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Kommentar: Fünf Jahre Maidan – Weckruf an die Gesellschaft | Ukraine-Analysen | bpb.de

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Analyse: Eine stärkere Integration des Stromnetzes in die EU kann der Ukraine helfen, die nächsten Winter zu überstehen Statistik: Stromimporte aus EU-Staaten Analyse: Resilienz wieder aufbauen: Die Rolle des ukrainischen Klimabüros bei der grünen Transformation Chronik: Hinweis auf die Online-Chronik EU-Beitrittsprozess (29.07.2024) Analyse: Die Ukraine und die EU: Erweiterungspolitik ohne Alternative? Analyse: Wie schnell bewegt sich die Ukraine auf die EU zu, in welchen Bereichen gibt es große Fortschritte und in welchen nicht? Statistik: Stand der Ukraine im EU-Beitrittsprozess Umfragen: Öffentliche Meinung in der Ukraine und in ausgewählten EU-Ländern zum EU-Beitritt der Ukraine Chronik: Hinweis auf die Online-Chronik Beziehungen zu Polen / Beziehungen zur Slowakei (26.06.2024) Analyse: Die Entwicklung der ukrainisch-polnischen Beziehungen seit Beginn der russischen Vollinvasion Analyse: Pragmatisch, indifferent, gut? Über den Zustand der ukrainisch-slowakischen Beziehungen Statistik: Handel der Ukraine mit ihren Nachbarländern Statistik: Ukrainische Geflüchtete in den Nachbarstaaten der Ukraine Umfragen: Die Einstellung der ukrainischen Bevölkerung zu den Nachbarländern der Ukraine Umfragen: Die Einstellung der polnischen Bevölkerung zu Geflüchteten aus der Ukraine Chronik: 21. bis 31. Mai 2024 Exekutiv-legislative Beziehungen und die Zentralisierung der Macht im Krieg (30.05.2024) Analyse: Das Verhältnis zwischen Legislative und Exekutive in Zeiten des Krieges: Die Ukraine seit Beginn der russischen Vollinvasion Analyse: Wie schnell werden Gesetzentwürfe von der Werchowna Rada verabschiedet? Wie kann der Prozess effizienter gestaltet werden? Chronik: 1. bis 30. April 2024 Arbeitsmarktintegration ukrainischer Geflüchteter / Ukrainische Community in Deutschland / Deutsch-ukrainische kommunale Partnerschaften (29.04.2024) Analyse: Arbeitsmarktintegration der ukrainischen Geflüchteten in Deutschland Statistik: Integration in den Arbeitsmarkt Analyse: Die ukrainische Community in Deutschland Analyse: (Un)genutzte Potenziale in den deutsch-ukrainischen Kommunal- und Regionalpartnerschaften Dokumentation: Übersicht deutsch-ukrainischer Partnerschaften Chronik: 11. bis 31. März 2024 10 Jahre Krim-Annexion / Donbas nach der Annexion 2022 (21.03.2024) Analyse: Zehn Jahre russische Annexion: Die aktuelle Lage auf der Krim Dokumentation: Reporters Without Borders: Ten years of Russian occupation in Crimea: a decade of repression of local independent journalism Dokumentation: Europarat: Crimean Tatars’ struggle for human rights Statistik: Repressive Gerichtsverfahren auf der Krim und in Sewastopol Analyse: Die Lage im annektierten Donbas zwei Jahre nach dem 24. Februar 2022 Umfragen: Öffentliche Meinung zur Krim und zum Donbas Chronik: 22. Februar bis 10. März 2024 Wirtschaft / Rohstoffe / Kriegsschäden und Wiederaufbau (15.03.2024) Analyse: Wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit in einer schwierigen Gesamtlage Analyse: Die Rohstoffe der Ukraine und ihre strategische Bedeutung Analyse: Schäden und Wiederaufbau der ukrainischen Infrastruktur Chronik: 11. Januar bis 21. Februar 2024 Zwei Jahre Angriffskrieg: Rückblick, aktuelle Lage und Ausblick (23.02.2024) Analyse: Zwei Jahre russischer Angriffskrieg. Welche politischen, militärischen und strategischen Erkenntnisse lassen sich ziehen? Kommentar: Die aktuelle Lage an der Front Kommentar: Wie sich der russisch-ukrainische Krieg 2024 entwickeln könnte Kommentar: Die Ukraine wird sich nicht durchsetzen, wenn der Westen seine eigene Handlungsfähigkeit verleugnet Kommentar: Wie funktioniert das ukrainische Parlament in Kriegszeiten? Kommentar: Wie die Wahrnehmung des Staates sich durch den Krieg gewandelt hat Umfragen: Stimmung in der Bevölkerung Statistik: Verluste an Militärmaterial der russischen und ukrainischen Armee Statistik: Russische Raketen- und Drohnenangriffe, Verbrauch von Artilleriegranaten, Materialverluste im Kampf um Awdijiwka Folgen des russischen Angriffskriegs für die ukrainische Landwirtschaft (09.02.2024) Analyse: Zwischenbilanz zum Krieg: Schäden und Verluste der ukrainischen Landwirtschaft Analyse: Satellitendaten zeigen hohen Verlust an ukrainischen Anbauflächen als Folge der russischen Invasion Statistik: Getreideexporte Chronik: 17. Dezember 2023 bis 10. Januar 2024 Kunst, Musik und Krieg (18.01.2024) Analyse: Ukrainische Künstler:innen im Widerstand gegen die großangelegte Invasion: Dekolonialisierung in der Kunst nach dem 24. Februar 2022 Analyse: Musik und Krieg Dokumentation: Ukrainische Musiker:innen, die durch die russische Invasion umgekommen sind Statistik: "De-Russifizierung" der ukrainischen Youtube-Musik-Charts Umfragen: Änderung des Hörverhaltens seit der großangelegten Invasion Chronik: 21. November bis 16. Dezember 2023 Weitere Angebote der bpb Redaktion

Kommentar: Fünf Jahre Maidan – Weckruf an die Gesellschaft

Eduard Klein

/ 4 Minuten zu lesen

Der Euromaidan war eine historische Zäsur und ein Weckruf. Doch fünf Jahre danach drohen Reformen im Sand zu verlaufen. Die Zivilgesellschaft ist stärker gefragt als je zuvor, um den gesellschaftlichen Modernisierungsprozess anzutreiben.

Aktivisten marschieren mit Fackeln am fünften Jahrestag der Euromaidan-Revolution durch die Innenstadt von Kiew. (© picture-alliance/AP)

Als der Investigativjournalist Mustafa Nayyem am 21. November 2013 per Facebook zu einer Protestkundgebung im Zentrum Kiews aufruft, weil der ukrainische Präsident Wiktor Janukowytsch auf Druck Russlands das EU-Assoziationsabkommen in Vilnius doch nicht unterzeichnete, ahnt niemand, welche Lawine er damit lostreten sollte. In den folgenden Wochen überrollt die "Revolution der Würde" das Janukowytsch-Regime.

Doch so plötzlich die Reformwelle nach zwanzig Jahren des Stillstands in Gang kommt, und so viel sie in Gang bringt, so jäh wird sie auch wieder gebremst – von außen durch die Aggression des Kremls, von innen durch Kräfte, die am alten System festhalten. Reformen kommen nur langsam voran, auf zwei Schritte vor folgt oft einer zurück.

Fast genau fünf Jahre nach dem Beginn des Maidans starb am 4. November 2018 die engagierte Antikorruptionsaktivistin Kateryna Handsjuk an den Folgen eines Säureanschlags. Es ist nur eine von Dutzenden Attacken auf zivilgesellschaftliche Aktivisten in wenigen Monaten, und so mancher fühlt sich an längst überwunden geglaubte Zeiten erinnert.

Es stellt sich die Frage: Wo steht das Land heute? Viele Erwartungen, die der Maidan geweckt hat, wurden enttäuscht. Vier von Fünf Ukrainern sind aktuellen Umfragen zufolge unzufrieden mit der derzeitigen Entwicklung des Landes. Und doch ist die Ukraine heute ein anderes Land, wo sich, oft im Kleinen und manchmal auch im Großen, Veränderungen vollziehen. In den vergangenen fünf Jahren ist vieles erreicht worden, was vor dem Maidan unvorstellbar schien.

Wie sähe es heute ohne den Maidan aus? Damals stand die Ukraine am Scheideweg: Die von Janukowytsch im Januar 2014 verabschiedeten Gesetzesverschärfungen schränkten demokratische Grundrechte wie die Versammlungs- und Meinungsfreiheit massiv ein. Die Ukraine drohte einen ähnlichen Pfad einzuschlagen wie Russland, wo nach der Protestwelle 2011/12 der Kreml aus Angst vor dem Machtverlust einen autoritären Polizeistaat errichtete.

Ein kompletter "Neustart" der ukrainischen Politik ist nicht geglückt: Hinter den meisten Parteien stehen noch immer Oligarchen; viele Parlamentarier nutzen die politische Arena für informelle Geschäfte, statt die Interessen der Wähler zu vertreten. Und Präsident Poroschenko ist mitnichten der "weiße Ritter" und entschlossene Korruptionskämpfer, als der er sich – vor allem im Ausland – gerne ausgibt. Es ist vielmehr die lebendige und gut vernetzte Zivilgesellschaft, die unbequeme Themen auf die Agenda hebt, Gesetze erarbeitet und als zentrales Korrektiv fungiert. Dies gelingt ihr vorwiegend dort, wo die Interessen der alten Eliten nicht berührt werden. Spürbare Fortschritte gibt es daher in Gesundheit, Bildung und Verwaltung, während es bei der Bekämpfung von Korruption in Justiz und Politik weiterhin hakt.

Und doch gibt es auch in bisher weitgehend oligarchisch-kontrollierten Bereichen wie dem Banken- oder Energiesektor Fortschritte. Ermöglicht wurden diese Erfolge durch das "Sandwich"-Modell: Die Zivilgesellschaft übt mit Reformvorschlägen und Protesten Druck von innen aus, während die internationale Gemeinschaft ihre (finanziellen) Druckmittel nutzt, um die Regierung von außen zur Umsetzung der Reformen zu drängen.

Langfristig muss das Land jedoch auch ohne internationale (Finanz-)Hilfe auskommen, und dafür müssen die Zivilgesellschaft und die demokratischen Kräfte an politischem Einfluss gewinnen. Gewiss: Dass der eingangs erwähnte Mustafa Nayyem und drei Dutzend andere Aktivisten in der Werchowna Rada sitzen und die verkrustete politische Kultur von innen aufzubrechen versuchen, ist schon ein Erfolg (vor allem, wenn man die Rada mit den anderen Parlamenten im postsowjetischen Raum vergleicht). Es braucht allerdings weitaus mehr solcher Köpfe, um das politische System nachhaltig zu verändern. Das fordern auch die Wähler, die sich nach neuen Gesichtern in der Politik sehnen. Diese Köpfe gibt es, doch bisher haben sie es nicht geschafft, sich in größerer Zahl politisch zu etablieren. Oft zögern sie vor dem Eintritt in die als "schmutzig" empfundene Politik, wie etwa der populäre Rockstar Swjatoslaw Wakartschuk, der in vielen Umfragen zur Präsidentschaftswahl auftaucht, aber sich noch immer nicht zu einer Kandidatur durchgerungen hat.

Es besteht die Gefahr, dass sich das "Window of Opportunity" wie bereits nach der Orangen Revolution wieder schließt – und das Land im Stillstand verharrt. Es reicht nicht, zu hoffen, dass die Wahlen 2019 schon irgendwie gut gehen werden. Die Akteure der Zivilgesellschaft müssen jetzt handeln und den Schritt aufs politische Parkett wagen. Sie müssen sich zusammenschließen und programmatisch stärker im großen Ganzen denken, statt sich wie bisher nur auf Einzelprojekte zu konzentrieren. Die Ankündigung von Samopomitsch und DemAllianz, einen gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten zu stellen und bei den Parlamentswahlen zusammenzuarbeiten, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Vielleicht kommen die Wahlen 2019 für viele zu früh – umso wichtiger werden die Kommunalwahlen 2020, die für lokale zivilgesellschaftlich-demokratische Kräfte ein Sprungbrett in die "große" Politik sein können.

Die Ukraine steht vor enormen Herausforderungen. Der Maidan markiert eine historische Zäsur und leitete einen umfassenden gesellschaftlichen Modernisierungsprozess ein. Nun gilt es, den schwierigen Weg der Reformen entschlossen fortzuführen, damit das Versprechen des Maidans nach einer "besseren" Ukraine eingelöst werden kann. Und dafür ist die ukrainische Gesellschaft stärker gefragt als zuvor.

Fussnoten

Dr. Eduard Klein ist Redakteur der Ukraine-Analysen und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen.