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Kommentar: Die Ukraine als europäische Wohlstandsoase – Wasyl Holoborodkos Vision hat überzeugt | Ukraine-Analysen | bpb.de

Ukraine Arbeitsmarktintegration ukrainischer Geflüchteter / Ukrainische Community in Deutschland / Deutsch-ukrainische kommunale Partnerschaften (29.04.2024) Analyse: Arbeitsmarktintegration der ukrainischen Geflüchteten in Deutschland Statistik: Integration in den Arbeitsmarkt Analyse: Die ukrainische Community in Deutschland Analyse: (Un)genutzte Potenziale in den deutsch-ukrainischen Kommunal- und Regionalpartnerschaften Dokumentation: Übersicht deutsch-ukrainischer Partnerschaften Chronik: 11. bis 31. März 2024 10 Jahre Krim-Annexion / Donbas nach der Annexion 2022 (21.03.2024) Analyse: Zehn Jahre russische Annexion: Die aktuelle Lage auf der Krim Dokumentation: Reporters Without Borders: Ten years of Russian occupation in Crimea: a decade of repression of local independent journalism Dokumentation: Europarat: Crimean Tatars’ struggle for human rights Statistik: Repressive Gerichtsverfahren auf der Krim und in Sewastopol Analyse: Die Lage im annektierten Donbas zwei Jahre nach dem 24. Februar 2022 Umfragen: Öffentliche Meinung zur Krim und zum Donbas Chronik: 22. Februar bis 10. März 2024 Wirtschaft / Rohstoffe / Kriegsschäden und Wiederaufbau Analyse: Wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit in einer schwierigen Gesamtlage Analyse: Die Rohstoffe der Ukraine und ihre strategische Bedeutung Analyse: Schäden und Wiederaufbau der ukrainischen Infrastruktur Chronik: 11. Januar bis 21. Februar 2024 Zwei Jahre Angriffskrieg: Rückblick, aktuelle Lage und Ausblick (23.02.2024) Analyse: Zwei Jahre russischer Angriffskrieg. Welche politischen, militärischen und strategischen Erkenntnisse lassen sich ziehen? Kommentar: Die aktuelle Lage an der Front Kommentar: Wie sich der russisch-ukrainische Krieg 2024 entwickeln könnte Kommentar: Die Ukraine wird sich nicht durchsetzen, wenn der Westen seine eigene Handlungsfähigkeit verleugnet Kommentar: Wie funktioniert das ukrainische Parlament in Kriegszeiten? Kommentar: Wie die Wahrnehmung des Staates sich durch den Krieg gewandelt hat Umfragen: Stimmung in der Bevölkerung Statistik: Verluste an Militärmaterial der russischen und ukrainischen Armee Statistik: Russische Raketen- und Drohnenangriffe, Verbrauch von Artilleriegranaten, Materialverluste im Kampf um Awdijiwka Folgen des russischen Angriffskriegs für die ukrainische Landwirtschaft (09.02.2024) Analyse: Zwischenbilanz zum Krieg: Schäden und Verluste der ukrainischen Landwirtschaft Analyse: Satellitendaten zeigen hohen Verlust an ukrainischen Anbauflächen als Folge der russischen Invasion Statistik: Getreideexporte Chronik: 17. Dezember 2023 bis 10. Januar 2024 Kunst, Musik und Krieg (18.01.2024) Analyse: Ukrainische Künstler:innen im Widerstand gegen die großangelegte Invasion: Dekolonialisierung in der Kunst nach dem 24. Februar 2022 Analyse: Musik und Krieg Dokumentation: Ukrainische Musiker:innen, die durch die russische Invasion umgekommen sind Statistik: "De-Russifizierung" der ukrainischen Youtube-Musik-Charts Umfragen: Änderung des Hörverhaltens seit der großangelegten Invasion Chronik: 21. November bis 16. Dezember 2023 Eintritt in eine neue Kriegsphase? / Selenskyjs Appelle an Russland (19.12.2023) Interview: "Dieser Krieg bleibt in erster Linie ein Artilleriekrieg, der die Munitionslieferungen zu einem sehr wichtigen Faktor macht" Statistik: Geländegewinne seit Beginn der Großinvasion Kommentar: Deutschland: Ein Schlüsselakteur in der neuen Kriegsphase? Statistik: Internationale Hilfen für die Ukraine Analyse: Selenskyjs Appelle an russische Staatsbürger:innen im ersten Jahr des russischen Aggressionskriegs gegen die Ukraine Dokumentation: Ansprache des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an das russische Volk am Vorabend der großangelegten Invasion Chronik: 28. Oktober bis 20. November 2023 Der Globale Süden und der Krieg (24.11.2023) Analyse: Der Blick aus dem Süden: Lateinamerikanische Perspektiven auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine Analyse: Russlands Krieg gegen die Ukraine und Afrika: Warum die Afrikanische Union zwar ambitioniert, aber gespalten ist Analyse: Eine Kritik der zivilisatorischen Kriegsdiplomatie der Ukraine im Globalen Süden Umfragen: Umfragedaten: Der Globale Süden und Russlands Krieg gegen die Ukraine Dokumentation: Abstimmungen in der Generalversammlung der Vereinten Nationen Chronik: 16. bis 27. Oktober 2023 Zwischen Resilienz und Trauma: Mentale Gesundheit (02.11.2023) Analyse: Mentale Gesundheit in Zeiten des Krieges Karte: Angriffe auf die Gesundheitsinfrastruktur der Ukraine Analyse: Den Herausforderungen für die psychische Gesundheit ukrainischer Veteran:innen begegnen Umfragen: Umfragen zur mentalen Gesundheit Statistik: Mentale Gesundheit: Die Ukraine im internationalen Vergleich Chronik: 1. bis 15. Oktober 2023 Ukraine-Krieg in deutschen Medien (05.10.2023) Kommentar: Der Kampf um die Deutungshoheit. Deutsche Medien zu Ukraine, Krim-Annexion und Russlands Rolle im Jahr 2014 Analyse: Die Qualität der Medienberichterstattung über Russlands Krieg gegen die Ukraine Analyse: Russlands Aggression gegenüber der Ukraine in den deutschen Talkshows 2013–2023. Eine empirische Analyse der Studiogäste Chronik: 1. bis 30. September 2023 Ökologische Kriegsfolgen / Kachowka-Staudamm (19.09.2023) Analyse: Die ökologischen Folgen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine Analyse: Ökozid: Die katastrophalen Folgen der Zerstörung des Kachowka-Staudamms Dokumentation: Auswahl kriegsbedingter Umweltschäden seit Beginn der großangelegten russischen Invasion bis zur Zerstörung des Kachowka-Staudamms Statistik: Statistiken zu Umweltschäden Zivilgesellschaft / Lokale Selbstverwaltung und Resilienz (14.07.2023) Von der Redaktion: Sommerpause – und eine Ankündigung Analyse: Die neuen Facetten der ukrainischen Zivilgesellschaft Statistik: Entwicklung der ukrainischen Zivilgesellschaft Analyse: Der Beitrag lokaler Selbstverwaltungsbehörden zur demokratischen Resilienz der Ukraine Wissenschaft im Krieg (27.06.2023) Kommentar: Zum Zustand der ukrainischen Wissenschaft in Zeiten des Krieges Kommentar: Ein Brief aus Charkiw: Ein ukrainisches Wissenschaftszentrum in Kriegszeiten Kommentar: Warum die "Russian Studies" im Westen versagt haben, Aufschluss über Russland und die Ukraine zu liefern Kommentar: Mehr Öffentlichkeit wagen. Ein Erfahrungsbericht Statistik: Auswirkungen des Krieges auf Forschung und Wissenschaft der Ukraine Innenpolitik / Eliten (26.05.2023) Analyse: Zwischen Kriegsrecht und Reformen. Die innenpolitische Entwicklung der Ukraine Analyse: Die politischen Eliten der Ukraine im Wandel Statistik: Wandel der politischen Elite in der Ukraine im Vergleich Chronik: 5. April bis 3. Mai 2023 Sprache in Zeiten des Krieges (10.05.2023) Analyse: Die Ukrainer sprechen jetzt hauptsächlich Ukrainisch – sagen sie Analyse: Was motiviert Ukrainer:innen, vermehrt Ukrainisch zu sprechen? Analyse: Surschyk in der Ukraine: zwischen Sprachideologie und Usus Chronik: 08. März bis 4. April 2023 Sozialpolitik (27.04.2023) Analyse: Das Sozialsystem in der Ukraine: Was ist nötig, damit es unter der schweren Last des Krieges besteht? Analyse: Die hohen Kosten des Krieges: Wie Russlands Krieg gegen die Ukraine die Armut verschärft Chronik: 22. Februar bis 7. März 2023 Besatzungsregime / Wiedereingliederung des Donbas (27.03.2023) Analyse: Etablierungsformen russischer Herrschaft in den besetzten Gebieten der Ukraine: Wege und Gesichter der Okkupation Karte: Besetzte Gebiete Dokumentation: Human Rights Watch: Torture, Disappearances in Occupied South. Apparent War Crimes by Russian Forces in Kherson, Zaporizhzhia Regions (Ausschnitt) Dokumentation: War and Annexation. The "People’s Republics" of eastern Ukraine in 2022. Annual Report (Ausschnitt) Dokumentation: Terror, disappearances and mass deportation Dokumentation: Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) gegen Wladimir Putin wegen der Verschleppung von Kindern aus besetzten ukrainischen Gebieten nach Russland Analyse: Die Wiedereingliederung des Donbas nach dem Krieg: eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung Chronik 11. bis 21. Februar 2023 Internationaler Frauentag, Feminismus und Krieg (13.03.2023) Analyse: 8. März, Feminismus und Krieg in der Ukraine: Neue Herausforderungen, neue Möglichkeiten Umfragen: Umfragen zum Internationalen Frauentag Interview: "Der Wiederaufbau braucht einen geschlechtersensiblen Ansatz" Statistik: Kennzahlen und Indizes geschlechterspezifischer Ungleichheit Korruptionsbekämpfung (08.03.2023) Analyse: Der innere Kampf: Korruption und Korruptionsbekämpfung als Hürde und Gradmesser für den EU-Beitritt der Ukraine Dokumentation: Statistiken und Umfragen zu Korruption Analyse: Reformen, Korruption und gesellschaftliches Engagement Chronik: 1. bis 10. Februar 2023 Kriegsentwicklung / Jahrestag der Invasion (23.02.2023) Analyse: Unerwartete Kriegsverläufe Analyse: Die Invasion der Ukraine nach einem Jahr – Ein militärischer Rück- und Ausblick Kommentar: Die Unterstützung der NATO-Alliierten für die Ukraine: Ursachen und Folgen Kommentar: Der Krieg hat die Profile der EU und der USA in der Ukraine gefestigt Kommentar: Wie der Krieg die ukrainische Gesellschaft stabilisiert hat Kommentar: Die existenzielle Frage "Sein oder Nichtsein?" hat die Ukraine klar beantwortet Kommentar: Wie und warum die Ukraine neu aufgebaut werden sollte Kommentar: Der Krieg und die Kirchen Karte: Kriegsgeschehen in der Ukraine (Stand: 18. Februar 2023) Statistik: Verluste an Militärmaterial der russischen und ukrainischen Armee Chronik: 17. bis 31. Januar 2023 Meinungsumfragen im Krieg (15.02.2023) Kommentar: Stimmen die Ergebnisse von Umfragen, die während des Krieges durchgeführt werden? Kommentar: Vier Fragen zu Umfragen während eines umfassenden Krieges am Beispiel von Russlands Krieg gegen die Ukraine Kommentar: Meinungsumfragen in der Ukraine zu Kriegszeiten: Zeigen sie uns das ganze Bild? Kommentar: Meinungsforschung während des Krieges: anstrengend, schwierig, gefährlich, aber interessant Kommentar: Quantitative Meinungsforschung in der Ukraine zu Kriegszeiten: Erfahrungen von Info Sapiens 2022 Kommentar: Meinungsumfragen in der Ukraine unter Kriegsbedingungen Kommentar: Politisches Vertrauen als Faktor des Zusammenhalts im Krieg Kommentar: Welche Argumente überzeugen Deutsche und Dänen, die Ukraine weiterhin zu unterstützen? Dokumentation: Umfragen zum Krieg (Auswahl) Chronik: Chronik 9. bis 16. Januar 2023 Ländliche Gemeinden / Landnutzungsänderung (19.01.2023) Analyse: Ländliche Gemeinden und europäische Integration der Ukraine: Entwicklungspolitische Aspekte Analyse: Monitoring der Landnutzungsänderung in der Ukraine am Beispiel der Region Schytomyr Chronik: 26. September bis 8. Januar 2023 Weitere Angebote der bpb Redaktion

Kommentar: Die Ukraine als europäische Wohlstandsoase – Wasyl Holoborodkos Vision hat überzeugt

Miriam Kosmehl Berlin) Von Miriam Kosmehl (Bertelsmann Stiftung

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Korruption und mangelhafte Regierungsführung wird von den Ukrainern neben Krieg als größte Herausforderung der Politik genannt. Als Lösungsansätze werden der ersehnte EU-Beitritt sowie die NATO-Mitgliedschaft gehandelt. Wie begegnet der neue Präsident den diversen Problemen und welche Erfolgschancen hat er dabei?

Parlamentsvorsitzender Andrij Parubij, Präsident Wolodymyr Selenskyj und Premierminister Wolodymyr Hrojsman (v.l.n.r.) beim Treffen des nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats der Ukraine. (© picture alliance/NurPhoto)

Deutlich mehr als zwei Drittel der Wähler trauen Wolodymyr Selenskyj zu, dass er die Ukraine – wie die Serienfigur Holoborodko in Selenskyjs TV-Produktion "Diener des Volkes" – auf dem Weg zu einem modernen Staat entscheidend voranbringt. Die Ukrainer wählten damit zum dritten Mal seit der Unabhängigkeit einen Amtsinhaber ab. Der kompetitive Wahlkampf sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wirklicher Pluralismus noch nicht existiert. Fünf Jahre nach der Zäsur des Euromaidan konnten die Ukrainer bei den Präsidentschaftswahlen kaum zwischen "alten" und "neuen" Politikern wählen. Dabei zeigen Umfragen schon lange, dass die Bürger der Ukraine neue Repräsentanten wollen. Letztere sind auf nationaler Ebene aber noch selten oder haben keine Macht. Reichweitenstarke TV-Kanäle von Oligarchen und ein Wahlrecht, das Millionensummen und Politik intransparent miteinander verflicht, versperren den Weg zu Bekanntheit und Ämtern.

Revolution an der Wahlurne

Selenskyj hatte, was Neupolitiker sonst kaum haben: Zugang zu den Medien. Über das Fernsehen erreichte er Wähler im ganzen Land. Und als erfolgreicher TV-Produzent mit eigenem Vermögen konnte er mit einer professionellen Kampagne auf YouTube und Instagram auch junge Leute zur Stimmabgabe motivieren. Er brach so aus dem Stand alte Abstimmungsmuster: mit Ausnahme von Lwiw gewann er in allen Regionen.

Das lag auch daran, dass der kurz "Se" genannte Politneuling sich gegen "unaufgeklärten" Patriotismus wandte. Damit hatten einige die weitere Konfrontationslinie "Sicherheit gegen Freiheit" (Angelina Karjakina, siehe Externer Link: https://www.eurozine.com/security-over-liberty/) eröffnet. Das Ziel: eigenes Fehlverhalten rechtfertigen. Das Narrativ: Die Regierung müsse von allen unterstützt werden, Kritik schwäche die Ukraine und spiele dem Kreml in die Hände. Letzteres stimmt leider, sollte aber kein Grund sein, Defizite zu verschweigen. Ukrainische Journalisten, die aus von Russland besetzten Gebieten berichteten und neben der russischen Aggression auch ukrainisches Fehlverhalten ansprachen, wurden als parteiisch oder gefährlich abgestempelt, kurz: als unpatriotisch. Diese Haltung gipfelte in Poroschenkos Wahlslogan "Armee, Sprache, Glaube". Es ist das Verdienst der ukrainischen Bürger, dass sie diesem Betrug nicht aufgesessen sind.

Selenskyj hat es nicht geschadet, dass er die ukrainische Sprache und Kultur aufs Korn genommen hat. Das dürfte daran liegen, dass er auch sich selbst auf die Schippe nimmt: Als ein Politiker seinen Patriotismus in Frage stellte, drohte er damit, seine jüdische Mutter auf den Ankläger zu hetzen.

Hohe Erwartungen

Der Wunsch der großen Mehrheit ist euroatlantische Integration. Davon zeugt die Europafahne, die in der Ukraine häufig neben der Nationalflagge weht. Die EU gilt als Rettungsanker, mit dem Korruption und schlechter Regierungsführung begegnet werden soll. Diese beiden Probleme sehen die Ukrainer als größte Herausforderung neben dem Krieg.

Weder ein EU-Beitritt noch eine NATO-Mitgliedschaft sind in der kommenden Amtszeit realistisch. Das liegt auch an den Strukturen und am Zustand der EU. Die Unaufrichtigkeit mancher Politiker in der EU und der Ukraine belastet die Beziehungen, auch wenn Brüssel unterhalb der Beitrittsschwelle viel für die Ukraine tut. Reformen sind vor allem dort gelungen, wo die Interessen mächtiger Eliten nicht berührt wurden. Die Ausnahmen im Banken- und Energiesektor oder im Gesundheitsbereich zeigen aber, dass der Druck der ukrainischen Zivilgesellschaft und der internationalen Partner wirkt.

Das überzeugende Wahlergebnis ist ein schwieriges Mandat. Die Erwartungen der Wähler sind nicht nur hoch, sondern auch divers: Es gibt zum Beispiel große Unterschiede zwischen den Erwartungen der Wähler in Kiew und in ländlichen Gegenden oder auch zwischen den Erwartungen derjenigen, denen es wirtschaftlich gut geht, und denen, die kaum über die Runden kommen. Manche betonen, dass in der Ukraine zurzeit schwierigste Bedingungen herrschen und dass nachhaltige Reformen Zeit brauchen. Andere sind enttäuscht darüber, dass nach wie vor Partikularinteressen die Politik bestimmen, dass der wirtschaftliche Aufschwung ausbleibt, und darüber, dass Verantwortliche nicht für Fehlverhalten zur Rechenschaft gezogen werden.

Ausblick auf die Parlamentswahlen

Die erste Herausforderung für den neuen Präsidenten ist das Parlament. Das semipräsidentielle Regierungssystem der Ukraine erfordert in vielen Fällen sowohl die Zustimmung des Präsidenten als auch des Parlaments oder des Premierministers. Beispielsweise ernennt der Präsident die Gouverneure, die für die Regierungsführung in den Regionen eine wichtige Rolle spielen, aber der Premierminister muss zustimmen.

Nachdem sich die Wahlkommission mit der Verkündung des amtlichen Endergebnisses am 30. April sehr lange Zeit gelassen hat, muss die Werchowna Rada nun innerhalb von 30 Tagen das Datum der Vereidigung Selenskyjs bestimmen. Danach kann dieser seine Vertreter in die Präsidialadministration, den Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrat, die Nationalbank und das Verfassungsgericht berufen und den Posten des Generalstabschefs besetzen. Den Verteidigungsminister, den Außenminister, den Chef des noch immer mächtigen Sicherheitsdienstes und den Generalstaatsanwalt kann er nominieren, aber diese Nominierungen erfordern die Bestätigung durch das Parlament.

Wenn die neue Rada gewählt ist, gilt es, eine Koalition zu bilden, die den Premierminister, der vom Präsidenten vorgeschlagen wird, mit einfacher Mehrheit bestätigt. Der aktuelle Premier Wolodymyr Hrojsman hat sich schon lange von Poroschenko distanziert. Wie andere einflussreiche Politiker wird er abwägen, ob er eine eigene Partei gründet oder sich auf andere Art und Weise vernetzt Einfluss verschafft.

Aktuelle Versuche, noch rasch Gesetze zu verabschieden, die die Kompetenzen des Präsidenten beschneiden, dürften für Selenskyj keine Gefahr darstellen. Denn immerhin ist das klare Wahlergebnis auch eine Botschaft an die Rada, deren Beliebtheit gering ist. Für Selenskyj ist es wichtig, sich bis zur Parlamentswahl respektabel zu halten und dann eigene Abgeordnete zu gewinnen, unabhängig davon, ob es bei der Parlamentswahl im Oktober bleibt oder ob die Wahl vorgezogen wird.

Gegenwärtig liegt Selenskyjs Partei, benannt nach seiner Serie "Diener des Volkes", in Umfragen bei über 20 Prozent. Das entspricht etwa dem Wert, mit dem 2014 die Präsidentenpartei nach Verhältniswahlrecht (nach dem zurzeit die Hälfte der Abgeordneten gewählt wird) abschnitt. Zur stärksten Fraktion wurde die Partei nur, weil ihre Kandidaten in den Einzelwahlkreisen (über die zurzeit die zweite Hälfte der Abgeordneten per Mehrheitswahlrecht gewählt wird) überwiegend gewannen. Mit Geld und Einfluss Abgeordnete befördern – das kann nun auch Selenskyj. Das von Poroschenko 2014 versprochene neue Wahlrecht – ein reines Verhältniswahlrecht mit offenen Parteilisten, das den Wählern erlauben würde, gezielt Abgeordnete zu bestimmen – wurde nicht eingeführt. Reformpartner der Ukraine sollten hieraus lernen und den Neupräsidenten "Se" rechtzeitig vor der Parlamentswahl 2024 an eigene Versprechungen für ein neues Wahlrecht erinnern.

Der unberechenbare Präsident

Innenpolitisch wird "Se" am Kampf gegen die Korruption und am wirtschaftlichen Aufschwung gemessen werden. Das ist folgerichtig, denn an gesicherten Eigentumsrechten hängen Investitionen, ausländische wie inländische, die der Wirtschaft fehlen. Die Gretchenfrage ist, ob Selenskyj zuverlässig für das steht, was er verspricht: Transparenz, Fairness, Teilhabe an politischen Entscheidungen, das Aufbrechen von Monopolen sowie Rechtsstaatlichkeit und Justizreform. Seine Beziehungen zum berüchtigten Oligarchen Ihor Kolomojskyj lassen zumindest daran zweifeln, dass Selenskyj unabhängig ist. Den Aufbau seiner Partei jedenfalls hat er nicht demokratisch gestaltet, obwohl es für sein Team ein Leichtes gewesen wäre, 10.000 Unterschriften zu sammeln und so den in der Ukraine vorgegebenen Prozess der Parteigründung umzusetzen. Stattdessen bediente er sich einer alten Parteihülle (Partei des entscheidenden Wandels) und widmete diese um. Und was Selenskyjs Kommunikationsstrategie angeht, kann man festhalten: "Se" kommuniziert virtuell mit den Bürgern, die er über die sozialen Medien zum Mitmachen aufruft, bislang unverbindlich zu seinem eigenen Nutzen.

Im Kreml lacht keiner über Selenskyj

Für den Kreml ist Selenskyj, der in Russland als Schauspieler gut bekannt ist, eine Herausforderung. Russische Bürger verfolgen seine Auftritte in den sozialen Medien mit neidvollem Interesse. Noch am Wahlabend verkündete Selenskyj – für den Kreml ein Alptraum –: "Ich bin noch nicht Präsident, ich kann mich noch als Bürger an alle Länder der früheren UdSSR wenden und sagen: Alles ist möglich!"

Dass in der Ukraine ein Jude durch einen friedlichen Machtwechsel Präsident werden konnte, widerspricht dem Feindbild von der Faschistenhochburg und vom "failed state". Und Putins Offensive, Ukrainern russische Pässe anzubieten, demaskierte Selenskjy als Einladung, sich in die russische Unfreiheit zu begeben.

Dass der Verteidigungsexperte Iwan Aparschyn nun zu Selenskyjs Team gehört, lässt auf die weitere Professionalisierung der ukrainischen Armee hoffen und auf mehr Transparenz im Verteidigungssektor, insbesondere im undurchsichtigen staatlichen Rüstungskonzern UkrOboronProm.

Ihre innenpolitischen Herausforderungen müssen die Ukrainer in erster Linie selbst bewältigen. Was den Krieg angeht, den Russland gegen die Ukraine führt, kann Europa mehr tun. Ein Anfang wäre damit gemacht, die zentrale Rolle Russlands als Kriegspartei klar zu benennen. Es ist perfide, wenn Putins Sprecher die Legitimität der Wahl anzweifelt, weil drei Millionen Ukrainer in von prorussischen Separatisten besetzten Gebieten nicht hätten abstimmen können.

Fussnoten

Miriam Kosmehl leitete von 2012 bis 2017 das Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Kiew. Heute arbeitet sie als Senior Expert Osteuropa bei der Bertelsmann Stiftung.