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Kommentar: Der Ukrainekrieg: Kriegsängste, die Akzeptanz von Waffenlieferungen und Autokratieakzeptanz in Deutschland | Russland-Analysen | bpb.de

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Kommentar: Der Ukrainekrieg: Kriegsängste, die Akzeptanz von Waffenlieferungen und Autokratieakzeptanz in Deutschland Russland-Analyse Nr. 437

Thomas Richter Peter Wetzels Diego Farren Katrin Brettfeld

/ 3 Minuten zu lesen

Russlands Überfall auf die Ukraine geht beim Großteil der Deutschen mit massiven Kriegsängsten, einer hohe Akzeptanz für Waffenlieferungen und eine autokratische staatliche Führung einher.

Protestierende während der Münchener Sicherheitskonferenz am 18.02.2023. (© picture-alliance, ZUMAPRESS.com | Sachelle Babbar)

Im Februar 2023 fand im Rahmen des bundesweiten Forschungsverbundes MOTRA (Monitoringsystem und Transferplattform Radikalisierung) eine repräsentative Online-Umfrage unter mehr als 2.400 erwachsenen Personen in Deutschland statt, in der unter anderem die Akzeptanz von Waffenlieferungen zur Unterstützung der Ukraine sowie subjektive Einschätzungen der Bedrohung Deutschlands durch diesen Krieg thematisiert wurden.

Es zeigte sich, dass der Überfall Russlands auf die Ukraine bei einer großen Mehrheit der deutschen Bevölkerung mit massiven Kriegsängsten einhergeht. Gleichzeitig findet sich eine hohe Akzeptanz für die Unterstützung der Ukraine durch eine Lieferung von militärischer Ausrüstung. Für die politische Situation innerhalb Deutschlands besonders wichtig ist schließlich, dass die Ausprägung von Kriegsangst in starkem Maße die Bereitschaft der Bevölkerung beeinflusst, demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien zugunsten einer autokratischen staatlichen Führung aufzugeben. Dies stellt eine massive Herausforderung unserer Gesellschaft dar, welche aus unserer Sicht zukünftig gezielter adressiert werden sollte.

Zwei Drittel der Menschen in Deutschland (68.0 %) äußerten sich im Februar 2023 „etwas“ (42.0 %) oder „sehr“ (26.0 %) besorgt darüber, dass Russland einen militärischen Angriff auf Deutschland starten könnte.

Vergleichbar groß war die Sorge, dass Einrichtungen in Deutschland zum Ziel russischer Anschläge werden (69.5 %). 70.5 % waren „etwas“ oder „sehr“ besorgt, dass es in Europa zum Einsatz von Atomwaffen kommen könnte. Zusammen genommen zeigte sich damit bei ca. zwei Dritteln der deutschen Bevölkerung (69,4 %) eine hohe Kriegsangst (vgl. dazu Grafik 1).

Diese hohe Kriegsangst geht einher mit einer erhöhten Bereitschaft, eine militärische Unterstützung der Ukraine durch Deutschland in Form der Lieferung militärischer Ausrüstung zu befürworten. Nur knapp ein Fünftel (18,6 %) der Bevölkerung lehnte jegliche Lieferung militärischer Ausrüstungen ab. 34.8 % stimmten der Lieferung militärischer Ausrüstung zu, wenn diese auf Waffen zur Verteidigung beschränkt sind. 13.1 % befürworteten zusätzlich die Lieferungen von Kampfpanzern. Ein weiteres Drittel (33.5 %) stimmte zudem einer Lieferung von Kampfflugzeugen und/oder Raketen zu (vgl. dazu Grafik 2).

Diese Einstellungen zu Waffenlieferungen unterscheiden sich allerdings deutlich zwischen den Anhänger:innen der verschiedenen politischen Parteien. 48,2 % der AfD-Wähler:innen lehnten eine Lieferungen militärischer Ausrüstung an die Ukraine völlig ab; nur etwas mehr als 20 % von ihnen stimmten der Lieferung von Angriffswaffen (Panzer bzw. auch Flugzeuge/Raketen) zu. Für keine andere Partei findet sich ein ähnliches Profil. Im Gegensatz dazu hielt die Mehrheit der Grünen-Wähler:innen die Lieferung von Flugzeugen oder Raketen für richtig (50,9 %). Hier lehnten nur 2,5 % jegliche Waffenlieferungen an die Ukraine ab. Die Wähler:innen aller anderen Parteien ordneten sich zwischen diesen beiden Profilen ein, so wie in Grafik 3 dargestellt.

Die Wahrnehmung einer Bedrohung durch kriegerische Auseinandersetzungen kann erhebliche Auswirkungen auf politische Einstellungen entfalten. Kriegsangst kann Anlass sein, Schutz durch eine starke staatliche Führung zu suchen und dafür auch demokratische Prinzipien aufzugeben. Genau dies ist im Kontext des Ukraine-Krieges zu beobachten. Personen mit hoher Kriegsangst zeigten mit 32,7 % eine um fast 10 Prozentpunkte höhere Autokratieakzeptanz als Befragte mit niedriger Kriegsangst (22,7 %). Hier finden sich allerdings deutliche Unterschiede bezüglich einzelner Teilaspekte.

Während hohe Kriegsangst die Bewertung einer Diktatur als vermeintlich besserer Staatsform nur leicht und nicht signifikant beeinflusst (+2,3 Prozentpunkte), sind die Auswirkungen bei den vier anderen Teilaspekten der Autokratieakzeptanz deutlich stärker und hoch signifikant: Menschen mit hoher Kriegsangst wünschten sich häufiger einen Führer, der mit starker Hand regiert (+5,1 Prozentpunkte) und sprachen sich stärker dafür aus, dass der Bundestag weniger Einfluss haben sollte (+9,6 Prozentpunkte).

Neben dieser Präferenz für eine Einschränkung der parlamentarischen Kontrolle wurde bei hoher Kriegsangst auch vermehrt die Ansicht vertreten, die Handlungsfähigkeit der Regierung dürfe nicht durch Gerichte eingeschränkt werden (+9,7 Prozentpunkte) und dass wir uns längere politische Debatten und Meinungsvielfalt aktuell nicht mehr leisten können (+13,1 Prozentpunkte). Der Zusammenhang zwischen Autokratieakzeptanz und Kriegsangst ist in Grafik 4 dargestellt.

Insgesamt entfalten der Ukrainekrieg und damit verbundene Bedrohungsgefühle erhebliche Ausstrahlungswirkungen auf die politische Debattenkultur sowie die Akzeptanz grundlegender Prinzipien der parlamentarischen Demokratie. Diese Zusammenhänge müssen zukünftig nicht nur sorgfältig beobachtet, sondern auch systematisch im Rahmen von politischer Bildung und Extremismusprävention adressiert werden.

Weitere Inhalte

leitet den Forschungsschwerpunkt „Politische Verantwortlichkeit und Partizipation“ am Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien (GIGA) in Hamburg.

leitet das Institut für Kriminologie an der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg.

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kriminologie der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg.

ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kriminologie der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg.