Den Medien obliegt in modernen Gesellschaften eine große Verantwortung, bisweilen werden sie politikwissenschaftlich gar als "vierte Gewalt" bezeichnet. In vielen Fällen werden die Medien dieser Verantwortung jedoch nicht voll gerecht, gehen in Einzelfällen sogar fahrlässig mit ihr um. Eines der Problemfelder, die zu Recht immer wieder Kritik hervorrufen, ist der Mangel an minderheitensensibler, diskriminierungsfreier und nicht stereotyper Berichterstattung, wenn "Roma" oder "Sinti und Roma" thematisiert werden.
Diskussionen um diese Fragen reichen in der Bundesrepublik Deutschland bis in die 1980er-Jahre zurück. Spätestens seitdem gab es in Deutschland regelmäßige Kritik an der Presseberichterstattung, vornehmlich durch den "Zentralrat Deutscher Sinti und Roma" sowie durch andere Selbstorganisationen. Im Vordergrund stand dabei zumeist die Frage, inwiefern es bei der Berichterstattung über Negativereignisse, insbesondere über Straftaten, notwendig, sinnvoll oder diskriminierend ist, auf die (häufig nur vermutete) Zugehörigkeit von Tatverdächtigen zur Minderheit der Sinti und Roma hinzuweisen.
Diese Form der Berichterstattung stellt eine besonders schwere Form einer diskriminierenden medialen Berichterstattung dar, gleichzeitig ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass das Phänomen des Antiziganismus in den Medien weit darüber hinaus geht. Antiziganismus in den Medien kann sehr subtile Formen annehmen, und verschiedene mediale Mechanismen tragen dazu bei, antiziganistische Stereotype und Vorurteile zu reproduzieren und zu kommunizieren.
Stereotype Bildauswahl und kultureller Deutungsrahmen
Im Folgenden soll einer der wichtigsten medialen Mechanismen kurz vorgestellt werden. Er besteht in einer stereotypen Bildauswahl, die vor dem Hintergrund eines antiziganistisch geprägten kulturellen Deutungsrahmens verstanden werden muss. Die Bildauswahl findet dabei auf mehreren Ebenen statt. Bereits zu Beginn der Produktion eines Beitrags wählt die Redaktion aus, worüber berichtet werden soll. Diese Auswahl wird geleitet durch "mediale[n] Logiken wie Konfliktorientierung oder Negativismus". Auch der "Fokus auf das Außergewöhnliche, Exotische und Unheimliche", das den stereotypen Bildern anhaftet, muss zu diesen Logiken gezählt werden. Eine solche Auswahl prägte beispielsweise zwei Sendungen der TV-Sender VOX und RTL, die jeweils eine "Sinti-" beziehungsweise eine "Roma-Hochzeit" porträtierten. Eine "normale" standesamtliche oder kirchliche Trauung zweier deutscher Staatsangehöriger – ob Sinti oder Roma oder Angehörige der Mehrheitsgesellschaft –, bei der nicht außergewöhnlich viele Gäste mit "Wohnwagen" anreisen, außergewöhnlich "archaische" Rituale praktiziert werden oder außergewöhnlich viel "Schweinefleisch" gegessen wird, eignet sich nicht als Material für eine reißerische Reportage. Genau deshalb wurden für die VOX-Sendung "Junge Roma in Deutschland – Tradition ist alles!" vom 6. August 2012 sowie für die RTL-Sendung "Turbulent zum Traualtar" vom 6. April 2012 Brautpaare ausgewählt, die einzelne dieser "außergewöhnlichen" Eigenschaften aufwiesen.
Die zweite Ebene der Bildauswahl besteht darin, innerhalb der gezeigten Realität besonders jene Dinge oder Personen zu filmen, in den späteren Beitrag zu übernehmen und in den Vordergrund zu rücken, die ebenfalls der stereotypen Bild- und Themenauswahl genügen. Im Falle des oben genannten RTL-Beitrags beispielsweise sind an zahlreichen Stellen des Beitrags ohne Zusammenhang Wohnwagen zu sehen. Auch werden mehrere Personen in Wohnwagen interviewt. Damit greift die Sendung ein tradiertes antiziganistisches Stereotyp auf und bestätigt somit den kulturellen Deutungsrahmen der Zuschauer und Zuschauerinnen. Hierbei ist nicht die Frage entscheidend, ob die gezeigten Menschen tatsächlich in einem Wohnwagen gelebt haben oder nicht – zumindest die Familie des Bräutigams lebt in einem großzügigen Wohnhaus. Vielmehr ist entscheidend, dass vor dem Hintergrund des bestehenden antiziganistischen Deutungsrahmens eine Sinti-Familie in einem Wohnwagen als Bestätigung des Vorurteils wahrgenommen wird, während beispielsweise eine Sorben-Familie in einem Wohnwagen lediglich als kuriose Ausnahme angesehen würde.
Eine spezielle Form der stereotypen Bildauswahl liegt vor, wenn nicht lediglich real existierende Szenen und Bilder ausgewählt werden, sondern wenn Bilder und Einstellungen zusätzlich durch verschiedene Strategien so angepasst werden, dass im Ergebnis eine Bestätigung des stereotypen Deutungsrahmens stattfindet. So verwendet das WDR-Magazin "Westpol" vom 14. Oktober 2012 bei seiner Berichterstattung über die Beschwerden der "Anwohner" eines Mietshauses in Duisburg-Bergheim verschiedene Strategien, um die Klagen über eine "Vermüllung" des Umfeldes zu untermauern. Nach einem entsprechenden Interview mit einem "Anwohner" ist im Beitrag in mehreren Einstellungen "Müll" zu sehen. Die Bilder wirken, als seien sie vom Kamerateam gemacht, das auch die "Anwohner" interviewt hat. Dennoch lässt sich eindeutig nachweisen, dass die Aufnahmen mindestens drei Monate zuvor gedreht wurden, weil exakt die gleichen Einstellungen bereits in einem Beitrag für die WDR-Sendung "Lokalzeit Duisburg" vom 10. Juli 2012 Verwendung fanden. Bildmaterial aus dieser ersten Sendung wurde auch in einem Beitrag des ZDF vom 20. September 2012 sowie über ein Jahr später in einem Einspieler für die WDR-Talkshow "WESTART-Talk" vom 15. September 2013 verwendet. In keinem der Beiträge wurden sie als Archivaufnahmen gekennzeichnet.
In der "Westpol"-Sendung finden sich zwei weitere Strategien, die dazu geeignet sind, das Aufkommen von Müll dramatischer wirken zu lassen. Die erste Strategie besteht darin, den gleichen Müll aus mehreren Perspektiven zu zeigen, wobei dazwischen andere Einstellungen geschnitten werden. So kann mit Aufnahmen des gleichen Müllaufkommens der Eindruck mehrerer "Müllberge" erzeugt werden. Dieses Vorgehen findet sich in verschiedenen Beiträgen.
Eine dritte Strategie, die ebenfalls in dem Beitrag Verwendung findet, besteht darin, Bilder von Müll zu zeigen, die erst durch eine entsprechende Erläuterung als Bestätigung von "Vermüllung" fungieren können. So ist in einer Einstellung des WDR-Beitrags ein Hauseingang zu sehen, vor dem einige zerfledderte Werbeprospekte liegen. Rechts vor dem Haus steht ein einzelner Müllsack. Ein eigentlich alltägliches Bild eines Hauseingangs fungiert im spezifischen Kontext des Beitrages als Beleg für eine besondere "Vermüllung". In ähnlicher Weise werden in verschiedenen Beiträgen volle Müllcontainer oder einzelne Obstschalen auf Gehwegen als Belege für eine "Vermüllung" herangezogen. Der Mechanismus der stereotypen Bildauswahl hat auf allen drei Ebenen zur Folge, dass in der Medienberichterstattung Bilder ausgewählt werden, die vor dem Hintergrund eines antiziganistisch geprägten kulturellen Deutungsrahmens bestehende Stereotype reproduzieren oder verstärken.
Die Ethnisierung des Sozialen
An dieser Stelle muss festgehalten werden, dass antiziganistische Denkmuster und durch sie geprägte Verhaltensweisen kein Phänomen eines gesellschaftlichen rechten Randes darstellen. Im Gegenteil, Antiziganismus findet sich in Deutschland in allen Schichten und Berufsgruppen, unter Gebildeten wie Ungebildeten, quer durch alle politischen Fraktionen. Gleichzeitig ist festzuhalten, dass es keiner expliziten willentlichen Entscheidung bedarf, um Antiziganismus zu kommunizieren. Im Gegenteil, in einer solcherart geprägten Gesellschaft bedarf es der willentlichen Entscheidung, die von außen herangetragenen und die eigenen – häufig eingefahrenen – Denkmuster, Wahrnehmungsweisen und Weltbilder zu reflektieren und infrage zu stellen.
Die verschiedenen medialen Strategien dienen einer Ethnisierung sozialer Verhältnisse. Ihre Funktion ist, bestimmte soziale Vorkommnisse oder Verhältnisse zu ethnisieren, sie also als spezifische Eigenschaften einer bestimmten – und als solcher imaginierten – Gruppe zu präsentieren. Das ist der Kern antiziganistischer Darstellungen in den Medien. Leider können im Rahmen dieses Beitrages nicht alle medialen Mechanismen, die dazu führen, antiziganistische Stereotype und Vorstellungen zu reproduzieren und zu festigen, detailliert beschrieben werden. Neben den bereits angesprochenen Mechanismen der stereotypen Bildauswahl finden sich zahlreiche weitere Mechanismen, die eine solche Ethnisierung sozialer Verhältnisse befördern.
Die eingangs angesprochene Nennung bei der Berichterstattung über Straftaten kann als ein Beispiel einer impliziten Zuschreibung bestimmter sozialer Eigenschaften gelten. Durch die Nennung der Minderheitenzugehörigkeit im Zusammenhang mit Straftaten wird der Eindruck erweckt, die Eigenschaft der Minderheitenzugehörigkeit stehe in einem Sachbezug zu den berichteten Straftaten, während andere Eigenschaften der Tatverdächtigen, wie beispielsweise links- oder rechtshändig zu sein, angewachsene Ohrläppchen zu haben oder eine bestimmte Musikrichtung zu bevorzugen, keine Erwähnung finden. Das ist durchaus sinnvoll, denn alle diese Eigenschaften stehen in keinem Sachbezug zur Straffälligkeit, ebenso wenig wie die immer wieder erwähnte Minderheitenzugehörigkeit.
Auch in weniger schwerwiegenden Fällen wird implizit bereits durch die Nennung der Minderheitenzugehörigkeit ein vermeintlicher Sachbezug eröffnet. So berichteten verschiedene regionale und überregionale Zeitungen im Sommer 2012 darüber, dass im Zeltlager der kapitalismuskritischen Occupy-Bewegung in Frankfurt am Main "Roma" lebten. Bereits die Frage, warum dies berichtenswert sein sollte, offenbart die Zuschreibung sozialer Eigenschaften. Die Anwesenheit von Friesen wäre keine Erwähnung wert gewesen, weil mit diesen Gruppen nicht derart virulente Stereotype verbunden werden. Die Kontexte, in denen über die Anwesenheit von "Roma" berichtet wurde, machen dies deutlich. Die Erwähnung steht entweder im Zusammenhang mit der Berichterstattung über eine abnehmende politische Kohärenz oder mit einer konstatierten Verwahrlosung des Zeltlagers. So war in der F.A.Z. vom 6. August 2012 zu lesen: "Schon vor Wochen war das Camp in Verruf geraten, weil sich vermehrt Obdachlose, Drogenabhängige, Alkoholiker und Angehörige nationaler Minderheiten in dem Lager einquartiert hatten." Die Formulierung "Angehörige nationaler Minderheiten" stellt in diesem Fall lediglich eine vermeintlich "politisch korrekte" Kodierung für "Roma" dar. Die anderen nationalen Minderheiten in Deutschland sind jedoch nicht gemeint. In diesem Zitat werden "Angehörige nationaler Minderheiten" in einer Aufzählung mit anderen Gruppen genannt, die gesellschaftlich als unverwünscht gelten. Zugleich wird die negative Zuschreibung an alle diese Gruppen dadurch bestätigt, dass berichtet wird, das Camp sei durch die Anwesenheit dieser Gruppen "in Verruf geraten".
Die Feindschaft gegenüber Wohnungslosen sowie gegenüber Drogenkonsumenten ist ebenso abzulehnen wie der Antiziganismus. Dennoch unterscheiden sich die anderen genannten Gruppen darin von "Angehörigen nationaler Minderheiten", dass sie durch ihre – gesellschaftlich abgelehnten – Eigenschaften definiert werden, während das bei "Angehörigen nationaler Minderheiten" nicht der Fall ist. Somit findet sich auch in diesem Fall eine Zuschreibung aus dem Repertoire an antiziganistischen Stereotypen, um den "Verruf" zu erklären. Ähnliche Formulierungen finden sich auch in anderen Tageszeitungen, die über dieses Thema berichten.
Auch in der Berichterstattung über die sogenannte "Armutszuwanderung" findet eine solche Ethnisierung des Sozialen statt. Bereits die Termini "Armutszuwanderer" und "Roma" werden in der gesamten Berichterstattung beinahe austauschbar verwendet. Ein Wohnhaus in Duisburg, dessen "Anwohner" sich besonders aufmerksamkeitsträchtig über die zugezogenen bulgarischen und rumänischen Staatsangehörigen beklagt haben, wird in der Lokalpresse abwechselnd "Roma-Haus" und "Problemhaus" genannt. Hier sind die Zuschreibungen nicht zu übersehen.
Auch in überregionalen Formaten sind sie deutlich zu erkennen. So titelte die ZDF-Webpräsenz "heute.de": "Es kommen nicht nur Roma – es kommen auch Akademiker". Die Redaktion griff damit die Interviewaussage des Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Markus Löning, auf, der im "ZDF-morgenmagazin" gesagt hatte: "Wir haben ja aus Bulgarien zum Beispiel, nicht nur Roma, die kommen, sondern wir haben auch zum Beispiel Studenten [...]." Auch in dieser Aussagen wird exemplarisch deutlich, wie eine Ethnisierung sozialer Verhältnisse vonstatten geht. Die Zugehörigkeit zu einer Minderheit wird hier dem sozialen Status, "Akademiker" zu sein entgegengesetzt, als ob sie sich gegenseitig ausschließen würden.
Schluss
Stereotype Darstellungen von Sinti und Roma sind in deutschen Medien mehr als präsent. Eine Sensibilisierung für dieses Themengebiet ist noch kaum vorhanden, stattdessen werden häufig unreflektiert traditionelle Stereotype und Vorurteile wiedergegeben. Wo dies nicht in offener Form geschieht, kommen verschiedene mediale Mechanismen zum Tragen, die einer Ethnisierung des Sozialen Vorschub leisten.
Am 5. November 2013 trat Romani Rose vor die Bundespressekonferenz, um seine Kritik an den rassistischen Elementen in der Berichterstattung über den sogenannten "Fall Maria" zu formulieren. Dabei sagte er, dass Roma und Sinti sich in Deutschland tagtäglich verstecken müssten, sei "der schlimmste Vorwurf, den man nach Auschwitz an diese Gesellschaft richten kann". Auch die deutschen Medien tragen ihren Teil dazu bei, dass dieser Vorwurf aufrechterhalten werden muss.