformen, die Partizipation ermöglichen. Um mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen und der EU zu kooperieren, sind 87 ukrainische NGOs Mitglieder des "Forums der Zivilgesellschaft im Rahmen der Östlichen Partnerschaft", das 2008 von der Östlichen Partnerschaft gegründet wurde. Umweltorganisationen wie Environment-People-Law, Ecological Club Kray, Ecoaction und OPORA sind Teil dieses Forums und können sich über die Nationale Ukrainische Plattform oder innerhalb einer Arbeitsgruppe an den Themen Umwelt, Klimawandel und Energiesicherheit beteiligen.

Ein weiterer effektiver Mechanismus, der es NGOs ermöglicht, Klimapolitik auf lokaler Ebene zu beeinflussen, ist der EU-finanzierte Covenant of Mayor East. Er unterstützt Lokalbehörden bei der Umsetzung nachhaltiger Energiepolitik und bringt dafür eine große Bandbreite von Akteuren zusammen.

Auf nationaler Ebene kann die Zivilgesellschaft sich an der politischen Entscheidungsfindung über die Öffentlichen Beiräte oder über beratende Organe beteiligen, die jedes ukrainische Ministerium gemäß der Resolution Nr. 996 des Ministerkabinetts einrichten muss. Der Öffentliche Beirat, der bis zu den Wahlen 2019 vom Ministerium für Umwelt und Natürliche Ressourcen (jetzt Ministerium für Energie und Umweltschutz) geleitet wurde, wurde 1996 gegründet und soll die öffentliche Beteiligung an Umweltpolitik in Übereinstimmung mit der Aarhus-Konvention sicherstellen. 1999 wurde die zwischenstaatliche Organisation Inter-Agency Commission on Climate Change gegründet, in der das Ukrainische Klimanetzwerk die klimapolitisch aktive Zivilgesellschaft repräsentiert. Außerdem wurde die NGO-Koalition Reanimation Package of Reforms von NGOs, öffentlichen Aktivisten, Experten und Journalisten initiiert und stellt ein wichtiges Netzwerk zur Unterstützung politischer Reformen und zur Stärkung zivilgesellschaftlicher Beteiligung dar, unter anderem auch mit Blick auf den Energiesektor, Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung.

Unterstützt von den genannten Strukturen und Plattformen haben es NGOs geschafft, mit am Tisch zu sitzen und Positionen in einige klimarelevante Prozesse auf nationaler Ebene einzubringen. Einige Akteure nahmen etwa an einer öffentlichen Anhörung teil und kommentierten den Plan zur Umsetzung der Klimawandelpolitik, der 2016 verabschiedet wurde. Der Nationale Plan zur Emissionsreduzierung (NERP), der 2017 beschlossen wurde, musste aufgrund des Engagements zivilgesellschaftlicher Akteure nachbearbeitet werden. An der Entwicklung der Low Emission Development Strategy (LEDS, 2018), waren NGOs im Rahmen eines Initiativentreffens beteiligt, außerdem wurden sie in ihrem Nachgang konsultiert. Einige NGOs waren auch formal an der Ausarbeitung des Nationalen Aktionsplans Erneuerbare Energien (NREAP) beteiligt. Um einen Nationalen Energie- und Klimaplan (NECP) zu entwickeln, der von der Europäischen Energieunion gefordert wird, wurde eine Arbeitsgruppe gegründet, die aus diversen Interessenvertretern sowie auch aus einigen NGOs besteht. Die derzeitige Erarbeitung der neuen NDCs, die 2019 startete, scheint außerdem offener für die Zivilgesellschaft zu sein, als es bei der Entwicklung der ersten nationalen Klimaziele (INDCs) der Fall war. Eine Arbeitsgruppe, in der auch einige NGO-Vertreter sitzen, trifft sich seit 2019 regelmäßig, um neue nationale Klimaziele zu entwickeln. Die meisten NGOs kritisieren den Prozess jedoch als nicht ambitioniert genug und haben Anfang des Jahres einen detaillierten Klimapolitischen Fahrplan der Zivilgesellschaft 2030 präsentiert, den sie in die zukünftigen klimarelevanten politischen Prozesse einbringen werden.

Hürden und Herausforderungen

Ukrainische NGOs können zwar die oben genannten Möglichkeiten nutzen, um von politischen Entscheidungsträgern gehört zu werden, und haben ihre Lobbyarbeit in den letzten Jahren deutlich verbessert. Doch es gibt noch immer viele Hindernisse, die einer gleichberechtigten Zusammenarbeit und effektiven Beteiligung an der nationalen Klimapolitik im Wege stehen. Gehört zu werden, bedeutet nicht automatisch, dass sich Dinge wirklich ändern. Zahlreiche, von den Autorinnen geführte, Interviews mit zivilgesellschaftlichen Akteuren und anderen nationalen Interessenvertretern machen grundlegende Hürden genauso wie spezifische Herausforderungen im rechtlichen, strukturellen und institutionellen Bereich sowie innerhalb konkreter Beteiligungsprozesse deutlich.

Vertreter der Zivilgesellschaft haben auf das grundlegende Problem hingewiesen, dass der politische Wille zum partizipatorischen Regieren – jenseits der rechtlich verpflichtenden formalen Beteiligung von NGOs – unter den Entscheidungsträgern auf höherer Ebene nicht besonders stark ist. Außerdem steht die Ukraine vor riesigen Korruptions- und Transparenzproblemen. Verglichen mit anderen Lobbygruppen haben die Umweltorganisationen zudem innerhalb der momentanen Machtstrukturen kein großes politisches Gewicht. Auf rechtlicher Ebene wurden weder die Aarhus-Konvention noch die Direktive 2003/35/EC des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 vollständig in nationales Recht umgesetzt. Dem Rahmen-Umweltgesetz (Ukrainisches Gesetz zum Schutz der Umwelt) fehlt eine klare rechtliche Basis zur Beteiligung von NGOs an umwelt- und klimapolitischen Entscheidungsprozessen. Mit Blick auf die politische und die strukturelle Ebene ist die sich aktuell noch vollziehende Neuorganisation von Verantwortlichkeiten nach den Parlamentswahlen eine Herausforderung. Vertreter von Lobbygruppen müssen neue Kontakte etablieren und kritisieren, dass eine ganzheitliche Betrachtung des Themas Klimaschutz genauso wie eine Konsolidierung der entsprechenden politischen Planungsprozesse, inklusive der nötigen Beteiligungsprozesse, kaum vorhanden ist oder vollständig fehlt. Während der konkreten Partizipationsprozesse wird das Fehlen verständlichen Informationsmaterials über die Themen und Prozesse selbst als Haupthindernis angesehen. Zudem fehlt während der Beteiligungsprozesse jeweils ein Überblick darüber, welche Stellungnahmen und Rückmeldungen von der Zivilgesellschaft abgegeben wurden. In vielen Fällen erfahren außerdem weder die Öffentlichkeit noch zivilgesellschaftliche Organisationen, inwiefern ihre Beiträge berücksichtigt oder warum sie abgewiesen wurden. Ein anderes Haupthindernis, das viele ukrainische NGOs davon abhält, sich regelmäßig in die Klimapolitik einzubringen, sind deren fehlende Kapazitäten auf verschiedenen Ebenen. Vor allem kleinere NGOs haben nicht genug Mitglieder, Freiwillige und Angestellte, um an relevanten Prozessen teilnehmen zu können. Oft fehlt auch Geld oder technisches Knowhow, um entscheidend etwas beitragen zu können.

Bedingungen und Möglichkeiten für Partizipation verbessern

Entsprechend der diversen Herausforderungen, müssen auch die Lösungsansätze, um Partizipation zu verbessern auf unterschiedlichen Ebenen gesucht werden. Eine grundlegende Voraussetzung für fruchtbare Partizipation ist der politische Wille hoher Entscheidungsträger. Die neue Regierung der Ukraine sollte die Beiträge der Zivilgesellschaft als Gewinn statt als Hindernis im politischen Prozess betrachten. Sie sollte freie Meinungsbildung und Transparenz fördern, um eine stärker auf Beratung basierende Demokratie zu ermöglichen. Auf rechtlicher Ebene ist von grundlegender Bedeutung, dass die Artikel 9 und 21 des Gesetzes der Ukraine über den Schutz der Umwelt geändert werden und dass internationale Vorgaben zur Öffentlichkeitsbeteiligung während der Entwicklung klimarelevanter Strategien, Pläne und Programme auf nationaler Ebene umgesetzt werden. Darüber hinaus sollten die nationalen Gesetze überarbeitet werden, um eine rechtliche Verpflichtung zur zeitnahen und umfassenden Information der Öffentlichkeit über die Entwicklung klimarelevanter Pläne, Programme und Strategien einzuführen. Neue Gesetze sollten offizielle Stellen verpflichten, über den Beginn von Entscheidungsprozessen sowie über daraus resultierende Ergebnisse in gut zugänglicher Weise zu informieren. Was strukturelle Verbesserungsmöglichkeiten angeht, so sollte der neue Minister für Energie und Umweltschutz der Ukraine von Anfang an die Zusammenarbeit mit anderen wichtigen Ministerien, Behörden und der Wissenschaft verbessern, um eine partizipatorische Klimapolitik zu fördern. Langfristige Strukturen zur Partizipation sollten genauso eingerichtet werden wie die finanzielle Unterstützung solcher Prozesse. Im Hinblick auf konkrete Partizipationsprozesse, etwa die Entwicklung von Klimastrategien und Aktionsplänen, wurden zahlreiche Verbesserungsmöglichkeiten ausgemacht: Da Partizipation von verschiedenen Perspektiven und Erfahrungen profitiert, sollte eine große Bandbreite von NGOs von der lokalen bis zur nationalen Ebene einbezogen werden. Auch eine detaillierte Auflistung der Interessenvertreter kann nützlich sein, um einen Überblick über vorhandene Kompetenzen zu bekommen und zu vermeiden, dass nur große und bekannte Akteure eingeladen werden. Zu Beginn sollten Format und Ziel der Beteiligung klar kommuniziert werden, um Missverständnisse zu verhindern. Darüber hinaus ist von grundlegender Bedeutung, dass verständliche Informationen über den geplanten Prozess sowie die Themen, die diskutiert werden sollen, frühzeitig zur Verfügung gestellt werden. Dazu sollte eine Online-Plattform eingerichtet werden, die auch Feedback-Tools und Online-Beratung vorsieht, um einen fairen und transparenten Auswertungsprozess der unterbreiteten Empfehlungen zu ermöglichen. Letztlich ist auch eine kontinuierliche Weiterbildung, sowohl der NGOs als auch der Regierungsvertreter wichtig, damit diese sich langfristig Wissen aneignen können, wie sie sich wirksam in Klimapolitik einbringen können bzw. sinnvolle Beteiligungsprozesse gestalten können.

Fazit

Die Umweltorganisationen, die sich neben ihren sonstigen Aktivitäten auch an Prozessen der nationalen Klimapolitik beteiligen, sind in der Ukraine immer noch eine relativ kleine Gruppe. Sie werden jedoch zunehmend stärker und sind immer besser organisiert. Ihr Engagement ist von großer Bedeutung für die Entwicklung von Klimazielen und Maßnahmen, die helfen können, das Pariser Abkommen zu erfüllen und über eine nachhaltige Energiepolitik auch die Abhängigkeit von Russland zu reduzieren. NGOs profitieren bereits von einigen Partizipationsrechten und konkreten Möglichkeiten, sich einzubringen. Der vorhandene Rahmen und die vorhandenen Angebote erfüllen die Anforderungen der Aarhus-Konvention, die die Ukraine 1999 ratifiziert hat, jedoch noch nicht. Ziel der neuen Regierung sollte es sein, die Aarhus-Konvention vollständig umzusetzen und die Partizipationsrechte der NGOs sowie deren konkrete Beteiligungsmöglichkeiten in Klimafragen zu stärken. Die Perspektiven und Kompetenzen der Zivilgesellschaft sollten einbezogen werden, wenn es an die nächsten Schritte geht – die Entwicklung des von der EU geforderten Nationalen Energie- und Klimaplans (NECP), die Umsetzung konkreter Klimaschutzmaßnahmen und anschließend die Vorlage der überarbeiteten nationalen Klimaziele bis 2025.

Übersetzung aus dem Englischen: Sophie Hellgardt

Lesetipps

Fussnoten

Larissa Donges arbeitet als Projektleiterin im Fachgebiet Umweltrecht und Partizipation am Unabhängigen Institut für Umweltfragen in Berlin. Sie beschäftigt sich insbesondere mit Partizipationsrechten und Beteiligungsmöglichkeiten der ukrainischen und georgischen Zivilgesellschaft innerhalb ihrer jeweiligen nationalen Klimapolitik.

Yelyzaveta Aleksyeyeva ist Juristin und arbeitet für die Organisation Environment–People–Law in Lwiw. Sie ist auf Fragen der Umsetzung von internationalen Abkommen zum Umweltschutz und zu europäischen Menschenrechtsstandards in der Ukraine spezialisiert.