Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Dokumentation: Zusammenfassung und Empfehlungen des Berichts "Academic Freedom in Russia: State Repression and its Influence on Academic Practice" (Science at Risk Monitoring Report, Dezember 2024) | Russland-Analysen | bpb.de

Russland-Analysen Wissenschaft (06.03.2025) Dokumentation: Bericht Academic Freedom in Russia Analyse: Der Stand der Wissenschaftsfreiheit in Russland 2022–2024 Analyse: Veränderungen bei den Forschungsthemen Dokumentation: Wissenschaft und Hochschulbildung in Russland seit 1991 Verhandlungen unter Trump / Kriegs- und Wirtschaftsentwicklung (27.02.2025) Kommentar: Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine: Trump als Game-Changer? Kommentar: Was hat Russland von der US-amerikanischen Verhandlungsinitiative? Kommentar: Frieden à la Trump? Drei Probleme und zwei Szenarien Kommentar: Stellen die USA und Russland die Ukraine und Europa beim Friedensprozess aufs Abstellgleis? Kommentar: Verhandlungen ohne zu verhandeln Kommentar: Millionen für eine Unterschrift: Russlands Rekrutierung in den Regionen Kommentar: Ernüchterung nach dem Fest der Haushaltsausgaben Kommentar: Drei Jahre Krieg: Die Lage der Dinge an den Fronten und in den Armeen Chronik: Hinweis auf die Online-Chronik Russlands Krieg gegen die Ukraine: Umfrageergebnisse / Rolle der russischen Exilopposition (25.02.2025) Analyse: Russland im Security Radar 2025 Analyse: Opposition – aber gegen wen und wogegen? Zu den Motiven der ukrainischen Skepsis gegenüber der russischen Exilopposition Umfragen: Einstellungen in der Ukraine gegenüber Russland und der russischen Antikriegsopposition Chronik: Hinweis auf die Online-Chronik Gender / Gasversorgung (03.02.2025) Analyse: Russlands Kampagne für eine Rückkehr des Patriarchalen: Förderung „traditioneller Werte“ mit dem Ziel demographischer und sexueller Souveränität Umfragen: Gendergerechtigkeit und -rollenbilder Analyse: Folgen der Beendigung des Gastransports durch die Ukraine für EU-Länder und Moldau Chronik: Hinweis auf die Online-Chronik Silowiki (23.12.2024) Analyse: Die Silowiki im Krieg: Die russischen Geheimdienste seit Februar 2022 Analyse: Die GRU – Russlands Militärgeheimdienst Analyse: Russlands Freiwilligenformationen: Vehikel zur Rekrutierung, Loyalitätsbeweis oder Zeichen der Machtdiffusion? Chronik: Hinweis auf die Online-Chronik Einstellung zum Krieg (20.12.2024) Analyse: Entwicklung der gesellschaftlichen Wahrnehmung und der Zustimmung in Russland zum Krieg gegen die Ukraine Umfragen: Einstellung zum Krieg gegen die Ukraine dekoder: Verschollene Gefallene Chronik: Hinweis auf die Online-Chronik Wirtschaftsmodell und Eliten (25.10.2024) Veränderungen in den Beziehungen zwischen Staat und Unternehmen angesichts des Krieges und der Sanktionen Ranking: Russen auf der Forbesliste der Milliardäre weltweit 2024 Analyse: Rätselhafte Todesfälle in der russischen Elite vor dem Hintergrund des russischen Überfalls auf die Ukraine Chronik: Hinweis auf die Online-Chronik Russlands Auslandspropaganda (11.10.2024) Analyse: Wie deutschsprachige alternative Medien vom Kreml unterwandert und instrumentalisiert werden Kommentar: Sympathien für Putin: Eine Folge politischer Entfremdung Kommentar: Schulprojekt: "Russische Propaganda erkennen" – ein Werkstattbericht Dokumentation: Lesetipps: Russische Desinformationskampagne Doppelgänger in Deutschland Dokumentation: EU vs Disinfo: Doppelgänger Dokumentation: Durchführungsverordnung des Rates der Europäischen Union zu Sanktionen gegen Russland Dokumentation: Öffentliche Bewertung des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Deutschen Bundestags der russischen Einflussnahme in Deutschland Kommentar: Lauschangriff auf deutsche Offiziere: Russlands hybride Kriegsführung Chronik: Hinweis auf die Online-Chronik Russlands Weizenexporte (12.09.2024) Analyse: Konzentration der russischen Weizenexporte nach Ägypten und in die Türkei: Evidenzen aus den Exporten der Häfen Noworossijsk und Rostow Analyse: Weizenhandel zwischen Russland und dem Iran: ein unsteter Trend Chronik: Hinweis auf die Online-Chronik Nordkaukasus / Russisch-Orthodoxe Kirche (26.07.2024) Analyse: Ramsan Kadyrow: Halb Putins loyaler Prätorianer, halb ergebener Diener des tschetschenischen Volkes Dokumentation: Lesetipps zu Tschetschenien und Kadyrows Gewaltherrschaft, Familienclan, seinem Gesundheitszustand und Spekulationen über seinen Rücktritt Dokumentation: Ramsan Kadyrows Spezialoperation. Was schreiben die Regionalchefs auf Telegram und VK über Russlands Krieg gegen die Ukraine? Analyse: Fehlwahrnehmung: Inguschetien und Dagestan zwei Jahre nach der russischen Vollinvasion in die Ukraine Analyse: Prüfung durch das Gebet. Welche Perspektiven haben die Kriegsgegner in der Russisch-Orthodoxen Kirche? Chronik: Chronik: 1. bis 6. Juli 2024 Stimmen aus Russland: Museumswesen / Gewalt gegen Frauen (24.07.2024) Editorial: Stimmen aus Russland Geheimhaltung und Manipulation von Daten (05.07.2024) Analyse: Die Open Data-Lage in Russland während des Krieges:
zwischen Drohnenangriffen und bürokratischen Grabenkämpfen Analyse: Die Kunst der Datenmanipulation in Russland: Erkenntnisse aus der COVID-19-Pandemie Chronik: Hinweis auf die Online-Chronik Personalveränderungen in Regierung und Präsidialverwaltung (11.06.2024) Analyse: Regierungsumbildung in Moskau: Herrschaftssicherung sticht Effizienzsteigerung Analyse: Andrej Beloussow – Russlands neuer Kriegsminister dekoder: Alexej Djumin Chronik: 30. April – 18. Mai 2024 30 Jahre russische Verfassung (14.05.2024) Editorial: Einleitung der Gastherausgeberin Analyse: Wie der Gewalt der Weg geebnet wurde
. Die Verfassungskrise von 1993 und Russlands politischer Entwicklungspfad Analyse: Über die Bedeutung der russischen Verfassung Analyse: Legitimierung autoritärer Transformation
. Russlands Verfassungsgericht und der Preis des Kompromisses Analyse: Frauenrechte und die russische Verfassung
. 30 Jahre des Versagens Analyse: Menschenrechte in der Hochschullehre in Russland Lesetipp: Was kann die russische Verfassung noch leisten?
 Rechenschaft und Gerechtigkeit in einem Russland nach Putin dekoder: Meine Angst, mein Hass dekoder: Wie man den Drachen besiegt Dokumentation: 15 Thesen eines russischen Bürgers, der am Wohlergehen seines Landes interessiert ist Dokumentation: Politische Gefangene und ihre Schlussworte vor Gericht Chronik: 22. – 26. April 2024 Wahlen / Alternativen / öffentliche Meinung (02.05.2024) Analyse: Die Präsidentschaftswahl 2024: Ergebnisse und Deutungen Umfragen: Einstellung im Vorfeld der Präsidentschaftswahl 2024 in Russland Statistik: Präsidentschaftswahlen in Russland 2000 – 2024 dekoder: Es braucht eine Aussicht auf Veränderung Ranking: Die politische Elite im Jahr 2023 Chronik: 18. März – 20. April 2024 Krieg zwischen Israel und Hamas / Antisemitismus (03.04.2024) Analyse: Eine neue Phase der russisch-israelischen Beziehungen nach dem 7. Oktober 2023 Umfragen: Einstellungen zum Krieg zwischen Israel und der Hamas Analyse: Antisemitismus in Russland – ein alter Bekannter meldet sich zurück Umfragen: Antisemitismus in Russland Dokumentation: Gewissensfreiheit und Anti-Extremismus-Gesetzgebung in Russland dekoder: Lesetipp: Gaza und die Juden im Kaukasus Chronik: 11. – 18. März 2024 Annektierte Gebiete (27.03.2024) Analyse: Zehn Jahre russische Annexion: Die aktuelle Lage auf der Krim Analyse: Die Lage im annektierten Donbas zwei Jahre nach dem 24. Februar 2022 Umfragen: Einstellung der Bevölkerung zur Krim und dem Krieg gegen die Ukraine Chronik: 14. Februar – 10. März 2024 Propaganda / Nawalnyj (19.02.2024) Analyse: It’s fake! Wie der Kreml durch Desinformationsvorwürfe die Diskreditierung von Informationen in ein Propagandainstrument verwandelt Kommentar: Der Kampf um die Deutungshoheit. Deutsche Medien zu Ukraine, Krim-Annexion und Russlands Rolle im Jahr 2014 Von der Redaktion: dekoder-Special "Propaganda entschlüsseln" Kommentar: Erste Gedanken zum Tod und zum Leben Alexej Nawalnys Statistik: Politisch motivierte strafrechtliche Verfolgung in Russland Chronik: 23. Januar – 09. Februar 2024

Dokumentation: Zusammenfassung und Empfehlungen des Berichts "Academic Freedom in Russia: State Repression and its Influence on Academic Practice" (Science at Risk Monitoring Report, Dezember 2024) Russland-Analysen Nr. 463

/ 4 Minuten zu lesen

Seit 2014 wird die Wissenschaftsfreiheit in Russland stark eingeschränkt. Viele Wissenschaftler:innen wandern deswegen aus, unter anderem wegen (Selbst-)Zensur und Druck durch Hochschulverwaltungen.

Wladimir Putin posiert am 2. September 2024 mit Schüler:innen einer Kadettenschule in Kysyl, Tuwa, Russland. (© picture-alliance, ZUMAPRESS.com | Vyacheslav Prokofyev/Kremlin Poo)

Die Entwicklung der russischen Hochschullandschaft zeigt, dass das Land nicht in der Lage war, den Aufschwung der Wissenschaftsfreiheit der 1990er Jahre aufrechtzuerhalten. Die durch die Öleinnahmen finanzierten Reformen der 2000er Jahre beförderten die internationale Integration, unter anderem durch den Beitritt zum Bologna-Prozess. Die Forschungskapazitäten der Universitäten in Russland wurden ausgebaut. Diese Reformen gingen aber zu Lasten der universitären Autonomie und der demokratischen Wissenschafts- und Hochschulverwaltung. Die institutionelle Autonomie russischer Hochschuleinrichtungen blieb jahrelang eines der schwächsten Merkmale der Wissenschaftsfreiheit in Russland. Das hat die Anstrengungen des Staates erleichtert, wieder mehr Kontrolle auszuüben und die ursprüngliche Demokratisierung und Liberalisierung umzukehren.

Nach Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine im Jahr 2014 und insbesondere nach Beginn der Vollinvasion von 2022 ist die Wissenschaftsfreiheit in Russland beträchtlich erodiert. Die Freiheit von Forschung und Lehre wurde durch verstärkte Repressionen, Ideologisierung und Kriegszensur drastisch eingeschränkt. Wissenschaftler:innen und Studierende üben Selbstzensur und sehen sich administrativem Druck oder sogar einer Strafverfolgung ausgesetzt. Gleichzeitig befördern neue ideologische Pflichtkurse antiukrainische Narrative und militaristische Propaganda. Die Freiheit des wissenschaftlichen Austauschs und der Verbreitung von Forschungsergebnissen ist ganz erheblich beschnitten worden. Internationale Verlage und Institutionen brachen ihre Kontakte zu russischen Wissenschaftler:innen ab. Der Ausstieg aus dem Bologna-System hat die russische Wissenschaft zusätzlich isoliert. Die institutionelle Autonomie ist erodiert, weil der Staat zunehmend in die Verwaltung und die Lehrpläne eingreift und militarisierte Aufsichtsgremien innerhalb der Universitäten installiert. Darüber hinaus erfolgte ein drastischer Rückgang der Campus-Integrität, da sich die russischen Universitäten zu streng überwachten Räumen mit einer umfassenden Infrastruktur für Repressalien und Überwachung gewandelt haben. Dissens wird entschlossen unterdrückt, wodurch eine Atmosphäre der Angst erzeugt wird. Die Freiheit der wissenschaftlichen und kulturellen Meinungsäußerung hat am stärksten gelitten. Die Kriegszensur hat Stellungnahmen gegen den Krieg kriminalisiert, wobei Wissenschaftler:innen und Studierenden harte Strafen drohen (die von Entlassung bis hin zu Gefängnisstrafen reichen). Dieser repressive Druck wird durch den Staat, die Universitätsverwaltungen und illiberale politische Graswurzelbewegungen ausgeübt. Die politische Verfolgung innerhalb von Bildungseinrichtungen erfolgt unter anderem durch Denunziationen, den Einsatz von Ethikkommissionen und durch administrative Maßnahmen. Damit sollen oppositionelle und gegen den Krieg gerichtete Aktivitäten bestraft werden; auch Polizei und Justiz greifen unmittelbar ein.

Zensur und Selbstzensur dominieren nun das akademische Leben und beeinflussen die Forschungsagenda. Die Grundzüge der akademischen Integrität scheinen zwar erhalten geblieben zu sein, doch versuchen die Wissenschaftler:innen, sich in "neutralen" Forschungsgebieten zu verstecken oder eine Diskussion heikler Themen auf ein Minimum zu reduzieren. Die Sozial– und Geisteswissenschaften sind besonders betroffen, da die Ergebnisse dort durch ideologischen Konformismus beeinträchtigt werden.

Trotz all dieser Umstände stellen sich einige russische Wissenschaftler:innen und Studierende gegen Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine und versuchen, versteckte Proteste oder Widerstandsaktionen zu organisieren. Sie verfassen offene Briefe gegen das militärische Vorgehen Russlands in der Ukraine oder fordern von ihren Rektor:innen, dass diese ihre Unterschrift unter dem Brief des Verbands der Rektor:innen zur Unterstützung der Vollinvasion in die Ukraine zurückziehen.

Eine andere Strategie bestand für russische Wisschenschaftler:innen darin, Zuflucht in einem anderen Land zu suchen. Die volle Dimension dieser Entwicklung ist zwar nur schwer abzuschätzen, aber es ist doch offensichtlich, dass gerade jene, die einst als Brücke der russischen Wissenschaft hin zur Integration in die globale Forschungslandschaft fungiert hatten, aus dem Land geflohen sind. Russische Wissenschaftler:innen erfahren im Exil oft eine Marginalisierung, vor allem durch beschränkte Möglichkeiten in Bezug auf den Erhalt von Visa und die finanzielle Grundlage ihrer Forschungstätigkeit. Die russische Regierung geht weiterhin gegen dissidentische Wissenschaftler:innen vor, indem diese als "ausländische Agenten" und deren Initiativen als "unerwünschte Organisationen" gebrandmarkt werden. Dennoch gibt es Wissenschaftler:innen, die unentwegt versuchen, außerhalb Russlands alternative Bildungs- und Forschungsinitiativen wie die "Freie Universität", "Smolnyj ohne Grenzen", den "Boris Nemzow Master" für Russlandstudien an der Karlsuniversität Prag oder "Wissenschaftsbrücken" (auf Russisch: Akademitscheskije Mosty) zu starten. Sie alle setzen sich für einen Beitrag zur globalen Wissenschaft und für Resilienz gegen Repressionen ein, um jetzt schon einen Beitrag für eine möglicherweise offenere Zukunft der russischen Wissenschaft zu leisten.

Eine Unterstützung russischer Wissenschaftler:innen im Exil, etwa durch vereinfachten Erhalt von Visa, Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigungen über zwei Jahre hinaus, Mentor:innenprogramme, subventionierte Sprachkurse und Möglichkeiten zum Networking würde ihrer Integration in die lokalen Wissenschaftslandschaften dienlich sein. Im Zusammenspiel mit der Förderung von gemeinsamen Forschungs– und Bildungsprojekten mit unabhängigen Wissenschaftsplattformen der russischen Diaspora könnten solche Maßnahmen eine unabhängige russische Wissenschaft bewahren und deren Stellung bei der zukünftigen Entwicklung der russischen Gesellschaft stärken.

Quellen / Literatur

SCIENCE AT RISK Monitoring Report. Academic Freedom in Russia: State Repression and its Influence on Academic Practice, Dezember 2024, Externer Link: https://science-at-risk.org/wp-content/uploads/2024/12/Report_Russia_2024_print_09.12.2024.pdf

Fussnoten

Fußnoten

  1. Zavadskaya, Margarita, and Theodore Gerber. "Rise and fall: social science in Russia before and after the war.” Post-Soviet Affairs 39, no.  1-2 (2023): 108–120.

  2. So sammelte beispielsweise ein offener Brief russischer Wissenschaftler:innen und Wissenschaftsjournalist:innen 8.489 Unterschriften; Externer Link: https://www.t-invariant.org/2022/02/we-are-against-war/.

  3. Dubrovskiy, D. (2022). War and the academic community in Russia. Baltic Worlds, 15(1), 38–44.

  4. Chankseliani, Maia, and Elizaveta Belkina. "Academic Exodus from Russia: Unravelling the Crisis.” Journal of Comparative & International Higher Education 16, no. 3 (2024): 97–105.

Weitere Inhalte