Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Kommentar: Die Krim-Krise – am Rande eines neuen Kalten Kriegs | Ukraine-Analysen | bpb.de

Ukraine Arbeitsmarktintegration ukrainischer Geflüchteter / Ukrainische Community in Deutschland / Deutsch-ukrainische kommunale Partnerschaften (29.04.2024) Analyse: Arbeitsmarktintegration der ukrainischen Geflüchteten in Deutschland Statistik: Integration in den Arbeitsmarkt Analyse: Die ukrainische Community in Deutschland Analyse: (Un)genutzte Potenziale in den deutsch-ukrainischen Kommunal- und Regionalpartnerschaften Dokumentation: Übersicht deutsch-ukrainischer Partnerschaften Chronik: 11. bis 31. März 2024 10 Jahre Krim-Annexion / Donbas nach der Annexion 2022 (21.03.2024) Analyse: Zehn Jahre russische Annexion: Die aktuelle Lage auf der Krim Dokumentation: Reporters Without Borders: Ten years of Russian occupation in Crimea: a decade of repression of local independent journalism Dokumentation: Europarat: Crimean Tatars’ struggle for human rights Statistik: Repressive Gerichtsverfahren auf der Krim und in Sewastopol Analyse: Die Lage im annektierten Donbas zwei Jahre nach dem 24. Februar 2022 Umfragen: Öffentliche Meinung zur Krim und zum Donbas Chronik: 22. Februar bis 10. März 2024 Wirtschaft / Rohstoffe / Kriegsschäden und Wiederaufbau Analyse: Wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit in einer schwierigen Gesamtlage Analyse: Die Rohstoffe der Ukraine und ihre strategische Bedeutung Analyse: Schäden und Wiederaufbau der ukrainischen Infrastruktur Chronik: 11. Januar bis 21. Februar 2024 Zwei Jahre Angriffskrieg: Rückblick, aktuelle Lage und Ausblick (23.02.2024) Analyse: Zwei Jahre russischer Angriffskrieg. Welche politischen, militärischen und strategischen Erkenntnisse lassen sich ziehen? Kommentar: Die aktuelle Lage an der Front Kommentar: Wie sich der russisch-ukrainische Krieg 2024 entwickeln könnte Kommentar: Die Ukraine wird sich nicht durchsetzen, wenn der Westen seine eigene Handlungsfähigkeit verleugnet Kommentar: Wie funktioniert das ukrainische Parlament in Kriegszeiten? Kommentar: Wie die Wahrnehmung des Staates sich durch den Krieg gewandelt hat Umfragen: Stimmung in der Bevölkerung Statistik: Verluste an Militärmaterial der russischen und ukrainischen Armee Statistik: Russische Raketen- und Drohnenangriffe, Verbrauch von Artilleriegranaten, Materialverluste im Kampf um Awdijiwka Folgen des russischen Angriffskriegs für die ukrainische Landwirtschaft (09.02.2024) Analyse: Zwischenbilanz zum Krieg: Schäden und Verluste der ukrainischen Landwirtschaft Analyse: Satellitendaten zeigen hohen Verlust an ukrainischen Anbauflächen als Folge der russischen Invasion Statistik: Getreideexporte Chronik: 17. Dezember 2023 bis 10. Januar 2024 Kunst, Musik und Krieg (18.01.2024) Analyse: Ukrainische Künstler:innen im Widerstand gegen die großangelegte Invasion: Dekolonialisierung in der Kunst nach dem 24. Februar 2022 Analyse: Musik und Krieg Dokumentation: Ukrainische Musiker:innen, die durch die russische Invasion umgekommen sind Statistik: "De-Russifizierung" der ukrainischen Youtube-Musik-Charts Umfragen: Änderung des Hörverhaltens seit der großangelegten Invasion Chronik: 21. November bis 16. Dezember 2023 Eintritt in eine neue Kriegsphase? / Selenskyjs Appelle an Russland (19.12.2023) Interview: "Dieser Krieg bleibt in erster Linie ein Artilleriekrieg, der die Munitionslieferungen zu einem sehr wichtigen Faktor macht" Statistik: Geländegewinne seit Beginn der Großinvasion Kommentar: Deutschland: Ein Schlüsselakteur in der neuen Kriegsphase? Statistik: Internationale Hilfen für die Ukraine Analyse: Selenskyjs Appelle an russische Staatsbürger:innen im ersten Jahr des russischen Aggressionskriegs gegen die Ukraine Dokumentation: Ansprache des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an das russische Volk am Vorabend der großangelegten Invasion Chronik: 28. Oktober bis 20. November 2023 Der Globale Süden und der Krieg (24.11.2023) Analyse: Der Blick aus dem Süden: Lateinamerikanische Perspektiven auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine Analyse: Russlands Krieg gegen die Ukraine und Afrika: Warum die Afrikanische Union zwar ambitioniert, aber gespalten ist Analyse: Eine Kritik der zivilisatorischen Kriegsdiplomatie der Ukraine im Globalen Süden Umfragen: Umfragedaten: Der Globale Süden und Russlands Krieg gegen die Ukraine Dokumentation: Abstimmungen in der Generalversammlung der Vereinten Nationen Chronik: 16. bis 27. Oktober 2023 Zwischen Resilienz und Trauma: Mentale Gesundheit (02.11.2023) Analyse: Mentale Gesundheit in Zeiten des Krieges Karte: Angriffe auf die Gesundheitsinfrastruktur der Ukraine Analyse: Den Herausforderungen für die psychische Gesundheit ukrainischer Veteran:innen begegnen Umfragen: Umfragen zur mentalen Gesundheit Statistik: Mentale Gesundheit: Die Ukraine im internationalen Vergleich Chronik: 1. bis 15. Oktober 2023 Ukraine-Krieg in deutschen Medien (05.10.2023) Kommentar: Der Kampf um die Deutungshoheit. Deutsche Medien zu Ukraine, Krim-Annexion und Russlands Rolle im Jahr 2014 Analyse: Die Qualität der Medienberichterstattung über Russlands Krieg gegen die Ukraine Analyse: Russlands Aggression gegenüber der Ukraine in den deutschen Talkshows 2013–2023. Eine empirische Analyse der Studiogäste Chronik: 1. bis 30. September 2023 Ökologische Kriegsfolgen / Kachowka-Staudamm (19.09.2023) Analyse: Die ökologischen Folgen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine Analyse: Ökozid: Die katastrophalen Folgen der Zerstörung des Kachowka-Staudamms Dokumentation: Auswahl kriegsbedingter Umweltschäden seit Beginn der großangelegten russischen Invasion bis zur Zerstörung des Kachowka-Staudamms Statistik: Statistiken zu Umweltschäden Zivilgesellschaft / Lokale Selbstverwaltung und Resilienz (14.07.2023) Von der Redaktion: Sommerpause – und eine Ankündigung Analyse: Die neuen Facetten der ukrainischen Zivilgesellschaft Statistik: Entwicklung der ukrainischen Zivilgesellschaft Analyse: Der Beitrag lokaler Selbstverwaltungsbehörden zur demokratischen Resilienz der Ukraine Wissenschaft im Krieg (27.06.2023) Kommentar: Zum Zustand der ukrainischen Wissenschaft in Zeiten des Krieges Kommentar: Ein Brief aus Charkiw: Ein ukrainisches Wissenschaftszentrum in Kriegszeiten Kommentar: Warum die "Russian Studies" im Westen versagt haben, Aufschluss über Russland und die Ukraine zu liefern Kommentar: Mehr Öffentlichkeit wagen. Ein Erfahrungsbericht Statistik: Auswirkungen des Krieges auf Forschung und Wissenschaft der Ukraine Innenpolitik / Eliten (26.05.2023) Analyse: Zwischen Kriegsrecht und Reformen. Die innenpolitische Entwicklung der Ukraine Analyse: Die politischen Eliten der Ukraine im Wandel Statistik: Wandel der politischen Elite in der Ukraine im Vergleich Chronik: 5. April bis 3. Mai 2023 Sprache in Zeiten des Krieges (10.05.2023) Analyse: Die Ukrainer sprechen jetzt hauptsächlich Ukrainisch – sagen sie Analyse: Was motiviert Ukrainer:innen, vermehrt Ukrainisch zu sprechen? Analyse: Surschyk in der Ukraine: zwischen Sprachideologie und Usus Chronik: 08. März bis 4. April 2023 Sozialpolitik (27.04.2023) Analyse: Das Sozialsystem in der Ukraine: Was ist nötig, damit es unter der schweren Last des Krieges besteht? Analyse: Die hohen Kosten des Krieges: Wie Russlands Krieg gegen die Ukraine die Armut verschärft Chronik: 22. Februar bis 7. März 2023 Besatzungsregime / Wiedereingliederung des Donbas (27.03.2023) Analyse: Etablierungsformen russischer Herrschaft in den besetzten Gebieten der Ukraine: Wege und Gesichter der Okkupation Karte: Besetzte Gebiete Dokumentation: Human Rights Watch: Torture, Disappearances in Occupied South. Apparent War Crimes by Russian Forces in Kherson, Zaporizhzhia Regions (Ausschnitt) Dokumentation: War and Annexation. The "People’s Republics" of eastern Ukraine in 2022. Annual Report (Ausschnitt) Dokumentation: Terror, disappearances and mass deportation Dokumentation: Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) gegen Wladimir Putin wegen der Verschleppung von Kindern aus besetzten ukrainischen Gebieten nach Russland Analyse: Die Wiedereingliederung des Donbas nach dem Krieg: eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung Chronik 11. bis 21. Februar 2023 Internationaler Frauentag, Feminismus und Krieg (13.03.2023) Analyse: 8. März, Feminismus und Krieg in der Ukraine: Neue Herausforderungen, neue Möglichkeiten Umfragen: Umfragen zum Internationalen Frauentag Interview: "Der Wiederaufbau braucht einen geschlechtersensiblen Ansatz" Statistik: Kennzahlen und Indizes geschlechterspezifischer Ungleichheit Korruptionsbekämpfung (08.03.2023) Analyse: Der innere Kampf: Korruption und Korruptionsbekämpfung als Hürde und Gradmesser für den EU-Beitritt der Ukraine Dokumentation: Statistiken und Umfragen zu Korruption Analyse: Reformen, Korruption und gesellschaftliches Engagement Chronik: 1. bis 10. Februar 2023 Kriegsentwicklung / Jahrestag der Invasion (23.02.2023) Analyse: Unerwartete Kriegsverläufe Analyse: Die Invasion der Ukraine nach einem Jahr – Ein militärischer Rück- und Ausblick Kommentar: Die Unterstützung der NATO-Alliierten für die Ukraine: Ursachen und Folgen Kommentar: Der Krieg hat die Profile der EU und der USA in der Ukraine gefestigt Kommentar: Wie der Krieg die ukrainische Gesellschaft stabilisiert hat Kommentar: Die existenzielle Frage "Sein oder Nichtsein?" hat die Ukraine klar beantwortet Kommentar: Wie und warum die Ukraine neu aufgebaut werden sollte Kommentar: Der Krieg und die Kirchen Karte: Kriegsgeschehen in der Ukraine (Stand: 18. Februar 2023) Statistik: Verluste an Militärmaterial der russischen und ukrainischen Armee Chronik: 17. bis 31. Januar 2023 Meinungsumfragen im Krieg (15.02.2023) Kommentar: Stimmen die Ergebnisse von Umfragen, die während des Krieges durchgeführt werden? Kommentar: Vier Fragen zu Umfragen während eines umfassenden Krieges am Beispiel von Russlands Krieg gegen die Ukraine Kommentar: Meinungsumfragen in der Ukraine zu Kriegszeiten: Zeigen sie uns das ganze Bild? Kommentar: Meinungsforschung während des Krieges: anstrengend, schwierig, gefährlich, aber interessant Kommentar: Quantitative Meinungsforschung in der Ukraine zu Kriegszeiten: Erfahrungen von Info Sapiens 2022 Kommentar: Meinungsumfragen in der Ukraine unter Kriegsbedingungen Kommentar: Politisches Vertrauen als Faktor des Zusammenhalts im Krieg Kommentar: Welche Argumente überzeugen Deutsche und Dänen, die Ukraine weiterhin zu unterstützen? Dokumentation: Umfragen zum Krieg (Auswahl) Chronik: Chronik 9. bis 16. Januar 2023 Ländliche Gemeinden / Landnutzungsänderung (19.01.2023) Analyse: Ländliche Gemeinden und europäische Integration der Ukraine: Entwicklungspolitische Aspekte Analyse: Monitoring der Landnutzungsänderung in der Ukraine am Beispiel der Region Schytomyr Chronik: 26. September bis 8. Januar 2023 Weitere Angebote der bpb Redaktion

Kommentar: Die Krim-Krise – am Rande eines neuen Kalten Kriegs

Katerina Malygina

/ 8 Minuten zu lesen

Das Gespenst der Revolution

Die inoffizielle Besetzung der Krim stellte das internationale Image Russlands in Frage und führte zu seiner diplomatischen Isolation und, mit dem Zusammenbruch der russischen Börse und der Abwertung des Rubels, zu wirtschaftlichen Verlusten. Diese Verluste sind aber offenbar nichts im Vergleich zu dem, was Wladimir Putin verloren hätte, wenn er die ukrainische Revolution stillschweigend geduldet hätte. Der Preis ist so hoch, da es vor allem um Machtsicherung geht. Vor zehn Jahren führte die Angst vor farbigen Revolutionen auf dem Territorium Russlands zu einer erhöhten staatlichen Kontrolle über die Medien und die Aktivitäten von Nicht-Regierungs-Organisationen. Eine Weile lang haben diese internen Maßnahmen die innere Stabilität in der Tat garantiert. Doch im Jahr 2011 begannen auch in Russland Massenproteste und gerade sie haben die Kosten für das erhöht, was heute geschieht. Man konnte die Proteste zwar ersticken, vor allem durch die Verabschiedung strenger Anti-Protest-Gesetze, die Angst vor ihrer Wiederholung ist aber stark geblieben. Die internen Maßnahmen sind auf der rechtlichen Ebene allerdings bereits ausgeschöpft. Deswegen greift Putin nun zu härteren externen Maßnahmen. Aus Putins Sicht war die Invasion auf der Krim somit die einzig richtige Reaktion auf die Entwicklungen in der Ukraine. Es ist kein Zufall, dass die Krim-Krise an dem Tag begann, an dem in Kiew die neue Regierung gebildet wurde. Diese neue Regierung hält der Kreml für illegitim – formal wegen eines "verfassungswidrigen Staatsstreichs", de facto aber wegen ihrer pro-europäischen und damit anti-russischen Position. Die antirussische Haltung Kiews besteht jedoch nicht auf einer interethnischen oder interkulturellen Ebene, wie es der Kreml darstellt. Die ukrainische Seite hat vielfach erklärt, dass sie gegen den "imperialistischen Kreml" mit seiner Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Ukraine kämpft und nicht gegen das russische Volk. Darüber hinaus waren die anti-russischen Demarchen, die Moskau zur Legitimierung der Invasion benutzte, zumindest nicht systematisch und meist mithilfe von Propaganda künstlich konstruiert. Der Hauptbeweis dafür ist die friedliche Antwort der Ukrainer auf die Ereignisse auf der Krim. Damit haben sie eindeutig gezeigt, dass sie einen militärischen Konflikt mit Russland vermeiden wollen und den Provokationen sowie dem großen psychologischen Druck nicht nachgeben. Im Endeffekt waren die vom Kreml beschriebenen "Faschisten" und "Extremisten" nicht extremistisch genug und schossen gar nicht.

Gescheiterter Blitzkrieg

Putins Plan ist fehlgeschlagen. Der Blitzkrieg, für den er die Schuld den ukrainischen "Extremisten" zuschieben wollte, war nicht erfolgreich. Und auch das Minimalprogramm – die Schaffung eines Gefühls von Chaos und Gesetzlosigkeit, das durch russische Fernsehkanäle verbreitet wurde – ist gescheitert. Aus diesem Grund musste Russland von der Offensive auf die Defensive umschalten. Moskau begann sich zu verteidigen und das mag es gar nicht. Genau so ist Putins Pressekonferenz vom 4. März zu verstehen, auf der er erklärte, dass es auf der Krim keine Zusammenstöße gäbe und deshalb keine Notwendigkeit für einen Militäreinsatz in der Ukraine bestehe. Vor kurzem änderte sich auch der Ton des russischen Außenministeriums. Besonders am 8. März sagte Lawrow deutlich, dass Russland nicht akzeptieren werde, dass man es als Partei des ukrainischen Konflikts darstellt. Diese Aussage erfolgte, nachdem das russische Außenministerium – wenn auch mit der Einschränkung "im Rahmen der Vereinbarungen" – am 27. Februar offiziell bestätigt hatte, einzelne gepanzerte Fahrzeuge der Schwarzmeerflotte disloziert zu haben, und nachdem der Kreml den Soldaten der aufgelösten ukrainischen Einheit "Berkut" befohlen hatte, russische Pässe zu verteilen, und nachdem von der Staatsduma die Erlaubnis zum Einsatz russischer Truppen gegeben worden war. Trotz dieser Verschiebung der Schwerpunkte hat der Kreml seine Position nicht geändert und er wird sie wahrscheinlich auch nicht ändern. Denn das wäre gleichbedeutend mit einer Niederlage, d. h. der Anerkennung der Tatsache, dass Russland den Konflikt auf der Halbinsel provoziert hat. Heute hält der Kreml an seiner Linie fest, laut der die Zahl der russischen Soldaten auf der Krim der im Schwarzmeerflotten-Vertrag vereinbarten Grenze entspricht und die unmarkierten Militärs lokale "Selbstverteidigungs"-Einheiten sind. Nach Moskaus Logik ist es die lokale "Selbstverteidigung", die die internationalen Beobachter daran hindert, den umstrittenen Militäreinsatz der russischen Truppen auf der Krim zu überprüfen. Aber wenn Russland nichts zu verbergen hat, warum weigert es sich dann, der OSZE-Mission Zugang zu den russischen Militäranlagen auf der Krim zu gewähren und vermeidet direkte Verhandlungen mit der Ukraine? Klar, der Kreml erkennt die neue ukrainische Regierung nicht an. Das ukrainische Parlament erkennt er aber an, schließlich hat Putin es während seiner Pressekonferenz für teilweise legitim erklärt.

Die neue Taktik – Anschluss der Krim?

Die russische "humanitäre Mission" zum Schutz der russischsprachigen Bevölkerung auf der Krim sah in den Augen der Weltgemeinschaft im Ergebnis sehr wenig überzeugend aus. Daher entschied sich der Kreml, seine Taktik zu ändern. Am 6. März hat das Krim-Parlament den Anschluss der Krim an Russland und die Verschiebung der Volksabstimmung vom 30. auf den 16. März beschlossen. Zusätzlich zu der Frage nach einer Erweiterung der Krim-Autonomie in der Ukraine enthält das umstrittene Referendum nun die Frage nach einem Beitritt zu Russland. Heute besteht der Kreml darauf, dass eine solche Volksabstimmung Ausdruck eines legitimen Rechts auf Selbstbestimmung sei, dass das Krim-Parlament diese Entscheidung allein getroffen habe und dass Russland hier nicht behilflich gewesen sei. Darüber hinaus distanzierte Putin sich auf der Pressekonferenz am 4. März von einer möglichen Annexion der Krim und sagte, dass Russland niemanden provoziere und die Stimmung nicht anheize. Die Fakten erzählen jedoch eine andere Geschichte. Schon am 28. Februar wurden in die russische Staatsduma zwei Gesetzentwürfe eingebracht – einer über den Anschluss neuer Gebiete an Russland, der andere über eine Vereinfachung des Erhalts der russischen Staatsbürgerschaft für russischsprachige Bürger ausländischer Staaten. Genau am Tag von Putins Pressekonferenz wurden beide Gesetzentwürfe auf die Tagesordnung gesetzt. Putins Zusicherung der Nichteinmischung zum Trotz: Wie sind solche Entscheidungen zu interpretieren, wenn nicht als Provokation? Offenbar war Moskau bereit für ein Anschluss-Szenario, wollte es aber nur im Notfall realisieren. Die Tatsache, dass es eine Änderung der Taktik gab, wird von folgenden Ereignissen bestätigt: Noch am 1. März schlug die russische Staatsduma die Föderalisierung des Landes als möglichen Weg aus der Krise vor. Darüber hinaus beinhaltete das Krim-Referendum in seiner ursprünglichen Form nicht die Frage nach dem Beitritt der Krim zu einem anderen Staat. Als das Krim-Parlament am 27. Februar zum ersten Mal die Absicht erklärte, am 25. Mai ein Referendum abzuhalten, war seine einzige Frage die nach dem Status der Autonomie und der Erweiterung ihrer Rechte. Diese Frage blieb auch am 1. März auf der Agenda, als beschlossen wurde, die Volksabstimmung auf den 30. März zu verschieben. Auch am 3. März bestätigte das Krim-Parlament in einer Erklärung, dass die Krim weder unabhängig werden noch sich anderen Staaten anschließen wolle. Unter diesen Umständen ist es schwierig, sich vorzustellen, dass die Entscheidung der Krim über ihre Abspaltung ohne vorherige Zustimmung des Kreml gefällt wurde.

Die Ukraine hat die Krim de facto verloren

Somit waren es nicht "Faschisten" und "Neo-Nazis", die die russischsprachige Bevölkerung bedroht haben, es waren vielmehr die Verheißungen der finanziellen Unterstützung und der Angliederung an Russland, die die süd-östlichen Regionen der Ukraine "erweckt" haben. In den ersten Tagen der Krim-Krise gab es tatsächlich keine Massendemonstrationen im Osten und auf der Krim. Diese begannen erst ein paar Tage später, als der Anschluss der Krim an Russland schon fast real geworden war. Heute können wir getrost behaupten, dass die Ukraine die Krim verloren hat. Dafür gibt es mindestens drei Gründe. Erstens versucht die Krim schon seit langem vergeblich, größere Autonomie zu erlangen. Der neue Minister für Regionalpolitik Wolodymyr Groisman behauptete jedoch, die Frage der Dezentralisierung betreffe den Südosten der Ukraine genauso wie den Westen, wo die Menschen massiv zum Arbeiten ins Ausland abgewandert sind. Bereits am 4. Februar haben die Krim-Abgeordneten zum ersten Mal ihre Absicht erklärt, ein Referendum über den Status der Krim abzuhalten und sich mit der Bitte um Hilfe an Russland zu wenden. Als Reaktion darauf haben die Abgeordneten der Partei Vaterland die Auflösung des Krim-Parlaments vorgeschlagen, die Abgeordneten der Partei Freiheit reagierten noch härter und drohten für den Fall separatistischer Bestrebungen Strafverfolgung an. Als die Referendumsfrage am Ende des Monats wieder auf die Tagesordnung des Krim-Parlaments gesetzt wurde, reagierte die neue Regierung in Kiew jedoch kaum. Erst am 5. März gab der neue Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk den Auftrag, eine Gebietsreform vorzubereiten. Als die Frage nach einem Beitritt zu Russland per Volksabstimmung gestellt werden sollte, erklärte der Interimspräsident Oleksandr Turtschynow das Krim-Referendum für "illegal" und suspendierte die Entscheidung des Krim-Parlaments. Der zweite Grund für den Verlust der Krim ist die langjährige Beeinflussung der Bevölkerung auf der Halbinsel durch die russischen Fernsehsender. Seit dem Beginn des Euromaidan in Kiew spiegelt die Rhetorik der Krim-Regierung die russische Propaganda wider. Die russischen Medien haben die Massenproteste als eine Versammlung von Faschisten, Nationalisten und Antisemiten beschrieben und damit unter der Krim-Bevölkerung eine echte Angst um ihr Schicksal geschürt. Es ist bezeichnend, dass auch jetzt, auf dem Höhepunkt der Krise, ein Informationskrieg auf der Krim stattfindet. Schon am 5. März hatten die ukrainischen Fernsehsender erste Probleme mit der Ausstrahlung, am 9. März wurde diese dann vollständig gestoppt. Auf einigen ihrer Frequenzen werden jetzt die russischen TV-Kanäle gesendet. Dennoch gaben die ersten Schritte der neuen Regierung tatsächlich Anlass zur Besorgnis. Vom 22. bis zum 25. Februar hat die Werchowna Rada ein Gesetz zur strafrechtlichen Verfolgung von Separatismus verabschiedet und das Sprachgesetz aus dem Jahr 2012 storniert, das der russischen Sprache den Status einer regionalen Sprache einräumte. Darüber hinaus hat die Partei Freiheit dem Parlament folgende Gesetzentwürfe vorgelegt: einen über die vorgezogenen Wahlen zum Krim-Parlament, einen zur Überwindung der Folgen der sowjetischen Besatzung (der im Wesentlichen die kommunistische Ideologie verbietet) und einen zum freien Erwerb und Besitz von Blankwaffen. Dass die neue Regierung am 28. Februar einen Rückzieher gemacht hat – Turtschinow hat den Widerruf des Sprachengesetzes nicht unterzeichnet –, reichte nicht, um die Lage im Land zu stabilisieren. Wie zu seiner Zeit Janukowytsch den Euromaidan ignorierte, so will die neue Regierung jetzt keinen Dialog mit der Krim führen. Der dritte und wichtigste Grund für den Verlust der Krim ist schließlich die Aussicht auf einen höheren Lebensstandard in Russland. Völlig unabhängig zu werden, kann die Krim sich nicht leisten, denn sie wird stark von Kiew subventioniert (siehe Grafik 9 auf S. 15) und hängt sehr von der Versorgung mit Wasser und Strom aus der Zentralukraine ab. Auf die Möglichkeit ihres Anschlusses an Russland hat die Bevölkerung auf der Halbinsel allerdings sofort positiv reagiert. Als eines der wichtigsten Argumente dafür wird die Höhe der Gehälter und Renten in Russland genannt, die fast doppelt so hoch ist wie die in der Ukraine. Hier hat die Ukraine mit ihren akuten Finanzproblemen praktisch keine Gegenargumente.

Ausblick

Trotz der Tatsache, dass der Anschluss der Krim an Russland bereits von beiden Kammern der Staatsduma unterstützt wurde, bleibt es bisher unklar, ob Russland einen solchen Schritt in der Tat wagt. Die USA haben bereits erklärt, dass sie die Ergebnisse des Krim-Referendums nicht anerkennen werden und bereit sind, im Falle der Krim-Annexion zusätzliche Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Darüber hinaus haben die USA bereits begonnen, Kampfjets nach Polen und Schiffe ins Schwarze Meer zu verlegen. So hat Russland sich selbst in eine Sackgasse getrieben – die Nichtunterstützung der Bevölkerung auf der Krim, die höchstwahrscheinlich für den Anschluss an Russland stimmen wird, wäre unehrlich, ihre Unterstützung – gefährlich. Wie auch immer man es wendet, die Welt steht jetzt am Rande eines neuen Kalten Krieges, der nur durch einen konstruktiven Dialog vermieden werden kann.

Fussnoten

ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen und Redakteurin der Online-Zeitschrift "Ukraine-Analysen". Zugleich schreibt sie ihre Doktorarbeit über die Instrumentalisierung der Diskurse in der ukrainischen Gaspolitik.