Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Analyse: Die Debatte über die ukrainische Bodenmarktreform: Weichenstellung für die Agrarpolitik | Ukraine-Analysen | bpb.de

Ukraine Herausforderungen für die ukrainische Landwirtschaft (13.12.2024) Editorial: Über 1.000 Tage Angriffskrieg. Wohin geht es für die ukrainische Landwirtschaft? Analyse: Die ukrainische Landwirtschaft und die EU: Passt das? Analyse: Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf den landwirtschaftlichen Arbeitsmarkt der Ukraine Chronik: Hinweis auf die Online-Chronik Verhältnis zur belarusischen Opposition (28.11.2024) Analyse: Kyjiws strategische Distanz zur belarusischen Opposition dekoder: "Die Belarussen müssen verstehen, dass unsere Zukunft von uns selbst abhängt" Umfragen: Meinung in der Ukraine zu Belarus’ Kriegsbeteiligung Umfragen: Unterstützung in Belarus von Russlands Krieg gegen die Ukraine Chronik: Hinweis auf die Online-Chronik Energieversorgung / Grüne Transformation (09.10.2024) Analyse: (Wie) Lässt sich die Energiekrise in der Ukraine abwenden? Analyse: Eine stärkere Integration des Stromnetzes in die EU kann der Ukraine helfen, die nächsten Winter zu überstehen Statistik: Stromimporte aus EU-Staaten Analyse: Resilienz wieder aufbauen: Die Rolle des ukrainischen Klimabüros bei der grünen Transformation Chronik: Hinweis auf die Online-Chronik EU-Beitrittsprozess (29.07.2024) Analyse: Die Ukraine und die EU: Erweiterungspolitik ohne Alternative? Analyse: Wie schnell bewegt sich die Ukraine auf die EU zu, in welchen Bereichen gibt es große Fortschritte und in welchen nicht? Statistik: Stand der Ukraine im EU-Beitrittsprozess Umfragen: Öffentliche Meinung in der Ukraine und in ausgewählten EU-Ländern zum EU-Beitritt der Ukraine Chronik: Hinweis auf die Online-Chronik Beziehungen zu Polen / Beziehungen zur Slowakei (26.06.2024) Analyse: Die Entwicklung der ukrainisch-polnischen Beziehungen seit Beginn der russischen Vollinvasion Analyse: Pragmatisch, indifferent, gut? Über den Zustand der ukrainisch-slowakischen Beziehungen Statistik: Handel der Ukraine mit ihren Nachbarländern Statistik: Ukrainische Geflüchtete in den Nachbarstaaten der Ukraine Umfragen: Die Einstellung der ukrainischen Bevölkerung zu den Nachbarländern der Ukraine Umfragen: Die Einstellung der polnischen Bevölkerung zu Geflüchteten aus der Ukraine Chronik: 21. bis 31. Mai 2024 Exekutiv-legislative Beziehungen und die Zentralisierung der Macht im Krieg (30.05.2024) Analyse: Das Verhältnis zwischen Legislative und Exekutive in Zeiten des Krieges: Die Ukraine seit Beginn der russischen Vollinvasion Analyse: Wie schnell werden Gesetzentwürfe von der Werchowna Rada verabschiedet? Wie kann der Prozess effizienter gestaltet werden? Chronik: 1. bis 30. April 2024 Arbeitsmarktintegration ukrainischer Geflüchteter / Ukrainische Community in Deutschland / Deutsch-ukrainische kommunale Partnerschaften (29.04.2024) Analyse: Arbeitsmarktintegration der ukrainischen Geflüchteten in Deutschland Statistik: Integration in den Arbeitsmarkt Analyse: Die ukrainische Community in Deutschland Analyse: (Un)genutzte Potenziale in den deutsch-ukrainischen Kommunal- und Regionalpartnerschaften Dokumentation: Übersicht deutsch-ukrainischer Partnerschaften Chronik: 11. bis 31. März 2024 10 Jahre Krim-Annexion / Donbas nach der Annexion 2022 (21.03.2024) Analyse: Zehn Jahre russische Annexion: Die aktuelle Lage auf der Krim Dokumentation: Reporters Without Borders: Ten years of Russian occupation in Crimea: a decade of repression of local independent journalism Dokumentation: Europarat: Crimean Tatars’ struggle for human rights Statistik: Repressive Gerichtsverfahren auf der Krim und in Sewastopol Analyse: Die Lage im annektierten Donbas zwei Jahre nach dem 24. Februar 2022 Umfragen: Öffentliche Meinung zur Krim und zum Donbas Chronik: 22. Februar bis 10. März 2024 Wirtschaft / Rohstoffe / Kriegsschäden und Wiederaufbau Analyse: Wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit in einer schwierigen Gesamtlage Analyse: Die Rohstoffe der Ukraine und ihre strategische Bedeutung Analyse: Schäden und Wiederaufbau der ukrainischen Infrastruktur Chronik: 11. Januar bis 21. Februar 2024 Zwei Jahre Angriffskrieg: Rückblick, aktuelle Lage und Ausblick (23.02.2024) Analyse: Zwei Jahre russischer Angriffskrieg. Welche politischen, militärischen und strategischen Erkenntnisse lassen sich ziehen? Kommentar: Die aktuelle Lage an der Front Kommentar: Wie sich der russisch-ukrainische Krieg 2024 entwickeln könnte Kommentar: Die Ukraine wird sich nicht durchsetzen, wenn der Westen seine eigene Handlungsfähigkeit verleugnet Kommentar: Wie funktioniert das ukrainische Parlament in Kriegszeiten? Kommentar: Wie die Wahrnehmung des Staates sich durch den Krieg gewandelt hat Umfragen: Stimmung in der Bevölkerung Statistik: Verluste an Militärmaterial der russischen und ukrainischen Armee Statistik: Russische Raketen- und Drohnenangriffe, Verbrauch von Artilleriegranaten, Materialverluste im Kampf um Awdijiwka Folgen des russischen Angriffskriegs für die ukrainische Landwirtschaft (09.02.2024) Analyse: Zwischenbilanz zum Krieg: Schäden und Verluste der ukrainischen Landwirtschaft Analyse: Satellitendaten zeigen hohen Verlust an ukrainischen Anbauflächen als Folge der russischen Invasion Statistik: Getreideexporte Chronik: 17. Dezember 2023 bis 10. Januar 2024 Kunst, Musik und Krieg (18.01.2024) Analyse: Ukrainische Künstler:innen im Widerstand gegen die großangelegte Invasion: Dekolonialisierung in der Kunst nach dem 24. Februar 2022 Analyse: Musik und Krieg Dokumentation: Ukrainische Musiker:innen, die durch die russische Invasion umgekommen sind Statistik: "De-Russifizierung" der ukrainischen Youtube-Musik-Charts Umfragen: Änderung des Hörverhaltens seit der großangelegten Invasion Chronik: 21. November bis 16. Dezember 2023 Eintritt in eine neue Kriegsphase? / Selenskyjs Appelle an Russland (19.12.2023) Interview: "Dieser Krieg bleibt in erster Linie ein Artilleriekrieg, der die Munitionslieferungen zu einem sehr wichtigen Faktor macht" Statistik: Geländegewinne seit Beginn der Großinvasion Kommentar: Deutschland: Ein Schlüsselakteur in der neuen Kriegsphase? Statistik: Internationale Hilfen für die Ukraine Analyse: Selenskyjs Appelle an russische Staatsbürger:innen im ersten Jahr des russischen Aggressionskriegs gegen die Ukraine Dokumentation: Ansprache des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an das russische Volk am Vorabend der großangelegten Invasion Chronik: 28. Oktober bis 20. November 2023 Der Globale Süden und der Krieg (24.11.2023) Analyse: Der Blick aus dem Süden: Lateinamerikanische Perspektiven auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine Analyse: Russlands Krieg gegen die Ukraine und Afrika: Warum die Afrikanische Union zwar ambitioniert, aber gespalten ist Analyse: Eine Kritik der zivilisatorischen Kriegsdiplomatie der Ukraine im Globalen Süden Umfragen: Umfragedaten: Der Globale Süden und Russlands Krieg gegen die Ukraine Dokumentation: Abstimmungen in der Generalversammlung der Vereinten Nationen Chronik: 16. bis 27. Oktober 2023 Zwischen Resilienz und Trauma: Mentale Gesundheit (02.11.2023) Analyse: Mentale Gesundheit in Zeiten des Krieges Karte: Angriffe auf die Gesundheitsinfrastruktur der Ukraine Analyse: Den Herausforderungen für die psychische Gesundheit ukrainischer Veteran:innen begegnen Umfragen: Umfragen zur mentalen Gesundheit Statistik: Mentale Gesundheit: Die Ukraine im internationalen Vergleich Chronik: 1. bis 15. Oktober 2023 Ukraine-Krieg in deutschen Medien (05.10.2023) Kommentar: Der Kampf um die Deutungshoheit. Deutsche Medien zu Ukraine, Krim-Annexion und Russlands Rolle im Jahr 2014 Analyse: Die Qualität der Medienberichterstattung über Russlands Krieg gegen die Ukraine Analyse: Russlands Aggression gegenüber der Ukraine in den deutschen Talkshows 2013–2023. Eine empirische Analyse der Studiogäste Chronik: 1. bis 30. September 2023 Ökologische Kriegsfolgen / Kachowka-Staudamm (19.09.2023) Analyse: Die ökologischen Folgen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine Analyse: Ökozid: Die katastrophalen Folgen der Zerstörung des Kachowka-Staudamms Dokumentation: Auswahl kriegsbedingter Umweltschäden seit Beginn der großangelegten russischen Invasion bis zur Zerstörung des Kachowka-Staudamms Statistik: Statistiken zu Umweltschäden Zivilgesellschaft / Lokale Selbstverwaltung und Resilienz (14.07.2023) Von der Redaktion: Sommerpause – und eine Ankündigung Analyse: Die neuen Facetten der ukrainischen Zivilgesellschaft Statistik: Entwicklung der ukrainischen Zivilgesellschaft Analyse: Der Beitrag lokaler Selbstverwaltungsbehörden zur demokratischen Resilienz der Ukraine Wissenschaft im Krieg (27.06.2023) Kommentar: Zum Zustand der ukrainischen Wissenschaft in Zeiten des Krieges Kommentar: Ein Brief aus Charkiw: Ein ukrainisches Wissenschaftszentrum in Kriegszeiten Kommentar: Warum die "Russian Studies" im Westen versagt haben, Aufschluss über Russland und die Ukraine zu liefern Kommentar: Mehr Öffentlichkeit wagen. Ein Erfahrungsbericht Statistik: Auswirkungen des Krieges auf Forschung und Wissenschaft der Ukraine Innenpolitik / Eliten (26.05.2023) Analyse: Zwischen Kriegsrecht und Reformen. Die innenpolitische Entwicklung der Ukraine Analyse: Die politischen Eliten der Ukraine im Wandel Statistik: Wandel der politischen Elite in der Ukraine im Vergleich Chronik: 5. April bis 3. Mai 2023 Sprache in Zeiten des Krieges (10.05.2023) Analyse: Die Ukrainer sprechen jetzt hauptsächlich Ukrainisch – sagen sie Analyse: Was motiviert Ukrainer:innen, vermehrt Ukrainisch zu sprechen? Analyse: Surschyk in der Ukraine: zwischen Sprachideologie und Usus Chronik: 08. März bis 4. April 2023 Sozialpolitik (27.04.2023) Analyse: Das Sozialsystem in der Ukraine: Was ist nötig, damit es unter der schweren Last des Krieges besteht? Analyse: Die hohen Kosten des Krieges: Wie Russlands Krieg gegen die Ukraine die Armut verschärft Chronik: 22. Februar bis 7. März 2023 Besatzungsregime / Wiedereingliederung des Donbas (27.03.2023) Analyse: Etablierungsformen russischer Herrschaft in den besetzten Gebieten der Ukraine: Wege und Gesichter der Okkupation Karte: Besetzte Gebiete Dokumentation: Human Rights Watch: Torture, Disappearances in Occupied South. Apparent War Crimes by Russian Forces in Kherson, Zaporizhzhia Regions (Ausschnitt) Dokumentation: War and Annexation. The "People’s Republics" of eastern Ukraine in 2022. Annual Report (Ausschnitt) Dokumentation: Terror, disappearances and mass deportation Dokumentation: Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) gegen Wladimir Putin wegen der Verschleppung von Kindern aus besetzten ukrainischen Gebieten nach Russland Analyse: Die Wiedereingliederung des Donbas nach dem Krieg: eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung Chronik 11. bis 21. Februar 2023 Internationaler Frauentag, Feminismus und Krieg (13.03.2023) Analyse: 8. März, Feminismus und Krieg in der Ukraine: Neue Herausforderungen, neue Möglichkeiten Umfragen: Umfragen zum Internationalen Frauentag Interview: "Der Wiederaufbau braucht einen geschlechtersensiblen Ansatz" Statistik: Kennzahlen und Indizes geschlechterspezifischer Ungleichheit Korruptionsbekämpfung (08.03.2023) Analyse: Der innere Kampf: Korruption und Korruptionsbekämpfung als Hürde und Gradmesser für den EU-Beitritt der Ukraine Dokumentation: Statistiken und Umfragen zu Korruption Analyse: Reformen, Korruption und gesellschaftliches Engagement Chronik: 1. bis 10. Februar 2023 Kriegsentwicklung / Jahrestag der Invasion (23.02.2023) Analyse: Unerwartete Kriegsverläufe Analyse: Die Invasion der Ukraine nach einem Jahr – Ein militärischer Rück- und Ausblick Kommentar: Die Unterstützung der NATO-Alliierten für die Ukraine: Ursachen und Folgen Kommentar: Der Krieg hat die Profile der EU und der USA in der Ukraine gefestigt Kommentar: Wie der Krieg die ukrainische Gesellschaft stabilisiert hat Kommentar: Die existenzielle Frage "Sein oder Nichtsein?" hat die Ukraine klar beantwortet Kommentar: Wie und warum die Ukraine neu aufgebaut werden sollte Kommentar: Der Krieg und die Kirchen Karte: Kriegsgeschehen in der Ukraine (Stand: 18. Februar 2023) Statistik: Verluste an Militärmaterial der russischen und ukrainischen Armee Chronik: 17. bis 31. Januar 2023 Meinungsumfragen im Krieg (15.02.2023) Kommentar: Stimmen die Ergebnisse von Umfragen, die während des Krieges durchgeführt werden? Kommentar: Vier Fragen zu Umfragen während eines umfassenden Krieges am Beispiel von Russlands Krieg gegen die Ukraine Kommentar: Meinungsumfragen in der Ukraine zu Kriegszeiten: Zeigen sie uns das ganze Bild? Kommentar: Meinungsforschung während des Krieges: anstrengend, schwierig, gefährlich, aber interessant Kommentar: Quantitative Meinungsforschung in der Ukraine zu Kriegszeiten: Erfahrungen von Info Sapiens 2022 Kommentar: Meinungsumfragen in der Ukraine unter Kriegsbedingungen Kommentar: Politisches Vertrauen als Faktor des Zusammenhalts im Krieg Kommentar: Welche Argumente überzeugen Deutsche und Dänen, die Ukraine weiterhin zu unterstützen? Dokumentation: Umfragen zum Krieg (Auswahl) Chronik: Chronik 9. bis 16. Januar 2023 Ländliche Gemeinden / Landnutzungsänderung (19.01.2023) Analyse: Ländliche Gemeinden und europäische Integration der Ukraine: Entwicklungspolitische Aspekte Analyse: Monitoring der Landnutzungsänderung in der Ukraine am Beispiel der Region Schytomyr Chronik: 26. September bis 8. Januar 2023 Weitere Angebote der bpb Redaktion

Analyse: Die Debatte über die ukrainische Bodenmarktreform: Weichenstellung für die Agrarpolitik

Vasyl Kvartiuk Thomas Herzfeld

/ 12 Minuten zu lesen

Welche Auswirkungen hätte die von der ukrainischen Regierung geplante Aufhebung des Bodenmoratoriums? In der öffentlichen Debatte wird dies kontrovers diskutiert. Doch was sind überhaupt die zentralen Aspekte der Bodenmarktreform und welche Politikoptionen gibt es mit Blick auf eine nachhaltige Entwicklung?

Die geplante Bodenreform der ukrainischen Regierung könnte den Kauf landwirtschaftlicher Fläche durch Akteure aus dem Ausland erleichtern. (© picture-alliance/dpa)

Zusammenfassung

Die neue ukrainische Regierung plant die Aufhebung des seit 2001 geltenden Moratoriums, das den Verkauf von Agrarflächen verbietet. Das Moratorium nimmt der breiten ländlichen Bevölkerung die Möglichkeit, ihren Besitz zu veräußern und nutzt den großen Getreideproduzenten, die auf Pachtflächen zu sehr niedrigen Pachtzinsen wirtschaften. Obwohl zahlreiche Ökonomen für den Fall einer Aufhebung des Moratoriums einen signifikanten Anstieg des Bruttoinlandproduktes (BIP) prognostizieren, herrschen in der ukrainischen Öffentlichkeit Sorgen über die Folgen einer möglichen Bodenneuverteilung vor, von der möglicherweise nur einige wenige wirtschaftlich starke Akteure profitieren werden. Dieser Beitrag liefert einen Überblick über die Hauptaspekte der Bodenmarktreform. Insbesondere werden ausgewählte Vorschläge ukrainischer Agrarexperten diskutiert und aus einer wirtschaftswissenschaftlichen Perspektive analysiert. Abschließend werden Politikoptionen diskutiert, die am effektivsten zum Wachstum des ukrainischen Agrarsektors und zu einer nachhaltigen Entwicklung der ländlichen Regionen beitragen können.

Einleitung

Die Ukraine hat sich in den letzten Jahren zu einem der führenden Getreideproduzenten und -exporteure in der Welt entwickelt. Im Jahr 2018 feierte die ukrainische Regierung mit 50 Millionen Tonnen Getreideexporten ein neues Rekordergebnis. Fast die Hälfte des produzierten Getreides stammt von großen landwirtschaftlichen Unternehmen, die auf riesigen Flächen mit bis zu 500.000 Hektar arbeiten (das entspricht etwa der doppelten Fläche von Luxemburg). Die zehn größten Agrarunternehmen bewirtschaften derzeit 7,2 Prozent aller ukrainischen Agrarflächen. Die Flächen sind hauptsächlich von Mitgliedern der ehemaligen Kollektivbetriebe gepachtet, die diese in den 1990er Jahren im Rahmen der Privatisierung erhielten. Rund 6,7 Millionen Ukrainer besitzen Agrarflächen, aber verpachten diese vorwiegend an Agrarunternehmen.

Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern sind die Pachtpreise in der Ukraine sehr niedrig (siehe Grafik 1). So lag der durchschnittliche jährliche Pachtpreis im Jahr 2017 bei knapp 46 Euro pro Hektar. Dieser Preis liegt deutlich unter dem Wert der von den Agrarunternehmen pro Hektar erzeugten Produktion ("Wertgrenzprodukt des Bodens"). Somit profitieren die relativ arme ländliche Bevölkerung und der Staat, der ca. 26 Prozent aller Agrarflächen besitzt, nicht vom tatsächlichen Wert des Bodens.

Die niedrigen Pachtpreise lassen sich durch das Fehlen eines Bodenmarktes erklären. Der Verkauf der Flächen ist seit fast zwei Jahrzehnten durch ein Moratorium verboten und verhindert damit eine transparente Preisbildung für Boden. Nicht zuletzt durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) und den Druck internationaler Geldgeber gibt es eine massive öffentliche Debatte über den zukünftigen Bodenmarkt. Die neue ukrainische Regierung hat angekündigt, das Moratorium aufzuheben. Bereits am 20.09.2019 präsentierte das neu zugeschnittene Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung, Handel und Landwirtschaft einen Gesetzentwurf Nr. 2178 "Über die Änderungen bestimmter Gesetze der Ukraine über den Agrarbodenverkehr". Das Ministerium rechnet damit, dass die landwirtschaftliche Produktion durch den Bodenmarkt jährlich um sechs Prozent wachsen würde. Außerdem prognostiziert die Weltbank einen Anstieg des Wirtschaftswachstums um zwei Prozent, wenn das Moratorium aufgehoben wird.

Dieser Beitrag zielt auf die Beantwortung der folgenden zwei Fragen: Welche Optionen zur Ausgestaltung einer Bodenmarktreform sind in der Diskussion? Welche Bodenpreisentwicklung ist für die jeweiligen Optionen wahrscheinlich? Die folgende Analyse basiert auf einer Reihe von Studien, die von Mitarbeitern des Leibniz-Institutes für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) durchgeführt wurden. Zum einen wurden Anfang 2018 zwölf halbstrukturierte Interviews mit ukrainischen Experten aus Agribusiness, staatlicher Verwaltung und Kommunalpolitik zum Thema Bodenmarktreform durchgeführt. Ein Jahr später wurden in ähnlicher Form sechs weitere Experten und elf Bürgermeister befragt. Zum anderen wurden Paneldaten des Statistischen Dienstes der Ukraine auf Betriebsebene (2006–2017) mit Hilfe ökonometrischer Verfahren analysiert. Dieser Beitrag fasst die Ergebnisse zusammen und präsentiert sie im Licht der jüngsten politischen Entwicklungen.

Ein Bodenmarkt in Wartestellung

Seit dem Inkrafttreten des Moratoriums im Jahr 2001 sind verschiedene formelle und informelle Pachtbeziehungen entstanden. In Abhängigkeit von der regionalen Agrarstruktur ist die Auswahl möglicher Pächter an einem bestimmten Standort begrenzt. Die Bodeneigentümer haben kaum Anhaltspunkte über den tatsächlichen Markt- bzw. Pachtwert ihres Bodens. Zusätzlich befinden sich aktuell noch circa 10 Millionen Hektar Agrarfläche im Staatsbesitz. Da nur circa 44 Prozent dieser Staatsflächen im Kataster und nur knapp 21 Prozent in dem Register der Eigentumsrechte registriert sind (in der Ukraine gibt es zwei unterschiedliche Register), ist die Nutzung der Staatsflächen besonders intransparent. Diese Umstände führen insgesamt dazu, dass landwirtschaftlicher Boden zu relativ günstigen Preisen gepachtet werden kann. Damit haben Agrarunternehmen, die es geschafft haben, große Flächen innerhalb einer Region zu pachten und zu bewirtschaften, einen Wettbewerbsvorteil. Die Geschäftsmodelle dieser Unternehmen zielen vor allem auf die schnelle Verzinsung des eingesetzten Kapitals und auf die Produktion von landwirtschaftlichen Erzeugnissen für den Export (i. d. R. unverarbeitete Rohprodukte).

Ohne die Existenz eines funktionsfähigen Bodenmarkts können die Kauf- und Pachtpreise nicht die Präferenzen der Akteure und die tatsächlichen Knappheitsrelationen widerspiegeln. Wenn kein Verkauf des landwirtschaftlichen Bodens möglich ist, ist es schwieriger, den Wert einer Fläche und damit einen Pachtpreis zu bestimmen. Aus diesem Grund entstand in der Ukraine die sogenannte "normative Preisbewertung des Bodens" – ein Pachtpreis, der von staatlichen Behörden festgelegt wird. Viele ukrainische Experten sind sich einig, dass dieser festgelegte Preis nichts mit einem vom Markt bestimmten Preis zu tun hat und erwarten im Falle einer Marktöffnung deutlich höhere Pachtpreise.

Des Weiteren benachteiligt das Verbot des Bodenverkaufs kleinere landwirtschaftliche Betriebe beim Zugang zu den Finanzmärkten. Da die Bauern mit Bodeneigentum ihre Flächen nicht als Sicherheiten für Kredite beleihen können, ist der Zugang zu Krediten für sie schwieriger und die Zinsen höher. Die ukrainischen Banken sind eher geneigt, mit den großen Agrarunternehmen zusammen zu arbeiten, die zudem in einigen Fällen auch Zugang zu einer Auslandsfinanzierung mit niedrigeren Zinsen haben [der Leitzins in der Ukraine liegt aktuell bei hohen 16,5 Prozent, Anm. d. R.]. Trotz dieser Nachteile sind kleine Agrarproduzenten (z. B. Haushalte und Familienbetriebe) weiterhin wichtige Akteure in der landwirtschaftlichen Produktion. Laut Statistischem Jahrbuch der Ukraine produzierten private Haushalte und Familienbetriebe zusammen in 2017 rund 58 Prozent aller Ackerkulturen (siehe Grafik 2). Wie Grafik 3 zeigt, nutzten diese aber nur knapp 47 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Dieser Anteil blieb über die letzten Jahre betrachtet relativ stabil.

Um was geht es in der gegenwärtigen Debatte?

Der EGMR veröffentlichte am 22. Mai 2018 sein Urteil zum Fall "Selentschuk und Zyzura gegen den Staat Ukraine" zugunsten der Kläger. Sofija Selentschuk und Wiktor Zyzura sind zwei Vertreter der 6,7 Millionen Landbesitzer, die ihre Grundstücke aufgrund des Moratoriums nicht verkaufen konnten. Die Hauptaussage des EGMR in seiner Urteilsbegründung war, dass die Eigentumsrechte der ukrainischen Bodenbesitzer für eine lange Zeit verletzt worden seien. Nach Ansicht des EGMR sollte nach der Einführung des Bodengesetzes im Jahr 2001 inzwischen genug Zeit verstrichen sein, um eine angemessene Bodenmarktreform durchzuführen. Wiktor Zyzura ist inzwischen 81 Jahre alt. Seitdem er in den 1990er Jahren sein Grundstück bekommen hat, konnte er von seinem Wert nicht vollständig profitieren. Es gibt über eine Million ukrainischer Bodeneigentümer, die mittlerweile verstorben sind und von ihrem Eigentum nicht vollumfänglich profitieren konnten.

Obwohl die öffentliche Unterstützung für die Aufhebung des Moratoriums zunimmt und der Druck seitens internationaler Organisationen gewachsen ist, ist laut mehrerer Umfragen die Mehrheit der Ukrainer gegen die Aufhebung des Moratoriums. Ein wichtiger Grund dafür ist die Tatsache, dass die öffentliche Debatte von Interessengruppen dominiert wird. Zum Beispiel haben Agrarunternehmen mit einem hohen Anteil an Pachtland Anreize, den derzeitigen Status quo aufrecht zu erhalten. Viele Ukrainer befürchten zudem, dass die großen Agrarunternehmen nach Aufhebung des Moratoriums schnell viele Agrarflächen sehr günstig aufkaufen werden. Sie vermuten, dass, ähnlich wie in den 1990er Jahren in anderen Industriezweigen, neue Agraroligarchen entstehen werden. Daneben wird das Thema auch emotional aufgeladen, z. B. mit dem Argument, dass Ausländer den "heiligen ukrainischen Boden" kaufen könnten. Politische Parteien nutzen diese Ängste für ihre Zwecke aus und heizen damit die kritische öffentliche Meinung zur Liberalisierung des Bodenmarktes weiter an. So baute sich über die Jahre hinweg eine allgemeine Atmosphäre auf, in der die Aufhebung des Moratoriums als ein "politisch giftiges" Thema angesehen wurde.

Trotz dieser politischen Schwierigkeiten hat die neue ukrainische Regierung sich der Herausforderung angenommen, den Bodenmarkt zu liberalisieren. Uneinigkeit besteht zum einen hinsichtlich der Frage, ob und wie der Zugang zu Bodenmärkten beschränkt werden soll: Beispielsweise hinsichtlich der Festlegung möglicher Eigentumsobergrenzen oder des Ausschlusses bestimmter Marktteilnehmer. Zum anderen gibt es Diskussionen, ob die Reformen schrittweise implementiert werden sollten. Wir betrachten im Folgenden diese Aspekte und diskutieren die möglichen Konsequenzen für die Preisentwicklung des landwirtschaftlichen Bodens.

Welche wirtschaftlichen Auswirkungen sind von den Politikvorschlägen zu erwarten?

Eigentumsobergrenzen

Um die Konzentration von Boden in den Händen einiger weniger Agrarproduzenten und die Spekulation mit Agrarflächen zu verhindern, existieren in vielen europäischen Ländern Beschränkungen für den Verkauf landwirtschaftlicher Flächen. Auch in der Ukraine werden verschiedene Beschränkungen diskutiert. Vor allem große Agrarunternehmen, die Zugang zu internationalen Finanzmärkten haben, so wird befürchtet, hätten einen Wettbewerbsvorteil beim Kauf von Agrarflächen. Eine weitere Befürchtung ist, dass eine Gruppe von Bodenbesitzern entstehen könnte, die kein Interesse daran hat, in der Landwirtschaft tätig zu sein, sondern fruchtbare Böden als Spekulationsobjekt nutzt. Um solchen Entwicklungen vorzubeugen, forderten manche ukrainische Politiker Obergrenzen für den Erwerb von ukrainischem Bodeneigentum, deren Höhe von 50 Hektar bis 1.000 Hektar variiert. Der Gesetzentwurf des Ministeriums sieht eine relativ hohe Eigentumsobergrenze von 15 Prozent aller Flächen auf regionaler Ebene und von 0,5 Prozent auf nationaler Ebene vor. Die Reaktion der großen Agrarunternehmen war schnell: Eine der ukrainischen Agrarlobbygruppen forderte eine Erhöhung der Eigentumsobergrenzen auf 1,5 Prozent aller ukrainischen Agrarflächen.

Sehr niedrig angesetzte Eigentumsobergrenzen widersprechen der Idee eines liberalen Bodenmarkts. Im Falle der Einführung solcher Eigentumsobergrenzen ist zu erwarten, dass die Nachfrage nach landwirtschaftlichem Boden niedriger als in einem unbeschränkten Gleichgewicht sein wird. Potenzielle Interessenten könnten nur so lange zusätzliches Land erwerben, bis die entsprechende Obergrenze erreicht ist. Infolgedessen ist zu erwarten, dass die Verkaufs- und Pachtpreise niedriger sein werden als in einer Referenzsituation mit einem unbeschränkten Gleichgewicht. Die entgangenen Verkaufserlöse der abgebenden Eigentümer wären ein Wohlfahrtsverlust. Die Einführung (zu) niedriger Obergrenzen könnte zudem weitere bedeutsame indirekte Effekte für die ukrainische Landwirtschaft und die ländlichen Regionen haben. Aufgrund der vergleichsweise niedrigeren Bodenpreise ist es wahrscheinlich, dass die Attraktivität von Agrarflächen als Sicherheit für Kredite sinkt und der Kreditzugang weiterhin schwierig bleibt. Die begrenzte Nachfrage wird sich außerdem negativ auf den Umfang der Handelsaktivitäten auf dem Bodenmarkt auswirken und kann im Extremfall (wenn alle potenziellen Interessenten in einer Region bereits die maximal erlaubte Menge besitzen) zu Marktversagen führen.

Darüber hinaus ist es sehr wahrscheinlich, dass einige Marktteilnehmer ohnehin alternative Strategien entwickeln werden, um solche Kaufbeschränkungen zu umgehen, wie z. B. durch die Gründung von Tochtergesellschaften. Daher erscheint es fraglich, ob die Eigentumsobergrenzen ein geeignetes Instrument sind, eine Bodenkonzentration in den Händen einer kleinen Elite zu verhindern und eine vielfältige Betriebsstruktur zu fördern. Alternative agrarpolitische Instrumente, die auf eine möglichst breite Streuung der Bodenverteilung mit minimalen Wohlfahrtverlusten und auf die Stärkung benachteiligter Marktteilnehmer zielen, sollten in diesem Zusammenhang stärker diskutiert werden. Dazu zählen beispielsweise Preisinformationsplattformen, Aufklärung der Bodeneigentümer über die Funktionsweise der Preisbildung und ihrer Rechte oder ein erleichterter Kreditzugang durch subventionierte Kredite oder Bürgschaften.

Ausschluss bestimmter Marktteilnehmer

Welche Auswirkungen sind bei einem Ausschluss bestimmter Marktteilnehmer auf die Entwicklung der Bodenpreise zu erwarten? Auch in diesem Fall wird die Nachfrage nach Boden sinken, was ebenfalls die Verkaufs- und Pachtpreise im Vergleich zur Referenzsituation senken würde. Wie stark der Effekt ist, hängt davon ab, wie viele potenzielle Marktteilnehmer unter die Beschränkung fallen (z. B. auch lokale juristische Personen). Vergleichbar mit den Eigentumsobergrenzen bedeuten niedrigere Preise entgangene Verkaufserlöse für die Verkäufer. In Anbetracht des Interesses der vielen potenziellen Verkäufer, deren Zahl sich während der Laufzeit des Moratoriums akkumuliert hat, werden voraussichtlich in einem Anpassungszeitraum nach der Aufhebung des Moratoriums zahlreiche verhältnismäßig kleine Flächenstücke (durchschnittlich 3,5 Hektar) angeboten werden. Um eine Übervorteilung der Anbieter und die Benachteiligung kleiner und mittlerer Betriebe während der Anpassungsperiode zu verhindern, ist es grundsätzlich denkbar, bestimmte Marktteilnehmer in einem begrenzten Zeitraum auszuschließen. In jedem Fall sollten diese Einschränkungen transparent umgesetzt und kontrolliert werden. Grundsätzlich müssen die ökonomischen Implikationen einer solchen Restriktion sorgfältig mit ihrem potenziellen Nutzen, dem politischen Ziel einer gewünschten Bodenverteilung, abgewogen werden.

Schrittweise Liberalisierung: Ausgewählte Testregionen oder nur staatlicher Boden

Die Durchführung von Pilotprojekten in ausgewählten Testregionen ist ein weit verbreitetes Verfahren für die Erprobung neuer Politikmaßnahmen, auch in der Ukraine. Häufig werden Vorschläge diskutiert, die entweder den Bodenverkauf zunächst nur in bestimmten Regionen vorsehen oder erst einmal nur die Privatisierung der rund 10 Millionen Hektar Agrarflächen in staatlichem Besitz. Die Idee einer schrittweisen Reformumsetzung wird häufig damit begründet, dass man so die Möglichkeit hätte, aus den möglichen Fehlern der einzelnen Schritte zu lernen. Der Gesetzesvorschlag des Ministeriums sieht keine schrittweise Einführung vor. Aber viele hochrangige ukrainische Politiker sprechen sich dafür aus.

Das Hauptproblem mit diesem Ansatz ist, dass die Auswahl der Regionen für solche Experimente oft nicht den Kriterien der Repräsentativität folgt und sich unter Umständen ein verzerrtes Bild des Bodenmarktes ergäbe. In den Pilotregionen wäre es für potenzielle Käufer aus der ganzen Ukraine möglich, um ein knappes Bodenangebot zu konkurrieren. Dies würde sehr wahrscheinlich die Bodenpreise in den Testregionen nach oben treiben. Im Gegensatz dazu wäre aber auch denkbar, dass viele potenzielle Investoren erst die Öffnung des gesamten Marktes abwarten und sich in der Pilotphase mit Käufen zurückhalten würden. Deswegen wären das Angebot, die Nachfrage und die resultierenden Gleich­gewichtspreise in den Pilotregionen nicht repräsentativ. Außerdem ist es schwierig, repräsentative Regionen zu finden, da die Bodenqualität und Grundstücksgrößen regional sehr unterschiedlich sind. Infolgedessen können die Aussagekraft solcher Experimente und damit verbundene mögliche Lerneffekte eher als gering eingestuft werden.

Wenn das Moratorium nur für staatlichen Boden aufgehoben wird, ist anzunehmen, dass aufgrund des begrenzten Angebotes die Verkaufspreise verglichen mit einer Situation, in der alle Besitzer Flächen anbieten können, tendenziell höher sein werden. Damit bietet sich eine derartige Strategie an, wenn die Regierung ihre Einnahmen aus der Bodenprivatisierung maximieren wollen würde. Aber auch diese Maßnahme ergäbe ohne die privaten Grundstücke kein repräsentatives Bild eines zukünftigen Bodenmarktes. Außerdem werden kaufinteressierte Betriebe mit eingeschränktem Kapitalzugang weniger profitieren können als Betriebe mit guten, unter Umständen sogar ausländischen, Finanzierungsmöglichkeiten. Die Situation der verkaufsbereiten privaten Bodenbesitzer, die wie Selentschuk und Zyzura seit Jahren auf die Liberalisierung warten, würde sich im Vergleich zum Status quo nicht ändern.

Fazit

Der Aufstieg großer Agrarunternehmen, die das Wachstum des ukrainischen Getreidesektors gefördert haben, lässt sich nicht nur durch verbesserte Management- und Technologieansätze erklären, sondern auch durch den Zugang zu vergleichsweise billigem Ackerland. Aufgrund des Moratoriums für Agrarflächenverkäufe und eines fehlenden Verkaufsmarktes sind die Pachtpreise im Vergleich zu anderen europäischen Ländern deutlich niedriger. Diese Umstände benachteiligen fast sieben Millionen Bodenbesitzer und geben den Agrarunternehmen keine Anreize, den Boden effizient zu nutzen. Der Status quo fördert die Nutzung der größeren Agrarflächen mit kurzfristigen Geschäftsmodellen, die sich auf die Getreideerzeugung fokussieren.

Mit dem neuen Präsidenten und der neuen Regierung, die über eine starke Mehrheit im Parlament verfügt, entstand eine historische Chance für die Ukraine, das Moratorium für Agrarflächenverkäufe aufzuheben. Die Liberalisierung des ukrainischen Bodenmarktes sollte so gestaltet werden, dass durch die Reformmaßnahmen ein nachhaltiges Wachstum der landwirtschaftlichen Produktion gefördert, aber gleichzeitig auch die Lebensbedingungen in den ländlichen Gebieten verbessert werden. Zu niedrige Bodeneigentumsobergrenzen und der Ausschluss bestimmter Marktteilnehmer wären ungeeignet, um das Ziel einer breiten Bodeneigentumsstreuung und einer vielfältigen Betriebsstruktur zu erreichen. Darüber hinaus wäre mit erheblichen Wohlfahrtsverlusten zu rechnen. Die gezielte Stärkung benachteiligter kleiner und mittlerer Agrarbetriebe scheint ein besser geeignetes Instrument zu sein, um eine ausgewogene Bodenmarktstruktur zu erreichen. Auch ist unwahrscheinlich, dass die schrittweise Einführung eines Bodenverkaufsmarktes (entweder durch Pilotierung der Reformmaßnahmen in ausgewählten Regionen oder durch Privatisierung der staatlichen Agrarflächen) der ukrainischen Politik nützliche Informationen liefern würde, die dann auf das ganze Land bzw. den weiteren Liberalisierungsprozess übertragen werden könnten. Letztlich ist es wichtig, dass der Aufbau von bodenmarktfördernden Institutionen wie etwa Rechtssicherheit und Markttransparenz im Mittelpunkt der Gesetzgebung steht.

Bibliographie:

  • Deininger, K., Nizalov, D., & Singh, S. K. (2017). Determinants of productivity and structural change in a large commercial farm environment: Evidence from Ukraine. The World Bank Economic Review, (February), 1–25. Externer Link: https://doi.org/10.1093/wber/lhw063

  • Easybusiness. (2016). Development of the free farmland market in Ukraine: Detailed analysis of international experience and assessment of socio-economic effect. Kyiv.

  • Gilgen, C., & Meyer-Everloh, U. (2017). Transparency in land management – German experiences and options for Ukraine. Kyiv.

  • Kvartiuk, V., & Herzfeld, T. (2019). Welfare effects of land market liberalization scenarios in Ukraine: Evidence-based economic perspective (IAMO Discussion Papers No. 186). Halle (Saale).

Fussnoten

Dr. Vasyl Kvartiuk ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) in Halle (Saale). 2014 wurde er durch die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Fach Volkswirtschaftslehre promoviert. Er hat umfangreiche Erfahrung in der technischen Zusammenarbeit und Politikberatung. Seine Forschungsinteressen umfassen die Themen lokale Kommunalverwaltung, politische Ökonomie, und Bodenbeziehungen.

Prof. Dr. Thomas Herzfeld ist seit 2011 Direktor am IAMO und Leiter der Abteilung "Agrarpolitik" und lehrt an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Er wurde von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel promoviert und habilitierte sich an der gleichen Universität. Zwischen 2007 und 2011 arbeitete er als Assistant Professor an der Universität Wageningen. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen Agrarpolitik, ländliche Entwicklung und Institutionenökonomie.