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Analyse: Antikorruptionsaktivismus in den ukrainischen Regionen | Ukraine-Analysen | bpb.de

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Analyse: Antikorruptionsaktivismus in den ukrainischen Regionen

Dr. Max Bader

/ 11 Minuten zu lesen

Weil die ukrainische Zivilgesellschaft Korruption als Ursache der wirtschaftlichen und politischen Probleme sieht, haben sich nach der Euromaidan-Revolution Bürger regional organisiert. Sie führen einen unermüdlichen Kampf gegen die Korruption. Doch wie wirksam ist er?

Aktivisten stellen eine goldene Toilette, die in der Ukraine als Symbol für Korruption gilt, vor die russische Botschaft in Kiew. (© picture-alliance/dpa)

Zusammenfassung

Nach der Euromaidan-Revolution haben überall im Land Bürger den Kampf gegen die Korruption aufgenommen. Die Aktivitäten reichen von der Überwachung des öffentlichen Auftragswesens und von Vermögensdeklarationen über die Organisation von Demonstrationen und Sensibilisierungskampagnen bis hin zur direkten Konfrontation mit korrupten Akteuren. Was bedeutet diese Welle des regionalen Antikorruptionsaktivismus für den Kampf gegen die Korruption in der Ukraine?

Einleitung

Es gibt wohl nur wenige Länder, in denen die verheerenden Auswirkungen der Korruption so deutlich spürbar sind wie in der Ukraine. Lag das Bruttoinlandsprodukt der Ukraine nach der Unabhängigkeit 1991 etwa gleichauf mit dem von Polen, so ist es heute fünf Mal niedriger als das des Nachbarstaates. Viele Ukrainer führen die wirtschaftlichen und politischen Probleme des Landes auf die Korruption zurück, die in Meinungsumfragen immer wieder als eines der größten Hindernisse für die Entwicklung des Landes identifiziert wird. Seit dem Euromaidan 2013–2014 hat die ukrainische Regierung eine Reihe von Anti-Korruptionsreformen durchgeführt – mit gemischten Ergebnissen.

Einige, in Kiew ansässige Nichtregierungsorganisationen (NGOs) mit großer fachlicher Expertise und guten Verbindungen zu den internationalen Unterstützern der Ukraine spielen eine herausragende Rolle im Reformprozess, indem sie die Arbeit der zuständigen Behörden kontrollieren und weitere Reformen vorantreiben. Gleichzeitig sind in den letzten Jahren in den ukrainischen Regionen Hunderte, teils sehr diverse, zivilgesellschaftliche Antikorruptionsinitiativen entstanden. Dazu gehören konventionelle NGOs, die (überwiegend) auf externe Finanzierung angewiesen sind, aber auch improvisierte Ad-hoc-Bürgerinitiativen. Das ideologische Spektrum reicht von Organisationen mit liberaler Ausrichtung bis hin zu nationalistischen Milizen. Was die Methoden angeht, gibt es Organisationen, die traditionelle NGO-Aktivitäten wie Sensibilisierung und Lobbyarbeit betreiben aber auch solche, die auf Drohungen und sogar Gewalt setzen, um ihre Ziele zu erreichen.

Die Landschaft des Antikorruptionsaktivismus in der Ukraine

Die Aktivitäten zivilgesellschaftlicher Antikorruptionsorganisationen in der Ukraine lassen sich in sechs Kategorien einteilen: Monitoring und Berichterstattung, Sensibilisierung, Lobbyarbeit, Protestaktionen, Kompetenzstärkung und Co-Governance. Im Rahmen eines Forschungsprojekts der Universität Leiden wurden 242 zivilgesellschaftliche Organisationen identifiziert, die in 57 ukrainischen Städten im Bereich der Korruptionsbekämpfung aktiv sind. Die nachfolgenden Daten stammen aus vertraulichen Interviews mit Vertretern dieser Organisationen.

108 Organisationen führen verschiedene Formen von Monitoring in mindestens einem Politikbereich durch. Am häufigsten (55 Organisationen) werden Entscheidungsfindungsprozesse regionaler legislativer und exekutiver Institutionen überwacht. Ziel ist es in der Regel, potenzielle Interessenkonflikte aufzudecken oder festzustellen, ob bestimmte Regelungen korruptionsanfällig sind. Die Überwachung der Entscheidungsfindung von Legislative und Exekutivbehörden wurde 2011 durch ein Gesetz über den Zugang zu öffentlichen Informationen verbessert. Nach diesem Gesetz haben alle das Recht, öffentliche Informationen anzufordern und zu erhalten. Darunter fallen Informationen, die von der öffentlichen Verwaltung im Rahmen ihrer Amtsgeschäfte erstellt, empfangen oder dokumentiert werden wie etwa Entscheidungen der Regionalräte oder Informationen über die Verwendung von Haushaltsmitteln.

Die zweithäufigste Art des Monitorings (47 Organisationen) ist die Überwachung des öffentlichen Auftragswesens. Diese ist durch die Einführung des zentralen Beschaffungssystems ProZorro im Jahr 2015 einfacher geworden, einem elektronischen Beschaffungssystem, das seither für staatliche Beschaffungen über einem bestimmten Schwellenwert obligatorisch ist. Ebenfalls weit verbreitet (34 Organisationen) ist die Überprüfung der elektronischen Vermögensdeklarationen von Beamten. Auf diese Weise können Unstimmigkeiten zwischen dem offiziell ausgewiesenen Einkommen und Vermögen von Beamten und ihrem tatsächlichen Lebensstandard aufgedeckt werden. Die systematische Überwachung von Vermögensdeklarationen wurde 2016 durch die Einführung eines öffentlichen Registers für Vermögenserklärungen möglich, das für alle höheren Staatsdiener verpflichtend ist. Finden zivilgesellschaftliche Organisationen Hinweise auf Korruption in Entscheidungsprozessen, bei der Auftragsvergabe oder bei den Vermögenserklärungen, können sie Beschwerde bei den zuständigen Behörden einlegen, einschließlich der Staatsanwaltschaften und der Antikorruptionsbehörden des Landes, die diese Informationen zur Einleitung von Untersuchungen oder Strafverfahren verwenden können.

117 Organisationen engagieren sich im Bereich Aufklärung und Sensibilisierung ("awareness raising"). Einige Organisationen führen dafür Untersuchungen oder Kontrollen durch und machen die Ergebnisse öffentlich. Zum Beispiel hat eine Organisation aus Riwne Korruption bei der Erlangung von Führerscheinen untersucht und mithilfe von Medienpartnern an die Öffentlichkeit gebracht, woraufhin die Staatsanwaltschaft ein Verfahren einleitete. Für die meisten dieser Organisationen stellt Facebook die wichtigste Kommunikationsplattform dar. Daneben pflegen viele Antikorruptions-NGOs Beziehungen zu (lokalen) Medien, die ihre Informationen veröffentlichen.

44 Organisationen betreiben regelmäßig Lobbying. Ihre Bemühungen zielen in der Regel darauf ab, die Transparenz in der öffentlichen Verwaltung zu erhöhen oder Integritätsmechanismen in Behörden zu stärken. Zum Beispiel entwickelte eine Organisation aus Kropywnyzkyj (bis 2016 Kirowohrad, Anm. d. Red.) eine ganze Reihe von Anti-Korruptionsrichtlinien für den Stadtrat. Und eine Organisation aus Tschernihiw setzte sich ebenfalls erfolgreich dafür ein, die dortigen Vorschriften so abzuändern, dass sie weniger anfällig für Missbrauch sind.

70 Organisationen setzen bei der Korruptionsbekämpfung auf direkten Aktivismus. Zu den häufigsten Formen zählen dabei die Einreichung von Klagen gegen korrupte Akteure (49 Organisationen) und die Organisation von Demonstrationen (25 Organisationen). Eine Organisation aus Chmelnyzkyj etwa forcierte und gewann schließlich auch eine Klage wegen illegaler Zahlungen in den städtischen Schulen. Von Antikorruptionsaktivisten organisierte Demonstrationen finden in den meisten Fällen vor der Stadtverwaltung oder dem Stadtrat statt. In der Regel laufen sie friedlich ab, vereinzelt drohen allerdings Gruppen – oft von (radikalen) Nationalisten oder Veteranen aus dem Konflikt im Osten des Landes angeführt, – mit Gewalt und wenden sie manchmal auch an, um ihre Ziele zu erreichen. In Krywyj Rih zum Beispiel beschlagnahmten und vernichteten Aktivisten Alkohol, der, geschützt von den lokalen Behörden, in Geschäften illegal verkauft worden war. In einem weiteren Beispiel zwangen Aktivisten in Charkiw die Besitzer einer illegalen Tankstelle, ihr Geschäft einzustellen.

Im Bereich capacity building führen ukrainische Antikorruptionsorganisationen vor allem Schulungen durch und bilden gemeinsam mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen Koalitionen gegen Korruption. Auf nationaler Ebene stellt das Reanimation Package of Reforms (ein Netzwerk von mehr als 80 zivilgesellschaftlichen Organisationen, kurz RPR, Anm. d. Red.) einen effektiven Mechanismus dar, über den zivilgesellschaftliche Akteure, einschließlich Anti-Korruptionsaktivisten, in Beratungsprozesse mit politischen Entscheidungsträgern einbezogen werden. In mehreren Städten haben lokale Anti-Korruptionsaktivisten versucht, dem Beispiel des RPR zu folgen, manchmal mit Hilfe internationaler Partner. 52 Organisationen bieten Schulungen zu Korruptionsbekämpfung an, z. B. spezielle Schulungen für Mitglieder von Gemeinderäten und für Beamte in staatlichen Verwaltungen, um diese über Interessenkonflikte oder Vermögenserklärungen aufzuklären. Einige NGOs organisieren auch Schulungen für Aktivisten, z. B. zur Kontrolle von Beschaffungsvorgängen und Vermögensdeklarationen oder zur Durchführung von Antikorruptionsuntersuchungen.

Sechs Anti-Korruptionsorganisationen waren, auf staatliche Einladung, an einer Art Co-Governance beteiligt. So saß z. B. eine Organisation aus Tscherkassy einer Auswahlkommission für die Einstellung neuer Polizisten bei. Und eine Organisation aus dem westukrainischen Drohobytsch wurde mit der Einführung von E-Government-Lösungen zur Verringerung von Korruptionsopportunitäten beauftragt.

Das Ringen um Erfolge

Die Mehrheit der Vertreter regionaler Antikorruptionsorganisationen betont, wie schwierig es sei, mit ihrer Arbeit spürbare Wirkungen zu erzielen. Als Gründe dafür benennen sie den Mangel an finanziellen und personellen Ressourcen, den mangelnden politischen Willen der lokalen Behörden zur Bekämpfung der Korruption, das passive Verhalten der Öffentlichkeit sowie die Einschüchterungsversuche seitens Behörden und anderer Akteure. Je nachdem, was auf dem Spiel steht, kann die Bekämpfung von Korruption gar Lebensgefährlich sein. Das bekannteste Beispiel ist sicherlich das von der Antikorruptionsaktivistin Kateryna Handsjuk, die 2018 nach einem Säureanschlag verstarb. Es gibt viele weitere Fälle, bei denen Antikorruptionsaktivisten aufgrund ihrer Arbeit angegriffen wurden. Besonders in den Regionen werden sie bedroht, körperlich angegriffen, strafrechtlich verfolgt oder ihr Eigentum wird beschädigt.

Trotz dieser Gefahren und anderer Hürden gibt es auch viele Beispiele für die erfolgreiche Arbeit von Antikorruptionsaktivisten. Diese lassen sich in die Bekämpfung (ex-post) und die Verhinderung (ex-ante) von Korruption unterteilen. Die befragten Organisationen haben insgesamt 193 Beispiele für ihre erfolgreiche Arbeit aufgezählt, darunter 134 Beispiele für ex-post-Maßnahmen und 59 Beispiele für ex-ante-Maßnahmen. Die meisten ex-post-Erfolge (52 Fälle) machen Fälle aus, in denen strafrechtliche Ermittlungen oder Verfahren gegen korrupte natürliche und juristische Personen auf Grundlage von Informationen von Aktivisten eingeleitet wurden. Mehrfach (22 Fälle) gelang es Aktivisten zudem, durch Hinweise oder Beschwerden öffentliche Aufträge zu annullieren. Die Befragten nannten außerdem insgesamt 16 Fälle, in denen korrupte Entscheidungen lokaler oder regionaler Behörden dank ihrer Bemühungen zurückgenommen worden seien. Eine Organisation aus Odesa zum Beispiel focht den Jahreshaushalt der Stadt erfolgreich an, weil dieser Korruptionsopportunitäten beinhaltete. Eine Organisation aus dem südukrainischen Marhanez erreichte, dass Vermögenswerte der Stadt, die von den Behörden illegal privatisiert worden waren, an die Stadt zurückgingen. Eine weitere oft erfolgreiche ex-post-Maßnahme (27 Fälle) ist die Entlassung korrupter Beamter. In Kropywnyzkyj zum Beispiel ist es den Bemühungen von Antikorruptionsaktivisten zu verdanken, dass korrupte Beamte, die für die öffentliche Daseinsvorsorge zuständig waren, entlassen wurden. Und in den Kleinstädten Ukrajinka und Swjatohirsk wurden die Bürgermeister infolge der Bemühungen von lokalen Antikorruptionsaktivisten aus ihren Ämtern entlassen.

Für erfolgreiche ex-ante-Maßnahmen gibt es weniger Beispiele. In den Gesprächen konnten insgesamt 59 Fälle identifiziert werden, in denen als Ergebnis der Bemühungen von Antikorruptionsaktivisten Gesetze oder Regelungen zum Zwecke der Korruptionsprävention geändert oder angenommen wurden. In sieben Gemeinden der Oblast Iwano-Frankiwsk wurden beispielsweise Antikorruptionsinstrumente eingeführt, nachdem eine Organisation aus Iwano-Frankiwsk Schulungen zum Thema Integrität in der öffentlichen Verwaltung durchgeführt hatte. Ähnlich verhielt es sich in Chmelnyzkyj, wo eine NGO durch gezielte Lobbyarbeit beim Stadtrat die Verabschiedung einer neuen Verordnung über Interessenkonflikte erreichte. Eine Organisation aus Cherson setzte sich erfolgreich für mehr Transparenz bei öffentlichen Ausschreibungen der städtischen Hochschulen ein. Und in mehreren Städten, darunter Charkiw, Cherson, Chmilnyk, Sjewerodonezk und Tschuhujiw, konnten Aktivisten die lokalen Behörden davon überzeugen, die Schwelle für die Nutzung des elektronischen Beschaffungssystems ProZorro zu senken.

Wege zum Erfolg

Einige NGOs haben große Probleme, sichtbare Wirkungen im Kampf gegen Korruption zu erzielen, während andere Organisationen mit ihren Antikorruptionsbemühungen offensichtlich sehr erfolgreich sind. Wie lässt sich das erklären?

Antikorruptionsorganisationen, die außerhalb der Hauptstadt Kiew arbeiten, bestehen meist nur aus kleineren Gruppen von Aktivisten; in einer beträchtlichen Anzahl der Fälle stützt sich die Arbeit gar auf das Engagement einer einzelnen Person. Dadurch fehlen diesen Organisationen häufig die Expertise und die fachlichen Fähigkeiten, die für effektive Maßnahmen erforderlich sind. Während der personelle Engpass vorrangig die außerhalb Kiews tätigen Antikorruptions-NGOs betrifft, gibt es hinsichtlich der zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel große Unterschiede. Während einige Organisationen nicht mehr zur Verfügung haben als die Beiträge ihrer Mitglieder, erhalten andere externe Zuwendungen internationaler Organisationen und westlicher Regierungen, wie etwa vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP), von der Renaissance-Stiftung (dem ukrainischen Ableger des Open Society Netzwerks, Anm. d. Red.), der Agentur der USA für Internationale Entwicklung (USAID) oder aus Förderprogrammen nationaler Botschaften in der Ukraine. Die Zuschüsse ausländischer Geldgeber sind jedoch meistens gering und befristet und erlauben es daher in der Regel nicht, mit den Gehältern der Privatwirtschaft zu konkurrieren und festes Personal einzustellen. Das hat auch negative Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit der Aktivitäten: Nach Ablauf der Förderung wird die Antikorruptionsarbeit in den meisten Fällen unterbrochen. Nur wenige NGOs erhalten zeitgleich mehrere Zuschüsse. In einigen Fällen gibt es jedoch auch längerfristige Zuschüsse für die institutionelle Entwicklung, was es diesen Organisationen ermöglicht, mehrere Personen zu beschäftigen, Aktivitäten über die Projektzeiträume hinaus zu planen und Ressourcen in die weitere Mittelbeschaffung zu investieren.

Die finanzielle Unterstützung aus dem Ausland ist Segen und Fluch zugleich, denn neben den offensichtlich positiven Effekten wird diese oft wegen der Untergrabung der Idee von Graswurzelbewegungen kritisiert. Studien zum Antikorruptionsaktivismus deuten darauf hin, dass Basisinitiativen, die auf bestehenden Netzwerken aufbauen, effektiver sind als andere Initiativen. Unter den Antikorruptionsorganisationen in den ukrainischen Regionen, die keine Mittel aus dem Ausland erhalten, verfügen einige über sehr solide Basisbewegungen. Einer Organisation von Mitarbeitern aus einem der größten Unternehmen Mariupols gelang es beispielsweise, im eigenen Unternehmen Korruption aufzudecken und das Bewusstsein für Korruption zu schärfen. In einem weiteren Fall gewann eine von lokalen Fischern gegründete Organisation aus Ternopil, die sich mit Wilderei und anderen Formen der illegalen Nutzung von Gewässern befasst, eine Reihe von Gerichtsverfahren. Was solche Basisinitiativen gemeinsam haben, ist ihre klare inhaltliche Ausrichtung, die meist auf dem persönlichen oder beruflichen Hintergrund ihrer Aktivisten beruht. Gemeinsam ist ihnen weiterhin auch, dass sie keine ausländischen Mittel erhalten. Während ihr basisorientierter Ansatz ihre Möglichkeiten stärkt, Wirkung zu entfalten, schränkt der Mangel an materiellen Ressourcen zugleich ihre Effektivität ein. Ohne finanzielle Zuschüsse aus dem Ausland haben Basisorganisationen meist nicht genügend Ressourcen, um Personal einzustellen, Berater zu engagieren, Anwaltskosten zu übernehmen oder Materialien zu drucken. Die Graswurzelnatur solcher Organisationen ist daher Stärke und Herausforderung zugleich.

Landesweit gibt es große Unterschiede, was den politischen Willen der lokalen und regionalen Behörden angeht, Korruption zu bekämpfen. Ob die Haltung zu Korruption der lokalen Behörden mit jener der Antikorruptionsaktivisten übereinstimmt, hat erhebliche Auswirkungen auf die Advocacy-Strategien, die Aktivisten verfolgen. Besteht seitens der lokalen Behörden politischer Wille zur Korruptionsbekämpfung, setzen die NGOs eher auf konfrontationsfreie Methoden, z. B. das Eintreten für bestimmte Gesetze und Vorschriften. Einige Organisationen erzielen bemerkenswerte Ergebnisse durch politisches Lobbying, wie Beispiele aus Kropywnyzkyj und Dnipro belegen, wo die Stadtverwaltungen eine Reihe von Antikorruptionsvorschriften übernahmen, die von Aktivisten ausgearbeitet und vorgeschlagen worden waren. Ein weiteres Beispiel ist die Einrichtung eines Integritätsbüros beim Stadtrat von Luzk. Der politische Wille, Korruption zu bekämpfen, ermöglicht auch konkrete Möglichkeiten für die Zusammenarbeit zwischen Antikorruptionsorganisationen und städtischen Behörden, z. B. in Form von Co-Governance oder der Teilnahme an Expertenräten. Wo die Zusammenarbeit mit lokalen Behörden hingegen nicht möglich ist, bleibt den Antikorruptionsorganisationen oft keine andere Wahl, als auf konfrontative Methoden zu setzen. Dazu zählen die Überwachung von (potenziell) korrupten Akteuren, die Sensibilisierung für Korruption von lokalen und regionalen Politikern und Beamten, die Organisation von Demonstrationen bis hin zur Einreichung von Klagen. Dadurch haben Antikorruptionsorganisationen in verschiedenen Regionen der Ukraine teilweise erhebliche Erfolge erzielt. Generell führen jedoch eher nicht-konfrontative Methoden zu substanziellen und nachhaltigen Ergebnissen.

Fazit

Es gibt zahlreiche Beispiele für die erfolgreiche Arbeit von Antikorruptionsaktivisten in den ukrainischen Regionen, die belegen, dass diese eine ernstzunehmende Kraft für Veränderungen sein können. In ihrem Ringen um Einfluss stehen sie jedoch vor zwei zentralen Herausforderungen. Erstens fehlt es vielen NGOs an ausreichenden finanziellen und personellen Mitteln. Zweitens fehlt vielen Organisationen eine solide Unterstützerbasis. Sie sind weit entfernt vom Idealtypus gesellschaftlich gewachsener NGOs, die die Interessen ihrer Mitglieder vertreten. Die meisten von ihnen sind stattdessen abhängig vom Engagement einiger weniger – in der Regel zwischen einem bis fünf – Aktivisten. Da sie über keine substanzielle Unterstützungsbasis verfügen, können Antikorruptionsorganisationen, wie viele anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen in der Ukraine auch, keine breite gesellschaftliche Unterstützung mobilisieren, weshalb ihnen oft mangelnde Legitimität vorgeworfen wird. Die effektivsten Antikorruptions-NGOs zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine dieser beiden Herausforderungen gelöst haben: Einige Organisationen haben langfristige Finanzierungsquellen aufgetan, in der Regel internationale Förderer. Das ermöglicht ihnen eine solide Personalausstattung, den Erwerb von professionellen Dienstleistungen und überjährige Planungssicherheit. Andere Organisationen verfügen über eine solide Graswurzelbasis und können mithilfe dieser Unterstützung ihre Wirkung entfalten. Letztlich ist der politische Willen der lokalen Behörden ein wichtiger Faktor: Wo politischer Wille zur Bekämpfung von Korruption vorhanden ist, können Antikorruptionsaktivisten effektiver arbeiten und nachhaltigere Ergebnisse erzielen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Forschungsprojekt »Civil Society against Corruption in Ukraine: Political Roles, Advocacy Strategies and Impact«, https://www.universiteitleiden. nl/en/research/research-projects/humanities/civil-society-against-corruption-in-ukraine-political-roles-advocacy-strategies-and-impact

Dr. Max Bader ist Dozent im Fachbereich Russland- und Osteuropastudien der Universität Leiden. Seine Forschungsinteressen umfassen Wahlen, Korruption, Autoritarismusforschung und Demokratisierung. Er ist Leiter des Forschungsprojekts "Civil Society against Corruption in Ukraine: Political Roles, Advocacy Strategies, and Impact", auf dessen vorläufigen Ergebnissen der vorliegende Beitrag basiert. Das Projekt wird von der nationalen niederländischen Wissenschaftsorganisation (NWO) finanziert und gemeinsam mit dem Anti-Corruption Research and Education Centre (ACREC) der Nationalen Universität Kiewer-Mohyla-Akademie durchgeführt.