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Kommentar: Selenskyjs Dilemma | Ukraine-Analysen | bpb.de

Ukraine Herausforderungen für die ukrainische Landwirtschaft (13.12.2024) Editorial: Über 1.000 Tage Angriffskrieg. Wohin geht es für die ukrainische Landwirtschaft? Analyse: Die ukrainische Landwirtschaft und die EU: Passt das? Analyse: Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf den landwirtschaftlichen Arbeitsmarkt der Ukraine Chronik: Hinweis auf die Online-Chronik Verhältnis zur belarusischen Opposition (28.11.2024) Analyse: Kyjiws strategische Distanz zur belarusischen Opposition dekoder: "Die Belarussen müssen verstehen, dass unsere Zukunft von uns selbst abhängt" Umfragen: Meinung in der Ukraine zu Belarus’ Kriegsbeteiligung Umfragen: Unterstützung in Belarus von Russlands Krieg gegen die Ukraine Chronik: Hinweis auf die Online-Chronik Energieversorgung / Grüne Transformation (09.10.2024) Analyse: (Wie) Lässt sich die Energiekrise in der Ukraine abwenden? Analyse: Eine stärkere Integration des Stromnetzes in die EU kann der Ukraine helfen, die nächsten Winter zu überstehen Statistik: Stromimporte aus EU-Staaten Analyse: Resilienz wieder aufbauen: Die Rolle des ukrainischen Klimabüros bei der grünen Transformation Chronik: Hinweis auf die Online-Chronik EU-Beitrittsprozess (29.07.2024) Analyse: Die Ukraine und die EU: Erweiterungspolitik ohne Alternative? Analyse: Wie schnell bewegt sich die Ukraine auf die EU zu, in welchen Bereichen gibt es große Fortschritte und in welchen nicht? Statistik: Stand der Ukraine im EU-Beitrittsprozess Umfragen: Öffentliche Meinung in der Ukraine und in ausgewählten EU-Ländern zum EU-Beitritt der Ukraine Chronik: Hinweis auf die Online-Chronik Beziehungen zu Polen / Beziehungen zur Slowakei (26.06.2024) Analyse: Die Entwicklung der ukrainisch-polnischen Beziehungen seit Beginn der russischen Vollinvasion Analyse: Pragmatisch, indifferent, gut? Über den Zustand der ukrainisch-slowakischen Beziehungen Statistik: Handel der Ukraine mit ihren Nachbarländern Statistik: Ukrainische Geflüchtete in den Nachbarstaaten der Ukraine Umfragen: Die Einstellung der ukrainischen Bevölkerung zu den Nachbarländern der Ukraine Umfragen: Die Einstellung der polnischen Bevölkerung zu Geflüchteten aus der Ukraine Chronik: 21. bis 31. Mai 2024 Exekutiv-legislative Beziehungen und die Zentralisierung der Macht im Krieg (30.05.2024) Analyse: Das Verhältnis zwischen Legislative und Exekutive in Zeiten des Krieges: Die Ukraine seit Beginn der russischen Vollinvasion Analyse: Wie schnell werden Gesetzentwürfe von der Werchowna Rada verabschiedet? Wie kann der Prozess effizienter gestaltet werden? Chronik: 1. bis 30. April 2024 Arbeitsmarktintegration ukrainischer Geflüchteter / Ukrainische Community in Deutschland / Deutsch-ukrainische kommunale Partnerschaften (29.04.2024) Analyse: Arbeitsmarktintegration der ukrainischen Geflüchteten in Deutschland Statistik: Integration in den Arbeitsmarkt Analyse: Die ukrainische Community in Deutschland Analyse: (Un)genutzte Potenziale in den deutsch-ukrainischen Kommunal- und Regionalpartnerschaften Dokumentation: Übersicht deutsch-ukrainischer Partnerschaften Chronik: 11. bis 31. März 2024 10 Jahre Krim-Annexion / Donbas nach der Annexion 2022 (21.03.2024) Analyse: Zehn Jahre russische Annexion: Die aktuelle Lage auf der Krim Dokumentation: Reporters Without Borders: Ten years of Russian occupation in Crimea: a decade of repression of local independent journalism Dokumentation: Europarat: Crimean Tatars’ struggle for human rights Statistik: Repressive Gerichtsverfahren auf der Krim und in Sewastopol Analyse: Die Lage im annektierten Donbas zwei Jahre nach dem 24. Februar 2022 Umfragen: Öffentliche Meinung zur Krim und zum Donbas Chronik: 22. Februar bis 10. März 2024 Wirtschaft / Rohstoffe / Kriegsschäden und Wiederaufbau (15.03.2024) Analyse: Wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit in einer schwierigen Gesamtlage Analyse: Die Rohstoffe der Ukraine und ihre strategische Bedeutung Analyse: Schäden und Wiederaufbau der ukrainischen Infrastruktur Chronik: 11. Januar bis 21. Februar 2024 Zwei Jahre Angriffskrieg: Rückblick, aktuelle Lage und Ausblick (23.02.2024) Analyse: Zwei Jahre russischer Angriffskrieg. Welche politischen, militärischen und strategischen Erkenntnisse lassen sich ziehen? Kommentar: Die aktuelle Lage an der Front Kommentar: Wie sich der russisch-ukrainische Krieg 2024 entwickeln könnte Kommentar: Die Ukraine wird sich nicht durchsetzen, wenn der Westen seine eigene Handlungsfähigkeit verleugnet Kommentar: Wie funktioniert das ukrainische Parlament in Kriegszeiten? Kommentar: Wie die Wahrnehmung des Staates sich durch den Krieg gewandelt hat Umfragen: Stimmung in der Bevölkerung Statistik: Verluste an Militärmaterial der russischen und ukrainischen Armee Statistik: Russische Raketen- und Drohnenangriffe, Verbrauch von Artilleriegranaten, Materialverluste im Kampf um Awdijiwka Folgen des russischen Angriffskriegs für die ukrainische Landwirtschaft (09.02.2024) Analyse: Zwischenbilanz zum Krieg: Schäden und Verluste der ukrainischen Landwirtschaft Analyse: Satellitendaten zeigen hohen Verlust an ukrainischen Anbauflächen als Folge der russischen Invasion Statistik: Getreideexporte Chronik: 17. Dezember 2023 bis 10. Januar 2024 Kunst, Musik und Krieg (18.01.2024) Analyse: Ukrainische Künstler:innen im Widerstand gegen die großangelegte Invasion: Dekolonialisierung in der Kunst nach dem 24. Februar 2022 Analyse: Musik und Krieg Dokumentation: Ukrainische Musiker:innen, die durch die russische Invasion umgekommen sind Statistik: "De-Russifizierung" der ukrainischen Youtube-Musik-Charts Umfragen: Änderung des Hörverhaltens seit der großangelegten Invasion Chronik: 21. November bis 16. Dezember 2023 Weitere Angebote der bpb Redaktion

Kommentar: Selenskyjs Dilemma

Steffen Halling Von Steffen Halling (Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen)

/ 4 Minuten zu lesen

Petro Poroschenko ist mit seinem patriotischen Wahlkampf gescheitert. Die große Mehrheit der Ukrainer zeigte sich von seiner Politik und dem fehlenden Einlösen von Wahlversprechen enttäuscht. Beim Wahlsieger Selenskyj handelt es sich um einen Hoffnungsträger, an den nun eine Bandbreite von Erwartungen gestellt wird.

Der neu gewählte Präsident Wolodymyr Selenskyj grüßt seine Unterstützer bei seiner Amtseinführung am 20. Mai 2019 in Kiew. (© picture alliance/Anna Marchenko/TASS/dpa)

Einleitung

Noch nie hat ein Kandidat in einer ukrainischen Präsidentschaftsstichwahl einen so deutlichen Sieg eingefahren wie der Politiknovize Wolodymyr Selenskyj. Durch breite Unterstützung in nahezu allen Landesteilen der Ukraine ist es ihm gelungen, mit mehr als 73 Prozent der abgegebenen Stimmen ins höchste Amt des ukrainischen Staates gewählt zu werden. Lediglich in der westukrainischen Oblast Lwiw wählte eine Mehrheit den bisherigen Amtsinhaber Petro Poroschenko, der 2014 noch im ersten Wahlgang zum Präsidenten gewählt wurde. Seine Parole "Armee, Sprache, Glaube" sicherte ihm nun zwar den knappen Einzug in die Stichwahl. Dies erwies sich für Poroschenko aber als Pyrrhussieg, weil ein voll und ganz auf Patriotismus setzender Wahlkampf den Nerv der Zeit verfehlte, und zwar nicht nur in den östlichen und südlichen Regionen der Ukraine.

Hoffnungsträger mit Außenseiterbonus

Dass Selenskyj die Stichwahl am 21. April derart klar für sich entschieden hat, lässt sich damit erklären, dass die Mehrheit der ukrainischen Wählerinnen und Wähler augenscheinlich zutiefst unzufrieden mit der Arbeit Poroschenkos gewesen ist. Vor allem ihm wird angelastet, dass sich die Lebensverhältnisse in der Ukraine entgegen allen Versprechungen in den vergangenen Jahren nicht verbessert haben. Reformfortschritte sind gleichzeitig zu selten im ukrainischen Alltag angekommen und wurden zu oft auch durch Korruptionsaffären im engsten Umfeld des Präsidenten konterkariert. Das Phänomen Selenskyj jedoch auf eine Protestwahl zu reduzieren, bei der es den Ukrainerinnen und Ukrainern einzig darum gegangen sei, Poroschenko abzuwählen, scheint dennoch zu kurz gegriffen. Selenskyjs deutlicher Wahlerfolg spricht ebenso dafür, dass er für viele ukrainische Wählerinnen und Wähler auch ein Hoffnungsträger ist. Sein äußerst dünnes politisches Programm sowie seine politische Unerfahrenheit waren für Selenskyj dabei kein Makel. Im Gegenteil: Fehlende Erfahrung und eine leicht verständliche Sprache haben seinen Außenseiterbonus gestärkt und sein Image, jemand Einfaches "aus dem Volk" zu sein, befördert. Somit ist es Selenskyj auch gelungen, unterschiedlichen Wählermilieus als Projektionsfläche für unterschiedliche Annahmen und Erwartungen zu dienen.

Das künftige Verhältnis zwischen Präsident und Parlament ist entscheidend

Die Gefahr, dass Selenskyj die ihm gegenüber diffusen Erwartungen nicht erfüllen und früher oder später selbst Enttäuschung säen wird, ist allerdings groß. Dies gilt mit Blick auf sensible und potenziell konfliktträchtige Politikfelder, wie etwa die Geschichtspolitik, die Sprachenpolitik, die sicherheitspolitische Ausrichtung der Ukraine oder auch den Umgang mit Russland und den besetzten Gebieten im Donbas. Hier wird Selenskyj, sobald er sich politisch positionieren muss, zwangsläufig Teile seiner jetzigen Wählerschaft verprellen. Die noch größere Herausforderung für Selenskyj besteht jedoch darin, dass er es auch bei Themen, die sehr breiten Rückhalt in der Bevölkerung finden, allen voran der Korruptionsbekämpfung, schwierig haben wird, die an ihn adressierten Heilsbringer-Erwartungen zu erfüllen. Trotz des historisch deutlichen Wahlergebnisses bleibt es am Ende nämlich unklar, wie viel beziehungsweise wie wenig Macht Selenskyj wirklich haben wird. Dies wird vor allem davon abhängen, wie sich das Verhältnis zwischen dem Präsidenten auf der einen und dem Parlament und der Regierung auf der anderen Seite in Zukunft ausgestalten wird. Und genau hier zeigt sich das Dilemma Selenskyjs: Es würde ihm zwar durchaus zupasskommen, das Parlament nach seiner Amtseinführung umgehend aufzulösen und bei vorgezogenen Neuwahlen den Schwung aus der Präsidentschaftswahl mitzunehmen, um eine möglichst starke propräsidentielle Parlamentsfraktion in der Werchowna Rada zu etablieren. Abgesehen davon, dass das Parlament seine Inauguration voraussichtlich so lange hinauszögern wird, bis eine vorzeitige Auflösung der Werchowna Rada ausgeschlossen ist, fehlt es Selenskyj bislang jedoch auch an einer entsprechend aufgestellten Partei, die einen grundlegenden Wandel mittragen könnte. Sollte es wider Erwarten dennoch zu vorgezogenen Neuwahlen kommen, so wäre dies zudem eine Garantie dafür, dass das zukünftige Parlament erneut nach dem herkömmlichen gemischten Wahlsystem gewählt würde und somit fest verankerter Dreh- und Angelpunkt der Einflussnahme konkurrierender und korrupter Elitengruppen bliebe. Alternativ wird Selenskyj versuchen müssen, (s)eine Partei für die reguläre Parlamentswahl im Oktober zu positionieren. Dies würde ihm nicht nur mehr Zeit beim Aufbau dieser politischen Kraft bringen, sondern auch seinen progressiven Mitstreitern zumindest die Möglichkeit offenhalten, weiterhin für eine Reform des Wahlsystems zu werben. Selenskyj müsste in der Zwischenzeit jedoch als schwacher Präsident mit jenen Elitengruppen kooperieren, von denen er sich zu distanzieren gelobte. Es ist gut möglich, dass dann im Herbst von seinem Frühjahrsglanz nicht mehr allzu viel übrig bliebe.

Fussnoten

Steffen Halling ist Doktorand an der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen und Gastwissenschaftler in der Forschungsgruppe Osteuropa und Eurasien bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Er forscht zu Oligarchen in der Ukraine und ihren Legitimationsstrategien. Ein weiterer Artikel von Halling zu den Wahlen in der Ukraine findet sich unter Externer Link: https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2019A02_hln.pdf (Steffen Halling: Das ukrainische "Superwahljahr". Der Schlüssel für innerstaatliche Reformen liegt in der Parlamentswahl, SWP-Aktuell, Nr. 2, Januar 2019).