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Analyse: Freie Wahlen mit Hindernissen – die ukrainischen Präsidentschaftswahlen 2019 | Ukraine-Analysen | bpb.de

Ukraine Arbeitsmarktintegration ukrainischer Geflüchteter / Ukrainische Community in Deutschland / Deutsch-ukrainische kommunale Partnerschaften (29.04.2024) Analyse: Arbeitsmarktintegration der ukrainischen Geflüchteten in Deutschland Statistik: Integration in den Arbeitsmarkt Analyse: Die ukrainische Community in Deutschland Analyse: (Un)genutzte Potenziale in den deutsch-ukrainischen Kommunal- und Regionalpartnerschaften Dokumentation: Übersicht deutsch-ukrainischer Partnerschaften Chronik: 11. bis 31. März 2024 10 Jahre Krim-Annexion / Donbas nach der Annexion 2022 (21.03.2024) Analyse: Zehn Jahre russische Annexion: Die aktuelle Lage auf der Krim Dokumentation: Reporters Without Borders: Ten years of Russian occupation in Crimea: a decade of repression of local independent journalism Dokumentation: Europarat: Crimean Tatars’ struggle for human rights Statistik: Repressive Gerichtsverfahren auf der Krim und in Sewastopol Analyse: Die Lage im annektierten Donbas zwei Jahre nach dem 24. Februar 2022 Umfragen: Öffentliche Meinung zur Krim und zum Donbas Chronik: 22. Februar bis 10. März 2024 Wirtschaft / Rohstoffe / Kriegsschäden und Wiederaufbau Analyse: Wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit in einer schwierigen Gesamtlage Analyse: Die Rohstoffe der Ukraine und ihre strategische Bedeutung Analyse: Schäden und Wiederaufbau der ukrainischen Infrastruktur Chronik: 11. Januar bis 21. Februar 2024 Zwei Jahre Angriffskrieg: Rückblick, aktuelle Lage und Ausblick (23.02.2024) Analyse: Zwei Jahre russischer Angriffskrieg. Welche politischen, militärischen und strategischen Erkenntnisse lassen sich ziehen? Kommentar: Die aktuelle Lage an der Front Kommentar: Wie sich der russisch-ukrainische Krieg 2024 entwickeln könnte Kommentar: Die Ukraine wird sich nicht durchsetzen, wenn der Westen seine eigene Handlungsfähigkeit verleugnet Kommentar: Wie funktioniert das ukrainische Parlament in Kriegszeiten? Kommentar: Wie die Wahrnehmung des Staates sich durch den Krieg gewandelt hat Umfragen: Stimmung in der Bevölkerung Statistik: Verluste an Militärmaterial der russischen und ukrainischen Armee Statistik: Russische Raketen- und Drohnenangriffe, Verbrauch von Artilleriegranaten, Materialverluste im Kampf um Awdijiwka Folgen des russischen Angriffskriegs für die ukrainische Landwirtschaft (09.02.2024) Analyse: Zwischenbilanz zum Krieg: Schäden und Verluste der ukrainischen Landwirtschaft Analyse: Satellitendaten zeigen hohen Verlust an ukrainischen Anbauflächen als Folge der russischen Invasion Statistik: Getreideexporte Chronik: 17. Dezember 2023 bis 10. Januar 2024 Kunst, Musik und Krieg (18.01.2024) Analyse: Ukrainische Künstler:innen im Widerstand gegen die großangelegte Invasion: Dekolonialisierung in der Kunst nach dem 24. Februar 2022 Analyse: Musik und Krieg Dokumentation: Ukrainische Musiker:innen, die durch die russische Invasion umgekommen sind Statistik: "De-Russifizierung" der ukrainischen Youtube-Musik-Charts Umfragen: Änderung des Hörverhaltens seit der großangelegten Invasion Chronik: 21. November bis 16. Dezember 2023 Eintritt in eine neue Kriegsphase? / Selenskyjs Appelle an Russland (19.12.2023) Interview: "Dieser Krieg bleibt in erster Linie ein Artilleriekrieg, der die Munitionslieferungen zu einem sehr wichtigen Faktor macht" Statistik: Geländegewinne seit Beginn der Großinvasion Kommentar: Deutschland: Ein Schlüsselakteur in der neuen Kriegsphase? Statistik: Internationale Hilfen für die Ukraine Analyse: Selenskyjs Appelle an russische Staatsbürger:innen im ersten Jahr des russischen Aggressionskriegs gegen die Ukraine Dokumentation: Ansprache des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an das russische Volk am Vorabend der großangelegten Invasion Chronik: 28. Oktober bis 20. November 2023 Der Globale Süden und der Krieg (24.11.2023) Analyse: Der Blick aus dem Süden: Lateinamerikanische Perspektiven auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine Analyse: Russlands Krieg gegen die Ukraine und Afrika: Warum die Afrikanische Union zwar ambitioniert, aber gespalten ist Analyse: Eine Kritik der zivilisatorischen Kriegsdiplomatie der Ukraine im Globalen Süden Umfragen: Umfragedaten: Der Globale Süden und Russlands Krieg gegen die Ukraine Dokumentation: Abstimmungen in der Generalversammlung der Vereinten Nationen Chronik: 16. bis 27. Oktober 2023 Zwischen Resilienz und Trauma: Mentale Gesundheit (02.11.2023) Analyse: Mentale Gesundheit in Zeiten des Krieges Karte: Angriffe auf die Gesundheitsinfrastruktur der Ukraine Analyse: Den Herausforderungen für die psychische Gesundheit ukrainischer Veteran:innen begegnen Umfragen: Umfragen zur mentalen Gesundheit Statistik: Mentale Gesundheit: Die Ukraine im internationalen Vergleich Chronik: 1. bis 15. Oktober 2023 Ukraine-Krieg in deutschen Medien (05.10.2023) Kommentar: Der Kampf um die Deutungshoheit. Deutsche Medien zu Ukraine, Krim-Annexion und Russlands Rolle im Jahr 2014 Analyse: Die Qualität der Medienberichterstattung über Russlands Krieg gegen die Ukraine Analyse: Russlands Aggression gegenüber der Ukraine in den deutschen Talkshows 2013–2023. Eine empirische Analyse der Studiogäste Chronik: 1. bis 30. September 2023 Ökologische Kriegsfolgen / Kachowka-Staudamm (19.09.2023) Analyse: Die ökologischen Folgen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine Analyse: Ökozid: Die katastrophalen Folgen der Zerstörung des Kachowka-Staudamms Dokumentation: Auswahl kriegsbedingter Umweltschäden seit Beginn der großangelegten russischen Invasion bis zur Zerstörung des Kachowka-Staudamms Statistik: Statistiken zu Umweltschäden Zivilgesellschaft / Lokale Selbstverwaltung und Resilienz (14.07.2023) Von der Redaktion: Sommerpause – und eine Ankündigung Analyse: Die neuen Facetten der ukrainischen Zivilgesellschaft Statistik: Entwicklung der ukrainischen Zivilgesellschaft Analyse: Der Beitrag lokaler Selbstverwaltungsbehörden zur demokratischen Resilienz der Ukraine Wissenschaft im Krieg (27.06.2023) Kommentar: Zum Zustand der ukrainischen Wissenschaft in Zeiten des Krieges Kommentar: Ein Brief aus Charkiw: Ein ukrainisches Wissenschaftszentrum in Kriegszeiten Kommentar: Warum die "Russian Studies" im Westen versagt haben, Aufschluss über Russland und die Ukraine zu liefern Kommentar: Mehr Öffentlichkeit wagen. Ein Erfahrungsbericht Statistik: Auswirkungen des Krieges auf Forschung und Wissenschaft der Ukraine Innenpolitik / Eliten (26.05.2023) Analyse: Zwischen Kriegsrecht und Reformen. Die innenpolitische Entwicklung der Ukraine Analyse: Die politischen Eliten der Ukraine im Wandel Statistik: Wandel der politischen Elite in der Ukraine im Vergleich Chronik: 5. April bis 3. Mai 2023 Sprache in Zeiten des Krieges (10.05.2023) Analyse: Die Ukrainer sprechen jetzt hauptsächlich Ukrainisch – sagen sie Analyse: Was motiviert Ukrainer:innen, vermehrt Ukrainisch zu sprechen? Analyse: Surschyk in der Ukraine: zwischen Sprachideologie und Usus Chronik: 08. März bis 4. April 2023 Sozialpolitik (27.04.2023) Analyse: Das Sozialsystem in der Ukraine: Was ist nötig, damit es unter der schweren Last des Krieges besteht? 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Annual Report (Ausschnitt) Dokumentation: Terror, disappearances and mass deportation Dokumentation: Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) gegen Wladimir Putin wegen der Verschleppung von Kindern aus besetzten ukrainischen Gebieten nach Russland Analyse: Die Wiedereingliederung des Donbas nach dem Krieg: eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung Chronik 11. bis 21. Februar 2023 Internationaler Frauentag, Feminismus und Krieg (13.03.2023) Analyse: 8. 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Analyse: Freie Wahlen mit Hindernissen – die ukrainischen Präsidentschaftswahlen 2019

Stefanie Schiffer Berlin) Von Stefanie Schiffer (Europäischer Austausch

/ 10 Minuten zu lesen

Insgesamt liefen die Präsidentschaftswahlen in der Ukraine demokratisch und konfliktfrei ab. Während bei beiden Wahlgängen keine bedeutenden Unregelmäßigkeiten aufgefallen sind, ließen sich die Kontrolle der Wahlkampffinanzierung, der ungleiche Umgang mit Medien sowie der Einsatz von Staatsangestellten und staatlichen Finanzmitteln im Wahlkampf jedoch noch verbessern.

Am 30. April 2019 wurde von der zentralen Wahlkommission in Kiew verkündet, dass Wolodymyr Selenskyj den zweiten Wahlgang der ukrainischen Präsidentschaftswahlen mit 73,22 Prozent der Stimmen gewinnt. (© picture alliance/ZUMA Press)

Zusammenfassung

Die ukrainischen Präsidentschaftswahlen 2019 haben wieder einmal – zum sechsten Mal in Folge – bewiesen, dass die ukrainische Demokratie gefestigt genug ist, um einen friedlichen Machtwechsel zu ermöglichen. Der scheidende Präsident Petro Poroschenko hat seine Niederlage akzeptiert und den Weg für seinen Nachfolger Wolodymyr Selenskyj frei gemacht. Dass solch ein friedlicher Machtwechsel, wie wir ihn in der Ukraine beobachtet haben, keine Selbstverständlichkeit ist, zeigt ein Blick auf die beiden großen postsowjetischen Nachbarstaaten, Belarus und die Russische Föderation, in denen es den Präsidenten Aljaksandr Lukaschenka und Wladimir Putin seit 1994 bzw. seit 2000 gelingt, eine durch Wahlen legitimierte Machtübergabe zu verhindern. Was zeichnete die Präsidentschaftswahlen 2019 in der Ukraine aus? Wo lagen ihre Schwachpunkte und welche Herausforderungen und Aufgaben liegen vor der ukrainischen Gesellschaft und ihren internationalen Partnern bei der Verbesserung der Wahlprozesse für die noch in diesem Jahr anstehenden Parlamentswahlen? Diese Fragen beantwortet der vorliegende Beitrag.

Fairer Wahltag – schmutzige Kampagne

Der Verlauf sowohl des ersten als auch des zweiten Wahlgangs wurde von einheimischen wie von internationalen Beobachtern weitgehend positiv beurteilt. Die notierten Verstöße haben sowohl nach Einschätzung des Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR), das die Langzeitbeobachtung von Wahlen für die OSZE durchführt, als auch nach Einschätzung der einheimischen Wahlbeobachtungsorganisationen OPORA und KWU (Komitee der Wähler der Ukraine) insgesamt keinen Einfluss auf das Ergebnis gehabt (zur OSZE/ODIHR vgl. Externer Link: https://www.osce.org/odihr/elections/ukraine/417821?download=true).

Die von OPORA im ersten Wahlgang am häufigsten beobachtete Unregelmäßigkeit bestand in Versuchen von Wählern, ohne ausreichende Ausweisdokumente abzustimmen (14,5 Prozent der beobachteten Wahllokale) und in Verstößen gegen das Wahlgeheimnis – wenn Wählerinnen und Wähler ihren ausgefüllten Stimmzettel vorsätzlich anderen Personen zeigten (10,4 Prozent der beobachteten Wahllokale). (Vgl. Externer Link: https://www.oporaua.org/en/statement/vybory/vybory-prezydenta/vybory-prezydenta-2019/17940-zaiava-gromadianskoyi-merezhi-opora-shchodo-poperednikh-rezultativ-sposterezhennia-na-chergovikh-viborakh-prezidenta-ukrayini) Bei der Stichwahl waren beide Formen der Verstöße rückläufig (5,5 Prozent bzw. 5 Prozent). Das Fotografieren ausgefüllter Stimmzettel wurde von OPORA im ersten Wahlgang in 4,8 Prozent und bei der Stichwahl in 3,3 Prozent der Wahllokale beobachtet. Fotoaufnahmen von Stimmzetteln sind verboten. Sie sind ein Indiz für illegalen Stimmenkauf, wobei das Foto des Stimmzettels der Beweis für die "erbrachte Leistung" ist. Die Abstimmung bei der Stichwahl wurde vom ODIHR in 99 Prozent der beobachteten Wahllokale als gut eingestuft, was mit den Beobachtungen von OPORA übereinstimmt.

Die offiziellen Wahlergebnisse des ersten und zweiten Wahlgangs wurden durch eine parallele Stimmauszählung, die OPORA mit ca.1.300 Wahlbeobachtern durchführte, bestätigt (vgl. Externer Link: https://www.oporaua.org/en/news/vybory/vybory-prezydenta/vybory-prezydenta-2019/17518-tsvk-pidvela-pidsumki-golosuvannia-voni-spivpali-z-ppg-opori und Externer Link: https://www.oporaua.org/en/news/vybory/vybory-prezydenta/vybory-prezydenta-2019/17941-rezultati-paralelnogo-pidrakhunku-golosiv-opori-u-drugomu-turi-viboriv"). Auch statistische Analysen des offiziellen Wahlergebnisses durch die russische "Bewegung zum Schutz der Wählerrechte "Golos"" – Golos ist Gründungsmitglied der Europäischen Plattform für Demokratische Wahlen (EPDE), musste seine Mitgliedschaft nach der Listung der EPDE als "unerwünschte Organisation" durch die russische Generalstaatsanwaltschaft im März 2018 aber vorübergehend aussetzen – bestätigen dessen Korrektheit. Zwar weisen die Ergebnisse des ersten Wahlgangs in der Oblast Donezk Unregelmäßigkeiten zugunsten von Petro Poroschenko auf, Roman Udot von Golos kommt aber zu dem Schluss, dass dies keinen Einfluss auf das Endergebnis gehabt habe (vgl. Externer Link: https://www.facebook.com/notes/roman-udot/2260172114005238/). Auch der Einsatz des Kandidaten Jurij Tymoschenko, der 0,6 Prozent der Stimmen erhielt, die sehr wahrscheinlich sonst Julija Tymoschenko zugutegekommen wären, habe auf das Erringen des zweiten und dritten Platzes im ersten Wahlgang keinen Einfluss gehabt.

In deutlichem Kontrast zu der weitgehend hohen Qualität beider Wahlgänge stehen allerdings die erhebliche Zahl von Gesetzesverstößen und die manipulative Ausnutzung von Gesetzeslücken während des Wahlkampfs. Die Hauptprobleme waren eine undurchsichtige Kampagnenfinanzierung, der ungleiche Zugang zu den Medien und der Einsatz von "administrativen Ressourcen".

Schwarze Kassen im Wahlkampf

Es gibt in der Ukraine keine gesetzliche Obergrenze für die Wahlkampffinanzierung, aber es besteht die Auflage, dass die Wahlteams alle Mittel über ein eigens einzurichtendes Konto verwalten müssen. Außerdem muss bei allen Erzeugnissen und Aktivitäten der Kampagnen auf die Finanzierungsquelle hingewiesen werden. Die einheimische Wahlbeobachtung durch OPORA und das KWU hat zahlreiche Fälle registriert, in denen diese Auflagen nicht eingehalten wurden (vgl. Externer Link: https://www.oporaua.org/en/statement/vybory/vybory-prezydenta/vybory-prezydenta-2019/17940-zaiava-gromadianskoyi-merezhi-opora-shchodo-poperednikh-rezultativ-sposterezhennia-na-chergovikh-viborakh-prezidenta-ukrayini). In vielen regionalen Medien und in Onlinemedien wurde "schwarze PR" betrieben – diffamierende Informationen über bestimmte Kandidaten wurden anonym veröffentlicht. Man muss daher davon ausgehen, dass die im Wahlkampf tatsächlich eingesetzten Finanzmittel die offiziell angegebenen Kosten erheblich überstiegen haben. Das ODIHR weist darauf hin, dass auch vor dem zweiten Wahlgang beide Kandidaten über Mittel verfügt hätten, die nicht aus den offiziellen Wahlkampfmitteln, sondern aus öffentlichen (im Falle von Poroschenko) oder unbekannten (im Falle von Selenskyj) dritten Quellen stammen würden. Die tatsächlichen Kosten des Wahlkampfs in der Ukraine sind aufgrund dieser Verschleierungen kaum zu ermitteln. Ukrainische Journalisten haben allerdings recherchiert, dass Präsident Poroschenko allein ca. 6,5 Millionen US-Dollar für TV-Werbung ausgegeben habe, gefolgt von Julija Tymoschenko mit 4,7 Millionen US-Dollar (vgl. Externer Link: http://euromaidanpress.com/2019/03/28/ukraines-heated-presidential-campaign-most-expensive-ever/). Eine zusätzliche Verzerrung ergibt sich dadurch, dass einzelne Kandidaten bereits Monate vor dem offiziellen Wahlkampfbeginn mit ihrer Wahlkampagne begannen. Die vorgezogene Wahlkampagne ist ein häufig beobachteter Regelverstoß. So hört man aus den ukrainischen Regionen derzeit, dass die Direktkandidaten dort bereits im April 2019 den inoffiziellen Wahlkampf für die – noch gar nicht amtlich erklärten – Parlamentswahlen im Herbst 2019 begonnen haben. Das ODIHR weist in seinem Bericht darauf hin, dass eine effektive Kontrolle des Einsatzes von Finanzmitteln im Wahlkampf durch die unklare Aufgabenverteilung zwischen der Zentralen Wahlkommission und der 2015 eingerichteten Nationalen Agentur zur Verhinderung von Korruption beeinträchtigt wird (vgl. Externer Link: https://www.osce.org/odihr/elections/ukraine/415733?download=true) – ein Manko, auf das bereits die Staatengruppe gegen Korruption (GRECO) des Europarats hingewiesen hat.

Um künftige Wahlen fairer und transparenter zu gestalten, ist eine gesetzliche Deckelung des zulässigen Budgets für Wahlkampffinanzierung denkbar – nicht weniger wichtig sind eine gute Koordination bei der Kontrolle der Mittelverwendung und wirksame Sanktionen für Verstöße gegen die gesetzlichen Regelungen. Wenn es der ukrainischen Zivilgesellschaft und der internationalen Gemeinschaft nicht gelingt, wirksame Mittel gegen die intransparente Wahlkampffinanzierung zu entwickeln, werden sich die oligarchischen Machtstrukturen in der ukrainischen Politik auf Dauer nicht aufbrechen lassen.

Schauspieler gegen Fernseholigarch

Einer der Winkelzüge dieses Wahlkampfes war der manipulative Umgang der Kandidaten mit den elektronischen Medien. Aufgrund der Schwäche der Printmedien im Land ist die Präsenz der Kandidaten im Fernsehen und den sozialen Medien von entscheidender Bedeutung für den Erfolg bei den Wahlen. Wolodymyr Selenskyj hatte mit seiner landesweit bekannten TV-Serie "Diener des Volkes", in der er den ehrlichen Lehrer Holoborodko darstellt, der überraschend Präsident der Ukraine wird, ein wirksames Instrument, um quasi aus dem Stand den im Kampf gegen die Korruption auffallend erfolglosen Amtsinhaber Poroschenko herauszufordern. Ausgestrahlt wird "Diener des Volkes" auf dem Fernsehsender "1+1", der dem Oligarchen und Kontrahenten Poroschenkos, Ihor Kolomojskyj, gehört. Petro Poroschenko, der sich nach seiner Wahl 2014 geweigert hatte, seinen eigenen Fernsehsender "Kanal 5" zu verkaufen, und der die Entwicklung eines unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunks – zuletzt mit der Entlassung des unbotsamen, aber integren Vorsitzenden Surab Alasanija – immer wieder hintertrieben hat, ist somit gewissermaßen selbst zum Opfer der immer noch zu 80 Prozent privatwirtschaftlichen und oligarchisch dominierten Medienlandschaft geworden. Als "Dieners des Volkes" bzw. Präsident Holoborodko aus der Fernsehserie, hatte Wolodymyr Selenskyj über den Sender seines Freundes Ihor Kolomojskyj praktisch uneingeschränkten Zugang zu seinen potenziellen Wählern. Dass am "Tag der Stille", dem Samstag vor dem ersten Wahlgang, auf diesem Kanal mehrere Episoden von "Diener des Volkes" ausgestrahlt wurden, ist ein offensichtliches Beispiel für die Skrupellosigkeit, mit der bei dieser Wahl die ukrainischen Wahlgesetze durch die Kandidaten zu ihren Gunsten ausgelegt wurden. Ebenfalls manipulativen Charakter hatte die öffentlichkeitswirksam ausgetragene "Debatte um die Debatte" in den Tagen zwischen dem ersten und dem zweiten Wahlgang. Gesetzlich vorgesehen ist eine mindestens einstündige Fernsehdebatte zwischen den beiden nach dem ersten Wahlgang Erstplatzierten. Nachdem der Kandidat Selenskyj wochenlang sowohl Interviews als auch die Teilnahme an Fernsehdebatten ausgeschlagen hatte, fand schließlich am Freitag vor dem "Tag der Stille" im Kiewer Olympiastadion ein einstündiges Gespräch zwischen ihm und Poroschenko statt, das vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen übertragen wurde. Es muss kritisch angemerkt werden, dass sowohl der maximal späte Zeitpunkt als auch das weitgehend unmoderierte Format dieser Veranstaltung weniger das berechtigte Interesse der Wähler an Informationen über die Programme der Kandidaten berücksichtigte als das Interesse der Konkurrenten an einer Selbstdarstellung.

Das Medienmonitoring des ODIHR ergab, dass sowohl der öffentlich-rechtliche Rundfunk als auch die Sender "ICTV", "Inter" und "112 Ukraina" quantitativ und qualitativ ausgewogen über beide Kandidaten berichtet haben (vgl. Externer Link: https://www.osce.org/odihr/elections/ukraine/415733?download=true, S. 13–14). "Kanal 5" und "Ukraina" haben zwar quantitativ ausgewogen, aber überwiegend positiv über Petro Poroschenko berichtet, wohingegen "1+1" überwiegend positiv über Wolodymyr Zelenskyj berichtet hat. Eine ungute Rolle spielten in diesem Wahlkampf pseudosoziologische Umfragen, die vor allem auch in den sozialen Medien extrem widersprüchliche Umfragewerte zugunsten des einen oder anderen Kandidaten verbreiteten. Da diese "Umfragen" häufig ohne Angabe der Auftraggeber und der gesetzlich vorgeschrieben Mindestinformationen (Anzahl der Befragten, Methode, Ort und Zeitraum der Befragung) veröffentlicht wurden, muss man sie als unseriös und politisch motiviert einordnen. Es ist nicht auszuschließen, dass sie die Meinungsbildung der Wählerinnen und Wähler beeinflusst haben.

Ein Monitoring der einflussreichen sozialen Medien wurde von einem vom Europarat unterstützten Konsortium, dem unter anderem die "Kommission für journalistische Ethik" und das Portal "Stop fake" angehören, durchgeführt (vgl. Externer Link: http://www.cje.org.ua/ua/news/pershi-rezultaty-monitoryngu-pokazaly-obshyrne-ale-chasto-uperedzhene-vysvitlennya). Dabei kam heraus, dass einige propagandistische Narrative aus der Russischen Föderation in Onlinemedien der ukrainischen Medienlandschaft übernommen wurden. Das insbesondere betraf Versuche, die ukrainisch-orthodoxe Kirche zu diskreditieren oder die Besetzung der Krim und von Teilen des Donbas zu rechtfertigen. Einige der untersuchten Onlinemedien bezogen sich nur auf russische Quellen, ohne die ukrainische Position wiederzugeben. Entgegen weitverbreiteten Befürchtungen sind aber während des gesamten Wahlkampfes keine massiven Fälle russischer Einflussnahme zugunsten des einen oder anderen Kandidaten verzeichnet worden. Politische Programme wurden in den sozialen Medien fast nicht behandelt, eher wurden kurze Thesen und Kommentare zu den skandalträchtigen Themen wie "Debatte ja oder nein" oder zum öffentlichen Bluttest der Kandidaten gepostet. Um den Zugang der Wählerinnen und Wähler zu ausgewogenen wahlrelevanten Informationen zu verbessern, empfiehlt es sich, das begonnene Projekt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks weiterzuentwickeln und die Kontrolle und, wo nötig, auch Sanktionierung der Privatsender bei Verstößen gegen die Medien- und Wahlgesetze zu verstärken. Angesichts der Verbreitung und Bedeutung der Social Media sollten einheimische wie internationale Wahlbeobachtungsorganisationen weiter darin unterstützt werden, effektive Methoden für ein Social Media-Monitoring im Wahlkampf zu entwickeln. Unparteiische Wählerinformationen könnten ein wirksames Gegengift gegen die tendenziösen Berichte im Internet und Privatfernsehen darstellen.

Administrative Ressourcen

Als Nutzung von "administrativen Ressourcen" gelten der Zugriff auf die Arbeitskraft von Staatsangestellten und der Einsatz von staatlichen Finanzmitteln durch Amtsinhaber in ihrem Wahlkampf. In der Praxis kann man auch in etablierten Demokratien zwischen den Auftritten eines Kandidaten im Wahlkampf und den Auftritten in Ausübung eines politischen Amtes oft nur schwer unterscheiden. Bei den Präsidentschaftswahlen in der Ukraine wurde der Bonus des Amtsinhabers und der Zugriff auf staatliche Ressourcen durch den Kandidaten Petro Poroschenko allerdings besonders großzügig und systematisch genutzt. So wurden laut Berichten von OPORA Staatsangestellte dazu angehalten, Meinungsumfragen im Auftrag des Kandidaten Poroschenko durchzuführen, gegen Entgelt in seinem Wahlkampfteam mitzuarbeiten und Trainings sowie Wahlkampfveranstaltungen in öffentlichen Gebäuden durchzuführen (vgl. Externer Link: https://www.epde.org/en/news/details/first-report-on-oporas-observation-results-of-the-presidential-election-campaign-in-ukraine.html). Außerdem wurden während des Wahlkampfs zusätzliche staatliche Sozialleistungen ausgeschüttet, was gegen das auch international vereinbarte Gebot, staatliches und parteipolitisches Handeln zu trennen, verstößt (vgl. Externer Link: https://gradjaninastrazi.rs/wp-content/uploads/2018/11/Venice-Commission-Code-of-Good-Electoral-Practice.pdf). Davon abgesehen haben sich viele Gouverneure und Bürgermeister während des Wahlkampfs öffentlich für den Präsidenten Poroschenko ausgesprochen und auf der regionalen Ebene Ressourcen für seine Wiederwahl eingesetzt, womit sie nach Einschätzung der Wahlbeobachter gegen das "Gesetz über die Wahl des Präsidenten der Ukraine" (§ 58 und §3) verstoßen haben.

Nach der Wahl ist vor der Wahl

Bis zu den für Oktober angesetzten Parlamentswahlen bleibt nun einige Zeit, um die von internationalen und einheimischen Wahlbeobachtern formulierten Empfehlungen zur Verbesserung des Wahlprozesses umzusetzen. Eine effiziente Kontrolle der Wahlkampffinanzierung und der gleichberechtigte Zugang der Kandidaten zu elektronischen Medien stehen dabei unbedingt an erster Stelle. Auch die Verabschiedung des Gesetzentwurfs 8270 (Externer Link: http://w1.c1.rada.gov.ua/pls/zweb2/webproc4_1?pf3511=63864), der die strafrechtliche Verfolgung von Verletzungen der Wahlgesetze regelt, würde der Verbesserung der Wahlprozesse zugutekommen (siehe dazu auch die Ukraine-Analysen Nr. 204 vom 6.7.2018, Externer Link: http://www.laender-analysen.de/ukraine/pdf/UkraineAnalysen204.pdf). Das Wahlrecht für Binnenflüchtlinge ist auch fünf Jahre nach der Annexion der Krim und von Teilen des Donbas noch nicht zufriedenstellend geregelt. Ebenso besteht Handlungsbedarf für die Wählerinnen und Wähler, die am Tag der Wahl nicht an ihrem Wohnort wählen können. Die Verabschiedung einer Wahlrechtsreform, die für die Parlamentswahl ein reines Verhältniswahlrecht mit offenen Listen vorsieht, war 2014 eine der zentralen Forderungen des Euromaidan, die aber weder in der Werchowna Rada noch bei Präsident Poroschenko ausreichend Unterstützung fand. Wahlexperten versprechen sich von der Abschaffung der Mehrheitswahlkreise eine Eindämmung von Stimmenkauf und des Missbrauchs administrativer Ressourcen in den Regionen – und dadurch auf gesetzlicher Ebene einen weiteren Schritt zu fairen Wahlen. Auch wenn das Wahlgesetz in den nächsten Monaten nicht geändert werden sollte und die Parlamentswahlen wieder nach dem alten – gemischten – Wahlsystem ablaufen sollten, haben Zivilgesellschaft, Parlament und Zentrale Wahlkommission in den nächsten Monaten ausreichend zu tun, um allein die vorliegenden Empfehlungen in die Tat umzusetzen.

Fussnoten

Stefanie Schiffer ist Geschäftsführerin der Europäischer Austausch gGmbH in Berlin und Vorstandsmitglied der Europäischen Plattform für Demokratische Wahlen (Externer Link: www.epde.org), eines Zusammenschlusses von vierzehn europäischen NGOs und Stiftungen, die zivilgesellschaftliche Wahlbeobachtung in Europa durchführen oder fördern. Die EPDE wurde 2012 mit dem Ziel gegründet, zivilgesellschaftliche Wahlbeobachtung, vor allem in den Ländern der Östlichen Partnerschaft und der Russischen Föderation, sichtbarer zu machen und in ihrer Professionalität zu stärken. Die EPDE arbeitet in der Ukraine mit ihren beiden Mitgliedsorganisationen OPORA und Komitee der Wähler der Ukraine (KWU) zusammen.