Das Minsker Abkommen, das die Staatsoberhäupter der vier Normandie-Staaten am 13. Februar 2015 ausgehandelt haben, hat sich wegen seiner vage gehaltenen Inhalte als nicht umsetzbar erwiesen. Es erlaubt beiden Konfliktparteien einen großen Interpretationsspielraum in Bezug auf seine Inhalte. Zudem enthält das Dokument keine klaren Verpflichtungen für die Russische Föderation, was deren Rolle als Garant der Konfliktbeilegung betont, nicht jedoch deren Rolle als Partei im gegenwärtigen Konflikt in der Ostukraine. Außerdem stellt das sogenannte Minsk-2-Abkommen keine wirkliche Lösung des Problems dar, weil es das Thema Krim nicht einmal erwähnt. Es ist extrem wichtig für die Ukraine, dass dieses Thema nicht aus der Tagesordnung der Verhandlungen herausgehalten wird. All dies zeigt deutlich, dass bei der Erarbeitung des Minsker Abkommens über eine friedliche Beilegung des Konflikts im Donbass die notwendigen diplomatischen Techniken nicht zur Anwendung gekommen sind.
Die in Minsk unterzeichneten Dokumente sehen vor, dass für die Überwachung der Einhaltung des Waffenstillstands erneut die OSZE zuständig sein wird. Diese Organisation hat es aber schon im letzten Herbst nicht geschafft, diese Funktion zu erfüllen. Außerdem ist in der ukrainischen Gesellschaft zunehmend vom russischen Einfluss auf sie die Rede. Es kann gut sein, dass sich die von Russland unterstützten Separatisten weigern, ihre schweren Waffen als erste von der Frontlinie abzuziehen. Entsprechende einseitige Aktionen der Ukraine würden jedoch erneut zu einer Ausweitung des von den militanten Aufständischen kontrollierten Territoriums führen.
Besondere Aufmerksamkeit sollte folgenden Risiken gelten, die das Maßnahmenpaket für die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen birgt:
Gewährung einer Amnestie für an den Vorkommnissen in bestimmten Bezirken der Regionen Luhansk und Donezk Beteiligte
Das sieht das Minsker Abkommen vom September 2014 vor; die Nichtbestrafung von Personen, die sich eines Verbrechens schuldig gemacht haben, kann jedoch zum Präzedenzfall werden und hat das Potential, eine Explosion der Unzufriedenheit in der ukrainischen Gesellschaft hervorzurufen.
Die Macht von Mitgliedern lokaler Räte und die Macht von Offiziellen, die in (von der Werchowna Rada angesetzten) vorgezogenen Neuwahlen gewählt wurden, kann nicht vorzeitig aberkannt werden.
Dieser Punkt der Minsker Vereinbarungen ermöglicht, dass lokale Behörden nicht durch das offizielle Kiew kontrolliert werden.
Die ukrainische Zentralregierung erleichtert die grenzüberschreitende Kooperation zwischen bestimmten Bezirken der Regionen Luhansk und Donezk und den Regionen der Russischen Föderation.
Die Regionen Donezk und Luhansk sind seit 2010 Teil der Euroregion "Donbass". Auf russischer Seite umfasst diese Euroregion die Regionen Rostow und Woronesch. Darüber versucht Russland ein Schlupfloch zu finden, um sich die Möglichkeit zu erhalten, die ukrainisch-russische Grenze problemlos zu überqueren. Zudem kann die Grenze durch die Präsenz lokaler Polizeieinheiten (die das Maßnahmenpaket auch vorsieht) völlig unkontrolliert bleiben.
Die Ukraine ist unzufrieden, dass sie es nicht geschafft hat, die Kontrolle über die ukrainisch-russische Grenze zurückzuerlangen. Der Punkt der Wiedererlangung dieser Grenzkontrolle ist auf Ende 2015 vertagt worden. Russland hat keine starken Garantien für den blockfreien Status der Ukraine bekommen und wird das Thema Föderalisierung durch weitere militärische Eskalation und eine Besetzung der Grenze vorantreiben. Diese werden Waffen und Aufständische dann problemlos überqueren können. Das Kernproblem der Grenze haben die Minsker Verhandlungen überhaupt noch nicht gelöst.
Übersetzung aus dem Englischen: Sophie Hellgardt