Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Analyse: Wahljahr 2019: Wirtschaftspolitische Kontroversen trotz gelungener Stabilisierung | Ukraine-Analysen | bpb.de

Ukraine Arbeitsmarktintegration ukrainischer Geflüchteter / Ukrainische Community in Deutschland / Deutsch-ukrainische kommunale Partnerschaften (29.04.2024) Analyse: Arbeitsmarktintegration der ukrainischen Geflüchteten in Deutschland Statistik: Integration in den Arbeitsmarkt Analyse: Die ukrainische Community in Deutschland Analyse: (Un)genutzte Potenziale in den deutsch-ukrainischen Kommunal- und Regionalpartnerschaften Dokumentation: Übersicht deutsch-ukrainischer Partnerschaften Chronik: 11. bis 31. März 2024 10 Jahre Krim-Annexion / Donbas nach der Annexion 2022 (21.03.2024) Analyse: Zehn Jahre russische Annexion: Die aktuelle Lage auf der Krim Dokumentation: Reporters Without Borders: Ten years of Russian occupation in Crimea: a decade of repression of local independent journalism Dokumentation: Europarat: Crimean Tatars’ struggle for human rights Statistik: Repressive Gerichtsverfahren auf der Krim und in Sewastopol Analyse: Die Lage im annektierten Donbas zwei Jahre nach dem 24. Februar 2022 Umfragen: Öffentliche Meinung zur Krim und zum Donbas Chronik: 22. Februar bis 10. März 2024 Wirtschaft / Rohstoffe / Kriegsschäden und Wiederaufbau Analyse: Wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit in einer schwierigen Gesamtlage Analyse: Die Rohstoffe der Ukraine und ihre strategische Bedeutung Analyse: Schäden und Wiederaufbau der ukrainischen Infrastruktur Chronik: 11. Januar bis 21. Februar 2024 Zwei Jahre Angriffskrieg: Rückblick, aktuelle Lage und Ausblick (23.02.2024) Analyse: Zwei Jahre russischer Angriffskrieg. Welche politischen, militärischen und strategischen Erkenntnisse lassen sich ziehen? Kommentar: Die aktuelle Lage an der Front Kommentar: Wie sich der russisch-ukrainische Krieg 2024 entwickeln könnte Kommentar: Die Ukraine wird sich nicht durchsetzen, wenn der Westen seine eigene Handlungsfähigkeit verleugnet Kommentar: Wie funktioniert das ukrainische Parlament in Kriegszeiten? Kommentar: Wie die Wahrnehmung des Staates sich durch den Krieg gewandelt hat Umfragen: Stimmung in der Bevölkerung Statistik: Verluste an Militärmaterial der russischen und ukrainischen Armee Statistik: Russische Raketen- und Drohnenangriffe, Verbrauch von Artilleriegranaten, Materialverluste im Kampf um Awdijiwka Folgen des russischen Angriffskriegs für die ukrainische Landwirtschaft (09.02.2024) Analyse: Zwischenbilanz zum Krieg: Schäden und Verluste der ukrainischen Landwirtschaft Analyse: Satellitendaten zeigen hohen Verlust an ukrainischen Anbauflächen als Folge der russischen Invasion Statistik: Getreideexporte Chronik: 17. Dezember 2023 bis 10. Januar 2024 Kunst, Musik und Krieg (18.01.2024) Analyse: Ukrainische Künstler:innen im Widerstand gegen die großangelegte Invasion: Dekolonialisierung in der Kunst nach dem 24. Februar 2022 Analyse: Musik und Krieg Dokumentation: Ukrainische Musiker:innen, die durch die russische Invasion umgekommen sind Statistik: "De-Russifizierung" der ukrainischen Youtube-Musik-Charts Umfragen: Änderung des Hörverhaltens seit der großangelegten Invasion Chronik: 21. November bis 16. Dezember 2023 Eintritt in eine neue Kriegsphase? / Selenskyjs Appelle an Russland (19.12.2023) Interview: "Dieser Krieg bleibt in erster Linie ein Artilleriekrieg, der die Munitionslieferungen zu einem sehr wichtigen Faktor macht" Statistik: Geländegewinne seit Beginn der Großinvasion Kommentar: Deutschland: Ein Schlüsselakteur in der neuen Kriegsphase? Statistik: Internationale Hilfen für die Ukraine Analyse: Selenskyjs Appelle an russische Staatsbürger:innen im ersten Jahr des russischen Aggressionskriegs gegen die Ukraine Dokumentation: Ansprache des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an das russische Volk am Vorabend der großangelegten Invasion Chronik: 28. Oktober bis 20. November 2023 Der Globale Süden und der Krieg (24.11.2023) Analyse: Der Blick aus dem Süden: Lateinamerikanische Perspektiven auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine Analyse: Russlands Krieg gegen die Ukraine und Afrika: Warum die Afrikanische Union zwar ambitioniert, aber gespalten ist Analyse: Eine Kritik der zivilisatorischen Kriegsdiplomatie der Ukraine im Globalen Süden Umfragen: Umfragedaten: Der Globale Süden und Russlands Krieg gegen die Ukraine Dokumentation: Abstimmungen in der Generalversammlung der Vereinten Nationen Chronik: 16. bis 27. Oktober 2023 Zwischen Resilienz und Trauma: Mentale Gesundheit (02.11.2023) Analyse: Mentale Gesundheit in Zeiten des Krieges Karte: Angriffe auf die Gesundheitsinfrastruktur der Ukraine Analyse: Den Herausforderungen für die psychische Gesundheit ukrainischer Veteran:innen begegnen Umfragen: Umfragen zur mentalen Gesundheit Statistik: Mentale Gesundheit: Die Ukraine im internationalen Vergleich Chronik: 1. bis 15. Oktober 2023 Ukraine-Krieg in deutschen Medien (05.10.2023) Kommentar: Der Kampf um die Deutungshoheit. Deutsche Medien zu Ukraine, Krim-Annexion und Russlands Rolle im Jahr 2014 Analyse: Die Qualität der Medienberichterstattung über Russlands Krieg gegen die Ukraine Analyse: Russlands Aggression gegenüber der Ukraine in den deutschen Talkshows 2013–2023. Eine empirische Analyse der Studiogäste Chronik: 1. bis 30. September 2023 Ökologische Kriegsfolgen / Kachowka-Staudamm (19.09.2023) Analyse: Die ökologischen Folgen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine Analyse: Ökozid: Die katastrophalen Folgen der Zerstörung des Kachowka-Staudamms Dokumentation: Auswahl kriegsbedingter Umweltschäden seit Beginn der großangelegten russischen Invasion bis zur Zerstörung des Kachowka-Staudamms Statistik: Statistiken zu Umweltschäden Zivilgesellschaft / Lokale Selbstverwaltung und Resilienz (14.07.2023) Von der Redaktion: Sommerpause – und eine Ankündigung Analyse: Die neuen Facetten der ukrainischen Zivilgesellschaft Statistik: Entwicklung der ukrainischen Zivilgesellschaft Analyse: Der Beitrag lokaler Selbstverwaltungsbehörden zur demokratischen Resilienz der Ukraine Wissenschaft im Krieg (27.06.2023) Kommentar: Zum Zustand der ukrainischen Wissenschaft in Zeiten des Krieges Kommentar: Ein Brief aus Charkiw: Ein ukrainisches Wissenschaftszentrum in Kriegszeiten Kommentar: Warum die "Russian Studies" im Westen versagt haben, Aufschluss über Russland und die Ukraine zu liefern Kommentar: Mehr Öffentlichkeit wagen. Ein Erfahrungsbericht Statistik: Auswirkungen des Krieges auf Forschung und Wissenschaft der Ukraine Innenpolitik / Eliten (26.05.2023) Analyse: Zwischen Kriegsrecht und Reformen. Die innenpolitische Entwicklung der Ukraine Analyse: Die politischen Eliten der Ukraine im Wandel Statistik: Wandel der politischen Elite in der Ukraine im Vergleich Chronik: 5. April bis 3. Mai 2023 Sprache in Zeiten des Krieges (10.05.2023) Analyse: Die Ukrainer sprechen jetzt hauptsächlich Ukrainisch – sagen sie Analyse: Was motiviert Ukrainer:innen, vermehrt Ukrainisch zu sprechen? Analyse: Surschyk in der Ukraine: zwischen Sprachideologie und Usus Chronik: 08. März bis 4. April 2023 Sozialpolitik (27.04.2023) Analyse: Das Sozialsystem in der Ukraine: Was ist nötig, damit es unter der schweren Last des Krieges besteht? Analyse: Die hohen Kosten des Krieges: Wie Russlands Krieg gegen die Ukraine die Armut verschärft Chronik: 22. Februar bis 7. März 2023 Besatzungsregime / Wiedereingliederung des Donbas (27.03.2023) Analyse: Etablierungsformen russischer Herrschaft in den besetzten Gebieten der Ukraine: Wege und Gesichter der Okkupation Karte: Besetzte Gebiete Dokumentation: Human Rights Watch: Torture, Disappearances in Occupied South. Apparent War Crimes by Russian Forces in Kherson, Zaporizhzhia Regions (Ausschnitt) Dokumentation: War and Annexation. The "People’s Republics" of eastern Ukraine in 2022. Annual Report (Ausschnitt) Dokumentation: Terror, disappearances and mass deportation Dokumentation: Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) gegen Wladimir Putin wegen der Verschleppung von Kindern aus besetzten ukrainischen Gebieten nach Russland Analyse: Die Wiedereingliederung des Donbas nach dem Krieg: eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung Chronik 11. bis 21. Februar 2023 Internationaler Frauentag, Feminismus und Krieg (13.03.2023) Analyse: 8. März, Feminismus und Krieg in der Ukraine: Neue Herausforderungen, neue Möglichkeiten Umfragen: Umfragen zum Internationalen Frauentag Interview: "Der Wiederaufbau braucht einen geschlechtersensiblen Ansatz" Statistik: Kennzahlen und Indizes geschlechterspezifischer Ungleichheit Korruptionsbekämpfung (08.03.2023) Analyse: Der innere Kampf: Korruption und Korruptionsbekämpfung als Hürde und Gradmesser für den EU-Beitritt der Ukraine Dokumentation: Statistiken und Umfragen zu Korruption Analyse: Reformen, Korruption und gesellschaftliches Engagement Chronik: 1. bis 10. Februar 2023 Kriegsentwicklung / Jahrestag der Invasion (23.02.2023) Analyse: Unerwartete Kriegsverläufe Analyse: Die Invasion der Ukraine nach einem Jahr – Ein militärischer Rück- und Ausblick Kommentar: Die Unterstützung der NATO-Alliierten für die Ukraine: Ursachen und Folgen Kommentar: Der Krieg hat die Profile der EU und der USA in der Ukraine gefestigt Kommentar: Wie der Krieg die ukrainische Gesellschaft stabilisiert hat Kommentar: Die existenzielle Frage "Sein oder Nichtsein?" hat die Ukraine klar beantwortet Kommentar: Wie und warum die Ukraine neu aufgebaut werden sollte Kommentar: Der Krieg und die Kirchen Karte: Kriegsgeschehen in der Ukraine (Stand: 18. Februar 2023) Statistik: Verluste an Militärmaterial der russischen und ukrainischen Armee Chronik: 17. bis 31. Januar 2023 Meinungsumfragen im Krieg (15.02.2023) Kommentar: Stimmen die Ergebnisse von Umfragen, die während des Krieges durchgeführt werden? Kommentar: Vier Fragen zu Umfragen während eines umfassenden Krieges am Beispiel von Russlands Krieg gegen die Ukraine Kommentar: Meinungsumfragen in der Ukraine zu Kriegszeiten: Zeigen sie uns das ganze Bild? Kommentar: Meinungsforschung während des Krieges: anstrengend, schwierig, gefährlich, aber interessant Kommentar: Quantitative Meinungsforschung in der Ukraine zu Kriegszeiten: Erfahrungen von Info Sapiens 2022 Kommentar: Meinungsumfragen in der Ukraine unter Kriegsbedingungen Kommentar: Politisches Vertrauen als Faktor des Zusammenhalts im Krieg Kommentar: Welche Argumente überzeugen Deutsche und Dänen, die Ukraine weiterhin zu unterstützen? Dokumentation: Umfragen zum Krieg (Auswahl) Chronik: Chronik 9. bis 16. Januar 2023 Ländliche Gemeinden / Landnutzungsänderung (19.01.2023) Analyse: Ländliche Gemeinden und europäische Integration der Ukraine: Entwicklungspolitische Aspekte Analyse: Monitoring der Landnutzungsänderung in der Ukraine am Beispiel der Region Schytomyr Chronik: 26. September bis 8. Januar 2023 Weitere Angebote der bpb Redaktion

Analyse: Wahljahr 2019: Wirtschaftspolitische Kontroversen trotz gelungener Stabilisierung

Gunter Deuber

/ 10 Minuten zu lesen

2018 konnte die Ukraine im Vergleich zu den vergangenen Jahren ein beachtliches Wirtschaftswachstum erzielen. Die aktuelle wirtschaftliche Lage erscheint dadurch stabil. Personelle Änderungen, möglich durch die Präsidentschaftswahlen im März 2019, könnten diese jedoch schwächen.

Eine Anzeigetafel in Kiew informiert über den Wechselkurs im November 2018 in der Ukraine. (© picture alliance/Stringer/Sputnik/dpa)

Zusammenfassung

Wirtschaftlich steht die Ukraine vor einem herausfordernden Jahr 2019, was nach außen hin verwunderlich erscheint. Denn 2018 wurde der höchste BIP-Zuwachs seit Jahren verbucht, bei der makrofinanziellen Stabilisierung ist beachtlicher Fortschritt offenkundig. Allerdings wurde letzterer vor allem durch orthodox-restriktive oder "wirtschaftsliberal" gescholtene Maßnahmen erreicht. Auch hat sich der Lebensstandard in den letzten Jahren nicht spürbar verbessert. Zudem konnte bei wichtigen institutionellen Reformen – trotz partieller Besserung – kein Durchbruch erzielt werden. Das skizzierte Gesamtbild erklärt, warum der Internationale Währungsfonds (IWF) und die internationale Staatengemeinschaft weiter auf (Unter-)Stützung der Ukraine setzen, dies aber mit Vorbehalt. Zudem bergen die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen großes Potenzial für wirtschaftspolitischen Populismus und Kursänderungen. Aktuelle Verantwortungsträger könnten dazu neigen, den Konsolidierungskurs mit weniger Bestimmtheit zu verfolgen, Herausforderer werben mit einem wirtschaftspolitischen Neuanfang.

Beachtliche wirtschaftspolitische Stabilisierungserfolge prägen die letzten Jahre

Nach dem heftigen Wirtschaftseinbruch in 2014/2015 (kumulierter BIP-Rückgang von fast 15 Prozent) ist es in den letzten Jahren gelungen, reale BIP-Zuwachsraten von 2–3 Prozent zu erzielen. Im vergangenen Jahr wurde mit 3,2 Prozent sogar das höchste Wirtschaftswachstum seit sieben Jahren verbucht. Gerade letztes Jahr entwickelten sich die Investitionen sowie die Binnennachfrage stärker als erwartet, unterstützt durch wieder stärker steigende Löhne, einen hohen Zufluss an Auslandsüberweisungen und eine graduelle Erholung der Kreditvergabe. Insofern zeitigt die harte Restrukturierung des Bankensektors (inklusive der Privatbank-Verstaatlichung), der 2018 erstmals seit Jahren wieder profitabel agieren konnte, erste Erfolge.

Angesichts der skizzierten Trends wurden teils auch achtsamere Prognosen übertroffen, die der Ukraine kurzfristig kaum ein Wachstumspotenzial von mehr als 2 Prozent zugeschrieben haben. In Fremdwährung gerechnet überstieg die Wirtschaftskraft des Landes zum Jahresende sogar wieder den Wert von 2014. Der akzeptable Zuwachs an Wirtschaftsleistung der letzten Jahre ging zudem mit sinkenden Schulden einher. Das ist ein Novum in der jüngeren Wirtschaftsgeschichte. Die Staatsschuldenquote konnte seit dem Hoch (2015) um 25 Prozentpunkte, auf knapp 60 Prozent des BIP, gesenkt werden. Ausschlaggebend hierfür war, dass das Budgetdefizit über Jahre bei etwa 2 Prozent des BIP gehalten werden konnte. In der letzten Dekade ist es nicht gelungen, so eine fiskalische Nachhaltigkeit zu bewahren; solche Defizitwerte konnten nur zeitweilig und bei höherem Wirtschaftswachstum erzielt werden. Auch die Auslandsschulden sind in den letzten Jahren von in der Spitze fast 150 Prozent des BIP auf ca. 80 Prozent gedrückt worden.

Der Entschuldungs- und Stabilisierungskurs hat dazu beigetragen, dass aktuell keine handfesten wirtschaftlichen Ungleichgewichte erkennbar sind. Die Inflation befindet sich auf akzeptablen einstelligen Niveaus und könnte dieses Jahr noch weiter auf sechs bis sieben Prozent sinken. Begünstigt wurden die Disinflation und das Nichtentstehen von außenwirtschaftlichen Ungleichgewichten durch eine restriktive Geldpolitik, also ein Leitzinsniveau deutlich über der Inflation. Dieser geldpolitische Kurs der Nationalbank der Ukraine (NBU), mit einem hohen Realzinsniveau bzw. einem Fokus auf die Inflationssteuerung, deutet auf ein Primat der Stabilisierung hin, nicht der Wachstumsstimulierung. Das Leistungsbilanzdefizit verharrt daher, genauso wie das Fiskaldefizit, schon für eine längere Zeit auf kurzfristig tragfähigen Niveaus. Die makroökonomische Stabilisierung hat im Zusammenspiel mit einer restriktiven Geldpolitik begünstigt, dass der Hrywnja-Wechselkurs 2017 und 2018 vergleichsweise stabil geblieben ist. Dies ist vor dem Hintergrund der letztjährigen starken Währungsschwankungen in anderen Schwellenländern und der zeitweisen Unsicherheit bezüglich der weiteren Kooperation zwischen der Ukraine und dem IWF im zweiten Halbjahr 2018 beachtlich. Allerdings musste die NBU 2018 mit maßvollen Zinserhöhungen, von hohen 16 Prozent auf 18 Prozent, auch leicht gegensteuern. Wobei NBU-Kritiker mutmaßen, dass durch die Zinserhöhungen die lokale Politik in ein neues IWF-Abkommen geschoben werden sollte.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass derzeit eine wirtschaftspolitische Konstanz gegeben ist und die Ukraine angesichts der skizzierten Besserungen etwas weniger anfällig ist in Bezug auf kurzfristige externe Schocks. Wobei einige Indikatoren der makrofinanziellen Verwundbarkeit weiter in besorgniserregend schwachem Terrain verharren (z. B. der Devisenreservebestand, der Importdeckungsgrad durch Devisenreserven oder der relativ hohe Schuldenstand in Relation zu Vergleichsländern). Insofern sehen die international führenden Ratingagenturen die Ukraine weiterhin als sehr verwundbares Land mit einer geringen Resilienz an, auch wenn sie ihre Bonitätseinstufung 2018 teils leicht verbessert haben.

Angesichts des aus Stabilisierungs- und Investorensicht adäquaten NBU-Kurses ist es nicht verwunderlich, dass Finanzmarktinvestoren mit hohem Risikoappetit wieder Ukraine-Investitionen vornehmen – wenn auch in überschaubarem Ausmaß. Dem Finanzministerium ist es so gelungen, 2017 und 2018 mit großvolumigen Anleihen an den internationalen Finanzmarkt zurückzukehren und so ukrainischen Firmen wieder den internationalen Fremdkapitalmarkt zu öffnen. Auch 2019 will man international gehandelte Staatspapiere im Wert von zwei Milliarden US-Dollar platzieren. Zudem investierten internationale Anleger, vor dem Hintergrund der Stabilität von Wirtschaftspolitik und Währung sowie des hohen Zinsniveaus, in 2018 verstärkt in Hrywnja-Staatsanleihen. Als Voraussetzung wurden die gesetzlichen Bestimmungen für solche Investitionen von ausländischen Kapitalgebern in den letzten Jahren angepasst. Noch im ersten Quartal 2019 will die internationale Zentralverwahrstelle Clearstream (der Deutschen Börse Gruppe) gemeinsam mit der NBU ukrainische Staatspapiere in dieses Zahlungs- und Abwicklungssystem integrieren. Über dieses internationale System werden die Abwicklung der Hrywnja-Staatsanleihen ermöglicht, internationale Standards in diesem Marktsegment etabliert und zugleich Kosten für Investoren gesenkt. So wäre die Ukraine in Zukunft weniger auf die Platzierung von großvolumigen Fremdwährungsanleihen angewiesen, der lokale Kapitalmarkt könnte sich entwickeln und die Resilienz des Landes würde sich durch mehr Lokalwährungsfinanzierung erhöhen. Die Entwicklung des Hrywnja-Anleihemarktes unterstützten in den letzten Jahren auch aktiv supranationale und nationale Entwicklungsbanken (wie die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) oder die niederländische Entwicklungsbank), indem sie Anleihen auf ihren Namen in Hrywnja begeben haben. Auch risikoorientierte Wagniskapitalinvestoren mit Ukraine-Engagements verzeichnen derzeit beachtliche Zuflüsse. Allerdings ist bei großvolumigeren Ausländischen Direktinvestitionen – trotz zunehmender Ausrichtung des Außenhandels auf die EU und Gültigkeit des tiefen und umfassenden Freihandelsabkommen mit der EU seit 2016 – bis dato noch kein eindeutiger Anstieg erkennbar. Insofern sind ausländische Eigenkapitalinvestoren offenbar noch zögerlicher, als Fremdkapitalinvestoren. Auch der Zufluss an Gastarbeiter-Rücküberweisungen (derzeit geschätzt auf ca. 10 Milliarden Euro pro Jahr) ist höher als der Zufluss an Ausländischen Direktinvestitionen.

Positive gesamtwirtschaftliche Bilanz der Amtszeit Poroschenko …

Zusätzlich zur gesamtwirtschaftlichen Stabilisierung wurden in den letzten Jahren einige "technokratische" wirtschaftspolitische Reformen graduell und erfolgreich implementiert (z. B. Sanierung des Bankensektors, Festigung der politischen Unabhängigkeit der NBU, Transition zu flexiblem Wechselkurs, Entwicklung des lokalen Kapitalmarktes) und teils sogar Umbrüche ohne massive gesamtwirtschaftliche Schäden vollzogen. Etwa ist in den letzten Jahren eine beachtliche Handelsumlenkung in Richtung EU erfolgt.

Versucht man eine gesamtwirtschaftliche Bilanz der Amtszeit von Präsident Poroschenko zu ziehen, dann ist festzustellen: Die letzten fünf Jahre können gemäß Indikatoren der makrofinanziellen Stabilität und auch der handelspolitischen Ausrichtung durchaus als die erfolgreichste Periode der letzten 10–15 Jahre angesehen werden. Diese Quintessenz lässt sich durch die Auswertung von fünfzehn relevanten Faktoren absichern. Hierfür wurden jeweils die entsprechenden Werte für die Perioden 2005 bis 2010, 2010 bis 2014/2015 und 2014/2015 bis 2019 herangezogen. Zur Bewertung wurden folgende Indikatoren herangezogen: BIP-Wachstum, Inflation, Budgetsaldo, Leistungsbilanz, Arbeitslosigkeit, kurzfristiger Realzins, Umfang der Disinflation, Veränderung der Arbeitslosigkeit, Veränderung der Schulden der öffentlichen Hand und im Ausland, Veränderung des nominalen BIP, Wohlstand in Relation zur EU, die Außenhandelsverflechtungen jeweils mit Russland und der EU sowie das externe Umfeld (BIP-Wachstum in Russland und der EU). Vergibt man in jeder Kategorie für die drei Perioden jeweils eine "Note" von 1–3 (1=gut, 3=befriedigend; je nach Skalierung des Indikators), dann errechnet sich für 2014/2015 bis 2019 ein Durchschnittswert von 1,6; für 2010 bis 2014/2015 ein Wert von 2,3 und für die Periode von 2005 bis 2010 ein Wert von 1,9.

Das ermittelte Ranking zeigt aber auch: Die Gesamtbewertung fällt nicht sehr eindeutig aus. Dies liegt vor allem an der Entwicklung der Arbeitslosenquote, dem absoluten Niveau der Wirtschaftskraft sowie dem Wohlstandsniveau in Relation zu Westeuropa bzw. der Eurozone in der Periode 2014/2015 bis 2019. Bezüglich des letzten Indikators wurden in den letzten 1–2 Jahren sogar absolute Tiefstwerte von unter 20 Prozent erreicht; womit der Wunsch einer EU-Beitrittsperspektive bis 2024, wie vom amtierenden Präsidenten formuliert, fast utopisch erscheint (derzeit glaubwürdige EU-Kandidatenländer weisen bezogen auf diesen relativen Wohlstandsindikator immerhin Werte von 35–40 Prozent auf). Zudem ist zu beachten: Der Stabilisierungserfolg ist nicht nur selbstgemacht, sondern basiert auch auf einer massiven externen finanziellen Unterstützung (inklusive einer beachtlichen Auslandschuldenrestrukturierung in 2015), die wiederum auch die Währung und Leistungsbilanz stabilisiert. Insofern sollte man die vorsichtig optimistische wirtschaftspolitische Erfolgsbilanz der Periode 2014/2015 bis 2019 nicht zu stark einzelnen heimischen Akteuren zuschreiben, sei es dem Präsidenten oder auch der Nationalbank.

… mit begrenzter Breitenwirkung nährt Wunsch nach "Neuanfang"

Vor allem die restriktive Geldpolitik der letzten Jahre provoziert Kritik auf nationaler und teils auch auf internationaler Ebene. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass eine Abkehr vom aktuellen wirtschaftspolitischen Politikmix, der auch der IWF-Kooperation zugeschrieben wird, durchaus Teil der (innen-)politischen Diskussion ist. Mit Blick auf die Präsidentschaftswahl werben Poroschenkos Herausforderer unter anderem damit, Bausteine der makrofinanziellen Stabilisierungsagenda (Notenbankunabhängigkeit, IWF-Kooperation) zumindest teilweise in Frage zu stellen. Zumal angesichts der erfolgreichen ökonomischen Stabilisierung gemäß solchen Denkmustern Spielraum für wirtschaftspopulistische Experimente besteht, während die Politikspielräume in der Außen- und Sicherheitspolitik begrenzt sind. Als größte politische Risikofaktoren sehen reformorientierte Akteure im Land, der IWF oder Auslandsinvestoren die Wahl eines sozialpopulistisch agierenden Präsidenten, eine möglicherweise daraus resultierende andauernde Konfrontation mit dem Parlament (vor und nach den Wahlen im Herbst) oder einen wieder wachsenden Einfluss der Oligarchen im Parlament (und der daraus resultierenden Klientelpolitik) an.

Angesichts schleppender institutioneller Reformen (immerhin lag das vorige IWF-Abkommen auch deswegen seit April 2017 auf Eis), des breiten Spektrums an möglichen Wahlergebnissen – v. a. bei den Präsidentschaftswahlen – sowie dem erkennbaren Hinterfragen der wirtschaftspolitischen Agenda der letzten Jahre ist verständlich, warum der IWF der Ukraine zum Jahresende 2018 nur eine sehr begrenzte Unterstützung auf Zeit hat zukommen lassen. Das derzeitige, auf 14 Monate angelegte IWF-Abkommen (mit Unterstützung im Bereich von 3,9 Milliarden US-Dollar), stellt nur eine Minimalabsicherung dar, die für beide Seiten gerade noch tragbar ist. Einerseits steht der IWF "nur" für einen kurzen Zeitraum als Unterstützer bereit, andererseits ist damit auch die Konditionalität etwas schwächer. Zudem lässt sich der IWF so die Option offen, Druck aufzubauen, falls es einen Zug zu wirtschaftspolitischem Populismus gibt. Denn die Ukraine muss wohl schon im zweiten Halbjahr 2019 bzw. zumindest bis zum Jahresende 2019 Klarheit darüber herstellen, wie es mit der IWF-Kooperation weitergeht. Es scheint kaum möglich, dass die Ukraine nach dem Auslaufen des aktuellen Abkommens ab 2020 gänzlich ohne IWF-Absicherung auskommen kann. Zudem wurde auch 2018 wieder deutlich, dass die internationale Staatengemeinschaft und vor allem die EU ihre (weiteren) Unterstützungshilfen für die Ukraine an die IWF-Kooperation koppeln. Derzeit ist nicht erkennbar, dass diese Verknüpfung prinzipiell aufgelöst werden wird.

Immerhin ermöglicht die limitierte IWF-Unterstützung es der Ukraine, sich teilweise am internationalen Kapitalmarkt, teils auch lokal, zu refinanzieren. Wobei internationale Ukraine-Anleihen trotzdem weiter klar im Segment der hochriskanten Emerging-Markets-Staatsanleihen gehandelt werden. In Bezug auf aktuelle Marktpreise sind hier eher Anleihen von konfliktbelasteten Staaten (innenpolitisch und/oder außenpolitisch) Vergleichsmaßstäbe, d. h. US-Dollar Anleihen der Ukraine werden am Finanzmarkt ähnlich gepreist wie solche Wertpapiere aus dem Irak, Ägypten oder Pakistan. Somit wird auch deutlich, dass am Markt in Bezug auf die Ukraine wohl nicht nur ökonomische Risiken gepreist werden. Immerhin könnten die anstehenden Wahlen auch Auswirkungen auf die innenpolitische Stabilität und/oder die Konfliktlage in der Ostukraine haben. Auch besteht das Risiko einer versuchten Einflussnahme Russlands auf die Wahlen. Eine solche Einflussnahme könnte vor dem Hintergrund der skizzierten Stimmungslage sowie der Fragmentierung des (partei-)politischen Spektrums brisant werden. Insofern ist es auch nicht erstaunlich, dass am internationalen Finanzmarkt gerade im zweiten Halbjahr 2018 und auch nach der Eskalation im Asowschen Meer eine deutlich vorsichtigere Investorenhaltung in Bezug auf die Ukraine erkennbar war. Bei spezialisierten globalen Risikobewertungsagenturen wird die Ukraine, unter Berücksichtigung des Wahlkalenders in 2019, teils unter den globalen Top-10 Risiken geführt.

Fazit: Wirtschaftspolitischer Neuanfang notwendig?

Rational und längerfristig gedacht scheint in vielen Bereichen der Wirtschaftspolitik kein wirklicher Neuanfang angezeigt. Eher gilt es, die Erfolge der letzten Jahre zu bewahren. Zumal die Ukraine weiterhin substanziell auf externe finanzielle Unterstützung und Investitionen von internationalen Finanzinstitutionen, aber auch von (Risiko-)Kapitalgebern angewiesen ist. Des Weiteren sind einige der thematisierten "technokratischen" Reformagenden noch nicht abgeschlossen. Etwa steht die Entwicklung des lokalen Kapitalmarktes noch ganz am Anfang, im Bereich der Bankensektor-Restrukturierung wird es noch Zeit brauchen, bis eine Reprivatisierung der Privatbank möglich ist. Und für Erfolge in diesen Bereichen ist weitere makroökonomische Stabilität eine zentrale Voraussetzung. Des Weiteren existieren abseits der genannten politischen Risiken (Wahlen mit Risiko des Kurswechsels, Möglichkeit der Blockade zwischen Präsident und Parlament, potenzielle Einmischung Russlands) einige mittelfristige gesamtwirtschaftliche Risiken. Etwa könnte sich das Leistungsbilanzdefizit, je nach Ausgang der Gastransitgebührenfrage bzw. der Nord Stream 2 Thematik, mittelfristig wieder ausweiten. Zudem könnte ein Wirtschaftsabschwung in Westeuropa und eben auch Polen die Rücküberweisungen der Gastarbeiter geringer ausfallen lassen. Angesichts weiterbestehender Verwundbarkeiten kann sich die Ukraine derzeit noch nicht allzu viel wirtschaftspolitische Laxheit erlauben. Wie in dem vorliegenden Beitrag dargelegt, wäre es daher erstrebenswert, massive wirtschaftspolitische Kehrtwenden zu vermeiden. Ansonsten wird es schwierig sein, die Früchte der erfolgten makroökonomischen Anpassung und Konsolidierung in den kommenden Jahren zu ernten. Sollte es aber im laufenden Jahr gelingen, die Stabilisierungserfolge der letzten Jahre zu bewahren, dann könnte es mittelfristig möglich sein, eine weniger auf Austerität und hohe Realzinsen ausgerichtete Fiskal- und Geldpolitik zu verfolgen.

Die Unsicherheit in Bezug auf personelle Weichenstellungen (v. a. auch die Präsidentschaftswahl) und die daraus resultierende wirtschaftspolitische Unsicherheit zeigen exemplarisch einen der größten Schwachpunkte des Landes: Das Handeln im politischen System der Ukraine ist noch viel zu abhängig von Einzelpersonen. Zumal angesichts der schwachen institutionellen Umgestaltung der letzten Jahre neben wirtschaftspolitischen Experimenten nach den Präsidentschaftswahlen derzeit auch ein steigender Einfluss der Oligarchen nach den Parlamentswahlen befürchtet wird.

Fussnoten

Gunter Deuber leitet die Abteilung Volkswirtschaft, Zinsen, Währungen bei der auf Osteuropa und auch die Ukraine spe­zialisierten "Raiffeisen Bank International AG" in Wien. Der vorliegende Beitrag gibt die persönliche Auffassung des Autors und nicht notwendigerweise die Ansicht der RBI AG wieder.