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Kommentar: Neopatrimoniale Demokratie in der Ukraine nach dem Euromaidan: vorläufige Ergebnisse | Ukraine-Analysen | bpb.de

Ukraine Arbeitsmarktintegration ukrainischer Geflüchteter / Ukrainische Community in Deutschland / Deutsch-ukrainische kommunale Partnerschaften (29.04.2024) Analyse: Arbeitsmarktintegration der ukrainischen Geflüchteten in Deutschland Statistik: Integration in den Arbeitsmarkt Analyse: Die ukrainische Community in Deutschland Analyse: (Un)genutzte Potenziale in den deutsch-ukrainischen Kommunal- und Regionalpartnerschaften Dokumentation: Übersicht deutsch-ukrainischer Partnerschaften Chronik: 11. bis 31. März 2024 10 Jahre Krim-Annexion / Donbas nach der Annexion 2022 (21.03.2024) Analyse: Zehn Jahre russische Annexion: Die aktuelle Lage auf der Krim Dokumentation: Reporters Without Borders: Ten years of Russian occupation in Crimea: a decade of repression of local independent journalism Dokumentation: Europarat: Crimean Tatars’ struggle for human rights Statistik: Repressive Gerichtsverfahren auf der Krim und in Sewastopol Analyse: Die Lage im annektierten Donbas zwei Jahre nach dem 24. Februar 2022 Umfragen: Öffentliche Meinung zur Krim und zum Donbas Chronik: 22. Februar bis 10. März 2024 Wirtschaft / Rohstoffe / Kriegsschäden und Wiederaufbau Analyse: Wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit in einer schwierigen Gesamtlage Analyse: Die Rohstoffe der Ukraine und ihre strategische Bedeutung Analyse: Schäden und Wiederaufbau der ukrainischen Infrastruktur Chronik: 11. Januar bis 21. Februar 2024 Zwei Jahre Angriffskrieg: Rückblick, aktuelle Lage und Ausblick (23.02.2024) Analyse: Zwei Jahre russischer Angriffskrieg. Welche politischen, militärischen und strategischen Erkenntnisse lassen sich ziehen? Kommentar: Die aktuelle Lage an der Front Kommentar: Wie sich der russisch-ukrainische Krieg 2024 entwickeln könnte Kommentar: Die Ukraine wird sich nicht durchsetzen, wenn der Westen seine eigene Handlungsfähigkeit verleugnet Kommentar: Wie funktioniert das ukrainische Parlament in Kriegszeiten? Kommentar: Wie die Wahrnehmung des Staates sich durch den Krieg gewandelt hat Umfragen: Stimmung in der Bevölkerung Statistik: Verluste an Militärmaterial der russischen und ukrainischen Armee Statistik: Russische Raketen- und Drohnenangriffe, Verbrauch von Artilleriegranaten, Materialverluste im Kampf um Awdijiwka Folgen des russischen Angriffskriegs für die ukrainische Landwirtschaft (09.02.2024) Analyse: Zwischenbilanz zum Krieg: Schäden und Verluste der ukrainischen Landwirtschaft Analyse: Satellitendaten zeigen hohen Verlust an ukrainischen Anbauflächen als Folge der russischen Invasion Statistik: Getreideexporte Chronik: 17. Dezember 2023 bis 10. Januar 2024 Kunst, Musik und Krieg (18.01.2024) Analyse: Ukrainische Künstler:innen im Widerstand gegen die großangelegte Invasion: Dekolonialisierung in der Kunst nach dem 24. Februar 2022 Analyse: Musik und Krieg Dokumentation: Ukrainische Musiker:innen, die durch die russische Invasion umgekommen sind Statistik: "De-Russifizierung" der ukrainischen Youtube-Musik-Charts Umfragen: Änderung des Hörverhaltens seit der großangelegten Invasion Chronik: 21. November bis 16. Dezember 2023 Eintritt in eine neue Kriegsphase? / Selenskyjs Appelle an Russland (19.12.2023) Interview: "Dieser Krieg bleibt in erster Linie ein Artilleriekrieg, der die Munitionslieferungen zu einem sehr wichtigen Faktor macht" Statistik: Geländegewinne seit Beginn der Großinvasion Kommentar: Deutschland: Ein Schlüsselakteur in der neuen Kriegsphase? Statistik: Internationale Hilfen für die Ukraine Analyse: Selenskyjs Appelle an russische Staatsbürger:innen im ersten Jahr des russischen Aggressionskriegs gegen die Ukraine Dokumentation: Ansprache des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an das russische Volk am Vorabend der großangelegten Invasion Chronik: 28. Oktober bis 20. November 2023 Der Globale Süden und der Krieg (24.11.2023) Analyse: Der Blick aus dem Süden: Lateinamerikanische Perspektiven auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine Analyse: Russlands Krieg gegen die Ukraine und Afrika: Warum die Afrikanische Union zwar ambitioniert, aber gespalten ist Analyse: Eine Kritik der zivilisatorischen Kriegsdiplomatie der Ukraine im Globalen Süden Umfragen: Umfragedaten: Der Globale Süden und Russlands Krieg gegen die Ukraine Dokumentation: Abstimmungen in der Generalversammlung der Vereinten Nationen Chronik: 16. bis 27. Oktober 2023 Zwischen Resilienz und Trauma: Mentale Gesundheit (02.11.2023) Analyse: Mentale Gesundheit in Zeiten des Krieges Karte: Angriffe auf die Gesundheitsinfrastruktur der Ukraine Analyse: Den Herausforderungen für die psychische Gesundheit ukrainischer Veteran:innen begegnen Umfragen: Umfragen zur mentalen Gesundheit Statistik: Mentale Gesundheit: Die Ukraine im internationalen Vergleich Chronik: 1. bis 15. Oktober 2023 Ukraine-Krieg in deutschen Medien (05.10.2023) Kommentar: Der Kampf um die Deutungshoheit. Deutsche Medien zu Ukraine, Krim-Annexion und Russlands Rolle im Jahr 2014 Analyse: Die Qualität der Medienberichterstattung über Russlands Krieg gegen die Ukraine Analyse: Russlands Aggression gegenüber der Ukraine in den deutschen Talkshows 2013–2023. Eine empirische Analyse der Studiogäste Chronik: 1. bis 30. September 2023 Ökologische Kriegsfolgen / Kachowka-Staudamm (19.09.2023) Analyse: Die ökologischen Folgen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine Analyse: Ökozid: Die katastrophalen Folgen der Zerstörung des Kachowka-Staudamms Dokumentation: Auswahl kriegsbedingter Umweltschäden seit Beginn der großangelegten russischen Invasion bis zur Zerstörung des Kachowka-Staudamms Statistik: Statistiken zu Umweltschäden Zivilgesellschaft / Lokale Selbstverwaltung und Resilienz (14.07.2023) Von der Redaktion: Sommerpause – und eine Ankündigung Analyse: Die neuen Facetten der ukrainischen Zivilgesellschaft Statistik: Entwicklung der ukrainischen Zivilgesellschaft Analyse: Der Beitrag lokaler Selbstverwaltungsbehörden zur demokratischen Resilienz der Ukraine Wissenschaft im Krieg (27.06.2023) Kommentar: Zum Zustand der ukrainischen Wissenschaft in Zeiten des Krieges Kommentar: Ein Brief aus Charkiw: Ein ukrainisches Wissenschaftszentrum in Kriegszeiten Kommentar: Warum die "Russian Studies" im Westen versagt haben, Aufschluss über Russland und die Ukraine zu liefern Kommentar: Mehr Öffentlichkeit wagen. Ein Erfahrungsbericht Statistik: Auswirkungen des Krieges auf Forschung und Wissenschaft der Ukraine Innenpolitik / Eliten (26.05.2023) Analyse: Zwischen Kriegsrecht und Reformen. Die innenpolitische Entwicklung der Ukraine Analyse: Die politischen Eliten der Ukraine im Wandel Statistik: Wandel der politischen Elite in der Ukraine im Vergleich Chronik: 5. April bis 3. Mai 2023 Sprache in Zeiten des Krieges (10.05.2023) Analyse: Die Ukrainer sprechen jetzt hauptsächlich Ukrainisch – sagen sie Analyse: Was motiviert Ukrainer:innen, vermehrt Ukrainisch zu sprechen? Analyse: Surschyk in der Ukraine: zwischen Sprachideologie und Usus Chronik: 08. März bis 4. April 2023 Sozialpolitik (27.04.2023) Analyse: Das Sozialsystem in der Ukraine: Was ist nötig, damit es unter der schweren Last des Krieges besteht? Analyse: Die hohen Kosten des Krieges: Wie Russlands Krieg gegen die Ukraine die Armut verschärft Chronik: 22. Februar bis 7. März 2023 Besatzungsregime / Wiedereingliederung des Donbas (27.03.2023) Analyse: Etablierungsformen russischer Herrschaft in den besetzten Gebieten der Ukraine: Wege und Gesichter der Okkupation Karte: Besetzte Gebiete Dokumentation: Human Rights Watch: Torture, Disappearances in Occupied South. Apparent War Crimes by Russian Forces in Kherson, Zaporizhzhia Regions (Ausschnitt) Dokumentation: War and Annexation. The "People’s Republics" of eastern Ukraine in 2022. Annual Report (Ausschnitt) Dokumentation: Terror, disappearances and mass deportation Dokumentation: Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) gegen Wladimir Putin wegen der Verschleppung von Kindern aus besetzten ukrainischen Gebieten nach Russland Analyse: Die Wiedereingliederung des Donbas nach dem Krieg: eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung Chronik 11. bis 21. Februar 2023 Internationaler Frauentag, Feminismus und Krieg (13.03.2023) Analyse: 8. März, Feminismus und Krieg in der Ukraine: Neue Herausforderungen, neue Möglichkeiten Umfragen: Umfragen zum Internationalen Frauentag Interview: "Der Wiederaufbau braucht einen geschlechtersensiblen Ansatz" Statistik: Kennzahlen und Indizes geschlechterspezifischer Ungleichheit Korruptionsbekämpfung (08.03.2023) Analyse: Der innere Kampf: Korruption und Korruptionsbekämpfung als Hürde und Gradmesser für den EU-Beitritt der Ukraine Dokumentation: Statistiken und Umfragen zu Korruption Analyse: Reformen, Korruption und gesellschaftliches Engagement Chronik: 1. bis 10. Februar 2023 Kriegsentwicklung / Jahrestag der Invasion (23.02.2023) Analyse: Unerwartete Kriegsverläufe Analyse: Die Invasion der Ukraine nach einem Jahr – Ein militärischer Rück- und Ausblick Kommentar: Die Unterstützung der NATO-Alliierten für die Ukraine: Ursachen und Folgen Kommentar: Der Krieg hat die Profile der EU und der USA in der Ukraine gefestigt Kommentar: Wie der Krieg die ukrainische Gesellschaft stabilisiert hat Kommentar: Die existenzielle Frage "Sein oder Nichtsein?" hat die Ukraine klar beantwortet Kommentar: Wie und warum die Ukraine neu aufgebaut werden sollte Kommentar: Der Krieg und die Kirchen Karte: Kriegsgeschehen in der Ukraine (Stand: 18. Februar 2023) Statistik: Verluste an Militärmaterial der russischen und ukrainischen Armee Chronik: 17. bis 31. Januar 2023 Meinungsumfragen im Krieg (15.02.2023) Kommentar: Stimmen die Ergebnisse von Umfragen, die während des Krieges durchgeführt werden? Kommentar: Vier Fragen zu Umfragen während eines umfassenden Krieges am Beispiel von Russlands Krieg gegen die Ukraine Kommentar: Meinungsumfragen in der Ukraine zu Kriegszeiten: Zeigen sie uns das ganze Bild? Kommentar: Meinungsforschung während des Krieges: anstrengend, schwierig, gefährlich, aber interessant Kommentar: Quantitative Meinungsforschung in der Ukraine zu Kriegszeiten: Erfahrungen von Info Sapiens 2022 Kommentar: Meinungsumfragen in der Ukraine unter Kriegsbedingungen Kommentar: Politisches Vertrauen als Faktor des Zusammenhalts im Krieg Kommentar: Welche Argumente überzeugen Deutsche und Dänen, die Ukraine weiterhin zu unterstützen? Dokumentation: Umfragen zum Krieg (Auswahl) Chronik: Chronik 9. bis 16. Januar 2023 Ländliche Gemeinden / Landnutzungsänderung (19.01.2023) Analyse: Ländliche Gemeinden und europäische Integration der Ukraine: Entwicklungspolitische Aspekte Analyse: Monitoring der Landnutzungsänderung in der Ukraine am Beispiel der Region Schytomyr Chronik: 26. September bis 8. Januar 2023 Weitere Angebote der bpb Redaktion

Kommentar: Neopatrimoniale Demokratie in der Ukraine nach dem Euromaidan: vorläufige Ergebnisse

Oleksandr Fisun

/ 6 Minuten zu lesen

Die Ukraine nach den Bürgerprotesten im November 2013. Wie sieht die Neuformatierung der Koalitionsregierung nach dem Euromaidan aus? Diese und weitere Fragen stellt Oleksandr Fisun in seinem Kommentar.

Auch zwei Jahre nach dem Euromaidan kommen die Ukrainer auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew zusammen. (© picture-alliance/dpa)

Der Zusammenbruch des "superpräsidentiellen" Regimes von Wiktor Janukowitsch im Februar 2014 in Folge des Euromaidans führte zur politischen Pluralisierung, Entstehung von mehreren konkurrierenden Machtzentren sowie zur Fragmentierung des politischen Raumes, in dem regionale Eliten durch lokale politische Maschinen relative politische Autonomie von Kiew erreicht haben. Die formale Gestaltung des neuen Machtsystems wurde im Februar 2014 nach einem Wechsel zu einer Premier-Präsidialrepublik abgeschlossen, die die Rolle des Präsidenten als wichtigster Vetospieler in der ukrainischen Politik zu Gunsten des Parlaments und des Premierministers begrenzte.

Eine informelle Grundlage des neuen politischen Systems stellten die intransparenten Vereinbarungen über die Machtteilung zwischen den wichtigsten parteipolitischen Kräften des Euromaidans dar: Nach einer Vereinbarung in Wien im Frühling 2014 erhielt Poroschenko die Unterstützung der Gruppe Lewotschkin-Firtasch im Austausch für die Nominierung von Witalij Klitschko für den Posten des Bürgermeisters von Kiew; die Loyalität der Gruppe Turtschinow-Jazenjuk wurde durch die Übertragung der de facto Kontrolle über das Kabinett garantiert. Die Wahl von Petro Poroschenko zum Präsidenten im Mai 2014 mit schon in der ersten Runde 54,7 % der Stimmen zeigte nicht nur die Konsolidierung der parteipolitischen Kräfte des Euromaidans (Jazenjuk, Turtschinow, Klitschko) um Poroschenko, sondern auch seine Unterstützung durch die alten Eliten und Oligarchen (Lewotschkin-Firtasch, Kolomoiskij).

Frühe Parlamentswahlen vom Oktober 2014 führten zur Bildung einer pro-europäischen Koalition im Parlament, die aus fünf politischen Parteien bestand und zusammen etwa 300 Stimmen, also eine Verfassungsmehrheit, kontrollierte – Block Petro Poroschenko (BPP), Volksfront von Arsenij Jazenjuk und Oleksandr Turtschinow, Vaterland von Julia Timoschenko, Selbsthilfe von Andrij Sadowyj und die Radikale Partei von Oleh Ljaschko (s. Externer Link: Ukraine-Analysen 139). Aufgrund des zweiten Platzes der BPP-Partei (nach Volksfront) in den nationalen Parteilisten konnte der Präsident seinen eigenen Kandidaten Wolodymyr Hrojsman nicht für den Posten des Premierministers nominieren. Stattdessen betonte die Ernennung von Arsenij Jazenjuk von der Volksfront den Dualismus der Exekutive in dem Premier-Präsidialsystem und führte zur Bildung von zwei rivalisierenden Machtvertikalen, die verschiedene Segmente des Staatsapparates und dessen repressive und fiskalische Instrumente (etwa Strafverfolgungsbehörden, Justiz, Steuersystem, Staatsanwälte und Geheimdienst) sowie Ressourcen der staatlichen Unternehmen kontrollierten.

Um die Zersplitterung der Nationalversammlung und einen Mangel an einer eigenen leistungsfähigen Pro-Präsidenten-Partei zu überwinden, verwendet Petro Poroschenko zur Konsolidierung seiner Macht nach der Wahl im Mai 2014 mehrere Schlüsselstrategien:

  • Der Aufbau der allgemeinen Partei des Präsidenten, die in der Lage sein wird, zumindest eine relative Mehrheit bei den Wahlen zu gewinnen.

Diese Strategie basiert auf Patronage und Klientelismus, Kooptation von Vertretern der Staatsbürokratie und einflussreichen regionalen Baronen, die die Entwicklung der lokalen Parteiorganisationen finanzieren können, unter der Schirmherrschaft des Präsidenten.

Ein Schlüsselelement ist hier die Absorption von anderen politischen Parteien und Netzwerken durch die Partei des Präsidenten. Ende August 2015 hat die BPP-Partei die UDAR-Partei von Witalij Klitschko de facto absorbiert. Die Volksfront-Partei von Arsenij Jazenjuk verzichtete auf die Teilnahme an Kommunalwahlen im Oktober 2015 und hat die Nominierung der Kandidaten zusammen mit der BPP-Partei koordiniert.

  • Die Kontrolle über die regionalen Eliten, die ihre Regionen als patrimoniales Herrschaftsgebiet (votschina) betrachten und sogar über eigene paramilitärische Einheiten verfügen.

Der Ausbau der präsidialen Einflusssphäre über die regionalen Eliten erfolgt in erster Linie durch die Schirmherrschaft der regionalen Partei-Projekte, die in der Lage sind, die Vertreter der lokalen Regierung in die Parteistrukturen zu organisieren, die sich an dem Präsidenten orientieren. Ein Beispiel dafür ist die Partei "Unsere Region" – sie hat viele Mitglieder der Partei der Regionen aufgenommen, die aber der BPP-Partei nicht direkt beitreten durften bzw. wollten. Es gab bei den Kommunalwahlen im Oktober 2015 auch mehrere andere regionale Projekte mit gleichen Funktionen (s. Interner Link: Ukraine-Analysen 159).

Obwohl die BPP-Partei bei den Kommunalwahlen im Oktober 2015 die Mehrheit der Sitze gewann (in erster Linie durch die Übertragung der Kontrolle über die alten lokalen Patronagenetzwerke der Partei der Regionen an die BPP-Partei), konnte Petro Poroschenko die Kontrolle über die wichtigsten Millionenstädte der Ukraine, mit Ausnahme von Kiew, nicht etablieren. Die Bürgermeister von Charkiw, Lwiw, Odessa und Dnipropetrowsk zum Beispiel sind die Vertreter der konkurrierenden politischen Kräfte geworden.

  • Die Begrenzung des Einflusses der Oligarchen auf die Politik durch Unterminierung ihrer Ressourcenbasis in der Wirtschaft.

Wichtig ist hier der Konflikt zwischen dem Präsidenten Petro Poroschenko und dem einflussreichsten ukrainischen Oligarchen Ihor Kolomojskij, einem der wenigen Oligarchen, die den Euromaidan unterstützten. In der Konfrontation mit Kolomojskij instrumentalisiert Poroschenko die Ressourcen des Staatsapparates, insbesondere die Staatsanwaltschaft, die das Strafverfahren gegen Top-Manager von Kolomojskij initiiert hat.

Die allmähliche Verdrängung von Kolomojskij von den Ressourcen der staatlichen Unternehmen hat seinen wirtschaftlichen Einfluss deutlich untergraben. Dies betraf aber nicht seinen politischen Einfluss. So kontrolliert Kolomojskij einen der führenden TV-Sender, "1+1", und investiert aktiv in die Entwicklung eigener politischer Projekte. Neben der Partei UKROP treibt er ein anderes regionales Projekt voran – die Partei Wiedergeburt unter der informellen Führung von Witalij Homutynnik, die viele mit Kolomojskij assoziierte Vertreter der lokalen Eliten integriert hat und die sich genauso wie die Partei Unsere Region auf den ehemaligen Wähler der Partei der Regionen im Osten und Süden des Landes orientiert.

Die Funktionsweise der ukrainischen neopatrimonialen Demokratie, in der verschiedene Interessen durch Politik mit "Zuckerbrot und Peitsche" "koordiniert" werden, und in der der Präsident wieder die Rolle des übergeordneten Vetospielers bei formaler Erhaltung des Premier-Präsidialsystems einnimmt, wurde im April 2016 während Poroschenkos "Blitzkrieg" für eine Neuformatierung der Koalitionsregierung unter Beweis gestellt. Der Rücktritt von Arsenij Jazenjuk macht die Volksfront zum Juniorpartner der BPP-Partei, während die Ernennung von Wolodymyr Hrojsman zum Premierminister die Voraussetzungen für die Stärkung des Einflusses des Präsidenten in der Regierung und im gesamten Exekutivsystem schafft. In der Tat hat die Ernennung von Wolodymyr Hrojsman den Dualismus und den Wettbewerb informeller Netzwerke innerhalb der Exekutive erheblich begrenzt. Gleichzeitig wurde der Premierminister in die Patronage-Pyramide des Präsidenten integriert. Diese Situation ähnelt den Tandems Pustowojtenko – Kutschma, Juschtschenko – Jechanurow und Janukowitsch – Asarow, in denen die Premierminister die Vertreter der Parteien des Präsidenten waren. Ein wichtiges Element für die Machtkonsolidierung von Petro Poroschenko ist die Ernennung von Jurij Luzenko zum Posten des Generalstaatsanwalts im Mai 2016, die es dem Präsidenten ermöglicht, den Einfluss über die Staatsanwaltschaft als Instrument des präsidialen Einflusses zu behalten.

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Neuformatierung der Koalitionsregierung ist das Ziehen der neuen Grenzlinien zwischen den politischen Akteuren im Parlament. Die Abstimmung für die Kandidaten Hrojsman und Luzenko basierte nicht nur auf den Stimmen der BPP-Partei und der Volksfront, sondern auch auf Stimmen der beiden oligarchischen Gruppen Wiedergeburt (wird von Kolomoiskij kontrolliert) und Volkswille. Dies deutet darauf hin, dass Petro Poroschenko zur Implementierung seiner Politik auf die Unterstützung der oligarchischen Fraktionen angewiesen ist, die dafür mit bestimmten Zugeständnissen und Privilegien, Sicherung des Zugangs zu Ressourcen und Immunität vor Strafverfolgung "entlohnt" werden. Im Gegenteil, die Parteien der ehemaligen demokratischen Koalition 2014 werden zum Zentrum der anti-präsidentiellen Kräfte: Vaterland von Julia Timoschenko, Selbsthilfe und die Radikale Partei von Oleh Ljaschko, die oft mit parteilosen Abgeordneten kooperieren.

Auf diese Weise ermöglicht das System der neopatrimonialen Demokratie unter der Herrschaft der informellen Institutionen, den Wettbewerb zwischen den Patronage-Netzwerken um den Zugang zu Ressourcen für die Bildung der flexiblen pro-präsidentiellen Koalitionen auf nationaler und lokaler Ebene zu nutzen, die die Schwäche der präsidentiellen Parteibasis kompensieren. Poroschenkos "Blitzkrieg" im Frühjahr 2016 zeigt, dass der Präsident durch Instrumentalisierung sowohl der formellen Institutionen der Premier-Präsidialrepublik als auch der informellen Einflussmöglichkeiten der präsidentiellen Schirmherrschaft eine effektivere Antriebskraft für Koalitions- und Regierungsbildung sein kann als Vorsitzende der Parlamentsfraktionen.

Wird die Konsolidierung der Macht von Petro Poroschenko im April–Mai 2016 und seine Wandlung zum wichtigsten Vetospieler der ukrainischen Politik nach der Abschaffung des dualen Exekutiv-Modells der Jahre 2014–2015 zur Bildung einer neuen Variation des "superpräsidentiellen" Regimes führen? Wie strapazierfähig kann diese Struktur der politischen Macht in der Ukraine sein? Wird Poroschenko die Prinzipien des demokratischen Wettbewerbs bewahren? Wie effektiv sind die Politik der "informellen Vereinbarungen" und die Einbeziehung von oligarchischen Eliten, Vertretern der ehemaligen Regierungspartei und regionalen Barone in die Einflusssphäre des Präsidenten? Dies sind die Dilemmata der politischen Zukunft der Ukraine.

Übersetzung aus dem Russischen: Katerina Bosko

Lesetipps:

  • Fisun, Oleksandr: "The Future of Ukraine’s Neopatrimonial Democracy", PONARS Eurasia Policy Memo #394 (October 2015), http://www.ponarseurasia.org/memo/future-ukraine-neopatrimonial-democracy

Fussnoten

Oleksandr Fisun ist Professor für Politikwissenschaft und Lehrstuhlinhaber an der Nationalen Wassyl-Karasin-Universität Charkiw. Er ist einer der Experten von PONARS Eurasia Netzwerk.