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Analyse: Die Ukraine im Sicherheitsradar 2019 | Ukraine-Analysen | bpb.de

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Analyse: Wie schnell bewegt sich die Ukraine auf die EU zu, in welchen Bereichen gibt es große Fortschritte und in welchen nicht? Statistik: Stand der Ukraine im EU-Beitrittsprozess Umfragen: Öffentliche Meinung in der Ukraine und in ausgewählten EU-Ländern zum EU-Beitritt der Ukraine Chronik: Hinweis auf die Online-Chronik Beziehungen zu Polen / Beziehungen zur Slowakei (26.06.2024) Analyse: Die Entwicklung der ukrainisch-polnischen Beziehungen seit Beginn der russischen Vollinvasion Analyse: Pragmatisch, indifferent, gut? Über den Zustand der ukrainisch-slowakischen Beziehungen Statistik: Handel der Ukraine mit ihren Nachbarländern Statistik: Ukrainische Geflüchtete in den Nachbarstaaten der Ukraine Umfragen: Die Einstellung der ukrainischen Bevölkerung zu den Nachbarländern der Ukraine Umfragen: Die Einstellung der polnischen Bevölkerung zu Geflüchteten aus der Ukraine Chronik: 21. bis 31. Mai 2024 Exekutiv-legislative Beziehungen und die Zentralisierung der Macht im Krieg (30.05.2024) Analyse: Das Verhältnis zwischen Legislative und Exekutive in Zeiten des Krieges: Die Ukraine seit Beginn der russischen Vollinvasion Analyse: Wie schnell werden Gesetzentwürfe von der Werchowna Rada verabschiedet? Wie kann der Prozess effizienter gestaltet werden? Chronik: 1. bis 30. April 2024 Arbeitsmarktintegration ukrainischer Geflüchteter / Ukrainische Community in Deutschland / Deutsch-ukrainische kommunale Partnerschaften (29.04.2024) Analyse: Arbeitsmarktintegration der ukrainischen Geflüchteten in Deutschland Statistik: Integration in den Arbeitsmarkt Analyse: Die ukrainische Community in Deutschland Analyse: (Un)genutzte Potenziale in den deutsch-ukrainischen Kommunal- und Regionalpartnerschaften Dokumentation: Übersicht deutsch-ukrainischer Partnerschaften Chronik: 11. bis 31. März 2024 10 Jahre Krim-Annexion / Donbas nach der Annexion 2022 (21.03.2024) Analyse: Zehn Jahre russische Annexion: Die aktuelle Lage auf der Krim Dokumentation: Reporters Without Borders: Ten years of Russian occupation in Crimea: a decade of repression of local independent journalism Dokumentation: Europarat: Crimean Tatars’ struggle for human rights Statistik: Repressive Gerichtsverfahren auf der Krim und in Sewastopol Analyse: Die Lage im annektierten Donbas zwei Jahre nach dem 24. Februar 2022 Umfragen: Öffentliche Meinung zur Krim und zum Donbas Chronik: 22. Februar bis 10. März 2024 Wirtschaft / Rohstoffe / Kriegsschäden und Wiederaufbau Analyse: Wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit in einer schwierigen Gesamtlage Analyse: Die Rohstoffe der Ukraine und ihre strategische Bedeutung Analyse: Schäden und Wiederaufbau der ukrainischen Infrastruktur Chronik: 11. Januar bis 21. Februar 2024 Zwei Jahre Angriffskrieg: Rückblick, aktuelle Lage und Ausblick (23.02.2024) Analyse: Zwei Jahre russischer Angriffskrieg. Welche politischen, militärischen und strategischen Erkenntnisse lassen sich ziehen? Kommentar: Die aktuelle Lage an der Front Kommentar: Wie sich der russisch-ukrainische Krieg 2024 entwickeln könnte Kommentar: Die Ukraine wird sich nicht durchsetzen, wenn der Westen seine eigene Handlungsfähigkeit verleugnet Kommentar: Wie funktioniert das ukrainische Parlament in Kriegszeiten? Kommentar: Wie die Wahrnehmung des Staates sich durch den Krieg gewandelt hat Umfragen: Stimmung in der Bevölkerung Statistik: Verluste an Militärmaterial der russischen und ukrainischen Armee Statistik: Russische Raketen- und Drohnenangriffe, Verbrauch von Artilleriegranaten, Materialverluste im Kampf um Awdijiwka Folgen des russischen Angriffskriegs für die ukrainische Landwirtschaft (09.02.2024) Analyse: Zwischenbilanz zum Krieg: Schäden und Verluste der ukrainischen Landwirtschaft Analyse: Satellitendaten zeigen hohen Verlust an ukrainischen Anbauflächen als Folge der russischen Invasion Statistik: Getreideexporte Chronik: 17. Dezember 2023 bis 10. Januar 2024 Kunst, Musik und Krieg (18.01.2024) Analyse: Ukrainische Künstler:innen im Widerstand gegen die großangelegte Invasion: Dekolonialisierung in der Kunst nach dem 24. Februar 2022 Analyse: Musik und Krieg Dokumentation: Ukrainische Musiker:innen, die durch die russische Invasion umgekommen sind Statistik: "De-Russifizierung" der ukrainischen Youtube-Musik-Charts Umfragen: Änderung des Hörverhaltens seit der großangelegten Invasion Chronik: 21. November bis 16. Dezember 2023 Eintritt in eine neue Kriegsphase? / Selenskyjs Appelle an Russland (19.12.2023) Interview: "Dieser Krieg bleibt in erster Linie ein Artilleriekrieg, der die Munitionslieferungen zu einem sehr wichtigen Faktor macht" Statistik: Geländegewinne seit Beginn der Großinvasion Kommentar: Deutschland: Ein Schlüsselakteur in der neuen Kriegsphase? Statistik: Internationale Hilfen für die Ukraine Analyse: Selenskyjs Appelle an russische Staatsbürger:innen im ersten Jahr des russischen Aggressionskriegs gegen die Ukraine Dokumentation: Ansprache des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an das russische Volk am Vorabend der großangelegten Invasion Chronik: 28. Oktober bis 20. November 2023 Der Globale Süden und der Krieg (24.11.2023) Analyse: Der Blick aus dem Süden: Lateinamerikanische Perspektiven auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine Analyse: Russlands Krieg gegen die Ukraine und Afrika: Warum die Afrikanische Union zwar ambitioniert, aber gespalten ist Analyse: Eine Kritik der zivilisatorischen Kriegsdiplomatie der Ukraine im Globalen Süden Umfragen: Umfragedaten: Der Globale Süden und Russlands Krieg gegen die Ukraine Dokumentation: Abstimmungen in der Generalversammlung der Vereinten Nationen Chronik: 16. bis 27. Oktober 2023 Zwischen Resilienz und Trauma: Mentale Gesundheit (02.11.2023) Analyse: Mentale Gesundheit in Zeiten des Krieges Karte: Angriffe auf die Gesundheitsinfrastruktur der Ukraine Analyse: Den Herausforderungen für die psychische Gesundheit ukrainischer Veteran:innen begegnen Umfragen: Umfragen zur mentalen Gesundheit Statistik: Mentale Gesundheit: Die Ukraine im internationalen Vergleich Chronik: 1. bis 15. Oktober 2023 Ukraine-Krieg in deutschen Medien (05.10.2023) Kommentar: Der Kampf um die Deutungshoheit. Deutsche Medien zu Ukraine, Krim-Annexion und Russlands Rolle im Jahr 2014 Analyse: Die Qualität der Medienberichterstattung über Russlands Krieg gegen die Ukraine Analyse: Russlands Aggression gegenüber der Ukraine in den deutschen Talkshows 2013–2023. Eine empirische Analyse der Studiogäste Chronik: 1. bis 30. September 2023 Ökologische Kriegsfolgen / Kachowka-Staudamm (19.09.2023) Analyse: Die ökologischen Folgen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine Analyse: Ökozid: Die katastrophalen Folgen der Zerstörung des Kachowka-Staudamms Dokumentation: Auswahl kriegsbedingter Umweltschäden seit Beginn der großangelegten russischen Invasion bis zur Zerstörung des Kachowka-Staudamms Statistik: Statistiken zu Umweltschäden Zivilgesellschaft / Lokale Selbstverwaltung und Resilienz (14.07.2023) Von der Redaktion: Sommerpause – und eine Ankündigung Analyse: Die neuen Facetten der ukrainischen Zivilgesellschaft Statistik: Entwicklung der ukrainischen Zivilgesellschaft Analyse: Der Beitrag lokaler Selbstverwaltungsbehörden zur demokratischen Resilienz der Ukraine Wissenschaft im Krieg (27.06.2023) Kommentar: Zum Zustand der ukrainischen Wissenschaft in Zeiten des Krieges Kommentar: Ein Brief aus Charkiw: Ein ukrainisches Wissenschaftszentrum in Kriegszeiten Kommentar: Warum die "Russian Studies" im Westen versagt haben, Aufschluss über Russland und die Ukraine zu liefern Kommentar: Mehr Öffentlichkeit wagen. Ein Erfahrungsbericht Statistik: Auswirkungen des Krieges auf Forschung und Wissenschaft der Ukraine Innenpolitik / Eliten (26.05.2023) Analyse: Zwischen Kriegsrecht und Reformen. Die innenpolitische Entwicklung der Ukraine Analyse: Die politischen Eliten der Ukraine im Wandel Statistik: Wandel der politischen Elite in der Ukraine im Vergleich Chronik: 5. April bis 3. Mai 2023 Sprache in Zeiten des Krieges (10.05.2023) Analyse: Die Ukrainer sprechen jetzt hauptsächlich Ukrainisch – sagen sie Analyse: Was motiviert Ukrainer:innen, vermehrt Ukrainisch zu sprechen? Analyse: Surschyk in der Ukraine: zwischen Sprachideologie und Usus Chronik: 08. März bis 4. April 2023 Sozialpolitik (27.04.2023) Analyse: Das Sozialsystem in der Ukraine: Was ist nötig, damit es unter der schweren Last des Krieges besteht? Analyse: Die hohen Kosten des Krieges: Wie Russlands Krieg gegen die Ukraine die Armut verschärft Chronik: 22. Februar bis 7. März 2023 Besatzungsregime / Wiedereingliederung des Donbas (27.03.2023) Analyse: Etablierungsformen russischer Herrschaft in den besetzten Gebieten der Ukraine: Wege und Gesichter der Okkupation Karte: Besetzte Gebiete Dokumentation: Human Rights Watch: Torture, Disappearances in Occupied South. Apparent War Crimes by Russian Forces in Kherson, Zaporizhzhia Regions (Ausschnitt) Dokumentation: War and Annexation. The "People’s Republics" of eastern Ukraine in 2022. Annual Report (Ausschnitt) Dokumentation: Terror, disappearances and mass deportation Dokumentation: Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) gegen Wladimir Putin wegen der Verschleppung von Kindern aus besetzten ukrainischen Gebieten nach Russland Analyse: Die Wiedereingliederung des Donbas nach dem Krieg: eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung Chronik 11. bis 21. Februar 2023 Internationaler Frauentag, Feminismus und Krieg (13.03.2023) Analyse: 8. März, Feminismus und Krieg in der Ukraine: Neue Herausforderungen, neue Möglichkeiten Umfragen: Umfragen zum Internationalen Frauentag Interview: "Der Wiederaufbau braucht einen geschlechtersensiblen Ansatz" Statistik: Kennzahlen und Indizes geschlechterspezifischer Ungleichheit Korruptionsbekämpfung (08.03.2023) Analyse: Der innere Kampf: Korruption und Korruptionsbekämpfung als Hürde und Gradmesser für den EU-Beitritt der Ukraine Dokumentation: Statistiken und Umfragen zu Korruption Analyse: Reformen, Korruption und gesellschaftliches Engagement Chronik: 1. bis 10. Februar 2023 Kriegsentwicklung / Jahrestag der Invasion (23.02.2023) Analyse: Unerwartete Kriegsverläufe Analyse: Die Invasion der Ukraine nach einem Jahr – Ein militärischer Rück- und Ausblick Kommentar: Die Unterstützung der NATO-Alliierten für die Ukraine: Ursachen und Folgen Kommentar: Der Krieg hat die Profile der EU und der USA in der Ukraine gefestigt Kommentar: Wie der Krieg die ukrainische Gesellschaft stabilisiert hat Kommentar: Die existenzielle Frage "Sein oder Nichtsein?" hat die Ukraine klar beantwortet Kommentar: Wie und warum die Ukraine neu aufgebaut werden sollte Kommentar: Der Krieg und die Kirchen Karte: Kriegsgeschehen in der Ukraine (Stand: 18. Februar 2023) Statistik: Verluste an Militärmaterial der russischen und ukrainischen Armee Chronik: 17. bis 31. Januar 2023 Meinungsumfragen im Krieg (15.02.2023) Kommentar: Stimmen die Ergebnisse von Umfragen, die während des Krieges durchgeführt werden? Kommentar: Vier Fragen zu Umfragen während eines umfassenden Krieges am Beispiel von Russlands Krieg gegen die Ukraine Kommentar: Meinungsumfragen in der Ukraine zu Kriegszeiten: Zeigen sie uns das ganze Bild? Kommentar: Meinungsforschung während des Krieges: anstrengend, schwierig, gefährlich, aber interessant Kommentar: Quantitative Meinungsforschung in der Ukraine zu Kriegszeiten: Erfahrungen von Info Sapiens 2022 Kommentar: Meinungsumfragen in der Ukraine unter Kriegsbedingungen Kommentar: Politisches Vertrauen als Faktor des Zusammenhalts im Krieg Kommentar: Welche Argumente überzeugen Deutsche und Dänen, die Ukraine weiterhin zu unterstützen? Dokumentation: Umfragen zum Krieg (Auswahl) Chronik: Chronik 9. bis 16. Januar 2023 Ländliche Gemeinden / Landnutzungsänderung (19.01.2023) Analyse: Ländliche Gemeinden und europäische Integration der Ukraine: Entwicklungspolitische Aspekte Analyse: Monitoring der Landnutzungsänderung in der Ukraine am Beispiel der Region Schytomyr Chronik: 26. September bis 8. Januar 2023 Weitere Angebote der bpb Redaktion

Analyse: Die Ukraine im Sicherheitsradar 2019

Simon Weiß

/ 9 Minuten zu lesen

Die jüngsten Konflikte in der Ukraine tragen zu der angespannten Sicherheitslage in Europa bei. Trotz geringem Vertrauen in staatliche Institutionen spricht sich die Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung für eine inländische Lösung des Konflikts aus. Gleichzeitig wird eine verstärkte europäische Integration befürwortet.

Die europäische und ukrainische Flagge nebeneinander. Viele Ukrainer wünschen sich eine stärke Zusammenarbeit mit der EU. (© picture alliance/blickwinkel/McPHOTO/K. Steinkamp)

Zusammenfassung

Die Europäische Sicherheit ist nicht erst seit der Annexion der Krim, die sich in diesen Tagen zum fünften Mal jährt, fragil. Der neue "Sicherheitsradar 2019: Weckruf für Europa" des FES Regionalbüros für Zusammenarbeit und Frieden in Europa zeigt anhand ausgewählter Staaten, welche Risiken für Frieden und Sicherheit aus Sicht von Bürgern und Experten bestehen. Für die Ukraine zeigt der "Sicherheitsradar", dass sich eine deutliche Mehrheit eine Annäherung an die EU wünscht, während Russland überwiegend als Bedrohung aufgefasst wird. Ein zentraler Befund ist, dass für die Lösung des Donbas-Konflikts eine inländische Konfliktlösung einer vielfach diskutierten internationalen Blauhelmmission vorgezogen wird.

Einleitung

Der Ukraine-Konflikt ist nicht die einzige Ursache der aktuellen Unruhen in der Europäischen Sicherheit; viele weitere Streitpunkte, die zum Teil wesentlich weiter als fünf Jahre zurück reichen, liegen dieser Situation zugrunde. Dennoch wurden die letzten fünf Jahre sicherheitspolitisch durch den russisch-ukrainischen Konflikt geprägt. Bewältigt ist im Wesentlichen nichts. Gleichzeitig verliefen in der Ukraine institutionelle und identitäre Umwälzungen, die ähnliche Prozesse nach der Unabhängigkeit 1991 und nach der "Orangen Revolution" 2004/05 in den Schatten stellen. Der aktuelle und durch kriegerische Auseinandersetzungen im Donbas radikalisierte Ansatz der Nationenbildung speist sich aus unterschiedlichen Quellen, gleichwohl ist die sichtbarste Form, die Ablehnung allen Russländischen und allem was an die gemeinsame Geschichte erinnert, gerade in Zeiten des aktuellen Wahlkampfes besonders sichtbar.

Aufgrund dieser gesellschaftlichen und politischen Spezifika wurde die Ukraine in die Länderauswahl für die Studie "Sicherheitsradar 2019: Weckruf für Europa" des Regionalbüros für Zusammenarbeit und Frieden in Europa der Friedrich Ebert Stiftung (FES), aufgenommen. Zusätzlich ist es das größte Land im Rahmen der Östlichen Partnerschaft mit den entsprechenden Abkommen. Die Basis der Studie besteht einerseits aus einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage in sieben Staaten (Deutschland, Frankreich, Lettland, Polen, Russland, Serbien, Ukraine), die in Kooperation mit dem Meinungsforschungsinstitut Ipsos im Sommer und Herbst 2018 durchgeführt wurde. Die Umfrage untersucht systematisch die Haltungen und Werte bezüglich der aktuellen außen- und sicherheitspolitischen Situation in Europa. Anderseits wurden begleitend zur Umfrage Gruppendiskussionen mit lokalen Experten und Politikberatern durchgeführt. Das Ziel war, die typische Denkweise der lokalen Expertengemeinschaft zu ermitteln: Wie evaluieren Experten die aktuelle sicherheitspolitische Situation, und welche Maßnahmen empfehlen sie entsprechend? Wie unterscheidet sich die Denkweise der Experten von der öffentlichen Meinung? In jedem Land nahm eine kleine Gruppe von ungefähr fünf Personen an einer angeleiteten offenen Diskussion teil.

Die Ukraine im Vergleich

Die Umfrage zeigt, dass Europas Bürger besorgt sind: 69 Prozent aller Befragten glauben, dass auch ihr Land von potenziellen neuen Kriegen und Konflikten betroffen sein könnte. In der Ukraine ist die Kriegsangst eine direkte Folge der bewaffneten Gewalt im Osten des Landes. In Deutschland und Frankreich ist die Kriegsangst eher diffus. Als Gegner werden sowohl die USA als auch Russland genannt. Für Polen hingegen stellt eindeutig Russland eine Bedrohung dar, Deutschland rangiert als Gegner vor den USA. Auch Lettland fürchtet Russland am meisten. In Serbien erinnert man sich an die Jugoslawienkriege und den Einsatz der NATO im Kosovo-Konflikt. Insofern werden in erster Linie Albanien, die USA und Kroatien als Gegner genannt. In Russland sieht man die USA als Hauptgegner.

Eine große Herausforderung für die Sicherheit in Europa ist die Unzufriedenheit mit dem politischen Status einiger Staaten. Insbesondere Serben (85 Prozent), Ukrainer (74 Prozent) und Polen (67 Prozent) halten ihr Land für nicht angemessen anerkannt, während Deutsche (71 Prozent) und Franzosen (59 Prozent) mit dem politischen Stellenwert des eigenen Landes zufrieden sind. Vor allem Serben (75 Prozent) und Russen (69 Prozent) sind der Meinung, dass andere Staaten die Entwicklung ihres eigenen Landes aktiv behindern. Daraus folgt vor allem in Serbien (77 Prozent) das politische Ziel, die Militärausgaben zu erhöhen, aber auch in Polen (68 Prozent) und der Ukraine (61 Prozent) werden höhere Militärausgaben befürwortet. Hingegen wünschen sich nur 43 Prozent der Deutschen eine solche Entwicklung.

Die Befragten halten für die entscheidenden Faktoren, die das Verhältnis zu Russland ausmachen, den Ukraine-Konflikt (72 Prozent) und die USA (68 Prozent). Dabei sind die Meinungsunterschiede zwischen Deutschen und Polen in beiden Fragen gering. 69 Prozent aller Befragten sind überzeugt, dass zu wenig Kooperation mit Russland ebenso ein Faktor ist. Interessant ist, dass gerade Letten (84 Prozent) und Polen (77 Prozent) über diesem Durchschnitt liegen, Deutsche (68 Prozent) knapp darunter. Für die Zukunft stellt sich mehr als die Hälfte der insgesamt Befragten eine tiefere Kooperation mit Russland vor, wobei dieser Wert sogar in der Ukraine noch bei 27 Prozent liegt.

Ukraine im Fokus

Selbstwahrnehmung

Nach fünf turbulenten Jahren lässt sich eine Anpassung an die neuen wirtschaftlichen und politischen Bedingungen beobachten. Die Ukrainer sind angesichts steigender Preise und insgesamt erschwerter Lebensbedingungen nach 2014 ziemlich gelassen, was ihre wirtschaftlichen Aussichten betrifft. Nur 44 Prozent glauben, dass sich ihre wirtschaftliche Lage, oder die ihrer Familie in der Zukunft verschlechtern wird. Dennoch äußern sich 83 Prozent der Befragten angesichts der Entwicklungen in der Ukraine und in der Welt allgemein besorgt über ihre persönliche Zukunft.

Die Ergebnisse der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen Ende März und der Parlamentswahlen im Herbst werden als entscheidend für den weiteren Entwicklungspfad des Landes angesehen. Unabhängig davon, wer sich letzten Endes durchsetzt – die neuen und möglicherweise alten Verantwortlichen werden es schwer haben, wie die Ergebnisse der Umfrage zeigen. Die Ukrainer sind mit dem internationalen Status ihres Landes unzufrieden. 74 Prozent glauben, dass ihr Land nicht den Status in der Welt hat, den es verdient. Ein weiterer, sehr besorgniserregender Punkt, ist der fragile Vertrauenszustand in die wichtigsten inländischen Institutionen. Von allen befragten Gesellschaften ist das Vertrauen in staatliche Institutionen in der Ukraine am niedrigsten. Gleichzeitig gibt es die größte Diskrepanz zwischen den "Silowiki-Institutionen", die relativ gut abschneiden, und den demokratischen Institutionen, die deutlich schlechter wegkommen. Die einzige Institution, der die Ukrainer mehrheitlich vertrauen (68 Prozent), ist die Armee.

Die Ukrainer gehören zu den stärksten Befürwortern einer vertieften europäischen Integration (76 Prozent), basierend auf dem Glauben an eine gemeinsame europäische Kultur (79 Prozent). In der Ukraine zeigt sich dies am deutlichsten Bekenntnis aller untersuchten Länder für eine verstärkte Zusammenarbeit mit der EU (79 Prozent). Allerdings sprechen sich auch 27 Prozent für eine stärkere Zusammenarbeit mit Russland aus, was abermals den Blick auf eine Besonderheit der heutigen Ukraine lenkt. Schätzungsweise 25–30 Prozent der Bevölkerung folgt in punkto Russlandpolitik nicht der aktuellen Regierungslinie. Das sieht man ebenfalls an anderen Fragen im Sicherheitsradar aber auch an Diskussionen vor Ort.

Wahrnehmung der Europäischen Sicherheit

Ukrainischen Experten zufolge spielen Mehrdeutigkeit und Unsicherheit eine große Rolle für die Sicherheitslage der Euro-Atlantischen Zone. Ein Hauptproblem ist die Uneinigkeit über klare Bedrohungswahrnehmungen im westlichen (EU / NATO) Lager. Experten in Kiew zufolge sollte die ukrainische Regierung ihre Beziehungen zu allen regionalen Partnern verbessern, da unter den gegenwärtigen Umständen kein Partner unwichtig ist. Dies gilt insbesondere für die Beziehungen zu Ungarn, die angespannt sind. Insgesamt betonen die Experten jedoch die Bedeutung von "Schwergewicht"-Partnern wie den Vereinigten Staaten, Kanada, Polen und Deutschland, was umgekehrt einen geringeren Einfluss des eigenen Landes impliziert. Russland wurde in keiner Weise als Partner genannt, obwohl es immer noch eine wirtschaftliche Zusammenarbeit gibt, die derzeit sogar wächst.

Die ambivalente Haltung der Ukraine gegenüber Russland, ein möglicher Beitritt zu westlichen Organisationen und der Konflikt im Donbas werden durch die folgenden Daten veranschaulicht. Für die Befragten in der Ukraine ist der Hauptfeind Russland (73 Prozent) mit großem Abstand gegenüber anderen genannten Staaten, gefolgt von den Vereinigten Staaten (11 Prozent).

Das zentrale außenpolitische Thema der Ukraine war in den letzten Jahren das Streben nach Mitgliedschaft in verschiedenen internationalen Institutionen, was für weite Teile der herrschenden Elite die Zugehörigkeit zum Westen und zugleich eine grundlegende Abgrenzung von Russland symbolisiert. Bei den namentlich genannten Organisationen unterscheiden Ukrainer recht deutlich zwischen der EU, deren Beitritt von 73 Prozent befürwortet wird, und der NATO, die nur zu 56 Prozent befürwortet wird. In Polen wünschen sich sogar mehr Menschen eine ukrainische NATO-Mitgliedschaft – ganze 67 Prozent. In Deutschland sind es weitaus weniger: Nur 23 Prozent unterstützen die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine und 26 Prozent einen EU-Beitritt des Landes. In Russland, das überrascht kaum, wird die EU- und vor allem die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine mit 55 bzw. 75 Prozent deutlich abgelehnt.

Gleichzeitig glauben 52 Prozent der Befragten in der Ukraine, dass die Osterweiterung der EU und der NATO für die derzeitige Spannung zwischen dem Westen und Russland verantwortlich ist, und dass speziell die NATO-Osterweiterung Richtung russischer Grenzen eine Bedrohung für die europäische Sicherheit darstellt (37 Prozent). Die verhaltene gesellschaftliche Zustimmung zum NATO-Beitritt (56 Prozent) unterscheidet sich auffallend von der hohen Zustimmung der Expertengemeinde in Kiew, die den Beitritt sowohl zur EU als auch zur NATO als außenpolitische Priorität betrachtet. Trotz der jüngst erfolgten Verankerung des Beitrittsziels in der ukrainischen Verfassung wird die Akzeptanz in der Bevölkerung und vor allem die Wahrscheinlichkeit einer tatsächlichen Aufnahme nicht wachsen.

Der Weg nach vorne

Um aus der angespannten Sicherheitslage in Europa einen Ausweg zu finden, muss eine tragfähige Lösung für den gesamten Donbas gefunden werden.

Dieser Konflikt steht im Sicherheitsradar mit einigen Fragen im Vordergrund, daher ist es besonders interessant, den Stimmen aus der ukrainischen Gesellschaft einen speziellen Platz einzuräumen. Schließlich sagen 54 Prozent der Ukrainer, dass ihr Land für die Eskalation des Konfliktes selbst verantwortlich ist. Aus Sicht der ukrainischen Fokusgruppenteilnehmer jedoch liegt sowohl der Schlüssel zur Lösung als auch die Verantwortung für den Donbas-Konflikt in Moskau. Aufgrund der Feindseligkeit des Kremls wurde auch Skepsis gegenüber einer möglichen Blauhelm-Mission im Donbas geäußert. Betrachtet man die Aussagen der Bevölkerung zum Konflikt im eigenen Land, sieht das Bild anders aus.

Bemerkenswert ist, dass nur 52 Prozent eine UN-Blauhelmmission befürworten, hingegen 63 Prozent eine inländische Konfliktlösung ("es sollte der Ukraine überlassen werden"). Das könnte sowohl eine "De-Okkupation" der unkontrollierten (separatistischen) Gebiete als auch Verhandlungen mit Vertretern der sogenannten "Volksrepubliken" zwecks Reintegration der abtrünnigen Region bedeuten.

Da weder die Experten, noch die breite Öffentlichkeit eine militärische Konfliktlösung für einen Ausweg halten, bedeutet dies, dass eine Regionalisierung des Konflikts einer Internationalisierung vorgezogen werden sollte. In diesem Zusammenhang war es auch für die ukrainischen Experten wichtig, dass ein "transnistrisches Szenario" – in dem einseitige Zugeständnisse an die separatistische Seite gemacht werden würden – auf alle Fälle verhindert werden sollte. Es würde nur den Einfluss Russlands festigen. In Anbetracht der Tatsache, dass Kiew die separatistischen Regionen reintegrieren will (wenn man den vielen öffentlichen Bekundungen trauen möchte), wird die Einleitung eines politischen Dialogs mit Akteuren in den abtrünnigen Regionen ebenso entscheidend sein, wie sein Wirkungsbereich.

In Bezug auf die Zukunft der europäischen Sicherheit sahen Experten die Initiierung eines umfassenderen Dialogs über Bedrohungswahrnehmungen – in allen möglichen Bereichen, einschließlich der Migration und des Einflusses Russlands und Chinas – als vielversprechende Maßnahme, um das gegenseitige Verständnis zwischen den europäischen Akteuren zu fördern.

Die Ukrainer befürworten stark eine aktive Außenpolitik (78 Prozent), welche auf nationale Interessen ausgerichtet ist (88 Prozent). Dies stellt zumindest eine solide Basis für die Suche nach komplementären sicherheitspolitischen Interessen dar, sowohl regional als auch international. Unabhängig des Ausganges der diesjährigen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen wäre es vorteilhaft, wenn die neue politische Führung tatsächlich verantwortungsvoll und mit Blick auf die Sorgen und Wünsche der eigenen Bevölkerung agieren würden. Das gilt natürlich auch für die anderen sechs Staaten im Sicherheitsradar 2019. Aber die Ukraine ist aus den bekannten Gründen in besonderem Maße gefordert, innen- und außenpolitisch den Status quo positiv zu verändern.

Weiterführende Literatur

Fussnoten

Simon Weiß ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Regionalbüro für Zusammenarbeit und Frieden in Europa der Friedrich Ebert Stiftung in Wien. Nach einem Studium der Politikwissenschaft und Soziologie an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg lehrte er dort von 2011–2015 Internationale Beziehungen und Russische Außenpolitik. Aktuell beschäftigt er sich mit sicherheits- und verteidigungspolitischen Aspekten in Russland und Osteuropa und mit Fragen der Rüstungskontrolle in Europa.