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Kommentar: Drei Jahre Krieg: Die Lage der Dinge an den Fronten und in den Armeen | Russland-Analysen | bpb.de

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Kommentar: Drei Jahre Krieg: Die Lage der Dinge an den Fronten und in den Armeen Russland-Analysen Nr. 462

Nikolay Mitrokhin

/ 8 Minuten zu lesen

Nach drei Jahren Krieg sind sowohl die angreifende russische Armee als auch die sich verteidigende ukrainische abgenutzt und brauchen eine Pause.

Soldat der Russischen Armee beim Kampftraining in der Luhansker Volksrepublik. (© picture-alliance/dpa, TASS/Alexander Reka)

Ein zentraler Begriff, mit dem sich gegen Ende des dritten Kriegsjahres die Lage der Dinge an den Fronten beschreiben ließe, ist "Erschöpfung". Und das gilt in erster Linie für die menschlichen Ressourcen, die unter dem gegenwärtigen Rekrutierungsmodell der beiden Armeen an ihre Grenzen stoßen. Auf beiden Seiten der Front fehlt das Personal für die eingeschlagene Kriegsstrategie. Das gilt in erster Linie für die Infanterie an vorderster Front, deren Reihen mit Soldaten aus spezialisierten Einheiten in den rückwärtigen Gebieten und mit immer kostspieligeren Vertragssoldaten aufgefüllt werden. Im Laufe eines Jahres haben sich in Russland die Bonuszahlungen für einen Vertragsabschluss verzehnfacht und sind bis auf 27.000 US-Dollar hochgeschnellt. In der Ukraine sind ähnliche Zahlungen für Freiwillige der Altersgruppe der 18- bis 25-Jährigen eingeführt worden, die nicht der Einberufung unterliegen. Die Zahlungen in der Ukraine waren von Anfang an etwas höher als die in Russland (30.000 USD) und gehen mit einer Vielzahl anderer Vergünstigungen einher. Auf russischer Seite, wo die Verluste intensiver sind, hat sich im Winter 2024/25 verbreitet die Praxis entwickelt, dass verwundete und noch nicht auskurierte Soldaten aus frontnahen Krankenhäusern in die Sturmeinheiten abkommandiert werden. Das Internet ist voll von Videoaufnahmen ukrainischer Drohnen, auf denen russische Soldaten zu sehen sind, die auf Krücken zu den Frontgräben humpeln und mit den Gehhilfen versuchen, den heranschwebenden surrenden Tod abzuwehren.

Drohnen verschiedener Art sind im Laufe des dritten Kriegsjahres zum wichtigsten Waffentyp geworden. Sie übernehmen die Aufklärung und gewährleisten die Versorgung der Einheiten an vorderster Front. Vor allem aber sind sie die wichtigste Angriffswaffe an der Front, die sowohl gegen Soldaten wie auch gegen militärisches Gerät eingesetzt werden. Sie haben von ihrer Bedeutung her die Artilleriegeschosse abgelöst, und mehr noch sämtliche Arten mobiler Waffensysteme und Schusswaffen, über die die Infanterie sonst noch verfügt.

Aufgrund des intensiven Einsatzes von Drohnen ist anderes militärisches Gerät an oder in der Nähe der Front zu einem "wunden Punkt" der kriegsführenden Seiten geworden, und zwar trotz des verstärkten und erweiterten Arsenals an Instrumenten für den elektronischen Kampf (EK; engl.: electronic warfare – EW), die jetzt praktisch an allen Geräten und Fahrzeugen angebracht werden und an den Schwerpunktstellungen vorhanden sind. Die Ausfälle von militärischem Gerät haben derartige Dimensionen erreicht, dass russische Militärangehörige im vergangenen Jahr von zwar alten und "wiederhergestellten" gepanzerten Fahrzeugen auf noch ältere sowjetische Fahrzeuge mit abgesägten Dächern und auf Motorräder umsattelten. Mitunter kommen gar Maultiere und Kamele zum Einsatz. Auf ukrainischer Seite ist die Lage ein wenig besser, doch auch hier führen Versuche, die Front mit Fahrzeugen zu durchbrechen – selbst, wenn sie nicht sonderlich weit reichen – zu erheblichen Verlusten. Die sind besonders schmerzlich, weil die Ukraine über wenig eigenes Gerät verfügt und die Lieferungen aus dem Westen im Grunde kümmerlich sind.

Die technischen Veränderungen bei der Kriegführung sind derart groß und zielstrebig, dass beide Seiten wohl hoffen, eine Wunderwaffe zu finden, die bei minimalen Investitionen und durch massenhaften Einsatz den Gegner in die Knie zwingen kann. Das erfolgte beispielsweise im vergangenen Jahr auf dem Schwarzen Meer, als ukrainische Seedrohnen eine Reihe erfolgreicher Angriffe fuhren und die russische Schwarzmeerflotte aus ihren gewohnten Buchten nach Osten vertrieben und sie damit praktisch aus dem Spiel nahmen. Dann schossen am 31. Dezember 2024 eben diese unbemannten Boote mit ihren Luftabwehrgeschützen mit Boden-Luft-Raketen zwei russische Hubschrauber ab. Das war der erste Kampf in der Geschichte zwischen schwimmenden Drohnen und von Menschen gesteuerten Fluggeräten – und es bedeutete im westlichen Schwarzen Meer eine ernste Gefahr für die russische Luftwaffe.

Das könnte die gesamte militärische Lage in dem Gebiet verändern, da die russischen Garnisonen auf den Inseln vor der besetzten Schwarzmeerküste der Krim und des Gebietes Cherson überwiegend aus der Luft versorgt werden. Und die meisten Flugplätze auf der Krim – auf denen nicht nur Hubschrauber stationiert sind, sondern auch Flugzeuge und Hubschrauber der russischen Marine – liegen in Küstennähe, weswegen die Hubschrauber und Flugzeuge während des Anflugs verwundbar sind.

Auf russischer Seite stellten sich die Gleitbomben als eine solche "Wunderwaffe" heraus, die im vergangenen Jahr den russischen Truppen am Boden den Weg ebneten, indem sie starke ukrainische Verteidigungsstellungen wie die bei Awdijiwka, Krasnohoriwka, Uhledar, Welyka Nowoselka und Torezk vernichteten. Eine andere wichtige Neuentwicklung waren die mit Hilfe von Glasfasern gesteuerte Drohnen, die verhindern konnten, dass die Operation der ukrainischen Streitkräfte im Gebiet Kursk plangemäß durchgeführt wird.

Allerdings ist eine "Wunderwaffe" wie auch ein einfach neues und gutes Waffensystem kein Allheilmittel; sie muss auch taktisch gekonnt eingesetzt werden, im Zusammenspiel mit anderen Waffenarten, und unter Beachtung des wichtigsten Ziels: dass nämlich das Leben der eigenen Soldaten bewahrt wird.

Hier erlebten beide Seiten eine Enttäuschung. Die gut ausgebildeten und gut ausgerüsteten Brigaden der ukrainischen Streitkräfte, die im August 2024 in das russische Gebiet Kursk in verschiedenen Richtungen vordrangen, verloren viel westliches Gerät, weil sie in den ersten Tagen bei erfolglosen Durchbruchversuchen in Kolonnen vorrückten. Dadurch haben sich die ukrainischen Streitkräfte nicht nachhaltig in der Region festsetzen können. Die dänischen F-16, die im Herbst geliefert wurden, und auf die sich große Hoffnungen gerichtet hatten, konnten an der Front nicht ihre Wirkung entfalten. Eine von ihnen ging gleich beim ersten Kampfeinsatz in der Landesmitte verloren. Die Ukraine hat die Produktion und den Einsatz von schweren Angriffsdrohnen drastisch hochgefahren, die Objekte tief im russischen Hinterland (u. a. Raffinerien) ins Visier nehmen. Allerdings gelang es mit diesen Angriffen nicht, in Russland eine Treibstoffkrise zu erzeugen oder die russischen Lieferungen von Ölprodukten über die Ostsee- und Schwarzmeerhäfen zu unterbinden. Mehr noch: Als Antwort zerstörte Russland über die Hälfte der ukrainischen Energiekapazitäten.

Durch den Einsatz von Gleitbomben sind in den Städten der Ukraine zwar etliche Gebäude sowie Schwerpunktstellungen an der Front zerstört worden, doch ist es Russland gleichzeitig nicht gelungen, die eigenen Verluste an Mannschaften und Gerät zu verringern. Der Einsatz dieser Bomben blieb mindestens in einem Drittel der unternommenen Angriffe erfolglos (insbesondere im Nordosten der Ukraine, u. a. bei Siwersk, Kupjansk, Wowtschansk und Charkiw. Ebenso wenig haben die Glasfaser-Drohnen bewirkt, dass die ukrainischen Truppen ganz aus dem Gebiet Kursk herausgedrängt werden konnten.

Der Hauptschwachpunkt ist bei beiden Streitkräften weiterhin die Qualität der Planung konkreter Operationen und der politische Druck auf das Militär. Auf beiden Seiten sprechen interne Kritiker etwa auf russischer Seite davon, dass sich die russische Armee in den vielen Städten und Dörfern im Donbass sowie im Norden des Gebiets Charkiw "aufgerieben" habe, ohne eine strategische Niederlage der ukrainischen Streitkräfte zu erreichen. Die ukrainische Armee wiederum habe in diesem Jahr im Gebiet Kursk Reserven verbraucht, anstatt die russischen Durchbrüche im Donbass und im Gebiet Charkiw abzuwehren. Dadurch habe man fast den gesamten Süden des Gebietes Donezk verloren sowie sämtliche der wenigen Erfolge von 2023 an der Front bei Saporishshja zunichte gemacht.

In dieser Hinsicht brauchen beide Armeen (wie auch beide Länder und beide Volkswirtschaften) zweifellos ein Ende der Kampfhandlungen und eine Erholung. Die Ukraine ist hier leider in einer schwächeren Position, da die russische Armee weiterhin vorrückt, auch wenn sich im Januar und Februar 2025 das Tempo des Vormarsches erheblich verringert hat.

Es liegt nahe, dass bei einer Analyse für die Gründe der faktischen Niederlage der Ukraine in diesem Krieg – auch wenn wir noch viele Worte hören, sie habe gesiegt, weil sie sich als Staat behauptete, was ja auch der Wahrheit entspricht – neben für die ukrainische Propaganda typischen, an den Westen adressierten Argumenten von mangelnder Unterstützung, einem Unwillen, bestimmte Waffentypen zu liefern, oder der Weigerung, selbst im Osten zu kämpfen, auch andere Argumente auftauchen könnten, wie sie jetzt (wenn auch begrenzt) in der ukrainischen Presse erörtert werden. Dabei geht es nicht nur um Korruption (die insgesamt das Mobilisierungspotenzial des Landes erodieren ließ und die Bereitstellung von all dem behinderte, was an der Front benötigt wurde). Thematisiert wird auch die mangelhafte Planung auf allen Ebenen und das verspätete und sehr fragmentarische Interesse der Staatsführung an einer Stärkung der eigenen rüstungsindustriellen Potenziale, weil man auf eine großzügige und kostenlose Unterstützung durch den Westen gehofft habe.

Dem Präsidenten der Ukraine zufolge habe das Land erst vor kurzem begonnen, wenigstens 30 Prozent der benötigten Menge an Waffensystemen zu produzieren. Alles andere seien Lieferungen aus dem Westen. Zuvor sei die Lage noch schlimmer gewesen.

Russland hingegen kann auf die eigene Rüstungsindustrie zurückgreifen. Allerdings hat im Laufe des vergangenen Jahres die Abhängigkeit von Lieferung von Munition (vor allem von Artilleriegeschossen) und Drohnen aus dem Iran und aus Nordkorea zugenommen. Pjöngjang ist zu einem "strategischen Partner" geworden und stellte eine kleinere Menge Waffen und Soldaten zur Verfügung, was sich übrigens in keiner Weise auf die Effektivität der Kampfhandlungen auswirkte.

In drei Jahren Krieg mit riesigen Verlusten hat keine der beiden Konfliktparteien ihre erklärten Ziele erreicht.

Der Aggressor Russland hat es weder vermocht, die Ukraine unter seine Kontrolle zu bringen, noch die vermeintliche militärische Gefahr für seine Grenzen zu bannen. Allerdings ist es Moskau gelungen, konkrete taktische Ziele zu erreichen. So konnten die ukrainischen Streitkräfte aus der Region Luhansk vertrieben und weiter von der Stadt Donezk abgedrängt werden. Gebiete mit großen Kohle-, Lithium- und Salzvorkommen im Zentrum und im Süden der Region Donezk wurden unter Kontrolle genommen. Und es gelang, einen Landkorridor zur Krim zu schaffen und umfangreiche fruchtbare Gebiete im Südosten der Ukraine zu besetzen.

Die Ukraine hat es geschafft, ihre Unabhängigkeit zu verteidigen und die Geschlossenheit ihres Volkes und der Gesellschaft im Kampf gegen einen um das mindestens dreifache stärkeren Feind zu wahren.

Es wird sich zeigen müssen, ob es gelingen wird, mit Hilfe der im Februar begonnenen Gespräche einen Plan zur Beendigung des Krieges auszuarbeiten und umzusetzen. Es besteht eine realistische Chance, dass die Kämpfe zum Jahresende beendet sein könnten; allerdings wird dies bis jetzt durch nichts anderes als durch Hoffnung und verkündete Absichten untermauert.

Übersetzung aus dem Russischen: Hartmut Schröder

Der vorliegende Kommentar ist eine übersetzte und gekürzte Fassung eines russischsprachigen Artikels, der in einer englischen Fassung unter dem Titel "Three Years Since the Invasion: How the Russia-Ukraine Front Line Looks Today" am 24.02.2025 bei Russia.Post online erschienen ist: Externer Link: https://russiapost.info/politics/three_years_invasion.

Fussnoten

Weitere Inhalte

Dr. Nikolay Mitrokhin ist assoziierter wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen. Er schreibt für die Zeitschrift OSTEUROPA regelmäßig in einem Blog über aktuelle Entwicklungen im Krieg Russlands gegen die Ukraine (Externer Link: https://zeitschrift-osteuropa.de/blog/themenschwerpunkt/fokus-krieg-in-der-ukraine/).