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Analyse: Umsetzung der Justizreform in der Ukraine: Fortschritt oder verpasste Chance? | Ukraine-Analysen | bpb.de

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Analyse: Umsetzung der Justizreform in der Ukraine: Fortschritt oder verpasste Chance?

Roman Kuybida Kiew Von Roman Kuybida

/ 13 Minuten zu lesen

Anderthalb Jahre nach Verabschiedung der Verfassungsänderungen für eine umfassende Justizreform wird hier deren Umsetzung vorgestellt und eine vorläufige Einschätzung der Erfolgsaussichten vorgenommen.

Drei ukrainische Richter während einer Anhörung in einem Gerichtssaal in Kiew. (© picture-alliance, NurPhoto)

Der Kampf gesellschaftlicher Kräfte für eine Justizreform war eine Folge der Ungerechtigkeit des ukrainischen Justizsystems, die besonders während der Revolution der Würde (Euromaidan) deutlich wurde. Bereits davor war das Vertrauen der Bürger in die Gerichte sehr gering. Dies ist auf mindestens drei Probleme zurückzuführen.

Das erste Problem sind Vetternwirtschaft und Korruption, die leider auch die Justiz erfasst haben. Das zweite Problem ist die politische Abhängigkeit der Richter, die sich in einem System informeller Einflussnahme widerspiegelt. Viele Richter haben sich an dieses System gewöhnt und sehen ihre Rolle darin, den Interessen der politischen Machthaber zu dienen. Das dritte Problem besteht in der Ineffizienz der Gerichte, welche eine Optimierung der personellen und materiellen Ressourcen, eine Vereinfachung des Justizsystems und der Verfahren erforderlich macht.

Die politische Exekutive hat die Vorbereitung der Justizreform monopolisiert. Sie versucht einerseits zu zeigen, dass sie zugunsten der Gesellschaft handelt, und will andererseits ihre eigene Kontrolle über die Gerichte aufrecht erhalten.

Reform des Hohen Justizrats

Mit der jüngsten Verfassungsänderung wurden die Befugnisse des Hohen Justizrates erweitert, um die Unabhängigkeit der Richter zu stärken und politische Einflussnahme zu beenden. Es begann auch ein allmählicher (innerhalb von drei Jahren abzuschließender) Übergang zu einem Modell, wonach 11 der 21 Richter des Hohen Justizrates (statt wie bisher 4 von 18), von Richtern gewählt werden. Diese Änderungen wurden unter dem Einfluss der Venedig-Kommission des Europarates vorgenommen.

Mit der Verabschiedung des Gesetzes "Über den Hohen Justizrat" im Januar 2017 wurden die notwendigen Voraussetzungen für die Umsetzung der Verfassungsänderungen geschaffen. Der Hohe Justizrat schlägt dem Präsidenten der Ukraine Richter zur Ernennung vor. Er tut dies auf Grundlage der Empfehlungen der Höheren Eignungskommission für Richter, die selber zum größten Teil aus Richtern besteht und zukünftige Richter auswählt. Der Hohe Justizrat übernahm auch von Präsident und Parlament die Befugnis, Richter aus dem Amt zu entlassen. Außerdem ist der Hohe Justizrat ermächtigt, Maßnahmen zum Schutz der Unabhängigkeit der Richter zu ergreifen. Mit dem neuen Gesetz wurden im Hohen Justizrat drei Disziplinarkammern für Disziplinarverfahren gegen Richter geschaffen, während früher die Höhere Eignungskommission für Richter selbst als Disziplinarorgan der Richter fungierte.

Der aktuelle Hohe Justizrat besteht aus Mitgliedern des früheren Hohen Justizrates. Erst 2019 soll der Hohe Justizrat neu besetzt werden. Die aktuelle Besetzung wirft ernsthafte Fragen hinsichtlich Unabhängigkeit und Unparteilichkeit auf. Es ist bekannt, dass mindestens drei Mitglieder des Hohen Justizrats vom Präsidenten der Ukraine staatliche Auszeichnungen erhalten haben. So ist dem Leiter des Hohen Justizrats Igor Benedysjuk, der gleichzeitig als Richter tätig ist, eine Ehrenwaffe verliehen worden und die Mitglieder des Hohen Justizrats Olexij Malowatskyj und Tetjana Malaschenkowa sind mit dem Ehrentitel "Verdienter Jurist der Ukraine" ausgezeichnet worden.

Durch die Annahme der staatlichen Auszeichnung hat Richter Benedysjuk gegen das Gesetz verstoßen, das es Richtern verbietet, Staatspreise anzunehmen. Die Annahme der staatlichen Auszeichnung durch die anderen beiden Mitglieder des Hohen Justizrats wirft auch Zweifel an ihrer Unabhängigkeit auf, obwohl das Gesetz ihnen, im Gegensatz zu Richtern, die Annahme nicht verbietet.

Die Zweifel werden auch durch die Tatsache verstärkt, dass Olexij Malowatskyj während der außerordentlichen Präsidentenwahlen im Jahr 2014 als stellvertretender Leiter des juristischen Dienstes von Petro Poroschenko arbeitete. Bei den Parlamentswahlen im selben Jahr kandidierten Malowatskyj und Malaschenkowa für den Wahlblock Poroschenko. Benedysjuk und Malaschenkowa wurden auf Vorschlag des Präsidenten in den Hohen Justizrat berufen und Malowatskyj auf Vorschlag der Parlamentsfraktion des Blocks Poroschenko.

Außerdem wird ein Mitglied des Hohen Justizrats, Pawlo Gretschkiwskyj, von der Generalstaatsanwaltschaft des Betrugs in einem besonders schweren Fall beschuldigt. Während Gretschkowskyj seine Schuld bestreitet, hat er weder sein Amt niedergelegt, noch die Teilnahme an Sitzungen des Hohen Justizrats ausgesetzt. Darüber hinaus beteiligt er sich an der Prüfung von Anträgen zur Ernennung von Richtern für den neuen Obersten Gerichtshof.

Trotz der formalen Annäherung an die vom Europarat für die mittel- und osteuropäischen Staaten empfohlenen Standards besteht ein hohes Risiko, dass die Probleme im Justizsystem durch den Hohen Justizrat fortgeschrieben werden. Die Ereignisse des Jahres 2017 zeigen, wie wahrscheinlich eine solche negative Entwicklung ist.

Schaffung eines neuen Obersten Gerichthofs

Die Bildung eines neuen Obersten Gerichthofs hätte die erste große Maßnahme im Rahmen der Justizreform sein sollen, die durch die Verfassungsänderungen des letzten Jahres eingeleitet wurde. Den Obersten Gerichtshof von Anfang an in offener Ausschreibung zu besetzen, war so eine Forderung zivilgesellschaftlicher Organisationen, die von der politischen Führung unterstützt wurde.

Der Oberste Gerichtshof ersetzt drei Höhere Gerichte und das amtierende Oberste Gericht. Diese Regelung berücksichtigt die Empfehlung der Venedig-Kommission von einem Justizsystem mit vier Ebenen (Amtsgerichte, Berufungsgerichte, Fachgerichte und Oberster Gerichtshof) zu einem Justizsystem mit drei Ebenen (Amtsgerichte, Berufungsgerichte, Oberster Gerichthof) überzugehen.

Zum ersten Mal wurde die höchste Gerichtsinstanz in offener Ausschreibung besetzt. Ebenfalls zum ersten Mal nahmen Anwälte und Wissenschaftler zusammen mit Richtern am Auswahlprozess teil. Zu Beginn des Auswahlverfahrens kandidierten für jeden Sitz im Obersten Gerichtshof etwa acht Personen. Die Kandidaten wurden komplexen Tests unterzogen: anonyme Prüfung der Rechtskenntnisse, Lösung einer praktischen Aufgabe (Entwurf einer Gerichtsentscheidung), Sonderprüfung, psychologische Tests und offene Interviews mit der Höheren Eignungskommission für Richter und dem Hohen Justizrat.

An den Gesprächen der Kandidaten mit der Höheren Eignungskommission nahmen auch Vertreter des öffentlichen Integritätsrates teil. Obwohl der Integritätsrat gesetzlich definiert ist, wird er vollständig von zivilgesellschaftlichen Organisationen gebildet. Der Integritätsrat sammelte und bearbeitete Informationen aus offenen Quellen und von Bürgern und konnte Erkenntnisse über falsche Angaben von Kandidaten bestätigen oder andere Informationen über die Kandidaten bereitstellen. Die Vertreter des Integritätsrates hatten gegenüber der Höheren Eignungskommission für Richter ausschließlich eine beratende Funktion. Der Integritätsrat stellte der Höheren Eignungskommission für Richter aber über jeden dritten Kandidaten negative Erkenntnisse zur Verfügung.

Im Juli 2017 gab die Höhere Eignungskommission für Richter die Ergebnisse des Auswahlverfahrens für den neuen Obersten Gerichtshof bekannt. Es wurden 120 Kandidaten empfohlen. Im September prüfte der Hohe Justizrat diese Empfehlungen und schlug dem Präsidenten 111 Kandidaten zur Ernennung als Mitglieder des Obersten Gerichtshofes vor. Im November verabschiedete der Präsident die entsprechenden Erlasse. Im Ergebnis besteht der neue Oberste Gerichtshof zu 78 % aus Richtern der staatlichen Justiz, zu 14 % aus Akademikern und zu 8 % aus Anwälten. Dabei waren 42 % der neuen Mitglieder schon vorher Richter an Gerichten, die jetzt durch den Obersten Gerichtshof ersetzt werden und weitere 36 % waren Richter an Amtsgerichten und Berufungsgerichten. Offensichtlich dominieren im neuen Obersten Gerichtshof also alte Richter der höheren Ebene, die eigentlich ersetzt werden sollten.

Darüber hinaus sind 24 % der neuen Richter des Obersten Gerichtshofs trotz einer negativen Empfehlung des öffentlichen Integritätsrates ernannt worden. Der Integritätsrat bezog sich dabei u. a. auf Missachtung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die dort zu wiederholten Urteilen gegen die Ukraine führte, auf Beteiligung an politisch motivierten Verfolgungen, auf falsche Angaben über eigenes Vermögen in Steuerklärungen und Vermögensdeklarationen. Paradoxerweise sitzen nun im neuen Obersten Gerichtshof zwei Richter, die 2012 unter Präsident Wiktor Janukowitsch an der Verurteilung von Juri Luzenko beteiligt waren, dem derzeitigen Generalstaatsanwalt. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates und das Europaparlament hatten Luzenkos Verurteilung damals als politisch motiviert kritisiert.

Das Auswahlverfahren selbst wurde trotz der Online-Übertragung der Interviews mit den Kandidaten nicht transparent genug organisiert. Insbesondere hat die Höhere Eignungskommission für Richter entgegen der gesetzlichen Vorgaben nur 48 % der Interviews mit den Kandidaten, nur 68 % der Entscheidungen über die Eignung der Kandidaten und keine einzige Stellungnahme zu den Empfehlungen des Integritätsrates veröffentlicht. Es gibt auch keinen systematischen Zusammenhang zwischen dem offenen Teil des Auswahlverfahrens und seinen Ergebnissen. Die Höhere Eignungskommission für Richter war nicht konsequent bei der Anwendung der von ihr festgelegten Auswahlmethoden. Beim psychologischen Test gehörte Loyalität zu den Bewertungskriterien.

Angesichts dieser Hinweise auf ein unfaires Auswahlverfahren hat das ukrainische Zentrum für Politik und Rechtsreform eine internationale Überprüfung des Auswahlverfahrens für die neuen Richter des Obersten Gerichtshofs gefordert.

Konflikt um das Antikorruptionsgericht

Im 2016 verabschiedeten Gesetz "Über das Justizsystem und die Stellung der Richter" ist die Schaffung eines Antikorruptionsgerichtes vorgesehen. Die Umsetzung muss jedoch in einem eigenen Gesetz geregelt werden. Die Idee eines Antikorruptionsgerichts wurde von zivilgesellschaftlichen Experten mit Unterstützung der Europäischen Union, des Europarats, der OSZE und des Internationalen Währungsfonds gefördert. Begründet wurde dies mit der Ineffizienz der Strafverfolgung von Korruptionsdelikten hochrangiger Staatsvertreter, da die ordentlichen Gerichte, die weiterhin nicht reformiert wurden, die Behandlung von Straftaten, die vom Nationalen Antikorruptionsbüro aufgedeckt wurden, offensichtlich verzögern.

Im Parlament wurde bereits im Februar 2017 der Gesetzentwurf "Über die Antikorruptionsgerichte" eingebracht. Der Entwurf sieht vor, dass ein Oberstes Antikorruptionsgericht und die Kammer für Korruptionsfälle beim neuen Obersten Gerichtshof gemeinsam Korruptionsdelikte hochrangiger Staatsvertreter behandeln, die vom Nationalen Antikorruptionsbüro untersucht wurden. Zusätzlich verlangt der Gesetzentwurf die Schaffung eines gesonderten Ausschusses für die Auswahl der entsprechenden Richter unter Beteiligung von Experten, die von den internationalen Organisationen und den Staaten empfohlen werden, die mit der Ukraine im Bereich der Korruptionsbekämpfung kooperieren.

Präsident Poroschenko lehnte die Schaffung eines separaten Gerichts für Korruptionsfälle ab und forderte in einem eigenen Gesetzentwurf die Einführung von für Korruptionsfälle zuständigen Kammern bei den bestehenden Gerichten. Dadurch wird das Problem jedoch nicht gelöst, da ja gerade die bestehenden Gerichte die Prüfung der entsprechenden Fälle sabotieren, die ihnen von der Speziellen Staatsanwaltschaft für Korruptionsfälle zugehen.

Die beiden rivalisierenden Gesetzentwürfe wurden im Oktober 2017 von der Venedig-Kommission geprüft (s. Dokumentation Interner Link: "Meinung der Venedig-Kommission des Europarates über den Gesetzentwurf zum Antikorruptionsgericht"). Die Kommission unterstützte die Idee der Schaffung eines separaten Antikorruptionsgerichts in der Ukraine. Sie hat auch auf die Zweckmäßigkeit der Teilnahme von internationalen Vertretern bei der Auswahl von Richtern für dieses Gericht hingewiesen. Die Kommission hat den Abgeordneten vorgeschlagen, ihren Gesetzentwurf zurückzuziehen, und dem Präsidenten geraten, seinen Gesetzentwurf im Einklang mit den Empfehlungen der Kommission zu überarbeiten, um eine Entscheidung im Konsens zu erreichen.

Im selben Zeitraum fanden vor dem Parlament mehrere Kundgebungen statt mit Forderungen, die parlamentarische Immunität abzuschaffen, das Wahlgesetz zu ändern und ein Antikorruptionsgericht einzurichten [siehe dazu auch den Beitrag von Zajaczkowski in dieser Ausgabe]. Anschließend unterstützte der Präsident die Schaffung eines separaten Antikorruptionsgerichts, übergab die Verantwortung aber an das Parlament, das er aufforderte einen neuen Gesetzentwurf auszuarbeiten.

Massive Änderungen im Prozessrecht

Im Oktober 2017 verabschiedete das Parlament das Gesetz "Über Änderungen des Prozessrechts der Ukraine im Bereich der Wirtschaft, des Zivilprozessrechts der Ukraine, des Kodex der Verwaltungsjustiz der Ukraine und anderer Rechtsakte". Grundlegende Änderungen gab es aber nur mit Bezug auf Berufungsverfahren, in Details wurden aber die gesamten gesetzlichen Regelungen des Prozessrechts neu formuliert.

Diese Änderungen waren notwendig, um den Übergang von vier Ebenen auf drei Ebenen des Justizsystems zu ermöglichen. So wird u. a. ein neues Kassationsinstitut eingeführt. Ohne diese Änderungen kann der neue Oberste Gerichtshof seine Arbeit nicht beginnen. Außerdem sind u. a. Änderungen bei der Umsetzung der elektronischen Justiz, der Vereinfachung von Gerichtsverfahren und der Einleitung von Mediationsverfahren vorgesehen.

Kurz vor der Abstimmung im Parlament wurden die neuen Regeln des Prozessrechts in der öffentlichen Debatte vor allem wegen mangelhafter Transparenz der Justiz stark kritisiert. So enthielt der Gesetzentwurf Bestimmungen, die es dem Gericht ermöglichten, den Zugang zum Gerichtssaal beim Fehlen freier Plätze einzuschränken und den Anwesenden zu untersagen, eine öffentliche Gerichtsverhandlung aufzuzeichnen. Dies wurde als Angriff auf die Errungenschaften der ukrainischen Gesellschaft in den letzten zwei Jahren gesehen. In der letzten Lesung hat das Parlament diese Bestimmungen dann gestrichen.

Gleichzeitig wurden Änderungen der Strafprozessordnung eingeführt, die die Ermittlungen in vielen Straffällen lähmen und die Effizienz der Strafgerichtsbarkeit reduzieren können. Die Änderungen sehen so z. B. vor, dass Anträge von Ermittlern und Staatsanwälten bezüglich Beschlagnahme von Eigentum, Inhaftierung einer Person, persönlicher Verpflichtung, Hypothek, Hausarrest usw. bei dem Gericht gestellt werden müssen, bei dem die jeweilige Behörde als juristische Person registriert ist. Im Falle der Polizei ist dies die Regionalverwaltung. Die meisten polizeilichen Ermittler werden dementsprechend gezwungen sein, Dutzende oder sogar Hunderte von Kilometern in die regionale Hauptstadt fahren zu müssen. Im Ergebnis werden die Untersuchungsrichter der entsprechenden Gerichte mit Arbeit überhäuft werden und nicht zu einer zeitnahen Prüfung in der Lage sein.

Die Änderungen im Prozessrecht sehen auch vor, dass nur ein Gericht eine Tatsachenfeststellung anordnen kann. Dies bedeutet, dass der Verteidigung das Recht entzogen wird, Experten unabhängig zu engagieren, und die Staatsanwaltschaft wird jedes Mal gezwungen sein, auf die Erlaubnis des Gerichts zu warten, um notwendige Untersuchungen durchzuführen, insbesondere um die Todesursache einer Person festzustellen. Dadurch erhalten staatliche Institute ein Monopol auf forensische Untersuchungen. Dies wird zu einer erheblichen Einschränkung des Schutzrechts und des verfassungsrechtlichen Wettbewerbsprinzips zwischen den Parteien führen.

Aus diesem Grund haben zivilgesellschaftliche Organisationen den Präsidenten aufgefordert, gegen das Gesetz sein Veto einzulegen. Die Untersuchungsbehörden, insbesondere das Nationale Antikorruptionsbüro, kritisierten ebenfalls die im Gesetz vorgesehenen Änderungen des Prozessrechts.

Reform der juristischen Ausbildung

Im Juli 2017 genehmigte die Regierung eine Erhöhung der Zahl der staatlich finanzierten Studienplätze für Juristen. Die Bildungseinrichtungen des Innenministeriums werden die Anzahl der staatlich finanzierten Studienplätze für einen ersten Studienabschluss in Jura (BA-Niveau) auf 2.969 erhöhen, während die Institutionen des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft die entsprechende Zahl auf 2.140 kürzen. Dies bedeutet, dass die Bildungseinrichtungen der bewaffneten Organe der Exekutive eine größere staatliche Finanzierung zur Ausbildung von Juristen erhalten als klassische Universitäten und andere Bildungseinrichtungen des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft.

Experten bezeichneten dies als einen weiteren Versuch, die Reform der juristischen Ausbildung zum Scheitern zu bringen. In Bildungseinrichtungen des Innenministeriums wird nach wie vor von Studierenden verlangt, neben dem externen Auswahlverfahren zusätzlich am "kreativen" Wettbewerb "Zukunftsberuf – Polizei" teilzunehmen. Gleichzeitig sollten in Bildungseinrichtungen der bewaffneten Organe der staatlichen Exekutive keine Vertreter der Rechtsberufe wie Richter, Staatsanwälte, Anwälte, Notare angestellt werden. Leider hat die Regierung nicht auf die Forderung von Experten gehört, die Ausbildung von Juristen nicht in höheren Bildungseinrichtungen der bewaffneten Organe der Exekutive vorzunehmen.

Es gab jedoch auch eine positive Entwicklung. Im August 2017 wurde eine einheitliche Aufnahmeprüfung mit externer unabhängiger Bewertung (ZNO) für das Jurastudium auf MA-Niveau (zweiter, höherer Studienabschluss nach dem BA) eingeführt. Die Prüfung umfasst Rechtskenntnisse, allgemeine für das Jurastudium relevante Kompetenzen und Fremdsprachenkenntnisse. Durch die einheitliche Aufnahmeprüfung soll Korruption beim Hochschulzugang vermieden werden, ein fairer und gleichberechtigter Zugang zum Jurastudium gewährleistet werden und die Qualität des Jurastudiums verbessert werden. Im Vorjahr war die entsprechende Prüfung für das Jurastudium an neun Universitäten erfolgreich getestet worden.

Jeder vierte Teilnehmer hat den Test für das Jurastudium auf MA-Niveau nicht bestanden. Die schlechtesten Ergebnisse hatten BA-Absolventen von Agrarhochschulen, Hochschulen des Innenministeriums und von privaten Bildungseinrichtungen. Bewerber, die die Prüfung erfolgreich bestanden und eine hohe Punktzahl erhalten haben, haben eine größere Chance an der von ihnen gewählten Bildungseinrichtung und mit einem staatlichen Stipendium zu studieren. Das Vertrauen in ein solches Prüfungsverfahren ist laut Experten sehr hoch. Es wird erwartet, dass im Laufe der Zeit eine entsprechende einheitliche staatliche Eignungsprüfung auch für die Absolventen der juristischen MA-Studiengänge eingeführt wird.

Im September und Oktober 2017 wurden zwei Gesetzesentwürfe bezüglich des Jurastudiums und der Juristenberufe ins Parlament eingebracht. Der erste Gesetzentwurf sieht Reformen vor. Zu den Juristenberufen werden Richter, Rechtsanwalt, Staatsanwalt und Notar gezählt. Als obligatorische Bedingung für die Zulassung zu einem Juristenberuf wird im Gesetzentwurf die Teilnahme an der einheitlichen staatlichen Eignungsprüfung nach dem Erwerb eines MA-Abschlusses in Rechtswissenschaften festgelegt. Es werden auch hohe Anforderungen an Hochschulen aufgestellt, die Juristen ausbilden. Die juristische Ausbildung darf nicht von Bildungsinstitutionen einer staatlichen Behörde, wie Innenministerium, Finanzministerium oder Strafvollzugsanstalten, angeboten werden. Der zweite Gesetzentwurf wurde vorgelegt, um die juristische Ausbildung so zu belassen, wie sie heute aussieht.

Ausblick

Bedauerlicherweise führt die formale Umsetzung der europäischen Empfehlungen für die Einführung des Hohen Justizrates, der nun mehrheitlich aus von Richtern gewählten Richtern des alten Systems bestehen wird, auch zur Beibehaltung des alten Justizsystems mit all seinen Mängeln, einschließlich Vetternwirtschaft, Verzicht auf Kritik an den Anweisungen des vorsitzenden Richters und verschiedenen Varianten von Korruption. Es ist schwierig für eine solche Justiz, ernsthafte Reformen zu unterstützen.

Es scheint, dass der von der Höheren Eignungskommission für Richter und vom Hohen Justizrat gebildete Oberste Gerichtshof in der Gesellschaft keine großen Erwartungen erzeugt hat. Dies kann insofern ein Vorteil sein, als so auch kaum Enttäuschung entstehen kann. Gleichzeitig hat die Minderheit der Außenseiter im Obersten Gerichtshof die Chance, allmähliche Veränderungen zum Besseren vorzunehmen, wenn sie entsprechend aktiv wird.

Die Arbeit an der Erneuerung der Gerichte wird fortgesetzt. Die Eignungsprüfung für amtierende Richter wird eingeleitet, insbesondere für Richter, die zuvor für fünf Jahre ernannt wurden und deren Amtszeit nun abgelaufen ist und für Richter an Berufungsgerichten. Das geringe Maß an Integrität, das von der der Höheren Eignungskommission für Richter während des Auswahlverfahrens für den Obersten Gerichtshofs gezeigt wurde, lässt aber wenig Hoffnung, dass diese Überprüfung zu notwendigen Entlassungen von Richtern führen wird.

Ein weiteres Auswahlverfahren für Richter an einem neuen Gericht, dem Hohen Gericht für geistiges Eigentum, ist angekündigt worden. Obwohl dieses Gericht nicht so dringend benötigt wird, wie ein Antikorruptionsgericht, wird es wohl doch früher seine Arbeit aufnehmen. Bezüglich des Antikorruptionsgerichts hat die politische Führung zwei Möglichkeiten, entweder die Einrichtung zu verhindern oder die Tätigkeit des Gerichts so zu regulieren, dass politische Kontrolle gesichert wird. Beides kann nur durch Druck und Einmischung der ukrainischen Öffentlichkeit und internationaler Partner der Ukraine verhindert werden.

Das Strafprozessrecht braucht weitere Veränderungen sowohl zur Korrektur von Fehlern als auch zur Einführung eines vollständigen Geschworenengerichts. Es ist auch notwendig, den Verwaltungsgerichten die Verantwortung für ihrem Charakter nicht angemessene, vom Staat eingeleitete Verfahren gegen Privatpersonen zu entziehen.

Was die juristische Ausbildung anbelangt, so wird der Konflikt um ihre Reform zwischen denjenigen fortgesetzt werden, die die Bedeutung der Qualität juristischer Ausbildung verstehen, und den Vertretern des bestehenden Systems, die es als Mittel zum Geldverdienen betrachten.

Leider sind die Möglichkeiten für schnelle und vor allem effektive Änderungen des Justizsystems im Interesse der ukrainischen Gesellschaft trotz der guten Vorgaben durch die Verfassungsänderung nicht genutzt worden. Derzeit bleibt nur die Hoffnung auf langsame Fortschritte und das Warten auf eine neue Chance für durchgreifende Reformen.

Übersetzung aus dem Ukrainischen: Lina Pleines

Lesetipps:

Fussnoten

Dr. Roman Kuybida ist Rechtsexperte und stellvertretender Vorsitzender des Zentrums für Politik und Rechtsreform (CPLR). Er ist Mitglied des öffentlichen Integritätsrates.