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Kommentar: Frieden à la Trump? Drei Probleme und zwei Szenarien | Russland-Analysen | bpb.de

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Kommentar: Frieden à la Trump? Drei Probleme und zwei Szenarien Russland-Analysen Nr. 462

Heiko Pleines

/ 8 Minuten zu lesen

Verhandlungen mit Russland: Warum Trumps Friedensinitiative in der Ukraine wohl scheitern wird. Drei Probleme und zwei Szenarien.

2003 unterzeichneten Wladimir Putin und der ukrainische Präsident Leonid Kutschma den russisch-ukrainischen Grenzvertrag, an den Russland sich ebenso wenig hielt wie an andere Verträge. (© picture-alliance/dpa, Valeriy Soloviov)

Die vom neuen amerikanischen Präsidenten Donald Trump angestoßene Friedensinitiative für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine basiert auf einem Einfrieren des militärischen Konflikts bei weitgehendem Verzicht auf Sicherheitsgarantien und Unterstützung für die Ukraine. Aus der Perspektive der internationalen Sicherheitsordnung, die etwa im Rahmen von UN-Konventionen formal von allen Staaten der Welt akzeptiert wurde und die auch Europa seit dem Zweiten Weltkrieg geprägt hat, gibt es drei Probleme mit dem amerikanischen Vorschlag, die im Folgenden erläutert werden. Diese Probleme sagen aber nichts darüber aus, was tatsächlich zu erwarten ist. Am Ende dieses Kommentars skizziere ich deshalb kurz zwei wahrscheinliche Szenarien für die weitere Entwicklung.

Problem 1: Terrorregime in den besetzten Gebieten

Russland kontrolliert de facto derzeit knapp ein Fünftel des ukrainischen Staatsgebietes. Der Bevölkerung in den von Russland besetzten Gebieten bringt eine Verhandlungslösung keinen Frieden. Sie würde auf Dauer von russischen Besatzern terrorisiert, wie beispielhaft die Berichte des Hohen Kommissars für Menschenrechte der UNO oder auch des amerikanischen Außenministeriums sowie ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte belegen. Diebstahl und Enteignung durch russische Armeeangehörige sind an der Tagesordnung. Es gibt umfangreiche Kontrollen auf pro-ukrainische Einstellungen ("Filtration"), willkürliche Erschießungen und Hinrichtungen, Foltergefängnisse und massenhafte Verschleppung von Kindern, die in Russland zwangsadoptiert werden. Da die besetzten Gebiete von Russland abgeschottet werden – internationale Organisationen oder unabhängigen Medien haben kaum Zugang –, wird der ganze Umfang russischer Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen nur dort deutlich, wo die russischen Truppen abgezogen sind

Problem 2: Sicherheitsgarantien für die Ukraine

Russland hat die territoriale Integrität der Ukraine mehrfach anerkannt. Bereits der Vertrag zur Auflösung der Sowjetunion 1991 garantierte die territoriale Integrität. Im Budapester Memorandum bestätigte Russland 1994 nicht nur die territoriale Integrität der Ukraine, sondern auch den Verzicht auf militärischen oder wirtschaftlichen Zwang als Gegenleistung für die Übergabe der ukrainischen Atomwaffen an Russland. Im 1999 in Kraft getretenen russisch-ukrainischen Freundschaftsvertrag wurde erneut die Unverletzbarkeit der Grenzen bestätigt. 2003 unterzeichnete der russische Präsident Wladimir Putin persönlich den internationalen Vertrag , der den genauen Verlauf der russisch-ukrainischen Grenze festlegte.

Alle diese Garantien der ukrainischen Grenzen hat Russland bereits 2014 mit der Annexion der Krim dauerhaft gebrochen. Außerdem hat Russland seit 2014 über den Einsatz der eigenen Armee in der Ukraine immer gelogen. So wurde behauptet, die russische Armee sei nicht an der Annexion der Krim beteiligt gewesen. Ein Jahr später gab Putin selbst den russischen Einsatz zu. Russland bestreitet bis heute die Verantwortung für den Abschuss eines zivilen Flugzeugs (MH17) über der Ostukraine im Sommer 2014, obwohl das zuständige niederländische Gericht klare Beweise für die Beteiligung der russischen Armee und die Verantwortung der russischen politischen Führung vorlegte. Ebenso hat Russland bestritten, die eigene Armee vor 2022 in den Separatistengebieten in der Ostukraine stationiert zu haben, obwohl es regelmäßig Beweise für die Anwesenheit russischer Truppen gab. Noch wenige Tage vor dem Großangriff auf die Ukraine im Februar 2022 leugnete Russland vehement entsprechende Pläne und bezeichnete sie als westliche Panikmache und Propaganda.

Wenn jetzt eine Verhandlungslösung erreicht wird, gibt es keine Garantie, dass sich Russland an entsprechende Vereinbarungen hält. Wenn die Ukraine sicher sein will, dass sie nicht wieder wie 2014 oder 2022 von Russland überfallen wird, braucht sie robuste Sicherheitsgarantien.

Problem 3: Präzedenzfall

Es geht allerdings nicht nur um den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Eine Verhandlungslösung mit Russland würde der ganzen Welt demonstrieren, dass massive, bewusst geplante Kriegsverbrechen folgenlos bleiben und Kriege wieder für Gebietsgewinne genutzt werden können. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs sind Eroberungskriege nicht nur durch internationales Recht verboten, sondern Kriege zwischen Staaten sind tatsächlich zu einer Ausnahme geworden. Versuche, durch Annexionen Staatsgrenzen zu verschieben, werden international nicht anerkannt.

Jede aktuell realistische Verhandlungslösung mit Russland würde aber die russische Besatzung von Teilen des ukrainischen Staatsgebietes akzeptieren. Das wäre ein globales Signal, dass Eroberungen möglich sind, und eine bessere militärische Vorbereitung die entsprechenden Kosten reduziert. Folge wäre nicht nur ein stärkeres Wettrüsten in vielen Weltregionen, sondern der vermeintliche Frieden in der Ukraine würde Eroberungskriege in der Welt wahrscheinlicher machen.

Das Verschieben von Staatsgrenzen durch einen Angriffskrieg und massenhafte Kriegsverbrechen könnten wieder dauerhaft Teil von Außenpolitik werden. Das gilt nicht nur für weitere russische Ansprüche gegenüber Staaten auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion, sondern betrifft auch Chinas Ansprüche gegenüber Taiwan oder z. B. die militärische Intervention Ruandas im Kongo. Die derzeit regelmäßig von Trump formulierten territorialen Ansprüche etwa bezüglich des Gazastreifens oder Grönlands passen auch in dieses Bild einer Welt des 19. Jahrhunderts, in der die stärkere Armee immer Recht hat.

Szenario 1: Russland will mehr

Diese Probleme prägen aber nicht den amerikanischen Vorschlag für Verhandlungen mit Russland. Die weitere Entwicklung des Krieges hängt nun vielmehr von der russischen Reaktion ab. Russland hat den Anspruch auf fünf ukrainische Regionen in seine Verfassung geschrieben. Einen großen Teil dieses Gebietes kontrolliert Russland nicht. Gleichzeitig bedeutet die russische Forderung nach "Entmilitarisierung" und "De-Nazifizierung" der Ukraine, dass die Ukraine keine Möglichkeit haben soll, einen zukünftigen russischen Angriff abzuwehren und dass eine pro-russische Führung in der Ukraine installiert wird. De facto würde dies für die Ukraine eine vollständige Abhängigkeit von Russland bedeuten.

In diesem Kontext ist es schwer vorstellbar, dass sich die ukrainische Armee an die Grenzen der von Russland beanspruchten Regionen zurückzieht. Dort gibt es keine Verteidigungsstellungen und die Wirtschaftskraft und das Transportnetz des Landes würden durch die Gebietsaufgaben weiter geschwächt. Gleichzeitig zeigen alle Meinungsumfragen, dass die Unterstützung für die russischen Ansprüche und eine pro-russische Führung in der ukrainischen Bevölkerung minimal ist. Zum Beispiel erklärten im September 2024 in einer Umfrage des renommierten Umfrageinstituts KIIS gerade einmal 5 von über 2.000 Befragten eine "sehr gute" Einstellung gegenüber Russland zu haben, weniger als 3 % waren auch nur ansatzweise positiv. In einer Umfrage von DIF und Razumkov Zentrum im August 2024 erklären nur 9 %, dass sie bereit wären den Verlust der von Russland besetzten Gebiete anzuerkennen, um den Krieg zu beenden.

Um ihre erklärten Kriegsziele zu erreichen, kann die russische Führung deshalb entscheiden, den Krieg fortzuführen, falls sie davon ausgeht, langsam aber sicher militärisch erfolgreich zu sein. In diesem Fall dienen Friedensverhandlungen nur dazu, die internationale Aufmerksamkeit abzulenken und Zeit zu gewinnen, in der es keine amerikanische Unterstützung für die Ukraine gibt.

Wenn die Verhandlungen mit Nordkorea in der ersten Amtszeit Trumps einen Anhaltspunkt bieten, dann dürften die USA in diesem Fall schnell das Interesse an komplexen und nicht erfolgversprechenden Friedensverhandlungen verlieren und sich anderen Themen zuwenden. Ob die USA nach einer russischen Ablehnung der Friedensverhandlungen die militärische Unterstützung für die Ukraine fortsetzen bzw. wiederaufnehmen würden, ist nicht vorhersagbar. Für den Fortbestand einer unabhängigen Ukraine wäre auf jeden Fall nachhaltige militärische Unterstützung erforderlich.

Szenario 2: Russland braucht Atempause

Ein Abkommen zur Beendigung des Krieges oder für einen Waffenstillstand ist möglich, wenn die russische Führung davon ausgeht, dass eine Pause nötig ist, um die eigene Wirtschaft zu stabilisieren und die Armee zu stärken. Die Hoffnung auf eine Rücknahme von Sanktionen oder zumindest weniger Druck auf Drittländer, die Sanktionen zu beachten, könnte dabei eine Rolle spielen.

Zu bedenken ist auch, dass die russischen Probleme von außen schwer einzuschätzen sind und größer sein können, als von vielen vermutet. So gibt es Analysen, die zeigen, dass Russland bei der Rekrutierung von Soldaten zunehmend Probleme hat und wahrscheinlich keine Truppen mehr besitzt, die zu einem schnellen Vorstoß über weite Strecken ausgebildet sind. An entsprechenden Problemen scheiterte bereits die Invasion im Frühjahr 2022. Ebenso könnten in Russland aufgrund der hohen Verluste bestimmte Waffen, etwa Panzer , oder auch erforderliche Bauteile, wie Computerchips oder Geschützrohre , so knapp werden, dass die Armee ihre Kampfkraft verliert. Auch sind die langfristigen Schäden durch ukrainische Drohnenangriffe auf russisches Gebiet schwer einzuschätzen.

Bezeichnend könnte sein, dass es Russland immer noch nicht geschafft hat, die von Präsident Putin bereits für den letzten Herbst angeordnete vollständige Rückeroberung der russischen Region Kursk zu erreichen. Ebenso hat Russland die Kontrolle über das Schwarze Meer weitgehend verloren. Etliche Expert:innen werden mit der Einschätzung zitiert, dass Russland die aktuelle Kriegsführung nur noch etwa ein Jahr durchhalten kann.

Möglich wäre dadurch eine Friedenslösung entsprechend des amerikanischen Vorschlags, der ein Einfrieren des Konflikts entlang der aktuellen Frontlinie bedeutet. Dies hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auch in letzter Zeit wiederholt als mögliches Ergebnis angedeutet. Es bedeutet aber, dass Russland weitere Gebietsforderungen gegenüber der Ukraine aufrecht hält und versuchen wird, in der Ukraine eine pro-russische Führung zu installieren. Kurzum, es ist zu erwarten, dass Russland die Verhandlungslösung sabotieren wird, wie es das bereits im Fall der Minsker Abkommen praktiziert hat. Ergebnis wären ein Wettrüsten zwischen Russland und der Ukraine sowie eine instabile Lage an der Frontlinie, welche eskaliert sobald eine Seite für sich militärische Vorteile sieht.

Ausblick

Die oft wiederholte Aussage, dass jeder Krieg durch Verhandlungen endet, verstellt den Blick dafür, dass in vielen Fällen – vom Zweiten Weltkrieg bis zum Abzug der USA aus Afghanistan – dabei keine Lösung ausgehandelt wurde, sondern das Ergebnis durch den Krieg vorgegeben war. Umgekehrt bringen echte Verhandlungslösungen keinen Frieden, wenn sich nicht alle Seiten verpflichtet fühlen, sich auch dann noch an das Verhandlungsergebnis zu halten, wenn eine erneute militärische Eskalation Erfolge verspricht.

Die aggressive russische Rhetorik, Großmachtansprüche und hybride Angriffe nicht nur auf Moldawien, sondern auch auf EU-Mitgliedsländer bedeuten, dass Russland nach einem Erfolg in der Ukraine nicht einfach zufrieden und friedlich werden dürfte, sondern den Erfolg eher als Ermutigung verstehen dürfte, den eigenen Einfluss weiter auszuweiten. Dementsprechend ist die einzige Alternative zur längerfristigen Fortführung des Krieges die nachhaltige Abschreckung Russlands von weiteren Angriffen auf die Ukraine. Dies dürfte ohne eine deutlich größere und mutigere militärische Unterstützung aus Europa kaum zu erreichen sein.

Weitere Inhalte

Prof. Dr. Heiko Pleines leitet die Abteilung Politik und Wirtschaft der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen.