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Analyse: Staatsdumawahlen auf der Krim | Ukraine-Analysen | bpb.de

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Analyse: Staatsdumawahlen auf der Krim

David Szakonyi Washington Von David Szakonyi

/ 12 Minuten zu lesen

Vor über einem halben Jahr konnte die Bevölkerung auf der Krim im Zuge der Wahlen zur russischen Staatsduma ihre Stimme abgeben. David Szakonyi blickt nun auf die Abstimmung zurück und stellt die Frage nach der politischen Leitlinie der damals siegreichen Partei "Einiges Russland".

Eine Frau verlässt eine Wahlkabine in Simferopol. Im September des letzten Jahres fanden auf der Krim Wahlen zur russischen Staatsduma statt. (© picture-alliance/AP)

Zusammenfassung

Wenig überraschend hat die Partei Einiges Russland die ersten auf der Krim abgehaltenen Dumawahlen seit über hundert Jahren gewonnen. Doch eine anhaltende Unzufriedenheit mit seiner Führungsqualität in Städten wie Sewastopol könnte Russlands Fähigkeit untergraben, eine Linie zu entwickeln, mit der die neue politische Landschaft auf der Krim dauerhaft in den Griff zu bekommen ist.

Russische Wahlen auf der Krim

2016 stimmte die Krim zum ersten Mal seit hundert Jahren bei Nationalwahlen als Mitglied der Russischen Föderation ab. Obwohl die überwiegende Mehrheit der internationalen Gemeinschaft die Annexion der Region von 2014 nach wie vor nicht anerkennt, waren dort 1,8 Millionen Wähler stimmberechtigt, um Politiker zu wählen, die sie in der russischen Staatsduma vertreten sollen. Diese Wähler waren aufgerufen, sich zwischen einer Reihe politischer Parteien zu entscheiden, die sich erst jüngst gegründet und in der Krim-Politik miteinander konkurriert haben.

Viele Bürger auf der Krim hatten sich einen klaren Bruch mit der Politik der Zeit vor der Annexion erhofft – sie befanden sich nun in der Situation, aus einem kleinem Angebot von Eliten mit einer weit zurückreichenden Geschichte in der Region wählen zu müssen. Die Partei Einiges Russland gewann die Wahlen, indem sie einflussreiche Personen aus der Ukrainischen Partei der Regionen – die die Krim vor der Annexion dominiert hatte – und die Anführer des "Krimfrühlings" sehr erfolgreich politisch einband. Alle vier in Einzelwahlkreisen vergebenen Sitze gewannen Kandidaten von Einiges Russland, von den nach Verhältniswahlrecht vergebenen Stimmen bekam die Partei über 70 Prozent. Ihre Zusammenarbeit mit früheren Eliten verschaffte Einiges Russland starken Gegenwind von Seiten der neuen politischen Kräfte, die auf die öffentliche Unzufriedenheit mit der Integration nach Russland setzten. Der heftige politische Kampf um die Abgeordnetensitze in Sewastopol zeigt die Herausforderungen, denen sich die in Zukunft regierende Partei stellen muss, um die lokale Politik nachhaltig in den Griff zu bekommen.

Wahl- und Parteiensystem auf der Krim

Die russischen Staatsdumawahlen vom September 2016 fanden auf der Grundlage eines gemischten Wahlsystems statt. Die Hälfte der 450 Abgeordneten wurde über Parteilisten gewählt, die andere Hälfte über Einzelwahlkreise. Vier dieser Einzelwahlkreise lagen auf der Halbinsel Krim, davon einer in Sewastopol, als Stadt mit Regionalstatus. Etliche Krim-Politiker standen auch auf landesweiten Parteilisten, so dass bis zu acht Vertreter der Halbinsel in die siebte Staatsduma gewählt werden konnten.

Die Dumawahlen fanden unter den Bedingungen anhaltender wirtschaftlicher Schwierigkeiten der lokalen Bevölkerung statt. Seit der Annexion und der Verhängung von Sanktionen durch den Westen sind die Privatinvestitionen dramatisch zurückgegangen und die Inflation ist gestiegen. Umfangreiche Transferleistungen aus Moskau konnten einige Folgen dieser Entwicklungen abfedern (s. Grafik 2), den Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion und das Fehlen einer funktionierenden Infrastruktur konnten sie jedoch nicht komplett kompensieren. Schadensbegrenzend wirkte sich die allmähliche Rückkehr des Tourismus aus, der das Niveau von vor 2014 jedoch noch nicht wieder erreicht hat – damals wurden die Häfen der Krim regelmäßig von europäischen Kreuzfahrtschiffen angefahren.

Nicht alle großen russischen Parteien waren mit der Krim-Politik vor der Annexion 2014 gänzlich unvertraut. Einiges Russland und die ukrainische Partei der Regionen nahmen in den 2000er Jahren erstmals Kontakt auf der Krim auf, als letztere dort die Lokalregierung stellte. Die Parteien hatten zahlreiche Ähnlichkeiten, unter anderem ihre breit aufgestellte Art des Regierens, die die Bedeutung von Ideologien herunterspielte und sich statt auf die Schaffung allgemeinen Wohlstands auf den Aufbau politischer Maschinerien konzentrierte. Hochrangige Politiker von Einiges Russland bewarben die Zusammenarbeit der Parteien, indem sie Veranstaltungen auf der Krim organisierten, und nannten die Partei der Regionen 2005 sogar ihren "Schlüssel- und einzigen Partner in der Ukraine".

Diese bereits vorhandenen Verbindungen steigerten die Wählbarkeit der Partei Einiges Russland nach der Annexion der Krim. Einigen Beobachtern zufolge vollzog Einiges Russland direkt nach der Annexion eine nahezu komplette Übernahme des Wahlapparats der Partei der Regionen. Einiges Russland bezog die Zentrale der Partei der Regionen in Simferopol. Ehemalige Verwaltungsangestellte wurden wieder eingestellt, um für Einiges Russland zu arbeiten, und die Kandidatenlisten für regionale und föderale Wahlen füllten sich mit ehemaligen Mitgliedern der Partei der Regionen.

Es wurde allerdings nicht die komplette alte Garde übernommen. Eine lange, von der Partei der Regionen übernommene Mitgliederliste wurde zusammengestrichen. Einige der bekanntesten Gesichter von Einiges Russland (zum Beispiel Ministerpräsident Sergej Aksjonow und der Stellvertretende Ministerpräsident Michail Scheremet) aus prorussischen Parteien wie Russische Einheit waren vor der Annexion wesentlich weniger bekannt. Diese Strategie sollte viele beliebte Anführer des "Krim-Frühlings" einbinden, gleichzeitig wollte man vom Mobilisierungserbe profitieren, das die Partei der Regionen sich in der Region aufgebaut hatte. Im Herbst 2014 hatten Politiker von Einiges Russland bereits sowohl in Sewastopol als auch in der Republik Krim die Spitzen der legislativen und der exekutiven Institutionen übernommen und legten allmählich normale Züge einer Regierungspartei an den Tag.

Der Anteil der Partei bei den Dumawahlen geht stark auf Präsident Putin zurück, dessen Zustimmungsraten in den astronomischen Höhen verblieben sind, auf die sie nach der Inszenierung der Annexion auf der Krim gestiegen waren. Lokalen Führungsfiguren von Einiges Russland erging es allerdings weniger gut. Schon früh gab es die Befürchtung, dass korrupte lokale Netzwerke für Infrastruktur bestimmte staatliche Gelder abziehen und Immobilienverkäufe für private Interessen nutzen würden. Politiker wie der regionale Parlamentschef und Vorsitzender von Einiges Russland Wladimir Konstantinow sind eng mit großen Bauunternehmen verbunden und schaffen über ihre Autorität einen Teil der Aktionen für sich auf die Seite (s. Interner Link: Vermögensdeklarationen). Manche meinen, mit der Annexion habe sich die Situation nicht geändert – habgierige und machthungrige Eliten plagen die Region.

Systemkonforme russische Oppositionsparteien konnten nicht von der gesellschaftlichen Unzufriedenheit mit den neuen Autoritäten profitieren. Die Liberaldemokratische Partei Russlands (LDPR) und Gerechtes Russland hatten keinerlei Parteistrukturen aus der Zeit vor der Annexion, die sie ausbauen konnten, entsprechend schwer fiel es ihnen, Kader aufzubauen und fähige Führungsfiguren zu finden. Beide versuchten, aus Spaltungen innerhalb der Elite von Einiges Russland zu profitieren und über sie Kandidaten zu rekrutieren. Die Kommunistische Partei versuchte, Kandidaten vom russischen Kernland zu importieren, musste bei den Regionalwahlen 2014 jedoch zusehen, wie sich die Wähler vor Ort von den politischen Abenteurern abwendeten. Die Anzahl der Krim-Politiker ist zugegebenermaßen überschaubar, was ihre Rekrutierung wiederum erschwert.

Andere Akteure auf der Krim versuchten stattdessen, Einiges Russland herauszufordern – am bekanntesten wurde dabei Alexej Tschaly, der selbsternannte "Volksbürgermeister" von Sewastopol, der federführend an der Loslösung von der Ukraine mitgewirkt hat. Seitdem ist Tschaly ein Dorn im Auge lokaler Autoritäten und vor allem von Einiges Russland-Politikern, denen er vorwirft, die Träume der "Revolution" enttäuscht zu haben. Seine Petition an den Kreml, die Korruption auf der Krim dokumentiert, zwang Präsident Putin zu dem ungewöhnlichen Schritt der Einberufung eines Treffens regionaler Führungsfiguren. Seit seinem Austritt aus dem Sewastopoler Stadtrat 2015 versuchte Tschaly, führende externe Regierungsvertreter zu Aktionen zu bewegen – er hat sogar versucht, ein Referendum zu organisieren, in dem das Volk entscheiden sollte, ob es seinen regionalen Gouverneur wählt oder nicht.

Im Dumawahlkampf stellte Tschaly die immense Unterstützung durch seine Popularität in den Dienst des Kandidaten der "Partei des Wachstums" Oleg Nikolaew. Nikolaew, ein erfolgreicher Geschäftsmann aus Sewastopol, hatte zuvor die lokale Niederlassung von Delovaja Rossija geleitet, eines landesweiten Unternehmerverbands unter der Leitung des Ombudsmanns Boris Titow. Als Titow mit der Gründung der Partei des Wachstums in die Politik wechselte, galt Nikolaew als einer seiner Kandidaten mit den besten Aussichten auf einen Sitz in der Duma. Tschalys enorme Popularität belebte Nikolaews Wahlkampf um einen Dumasitz für Sewastopol und trug dazu bei, viele Bürger zu aktivieren, die enttäuscht vom Umfang der seit der Annexion durchgeführten Reformen waren.

Die andere entscheidende Frage für den Dumawahlkampf betraf die Minderheit der Krimtataren, etwa 13 Prozent der Bevölkerung, denen seit 2014 erhebliche politische Repression widerfahren ist (s. Dokumentation Interner Link: "Die jüngsten Resolutionen..."). Prominente Führungsfiguren der Krimtataren lehnten die Annexion ab und fanden sich daraufhin für fünf Jahre im Exil wieder. Die Behörden haben auch die Arbeit der parlamentarischen Vertretung der Tataren, des Medschlis, verboten. Für seine Abgeordneten wurde der Zugang zu den Massenmedien sowie die Möglichkeit, dort präsent zu sein, eingeschränkt, außerdem wurde für sie die Möglichkeit, öffentliche Demonstrationen und Fundraisings zu organisieren, beschnitten. Führende Aktivisten der Krimtataren erklärten daraufhin, die Staatsdumawahlen boykottieren zu wollen und beriefen sich zur Begründung auf ihre schlechte Behandlung durch die Regierung.

Jene Krimtataren, die parlamentarische Vertreter wählen wollten, die ihre Ablehnung der Annexion teilten, hatten bei den Dumawahlen wenig Auswahl. Systemkritische Oppositionsparteien wie Parnas und Jabloko boykottierten die Wahlen auf der Krim weitgehend. Mit Führungsfiguren, die sich offiziell für die Rückkehr der Region zur Ukraine aussprachen, kämpften sie einen schweren, wenn nicht aussichtslosen Kampf gegen den Durchschnittswähler, der noch immer verliebt in die Annexion ist. Wenn es eine Gemeinsamkeit der Kandidaten aller Parteien gegeben hat, dann ihr unerschütterliches Bekenntnis zu einer ordnungsgemäßen Integration der Halbinsel in Russland. Was sie unterschied, waren die Persönlichkeiten, die zur Gestaltung dieses Übergangs jeweils vorgeschickt werden sollten.

Dominanz von Einiges Russland

Der gemeinsame Wahltag, der 18. September 2016, verlief sehr unspektakulär. Die offizielle Wahlbeteiligung wurde für die Krim mit 42,4 Prozent und für Sewastopol mit 40,3 Prozent angegeben. Diese Zahlen sind vergleichbar mit denen im Rest Russlands, wo es die niedrigste Wahlbeteiligung der Postsowjetzeit gab. Trotzdem erkannte der größte Teil der westlichen internationalen Gemeinschaft die Legitimität der Ergebnisse auf der Krim nicht an. Die USA, Frankreich und Deutschland erklärten die Wahlen für rechtswidrig, die wichtigste Wahlbeobachtungsorganisation – das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte der OSZE – lehnte es ab, Wahlbeobachter auf die Krim zu entsenden.

Inwieweit die Wahlen ordnungsgemäß verlaufen sind, lässt sich aufgrund dieses Fehlens internationaler Beobachter schwer abschätzen. Journalisten und inoffizielle Beobachter haben jedoch Verstöße festgestellt. So gab es beispielweise Berichte über öffentliche Angestellte, die unter Druck gesetzt worden sein sollen, für die regierende Partei zu stimmen. Die Direktorin des berühmten Weinguts Massandra außerhalb von Jalta, Janina Pawlenko, berief eine Versammlung ein, um Angestellte auszuzeichnen, die den Kandidaten von Einiges Russland in diesem Bezirk öffentlich unterstützen. Zudem kamen in großem Ausmaß öffentliche Mittel zugunsten von Einiges Russland zum Einsatz. Kandidaten der Partei wurden beim Zugang zum Rundfunk stark bevorzugt und die Partei überzog die Region mit Wahlplakaten. In Armjansk verteilten Beamte sogar Smartphones an Wähler, um einen Anreiz zu schaffen, zur Wahl zu gehen.

Letztendlich gingen die Wahlen weitgehend wie erwartet aus. Einiges Russland erhielt 72,8 Prozent der Stimmen, damit konnten vier seiner Kandidaten in die Staatsduma einziehen. Einer von ihnen sollte eigentlich Ministerpräsident Sergej Aksjonow sein. Dessen Gang nach Moskau hätte aber eine klaffende Lücke in der oberen Regierungsriege hinterlassen. Aksjonow verweigerte deshalb die Annahme seines Mandats und räumte seinen Platz für die Generalstaatsanwältin Natalia Poklonskaja, deren Rolle während der Annexion sie zu einer nationalen Berühmtheit gemacht hat. Kommunisten und LDPR landeten weit abgeschlagen hinter Einiges Russland, beide erhielten etwas mehr als 13 Prozent der Stimmen für Parteilisten. Die Kandidaten von Einiges Russland – der Sprecher, der Stellvertretende Sprecher und der Kulturausschussvorsitzende des Krim-Staatsrats – gewannen alle drei Einzelwahlkreise der Republik Krim.

Der Sitz für den Einzelwahlkreis Sewastopol war deutlich heftiger umkämpft. Letzten Endes gewann ihn Dmitri Belik mit 33,8 Prozent der Stimmen, der Kandidat von Einiges Russland und ebenfalls ein ehemaliger Funktionär der Partei der Regionen. Er warf damit Nikolaew (Partei des Wachstums) und den kommunistischen Kandidaten Nikolaj Komojedow aus dem Rennen, einen ehemaligen Kommandeur der Schwarzmeerflotte. Dieses Ergebnis war keinesfalls klar absehbar gewesen. Eine verbreitete Missbilligung der mangelnden Kontrolle von Straßenbauplänen und der Vergabe begehrter Grundstücke durch Vertreter von Einiges Russland hatte viele veranlasst, bei einem Sieg Nikolaews Turbulenzen zu erwarten. Doch Einiges Russland ließ seinen Parteiapparat auf Hochtouren laufen und in der Folge hagelte es Anschuldigungen gegen den letztendlichen Gewinner, schmutzige Tricks angewendet zu haben.

Statistische Analyse

Eine Eigenheit der Wahlverwaltung auf der Krim ermöglicht eine tiefergehende Analyse der Wahlergebnisse. Im Zuge des Integrationsprozesses in die Zentrale Russische Wahlkommission übernahmen die lokalen Behördenvertreter auf der Krim größtenteils die Bezirke aus der Zeit, als die Halbinsel zur Ukraine gehörte. Ein einfacher Vergleich der beiden Wahlbezirkslisten ergibt eine sehr weitgehende Überschneidung dieser für die beiden Wahlen. Von den 1.398 Wahlbezirken für die Republik Krim und Sewastopol bei den russischen Staatsdumawahlen waren 1.258 (90 Prozent) von den ukrainischen Werchowna Rada-Wahlen von 2012 übernommen worden. Damit ist ein einzigartiger Einblick in die Entwicklung des Wahlverhaltens auf der Krim nach der Annexion möglich.

Zum ersten gab es zwischen 2012 und 2016 einen Rückgang der Wahlbeteiligung um etwa zehn Prozent. Teilweise lässt sich dieser auf Stromausfälle in etlichen Bezirken zurückführen. Das fehlende Interesse der Wähler könnte aber auch politischerer Natur sein. Interner Link: Grafik 1 lässt vermuten, dass der Boykott der Krimtataren die Wahlbeteiligung in den Gegenden gesenkt hat, in denen die Minderheit stark konzentriert vorhanden ist – etwa in Bachtschyssaraj (44,6 Prozent) und im Bezirk Simferopolskij (47,6 Prozent). Die Platzierung des Krimtataren Ruslan Balbek auf der Liste von Einiges Russland (und sein anschließender Einzug in die Duma) hat möglicherweise die Fähigkeit dieser Gruppe unterminiert, vereint hinter dem Boykott zu stehen. Außerdem war die Wahlbeteiligung in Küstenstädten generell niedrig, dort sind die Bürger am härtesten vom Rückgang des Tourismus betroffen. Der Anteil von Einiges Russland war in Gegenden mit niedriger Wahlbeteiligung kleiner, wie Interner Link: Grafik 2 zeigt.

Die Behörden wendeten wohl auch einige Tricks zur Beeinflussung der Wahlbeteiligung an. Interner Link: Grafik 3 zeigt die Verteilung der Wahlbeteiligung über die Wahlbezirke der Krim. Besonders ins Auge springt der Balken ganz rechts, der eine ungewöhnlich hohe Wahlbeteiligung in einigen Bezirken anzeigt. 45 Wahlbezirke verzeichneten eine Wahlbeteiligung von über 95 Prozent, wobei hier in Krankenhäusern, Schulen und in staatlich finanzierten Institutionen abgestimmt werden konnte. In diesen Bezirken war die Wahlbeteiligung in der Vergangenheit niedriger – bei den Wahlen zur Werchowna Rada 2012 lag sie durchschnittlich bei 54 Prozent.

Schließlich ist noch interessant, wie die Wähler auf der Krim die neuen russischen Parteien angenommen haben, nachdem sie sich zuvor jahrelang an der ukrainischen Politik beteiligt hatten. Interner Link: Tabelle 1 zeigt die Wählerwanderung von den ukrainischen zu den russischen Parteien für alle Wahlkreise, also die einfache Korrelation zwischen dem Stimmanteil der großen ukrainischen Parteien von 2012 (Spalten) und dem Stimmanteil der großen russischen Parteien, der 2016 in den gleichen Wahlkreisen erreicht wurde (Zeilen).

Wie erwartet, konnte Einiges Russland viele Wähler ansprechen, die bei den ukrainischen Nationalwahlen 2012 die Partei der Regionen gewählt hatten. Außerdem wurde die Partei allerdings von ehemaligen Unterstützern der Allukrainischen Vereinigung Vaterland gewählt, der Partei der ehemaligen Ministerpräsidentin Julia Timoschenko. Ihre Führungsfigur war 2012 Arsenij Jazenjuk, der später der erste Postmaidan-Ministerpräsident der Ukraine wurde. Der Ansatz von Eingies Russland, über das Erbe der Partei der Regionen hinauszugehen, ermöglichte es ihr, die Stimmen von Wählern zu bekommen, die bisher für den Hauptrivalen der Partei der Regionen votiert hatten.

Andererseits teilten LDPR und KPRF letzten Endes die nationalistischen und kommunistischen Wählerstimmen untereinander auf. Die LDPR richtete sich explizit an russische Nationalisten, genau wie ihr Anführer Wladimir Schirinowsky. Wähler, die 2012 den Russischen Block gewählt hatten (der die Annexion schon früh stark unterstützt hatte und nun in der Ukraine verboten ist), wendeten sich von Einiges Russland ab – und der provokativeren Rhetorik der beiden Parteien bezüglich einer Rückkehr der Krim zu ihren glorreichen Tagen in der Sowjetunion zu. Und zuletzt: Die geringe Unterstützung für Jabloko und Parnas – die beiden wichtigsten systemkritischen Parteien, die zur Dumawahl angetreten sind – kam hauptsächlich von ehemaligen Unterstützern der Ukrainischen Demokratischen Reformallianz (UDAR), die 2012 gegen Korruption und für eine proeuropäische Ausrichtung der Ukraine angetreten war.

Ausblick

Insgesamt gab es bei den Wahlen auf der Krim keine großen Überraschungen. Einiges Russland hat in der entscheidenden Stadt Sewastopol die große Herausforderung gemeistert, sowohl den Einzelwahlkreis zu gewinnen als auch über die Parteilisten. Die anhaltende Unzufriedenheit mit dem Ausmaß der Korruption und der Unfähigkeit, strukturelle wirtschaftliche Probleme zu lösen, könnte für die Kandidaten von Einiges Russland jedoch langfristig eine Gefahr darstellen. Nach der russischen Annexion mehrten sich große Erwartungen an eine glücklichen Zukunft, hinter denen die Realität leider in mehrfacher Hinsicht zurückgeblieben ist. Die kaum vorhandene Erfahrung der politischen Parteien des russischen Kernlands mit der Arbeit auf der Krim könnte zu deren Öffnung für lokale Politiker führen, die einen anderen Weg in die Zukunft versprechen.

Übersetzung aus dem Englischen: Sophie Hellgardt

Fussnoten

David Szakonyi ist Assistant Professor für Politikwissenschaft an der George Washington University.