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Der türkische Staatspräsident ist seit 1923 Staatsoberhaupt des Landes. Bis 2017 sollte er als „Hüter der Verfassung“ die Staatsorgane beaufsichtigen - seit 2018 hat das Amt die größte Machtfülle.
Mustafa Kemal Atatürk (* 1881 † 1938) gilt als Begründer der modernen Türkei. Zunächst Führungsfigur im türkischen Befreiungskrieg, schaffte
er schließlich das Sultanat ab. Im Jahr 1923 wurde die Republik Türkei ausgerufen, und Atatürk wurde ihr erster Staatspräsident. Bis heute wird der "Vater der Türken" im Land verehrt, jede Herabsetzung juristisch geahndet: ein Straftatbestand ähnlich dem der Beleidigung des Türkentums, der auch schon genutzt wurde, um Bürgerrechtler und kritische Journalisten sowie Schriftsteller zu kriminalisieren. Eine unvoreingenommene wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Wirken Atatürks ist in der Türkei bis heute nur begrenzt möglich.
İsmet İnönü (* 1884 † 1973), Militär- und Weggefährte Mustafa Kemal Atatürks, war von 1923 bis 1924 erster Ministerpräsident der Türkei. In
den Jahren 1925 bis 1937 sowie von 1961 bis 1965 übte er dieses Amt erneut aus. Zwischenzeitich war der CHP-Politiker, nach Atatürks Tod im Jahr 1938, auch Staatspräsident der Türkei. Er begann eine Demokratisierung des Landes und versuchte einen Ausgleich zwischen Laizismus und Islam.
Celâl Bayar (* 1883 † 1986) war von 1950 bis zum ersten Militärputsch 1960 dritter Staatspräsident der Republik Türkei. Nachdem sein Vorgänger
İsmet İnönü im Jahr 1945 das Ende des türkischen Einparteiensystems proklamierte, traten Bayar sowie der spätere Ministerpräsident Adnan Menderes aus der kemalistischen CHP (Republikanischen Volkspartei) aus und gründeten 1946 die Demokrat Parti (DP). Bei der Wahl 1950 gewann diese schließlich die Parlamentsmehrheit. Unter seine Präsidentschaft fiel auch das anti-griechische Pogrom von Istanbul. Nach dem Militärputsch wurde Bayar zum Tode verurteilt, anders als sein Parteifreund Menderes jedoch nicht hingerichtet, und 1966 schließlich begnadigt.
Mit Cemal Gürsel (* 1895 † 1966) folgte 1960 auf den noch demokratisch gewählten Celâl Bayar schließlich einer der Putschisten ins höchste
Staatsamt. Im putschenden "Komitee der nationalen Einheit" bekleidete er zuvor eine Führungsposition. Zwischenzeitlich war Gürsel sowohl Ministerpräsident als auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Indessen gab er eine neue Verfassung in Auftrag, unter der er als Staatspräsident vereidigt wurde. General Gürsel galt als liberal und politisch links orientiert, 1966 trat er aus gesundheitlichen Gründen zurück. Nach seinem Tod veränderte sich die politische Ausrichtung des Militärs, das nun zunehmend autoritärer agierte.
Cevdet Sunay (* 1899 † 1982) wurde 1966 von der Nationalversammlung zum fünften Staatspräsidenten der Türkei gewählt. Sein Vorgänger Cemal
Gürsel war wegen gesundheitlicher Probleme zurückgetreten. Seine Wahl galt als Konzession der regierenden konservativen Gerechtigkeitspartei (AP) an das Militär, welches sechs Jahre zuvor geputscht hatte: Ministerpräsident Süleyman Demirel wollte so erneute Spannungen mit der Armee vermeiden. Cevdet Sunay blieb bis zum regulären Ende seiner Amtszeit im Jahr 1973 - einer Periode, die von Studentenunruhen, steigender Terrorismusgefahr und dem zweiten Militärputsch im Jahr 1971 geprägt war - Staatspräsident der Türkei.
Admiral Fahri Korutürk (* 1903 † 1987) fand 1973 als Kompromisskandidat den Weg in das Staatspräsidentenamt. Der Favorit der Militärführung und
Chef des Generalstabs General Faruk Gürler war zuvor am Widerstand der großen Parteien im Parlament gescheitert. Korutürk agierte streng überparteilich und machte seinen Einfluss gerade auch in Zeiten der rivalisierenden und sich zeitweise abwechselnden Ministerpräsidenten Bülent Ecevit und Süleyman Demirel geltend. Seine Amtszeit endete 1980. Als kein Nachfolger gefunden werden konnte, schloss sich der dritte Militärputsch unter General Kenan Evren an.
Nach dem Sturz der Regierung durch das Militär im Jahr 1980 wurde Generalstabschef Kenan Evren (* 1917 † 2015) durch die Armee als Staatspräsident
eingesetzt. Evren verhängte das Kriegsrecht und setzte eine Militärregierung ein. Schwerwiegende Menschen- und Bürgerrechtsverletzungen waren die Folge. Die neue, vom Militär vorgelegte Verfassung wurde am 7. November 1982 per Volksabstimmung angenommen. Evren wurde damit gleichzeitig bis 1989 im Amt bestätigt. Bestrebungen, ihn für die begangenen Verbrechen juristisch zur Rechenschaft zu ziehen, waren bis zum Verfassungsreferendum im Jahr 2010 nicht möglich. Im Juni 2014 wurde Evren zu lebenslanger Haft verurteilt, die er wegen seines Alters jedoch nicht mehr antreten musste.
Mit dem Wahlsieger des Jahres 1983, Turgut Özal (* 1927 † 1993), endete eine dreijährige Militärherrschaft. Als Ministerpräsident versuchte sich
der Politiker der Anavatan Partisi (ANAP, "Mutterlandspartei") an einer Übereinkunft mit den Armeniern und einer Aufarbeitung des Völkermords. Özal bemühte sich außerdem um eine Entschärfung des Kurdenkonflikts - eine Politik, die in der türkischen Öffentlichkeit heftig umstritten war. Aufgrund zahlreicher Widerstände blieben diese Bemühungen jedoch weitestgehend erfolglos. Später zum Staatspräsident ernannt, endete seine Amtszeit 1993 mit seinem plötzlichen Tode. Der dringende Verdacht, dass Özal vergiftet wurde, ist bis heute nicht vollständig aufgeklärt.
Süleyman Demirel (* 1924 † 2015) regierte als Ministerpräsident zunächst von 1965 bis zum zweiten Militärputsch 1971. Von 1975 bis Juni 1977 und
von Juli bis Dezember 1977 sowie von 1979 bis zum dritten Militärputsch 1980 war er wiederholt Chef verschiedener, stets fragiler Koalitionsregierungen. Als Politiker der 1981 aufgelösten, nationalkonservativen Adalet Partisi (AP), später als Doğru Yol Partisi (DYP) neugegründet, betrieb er eine neoliberale Wirtschaftspolitik. Von 1991 bis 1993 war er letztmalig Ministerpräsident, daraufhin bis zum Jahr 2000 Staatspräsident.
Mit Ahmet Necdet Sezer (* 1941) kam zum ersten Mal in der türkischen Geschichte kein Militär oder Parlamentarier in das Amt des Staatspräsidenten.
Im Jahr 2000 gewählt, war der promovierte Jurist zuvor unter anderem als Richter am Kassationsgericht sowie am Verfassungsgericht tätig. An letzteres wurde er 1988 durch Kenan Evren berufen. Sezer war ein starker Befürworter des Laizismus in der Türkei, weshalb es wiederholt zu Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und der seit 2002 regierenden AKP kam bis Sezer 2007 aus dem Amt ausschied.
Der AKP-Politiker Abdullah Gül (* 1950) war von 2007 bis 2014 Staatspräsident der Türkei. Zuvor war er von November 2002 bis März 2003
Ministerpräsident einer Übergangsregierung. Ziel dieser Regierung war es u.a., durch eine Gesetzesänderung die Wahl Recep Tayyip Erdoğans zum Ministerpräsidenten zu ermöglichen. Als dies gelang, wurde Gül unter Erdoğan Außenminister. In diesem Amt irritierte er nicht zuletzt mit einem Unterstützungsaufruf für die islamistische Bewegung Millî Görüş. Seit seiner Wahl zum Staatspräsidenten ging er in Fragen der Rechtsstaatlichkeit regelmäßig auf Distanz zu seinem Parteifreund Erdoğan. Das Verhältnis der beiden gilt heute als angespannt.
Recep Tayyip Erdoğan (* 1954) war von 2003 bis 2014 Ministerpräsident der Türkei. Während Anhänger insbesondere den wirtschaftlichen Aufstieg des
Landes unter der Regierung seiner islamischen AKP loben, sorgen sein autoritärer Regierungsstil und seine Gesellschaftspolitik regelmäßig für Kontroversen. In seine Amtszeit als Ministerpräsident und heute Staatspräsident fallen auch die drastische Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit. Kritiker und Oppositionelle werden von ihm bis heute kriminalisiert. Gestützt wird Erdoğan zwar vornehmlich von konservativen Wählern, er hat jedoch Anhänger in allen Bevölkerungsschichten: Sowohl die deutliche Verbesserung der Lebensqualität, der enorme Ausbau der Infrastruktur und die politische Entmachtung des Militärs sind untrennbar mit seiner Person verbunden. Seit seiner Wahl zum Staatspräsidenten im Jahr 2014 hat sich die Machtverteilung im politischen System der Türkei zusehends vom Amt des Ministerpräsidenten auf das Amt des Staatspräsidenten verlagert. Durch die Zustimmung einer knappen Mehrheit der Bevölkerung zum Verfassungsreferendum vom 16. April 2017 wird diese Machtverlagerung bis zum Jahr 2019 auch de jure vollzogen. Danach wird es das Amt des Ministerpräsidenten nicht mehr geben. Der Staatspräsident wird dann auch Regierungschef sein.
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