Im Juli 2012 hatten die Kurden die Verwaltung von Afrin übernommen. Die syrische Armee hatte sich zuvor aus den vielen mehrheitlich kurdisch besiedelten Regionen des Landes zurückgezogen und sich auf die Bekämpfung der arabisch-sunnitischen Opposition konzentriert. Lange war Afrin deshalb einer der wenigen Regionen Syriens, die von direkten Kriegshandlungen weitgehend verschont blieben. Der türkische Einmarsch nach Afrin ist nur der bislang letzte Schritt im jüngsten Versuch der Türkei, den Konflikt zwischen Kurden und dem türkischen Staat militärisch zu lösen. Denn die syrisch-kurdische "Partei der demokratischen Union" (Partiya Yekitîya Demokrat, kurz: PYD) ist eng mit der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, kurz: PKK) verbunden, jener Organisation, die seit 1984 einen bewaffneten Kampf gegen die türkische Regierung führt. In diesem asymetrischen Krieg haben sich Phasen verlustreicher militärischer Konfrontation mit Zeiten des Waffenstillstands und Gesprächen zwischen den Konfliktparteien abgewechselt. Der letzte und bislang aussichtsreichste Ansatz, das türkische "Kurdenproblem" friedlich zu lösen, war im Sommer 2015 nach einem fast zweijährigen Waffenstillstand und direkten Verhandlungen zwischen der PKK und dem türkischen Staat gescheitert.
Im diesem Friedensprozess zwischen türkischer Regierung und der türkisch-kurdischen PKK hatte es von Anfang an unterschiedliche Vorstellungen gegeben. Während die AKP-Regierung ihren Fokus auf die Entwaffnung der PKK gelegt hatte, war es für diese vorrangig um eine „demokratische Autonomie“, eine Selbstverwaltung der türkischen Kurden im Südosten des Landes gegangen (ausführlich zur Genese des Konflikt und den Forderungen der PKK und der Debatte um die kurdische Frage:
Die PKK
Geschichte:
In den 60er-Jahren erstarkte in der Türkei der kurdische politische Aktivismus, der damals primär auf den Abbau der ökonomischen Ungleichheit zwischen der West- und Osttürkei und auf gleichberechtigte demokratische Teilhabe der Kurden gerichtet war.
Insbesondere junge, im Zuge der Mechanisierung in der Landwirtschaft arbeitslos gewordene und in die Städte drängende Kurden fühlten sich von marxistisch-sozialistischen Strömungen angesprochen. Abdullah Öcalan und seiner 1978 gegründeten PKK gelang es sehr schnell, insbesondere junge Frustrierte anzusprechen, die von der technischen Transformation ausgeschlossenen waren und selbst innerhalb der Kurden am Rande standen. Die PKK agitierte nicht nur gegen den türkischen Staat, sondern genauso gegen kurdische Clanführer und Großgrundbesitzer, die sich mit Ankara arrangiert hatten.
Ziel:
Ob die Gründung eines eigenen Kurdenstaates das vorrangige Ziel der PKK sein sollte, war innerhalb der Organisation immer umstritten. Mehr und mehr setzte sich aber die pragmatische Haltung des Erreichbaren, also einer dezentral organisierten Türkei mit einem autonomen Gebiet Kurdistan durch. Seit 2005 propagiert die PKK einen föderalen Verbund aller kurdischen Siedlungsgebiete in einer "Föderation des Demokratischen Nahen Ostens" unter Beachtung existierender Grenzen. 2005 benannte sich die PKK in KONGRA GEL um, seit 2007 heißt sie KCK (Koma Civakan Kurdistana – Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans), was sich m öffentlichen Sprachgebrauch nicht durchgesetzt hat.
Bürgerkrieg:
Gewalt galt sowohl von Seiten des türkischen Staates, als auch von Seiten der PKK von jeher als probates Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele. Öcalan formulierte früh, dass Krieg nicht nur Mittel des Selbstverteidigung, sondern auch notwendig sei, um die "kurdische Nation" zu befreien. Ab 1980 nahmen die türkischen Unterdrückungsmaßnahmen zu, und zeitweise waren bis zu 81.000 Kurden inhaftiert. Die PKK reagierte am 15. August 1984 mit einem gezielten Angriff auf türkische Militäreinrichtungen. Dies war der Startschuss für einen über 30 Jahre fortdauernden Guerilla- oder Bürgerkrieg, der bisher mehr als 40.000 Menschenleben gekostet hat und über 2,5 Millionen Zivilisten zur Flucht zwang. In manchen Perioden uferte die Gewalt aus. So brachte die PKK systematisch türkische Lehrkräfte um, die in den Südosten entsendet worden waren, um die zentral verordnete Einsprachigkeit umzusetzen. Andererseits siedelte die türkische Armee zu Beginn der 90er-Jahre zahlreiche kurdische Dörfer um, die einer Unterstützung der PKK verdächtigt wurden, zumeist ohne jegliche Kompensation für die Bewohner.
Organisation:
Intellektueller Vordenker und Führer der PKK ist nach wie vor der seit 1999 inhaftierte Abdullah Öcalan (geb. 1949). Die operative Führung hat sein Stellvertreter Cemil Bayık (geb. 1955) inne. Das wichtigste Rückzugsgebiet der PKK sind die Kandil-Berge im Norden des Irak an der türkisch-irakisch-iranischen Grenze. Genaue Zahlen fehlen, aber Insider vermuten, dass die PKK in der Türkei trotz ihrer anhaltenden Verluste jederzeit etwa 10.000 bis 12.000 bewaffnete Kämpfer ihres militärischen Arms, der HPG (Hêzên Parastina Gel, dt.: Volksverteidigungskräfte), mobilisieren kann. Daneben bestehen bisweilen oft nur lokal oder regional organisierte Jugendverbände, die zwar offiziell unabhängig agieren, sich aber ideologisch stark an die PKK anlehnen. Auch ist zwischen der PKK und ihrer nordsyrischen Schwesterpartei, der PYD (Partiya Yekitîya Demokrat, dt. Partei der Demokratischen Union), ist eine klare Grenzziehung nicht möglich. Die PKK verfügt neben Handfeuerwaffen über Panzerabwehrraketen, Mörser und ältere, auf der Schulter getragene Luftabwehrraketen sowjetischer Bauart. Sie ist in der Lage, herkömmliche Fahrzeuge zu verstärken und mit Sprengstoff zu beladen, oder einfache, selbst gebaute Drohnen einzusetzen. Die PKK finanziert sich durch Spenden kurdischer Geschäftsleute und europäischer Migranten, Schutzgelderpressungen, Schmuggel und verdeckte Zahlungen von Staaten, die ein Interesse an einer Schwächung der Türkei haben. Insbesondere die kurdische Diaspora, vor allem die etwa 1,5 Millionen Kurden in Europa, bilden für die PKK eine wichtige Finanzierungsquelle, die mit systematischen Aktionen, etwa der Jahresspendenkampagne, angezapft wird. 2013 wurden in Deutschland etwa 9 Millionen Euro eingesammelt, von denen ein Teil zur Unterhaltung des Propagandaapparats in Europa diente, aber auch ein Teil in den Südosten verbracht wurde. Trotz Verbotes als Terrororganisation - u.a. in den USA und der EU - ist die PKK etwa in Deutschland gut organisiert und in vier Bereiche mit 29 Gebieten (Bölge) untergliedert. Die PKK verfügt über einen professionellen Medienapparat, inklusive Verlagen, Zeitungen, Fernsehsender und Nachrichtenagentur, über den sie ihre Anhänger mobilisiert und informiert, aber auch alle anderen europäischen Kurden und die Öffentlichkeit zu erreichen versucht.
Innerkurdische Kritik:
Die PKK spricht keineswegs für alle türkischen Kurden. PKK-kritische Journalisten wurden von der PKK genauso zum Feind erklärt, wie kurdische Politiker, die sich pro-türkisch einließen, pro-türkische Geschäftsleute und andere Kurden, die sich dem Alleinvertretungsanspruch der PKK oder ihrer sozialistischen Ideologie nicht beugen wollten. Viele Kurden fühlen sich vom sunnitisch-islamischen Gesellschaftsverständnis Erdogans stärker angesprochen, als von den antikapitalistischen Ideen der PKK. Erdogan war auch der erste Ministerpräsident, der tatsächlich kulturelle Reformen zugunsten der Kurden einleitete, die aber wiederum vielen Kurden nicht weit genug reichten.
Rayk Hähnlein
Der Friedensprozess scheitert
Doch im Herbst 2014 hatte sich Ankara geweigert, sich zugunsten der kurdischen Bevölkerung der syrischen Stadt Kobane, nahe der türkischen Grenze, an der Abwehr des IS-Angriffs auf die Stadt zu beteiligen. Seit diesem Zeitpunkt setzte sich praktisch nur noch die pro-kurdische
Nachdem in den Wochen seit der Juni-Wahl zahlreiche Anhänger der HDP verhaftet worden waren und es zu einzelnen Scharmützeln zwischen türkischen Sicherheitskräften und der PKK gekommen war, kündigte die PKK am 11. Juli 2015 den von ihr einseitig erklärten Waffenstillstand von 2013 auf. Am 20. Juli 2015 explodierte in der türkischen Stadt Suruç, nahe der syrischen Grenze, die Bombe eines 18-jährigen IS-Selbstmordattentäters und tötete 32 vornehmlich kurdische Aktivisten, die von dort aus nach Kobane weiter reisen wollten, um beim Wiederaufbau der Stadt zu helfen. Die PKK warf der Regierung Kollaboration mit dem IS vor, da die Veranstaltung nur unzureichend geschützt worden sei. Zur "Vergeltung" tötete sie am 22. Juli zwei Polizisten, denen sie eine Nähe zum IS attestierte. In der Folge entbrannte der 2013 ausgesetzte Bürgerkrieg in aller Schärfe neu.Türkische Sicherheitskräfte erklären, allein zwischen Ende Juli und September 2015, mehr als 1.000 PKK-Kämpfer getötet zu haben. Aktionen der PKK sollen im selben Zeitraum mindestens 113 Sicherheitskräfte das Leben gekostet haben.
Ein weiterer schwerer Anschlag auf einen kurdischen Friedensmarsch am 12. Oktober 2015 in Ankara, bei dem fast 100 Personen durch IS-Selbstmordattentäter getötet wurden, verschärfte die Situation weiter. U.a. vor dem Hintergrund der durch die Gewalteskalation ausgelösten Verunsicherung und des neu einsetzenden Bürgerkrieges im Südosten der Türkei konnte die regierende AKP ihren Stimmenanteil bei der Novemberwahl auf 49,5 Prozent erhöhen und erneut eine Alleinregierung bilden. Das Klima der Gewalt im Sommer und Herbst 2015 begünstige Erdoğan, der sich als Garant für Ruhe und Ordnung ins Licht rücken konnte. Für zahlreiche Kurden jedoch war es nicht zu erklären, warum es der Regierung nicht gelang, Anschläge wie in Suruç und Ankara im Oktober 2015 zu verhindern. Ihre Wut verband sich mit der Frustration über den gescheiterten Friedensprozess.
Infobox Bürgerkrieg
Ein Bürgerkrieg ist ein gewaltsamer Massenkonflikt, in den reguläre Streitkräfte einer Regierung involviert sind. Auf Seiten beider Konfliktparteien liegt ein Mindestmaß an zentraler Organisation und Kampfplanung vor. Die Kämpfe müssen einer gewissen Kontinuität unterliegen, nicht nur aus spontanen Zusammenstößen bestehen, sondern auch geplante Operationen und Strategien aufweisen.
In Bürgerkriegen fällt die Unterscheidung zwischen bewaffneten Gruppen und der Zivilbevölkerung oft schwer. Neben dem regulären Militär treten auch Befreiungsbewegungen, Banden und Milizen auf. Ethnizität und die als mangelhaft wahrgenommene Legitimität der aktuellen staatlichen Ordnung sind häufig Auslöser und oder Katalysatoren von Bürgerkriegen. Für die Auseinandersetzung zwischen türkischen Sicherheitskräften, PKK und PKK-nahen Milizen im türkischen Südosten gelten diese Qualifikationsmerkmale.
Vgl. Peter Waldmann: Bürgerkriege, in: Heitmeyer, Wilhelm; Hagan, John: Internationales Handbuch der Gewaltforschung, Wiesbaden, 2001, S. 368-398.
Die türkische Wahrnehmung von der PKK als existentieller Bedrohung
Seither sieht sich die türkische Regierung mehr denn je durch die PKK herausgefordert. Drei Faktoren bestimmen diese Sichtweise: Zum einen hat die PKK vom Sommer 2015 bis Sommer 2016 den Konflikt erstmals in die Städte im Südosten der Türkei getragen und damit bewusst dessen Eskalation in einem dicht besiedelten Umfeld in Kauf genommen.
Zum zweiten traten seit Mitte 2015 radikalisierte Jugendgruppen aus dem Umfeld der PKK in Erscheinung, die bereit waren, auch Anschläge in den westlichen Metropolen der Türkei durchzuführen. Trauriger Höhepunkt dieser Entwicklung war der Anschlag durch zwei Selbstmordattentäter der sogenannten "Freiheitsfalken Kurdistans" (Teyrêbazên Azadîya Kurdistan, kurz: TAK) am 10. Dezember 2016 im Istanbuler Stadtteil Beşiktaş, bei dem 45 Menschen ums Leben gekommen sind.
Die TAK ist aber nicht die einzige Gruppe aus dem Umfeld der PKK, die eine Rolle im wiederaufgeflammten Bürgerkrieg übernommen hat. So engagiert sich in den Städten des Südostens der Türkei insbesondere die 2012 gegründete "Patriotisch-revolutionäre Jugendbewegung" (Yurtsever Devrimci Gençlik Hareketi, kurz: YDGH). Wie bei der TAK weist die PKK auch mit Blick auf die YDGH jede direkte Verbindung zurück und betont immer wieder, dass diese Organisationen lokal und unabhängig von der PKK organisiert seien. Ideologisch und operativ stehen beide Gruppen allerdings in enger Verbindung zur PKK.
Drittens steht die innertürkische Eskalation in einem engen Zusammenhang mit den regionalen Dynamiken, insbesondere in Nordsyrien. Der militärische Erfolg der syrisch-kurdischen Volksverteidigungseinheiten (Yekîneyên Parastina Gel, kurz: YPG) beim Kampf gegen den "Islamischen Staat" (IS) in Nordsyrien und die daraus resultierende Machtkonsolidierung ihres politischen Überbaus, der PYD, werden von der Türkei als unmittelbare Herausforderung für die eigene Sicherheit verstanden. Ankara ist von der Etablierung der drei mehrheitlich kurdisch besiedelten, selbstverwalteten Kantone Cizire, Kobane und Afrin in Nordsyrien alarmiert. Die türkische Regierung befürchtet, dass jede Form kurdischer Staatlichkeit in Syrien auf den türkischen Südosten übergreifen und die territoriale Einheit der Türkei gefährden könnte. Zudem gelten die als "Rojava" (oder "Westkurdistan") bekannten Gebiete in Syrien als Rückzugsräume der PKK. Tatsächlich lassen sich PYD und PKK ideologisch und programmatisch kaum trennen. Die Übergänge ihrer Mitglieder, Kämpfer und Sympathisanten sind fließend.
Infobox YPG
Bei den YPG handelt es sich um die militärischen Einheiten der PYD. In den Fokus der internationalen Aufmerksamkeit gerieten sie erstmals, als es ihnen zwischen September 2014 und März 2015, unterstützt von Kämpfern der PKK, von kurdischen Peschmerga-Milizen aus dem Nordirak und von Luftunterstützung der USA und anderer Bündnispartner der Koalition "Inherent Resolve" gelang, die syrisch-türkische Grenzstadt Kobane gegen Angriffe des IS zu halten. Seither haben die YPG systematisch vom IS eroberte Gebiete in Nordsyrien zurückerobert und stellten zuletzt bei der Rückeroberung Rakkas im Oktober 2017 etwa 80 Prozent der Bodentruppen.
Die YPG sind Kern der losen Allianz "Syrian Democratic Forces", eines Verbundes, der neben den etwa 30.000 YPGlern bis zu 20.000 Araber, Assyrer und Turkmenen umfasst. Die YPG verfolgen die Taktik des Guerillakrieges, bevorzugen also Hit and Run, Tarn- und Überraschungstechniken gegenüber offenen Feldschlachten. Ein wesentlicher Teil ihrer Waffen und Ausrüstung wird von den USA gestellt, die durch ihre Luftunterstützung auch maßgeblich zum militärischen Erfolg der YPG beitragen. Der YPG wird immer wieder vorgeworfen, auch PKK Kämpfer und PKK-nahe Terroristen, wie etwa die Selbstmordattentäter der TAK in ihren Ausbildungscamps zu trainieren.
Dreigeteiltes türkisches Vorgehen
Seither geht die Türkei mit einem Dreiklang aus militärischen und politischen Offensivmaßnahmen gegen die kurdische Bewegung vor.
Kampfeinsatz gegen PKK-Strukturen innerhalb der Türkei
Ab dem 20. Juli 2015 hat die PKK den Bürgerkrieg bewusst in die kurdischen Städte im Südosten der Türkei getragen, um dem Staat im Rahmen eines "Revolutionären Volkskriegs" - wie ihn die PKK nennt - seine Grenzen aufzuzeigen. Den türkischen Sicherheitskräften sollte mithilfe lokaler Milizen wie der YDGH der Zugang zu bestimmten Stadtvierteln verweigert werden. Außerhalb von Städten dominierten stets die türkischen Sicherheitskräfte die Auseinandersetzung, etwa durch den Einsatz von Spezialkräften, Kampfflugzeugen oder Helikoptern. Für den Städtekampf hat sich Ankara zum Einsatz hybrider Teams aus Polizei, Gendarmerie
In der Folge hat die türkische Regierung ihren Kurs noch einmal verschärft und gezielt völkerrechtlich umstrittene bewaffnete Drohnen eingesetzt, um PKK-Kämpfer zu töten.
Der Kampf der Sicherheitskräfte gegen die PKK ist nicht einfach auf die Formel: "Der türkische Staat gegen die Kurden" reduzierbar. Die Kurden im Südosten stehen keineswegs geschlossen hinter der PKK.
Staatlicher Druck auf politische Strukturen der Kurden in der Türkei
Der militärische Einsatz gegen die PKK wird von einem systematischen Vorgehen gegen alle politischen Kräfte der kurdischen Bewegung begleitet. Ziel dieser Bemühungen ist es insbesondere, die HDP und die eng mit ihr verbundene kurdische Regionalpartei, die
Prominentestes Beispiel sind die beiden am 4. November 2016 festgenommenen Co-Vorsitzenden der Partei, Selahattin Demirtaş und Figen Yüksekdağ, die auch im April 2018 noch in Haft sitzen.
Mit ihrer Forderung nach Minderheitsrechten, direkter Demokratie und kulturellem Pluralismus stellt die landesweit organisierte HDP, wie die PKK auch, die zentralistische Struktur des Staates in Frage. Anders als die PKK aber sprechen sich HDP und DBP konsequent gegen den Einsatz von Gewalt als politischem Mittel aus.
Krieg gegen kurdische Milizen und kurdische Selbstverwaltung in Syrien: Die Feldzüge "Euphrates Shield" und "Olive Branch"
Die Operationen gegen kurdische Milizen in Syrien stellen einen dritten Pfeiler der türkischen Anti-PKK Strategie dar. Die YPG, der bewaffnete Arm der in "Rojava" (Demokratische Föderation Nordsyrien) dominierenden PYD, ist mit bis zu 30.000 Kämpfern Kern der Syrian Defense Forces (SDF), die wiederum wichtigster Bodenalliierter der USA in der Region und die schlagkräftigste Bodentruppe beim Kampf gegen den IS sind. Von der Türkei werden PYD und PKK als einheitliche Terrororganisation betrachtet, deren Fernziel die Schaffung eines gesamtkurdischen Staates auf Gebieten des heutigen Irak, Syriens und der Türkei ist. Anders als die PKK hat die PYD jedoch bislang keinen Angriff auf die Türkei unternommen, weshalb weder Europa noch die USA Ankaras Einschätzung der PYD als Terrororganisation übernommen haben. Trotzdem geht Ankara gegen jede Form kurdischer Selbstverwaltung in Nordsyrien vor.
Am 24. August 2016 startete die Türkei mit hohem militärischen Aufwand die Operation "Euphrates Shield" (dt.: Schutzschild Euphrat, türk. Fırat Kalkanı Harekâtı). Ihr Ziel war es, die Entstehung einer in sich geschlossenen Zone unter kurdischer Verwaltung in Nordsyrien zu verhindern. Als offiziellen Anlass nutzte Ankara jedoch zwei Anschläge des "Islamischen Staates", einer auf den Atatürk-Flughafen in Istanbul am 28. Juni 2016 und einer auf eine Hochzeitsgesellschaft in Gaziantep am 20. Juli 2016, bei denen insgesamt über 100 Personen starben und fast 300 verwundet wurden. Mit diesen Angriffen rückte die Terrorgefahr durch den IS radikal in das Bewusstsein der türkischen Bevölkerung. Die Türkei berief sich auf ihr Selbstverteidigungsrecht und gab drei Operationsziele aus: Grenzsicherung, Bekämpfung des IS und Verhinderung eines von der türkischen Regierung so genannten kurdischen "Terrorkorridors" zwischen den Kantonen Afrin im Westen und Kobane im Osten. Bis Ende 2016 sollen über 5.000 illegale Grenzübertritte verhindert und bis März 2017 etwa 2.000 Quadratkilometer Grenzgebiet gesichert worden sein. Zur Bekämpfung des IS haben die sogenannte "Freie Syrische Armee" (FSA), ein loser Verbund vornehmlich sunnitisch-arabischer und turkmenischer Milizen, und die türkischen Streitkräfte insgesamt über 225 Orte im 100 km langen Gürtel zwischen Azaz im Westen und Jarablus im Osten vom IS befreit. Al-Bab bildet den südlichsten Punkt des durch die FSA und die Türkischen Streitkräfte (TSK) gehaltenen Territoriums.
Die am 29. März 2017 für beendet erklärte Operation wurde hauptsächlich von der "Freien Syrische Armee" geführt und von regulären türkischen Kampf- und Unterstützungstruppen, vor allem schweren Artillerieeinheiten, Panzerverbänden und Kommandoeinheiten, Logistikverbänden und Luftunterstützung begleitet. Offizielle Zahlen gibt es keine, aber es ist davon auszugehen, dass die türkische Beteiligung in Spitzenzeiten bei bis zu 4.000 Soldaten gelegen hat.
Seit dem Amtsantritt von Präsident Donald Trump Anfang 2017 hatte Ankara verstärkt dafür geworben, dass die USA bei der Rückeroberung der letzten syrischen IS-Hochburg Rakka auf die Türkischen Streitkräfte und die FSA als Partner am Boden setzen und die Zusammenarbeit mit den SDF beenden. Eine solche Entscheidung Washingtons hätte nicht nur den militärischen Fußabdruck und politischen Einfluss der Türken in Syrien entscheidend erhöht. Es hätte der türkischen Armee und der FSA zudem auch freie Hand bei der Bekämpfung der kurdischen Milizen in Nordsyrien gelassen, deren Gebiete sich geografisch zum Teil zwischen dem Operationsgebiet von "Euphrates Shield" und Rakka befinden. Aber auch Trump setzt, wie schon Obama, auf die kurdischen Verbündeten. Das Festhalten der USA an SDF und YPG war der wesentliche Grund für den türkischen Entschluss, "Euphrates Shield" am 29. März 2017 zu beenden.
Auch in Moskau fand Ankara damals keine Unterstützung für weiterreichende Aktionen. Parallel zur US-Entscheidung, auch künftig auf die Kurden zu setzen, hat der Kreml seine eigene Linie zugunsten der Berücksichtigung kurdischer Interessen angepasst. Der Kreml setzt seit Ende 2016 offen auf die PYD als Gesprächs- und Verhandlungspartner für eine mögliche syrische Nachkriegsordnung. Nachdem klar wurde, dass türkisches Militär und FSA in Rakka außen vor bleiben würden, hat die Türkei ihre Strategie dieser Situation angepasst. Im Oktober 2017 rückten türkische Soldaten mit russischem Einverständnis in den Norden der syrischen Provinz Idlib ein, offiziell um dort eine Deeskalationszone zu sichern und gegen die dortigen dschihadistischen Rebellen vorzugehen. Idlib liegt südlich des kurdischen Kantons Afrin, so dass dieser Schritt es den Türken gleichzeitig ermöglicht, die eigene Truppenpräsenz in geografischer Nähe zu den Kurden zu erhöhen.
Am 25. April 2017 bombardierten türkische Jets YPG-Stützpunkte in der nordsyrischen Region Derik ("Rojava") und PKK Einheiten in der irakischen Sindschar-Region.